Bundestagswahl 2005

Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
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Vorläufiges amtliches Endergebnis
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Sitzverteilung, Vorläufiges amtliches Endergebnis
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Gewinne und Verluste (Prognose um 22:58 Uhr)
Stimmzettel bei der Wahl 2005

Die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag fand am 18. September 2005 statt. Gewählt wurde in 298 von 299 Wahlkreisen. Im Wahlkreis 160 Dresden I findet am 2. Oktober 2005 eine Nachwahl statt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Vertrauensfrage an das Parlament gerichtet, das ihm mit seinem Votum vom 1. Juli 2005 das Vertrauen nicht aussprach. Anschließend hat der Kanzler die Auflösung des Bundestags vorgeschlagen. Bundespräsident Horst Köhler hat am 21. Juli 2005 den 15. Deutschen Bundestag aufgelöst und Neuwahlen angeordnet. Über die Verfassungsmäßigkeit dieses Verfahrens existieren unterschiedliche Auffassungen, zumal das Bundesverfassungsgericht 1983 in einem ähnlichen Fall massive Bedenken geäußert hatte. Bei der Bundestagsauflösung 2005 bestätigte es mit Urteil vom 25. August 2005 die Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsauflösung.

Das Vorziehen der Wahl des Bundestags bedeutet zwar eine Verkürzung der 15. Legislaturperiode, hat aber keine Auswirkung auf die Länge der 16. Legislatur.


Vorläufiges amtliches Endergebnis der 6 Parteien im 16. Bundestag (ohne Wahlkreis Dresden I)

Bei einer Wahlbeteiligung von 77,7% haben die zugelassenen Parteien folgendes Ergebnis erzielt. Der Anteil der ungültigen Zweitstimmen betrug 1,6%.

Partei Stimmanteil +/- 2002 Sitze +/- 2002
  SPD 34,3 -4,2 222 -29
  Union
 CDU
 CSU
35,2
27,8
7,4
-3,3
-1,7
-1,6
225
179
46
-23
-11
-12
  Grüne 8,1 -0,5 51 -4
  FDP 9,8 +2,4 61 +14
  Linkspartei 8,7 +4,7 54 +52
  Andere 3,9 +0,9 - -

CDU und CSU sind selbständige Parteien und werden wahlrechtlich separat behandelt. Im Parlament bilden sie eine Fraktionsgemeinschaft, der 225 Sitze zugeordnet sind.

Die sonstigen Parteien haben zusammen 3,9 % erreicht.

Überhangmandate

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gibt es 15 Überhangmandate, die sich wie folgt auf die Parteien verteilen:

  • SPD: 9, davon
    • 1 in Hamburg
    • 3 in Brandenburg
    • 4 in Sachsen-Anhalt
    • 1 im Saarland
  • CDU: 6, davon
    • 3 in Sachsen
    • 3 in Baden-Württemberg

Der 16. Deutsche Bundestag wird nach dem Bundeswahlgesetz aus 598 Abgeordneten plus 15 Überhangmandaten, also aus insgesamt 613 Abgeordneten bestehen.

Übersicht Zweitstimmen und Sitze

Partei Zweitstimmen Prozent Sitze Prozent der Wahlberechtigten
CDU / CSU 16 591 120 35,2 219+6 27,92
SPD 16 148 240 34,3 213+9 26,22
FDP 4 619 519 9,8 61 7,50
Die Linke. 4 086 134 8,7 54 6,63
Grüne 3 826 194 8,1 51 6,21
NPD 743 903 1,6 0 1,21
REP 266 317 0,6 0 0,43
GRAUE 198 271 0,4 0 0,32
Familie 191 400 0,4 0 0,31
Tierschutzpartei 110 468 0,2 0 0,18
PBC 108 266 0,2 0 0,18
MLPD 45 166 0,1 0 0,07
Bayernpartei 35 404 0,1 0 0,06
BüSo 35 068 0,1 0 0,06
Die Frauen 27 637 0,1 0 0,04
AGFG 20 448 0 0 0,03
PSG 15 365 0 0 0,02
50Plus 10 539 0 0 0,02
ProDM 10 307 0 0 0,02
Die PARTEI 10 300 0 0 0,02
Deutschland 9 631 0 0 0,02
APPD 4 220 0 0 0,01
Zentrum 4 035 0 0 0,01
Offensive D 3 342 0 0 0,01
Nichtwähler 13 717 797     22,27
Ungültige Stimmen 758 633 1,6 0 1,23

Prämissen für die Regierungsbildung

mögliche Koalition Sitze
Union-SPD 447
Union-FDP-Grüne 337
SPD-FDP-Grüne 334
SPD-Linke-Grüne 327
Union-FDP 286
SPD-Grüne 273
absolute Mehrheit 307

Vorbehaltlich der Nachwahl im Wahlkreis Dresden I, die bis zu 3 Sitze im Parlament beeinflussen kann, bedarf es für eine übliche Kanzlerwahl und Regierungsbildung gemäß Art. 63 Abs. 2 GG einer absoluten Mehrheit von mindestens 307 Abgeordneten-Stimmen (Kanzlermehrheit) für den Vorschlag des Bundespräsidenten.

Dies ist von Verfassungs wegen jedoch nicht die einzige Möglichkeit eine Bundesregierung zu kreieren:

  • In einem 2. Wahlgang kann der Bundestag mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Kanzler wählen, ohne sich am Vorschlag des Präsidenten zu orientieren (Art. 63 Abs. 3 GG).
  • In einem 3. Wahlgang ist sogar die relative Mehrheit für eine Kanzlerwahl ausreichend, also die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 63 Abs. 4 GG). Dadurch ist eine Minderheitsregierung zulässig.

Politisches Vorfeld der Wahl 2005

Nach der deutlichen Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 erklärte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale in Absprache mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, eine Neuwahl schon im Herbst 2005 herbeiführen zu wollen. Um 20 Uhr erklärte Bundeskanzler Schröder in einer kurzen Ansprache:

Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Es geht darum, unser Land unter den besonderen Bedingungen der Überwindung der deutschen Teilung auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts auszurichten. Mit der Agenda 2010 haben wir dazu entscheidende Weichen gestellt. Wir haben notwendige Schritte unternommen, die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfähig zu machen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Erste Erfolge auf diesem Weg sind unübersehbar. Bis sich aber die Reformen auf die konkreten Lebensverhältnisse aller Menschen in unserem Land positiv auswirken, braucht es Zeit. Vor allem aber braucht es die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für eine solche Politik. Mit dem bitteren Wahlergebnis für meine Partei in Nordrhein-Westfalen ist die politische Grundlage für die Fortsetzung unserer Arbeit in Frage gestellt. Für die aus meiner Sicht notwendige Fortführung der Reformen halte ich eine klare Unterstützung durch eine Mehrheit der Deutschen gerade jetzt für erforderlich. Deshalb betrachte ich es als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland als meine Pflicht und Verantwortung, darauf hinzuwirken, dass der Herr Bundespräsident von den Möglichkeiten des Grundgesetzes Gebrauch machen kann, um so rasch wie möglich, also realistischerweise für den Herbst dieses Jahres, Neuwahlen zum Deutschen Bundestag herbeizuführen.

Vertrauensfrage

siehe Hauptartikel Vertrauensfrage

Verfassungsrechtliche Problematik

Nach dem Grundgesetz (GG) gibt es in Deutschland kein Selbstauflösungsrecht des Parlaments und daher kein in der Verfassung geregeltes Verfahren für eine vorgezogene Wahl - anders als etwa in Großbritannien, wo vorgezogene Wahlen den Regelfall darstellen. Der Bundeskanzler stellte am 1. Juli 2005 im Parlament die Vertrauensfrage gemäß Art. 68 GG. Es war nach den Anträgen von Willy Brandt (1972) und Helmut Kohl (1982) das dritte Mal, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage mit dem Ziel stellte, sie zu "verlieren". Für eine derartige Vertrauensfrage hatte sich die Bezeichnung unechte Vertrauensfrage eingebürgert. In seinem Urteil vom 25. August 2005 hat das Bundesverfassungsgericht diesen Terminus verworfen und den Begriff auflösungsgerichtete Vertrauensfrage eingeführt.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen stellten mit einer hinreichend großen Zahl von Enthaltungen sicher, dass die Vertrauensfrage nicht positiv beantwortet wurde. Die Kanzlermehrheit von 301 Stimmen wurde daher verfehlt.

Anschließend schlug der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten vor, den Bundestag aufzulösen. Der Bundespräsident ordnete am 21. Juli 2005 die Parlamentsauflösung an. Er bezog sich in seiner Begründung auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983.

Damals hatten die Richter bezüglich der von Bundeskanzler Helmut Kohl auf ähnliche Weise herbeigeführten vorgezogenen Wahlen festgestellt, dass es keineswegs der freien Disposition des Bundeskanzlers unterliege, auf diese Weise vorzeitige Wahlen herbeizuführen (BVerfGE 62, 1). Vielmehr soll das Parlament kraft des normativen Charakters der vierjährigen Legislaturperiode nach Möglichkeit auch so lange amtieren und der Bundeskanzler eine Bundestagsauflösung nur dann anstrengen dürfen,
„wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiter zu regieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“
Somit ist – wenn auch in wechselseitigen Grenzen – ein gewisser Vorrang der Parlamentsperiode vor den Regierungsinteressen gegeben. Dennoch räumte das Verfassungsgericht die Kompetenz, die politische Lage als kritisch im Sinne des Art. 68 einzuschätzen, in erster Linie dem Bundeskanzler ein. Auch die darauf folgende Prüfung des Bundespräsidenten hat sich an den Kriterien des Bundeskanzlers zu orientieren.

Ob die 1983 vom Bundesverfassungsgericht genannten Voraussetzungen vorlagen, ist sowohl unter Publizisten als auch unter Rechtswissenschaftlern umstritten. Die Regierungsparteien haben eine – wenn auch knappe – Mehrheit von drei Sitzen über der absoluten Mehrheit. Außerdem konnten bisher alle Gesetzesentwürfe im Bundestag mit der Kanzlermehrheit verabschiedet werden. Dass alle im Bundestag vertretenen Parteien Neuwahlen für notwendig ansehen, ist grundsätzlich unbeachtlich, da der Bundestag über kein Selbstauflösungsrecht verfügt. Dem Bundespräsidenten könne aber diese Einigkeit einen „zusätzlichen Hinweis [geben], dass eine Auflösung des Bundestages zu einem Ergebnis führen werde, das dem Anliegen des Art. 68 GG näher kommt als eine ablehnende Entscheidung“, so das Verfassungsgericht 1983.

Meinungsbild in der Rechtswissenschaft

Unter Staatsrechtlern löste die Absicht, vorgezogene Neuwahlen durchzuführen, eine kontroverse Diskussion aus, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen lässt:

  • Die Befürworter sind in zwei Gruppen zu finden, die sich in der Begründung ihrer Haltung unterscheiden:
    • Eine Gruppe hält Neuwahlen für zulässig, da sich die Regierung in einer politischen Krise befinde, die ihr die Durchsetzung ihrer Politik funktional nicht erlaube. Auf eine formale Festlegung hinsichtlich des Bundestags – unter Abgrenzung vom Bundesrat – komme es nicht an, allenfalls wären die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat mitzuberücksichtigen (Peter Michael Huber, Ernst Gottfried Mahrenholz, Dietrich Murswiek, Joachim Wieland).
    • Die andere Gruppe betont die dem Kanzler von der Verfassung zugewiesene Einschätzungsprärogative, ob er die ihn tragende Mehrheit als hinlänglich sicher für seine Politik empfindet oder ob er die Vertrauensfrage stellt. Dies sei ausschlaggebend. Die Regierungskoalition verfüge ohnehin nur über eine Mehrheit von drei Stimmen über der Kanzlermehrheit, und diese Mehrheit sei nunmehr noch „wackeliger“ geworden, so dass es schwierig sei, sein Urteil anzuzweifeln (Georg Hermes, Roman Herzog, Christian Hillgruber, Jörn Ipsen, Hans-Hugo Klein, Joachim Rottmann).

Rechtspolitische Forderungen nach parlamentarischem Selbstauflösungsrecht

Obwohl mehrere Verfassungsrechtler, darunter Ernst Benda, Ernst Gottfried Mahrenholz und Ingo von Münch, öffentlich eine Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel eines Selbstauflösungsrechts des Parlaments befürworteten, wurde ihre Forderung von keiner Partei aufgegriffen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Neuwahlen 2005 hat sich eine lebhafte Diskussion über eine solche Verfassungsänderung entwickelt. Befürworter finden sich in allen Parteien. Auch Bundespräsident Horst Köhler sprach sich für eine Diskussion darüber aus.

Einigkeit besteht unter den Befürwortern darüber, dass zur Missbrauchsverhinderung ein hohes Quorum gelten muss, damit nicht aus reinem politischem Kalkül heraus Neuwahlen herbeigeführt werden können. Diskutiert werden eine Mehrheit von 2/3, von 3/4 oder 4/5 der Bundestagsabgeordneten.

Organstreitverfahren von Bundestagsabgeordneten

In einem Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) können Bundestagsabgeordnete die Auflösungsanordnung anfechten. Sie sind in ihren Rechten verletzt, wenn die Parlamentsauflösung verfassungswidrig wäre, denn diese verkürzt ihr bis Herbst 2006 erteiltes Mandat. Die Abgeordneten Jelena Hoffmann (SPD) und Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) leiteten einen solchen Organstreit gegen den Bundespräsidenten ein. Berichterstatter in dem Verfahren war Richter Udo Di Fabio. Das Gericht hielt am 9. August 2005 eine mündliche Verhandlung ab und traf eine Entscheidung noch vor dem angesetzten Wahltermin wie bereits 1983. Es verkündete am das Urteil:

Die Anträge der Abgeordneten wurden mit Urteil vom 25. August 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht bestätigte die Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten als rechtmäßig. Es verwies auf die Einschätzungsprärogative des Kanzlers und den begrenzten Kontrollumfang des Verfassungsgerichts.

siehe ausführlich: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Neuwahlen 2005

Der Bundespräsident hatte erklärt, dass er – anders als Karl Carstens im Jahr 1983 – nicht zurückgetreten wäre, falls das Gericht seine Auflösungsentscheidung für verfassungswidrig erklärt hätte.

Hätte der Bundespräsident die Auflösung des Bundestags abgelehnt, dann hätte der Bundeskanzler ein Organstreitverfahren gegen den Bundespräsidenten anstrengen können. Grundsätzlich ist der Bundespräsident jedoch nicht verpflichtet, den Bundestag aufzulösen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Um einem Antrag des Bundeskanzlers stattzugeben, müsste entweder der Bundespräsident sein Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt haben oder er müsste zu Unrecht davon ausgegangen sein, dass ihm kein Ermessen zusteht, da er rechtsirrig die (insbesondere ungeschriebenen) Voraussetzungen für eine Auflösung als nicht gegeben angesehen hätte.

Verfassungsstreitverfahren von Parteien und Bürgern

Auch mehrere kleine Parteien (nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts mindestens acht) haben Organstreitverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet, da sie sich durch die verkürzte Vorwahlzeit benachteiligt sehen.

Die APPD hat bereits wenige Minuten nach der Auflösungsanordnung des Bundespräsidenten einen Antrag eingereicht. Auch sind unter anderem Anträge der ödp, der Familien-Partei und der Partei Pro DM eingegangen. Mit den Anträgen wenden sich die Parteien in erster Linie dagegen, dass sie bis zum Wahltermin nur äußerst wenig Zeit hatten, um die erforderlichen Unterschriften zu sammeln, während vor normalen Wahlen dafür 13 Monate zur Verfügung gestanden hätten. Hierdurch sehen sie ihre Chancen, im gesamten Bundesgebiet zur Wahl anzutreten, beeinträchtigt. Manche Parteien haben als Verfahrensart die Verfassungsbeschwerde gewählt.

Die Anträge der Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit, der Familien-Partei und der ödp, den Organstreitverfahren von Werner Schulz und Jelena Hoffmann beizutreten, hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschlüsse vom 8. August 2005 abgelehnt mit der Begründung, dass das mit den Organstreitverfahren der drei Parteien geltend gemachte Interesse dem der beiden klagenden Bundestagsabgeordneten nicht gleichgeordnet sei.

Am 23. August 2005 verwarf das Bundesverfassungsgericht die Anträge der ödp und der Familien-Partei als unzulässig (Az.: 2 BvE 5/05). Denn die Auflösung des Bundestags tangiere die Parteien nicht in ihren Rechten, auch nicht - wie hilfsweise geltend gemacht - in ihrer Chancengleichheit aus Art. 38 und Art. 3 Grundgesetz. Gegen die 1975 verabschiedeten Regelungen betreffend die Unterschriftenquoren, die der Gesetzgeber auch bei der Wahlrechtsnovelle von 1985 trotz Kenntnis von der diesbezüglichen Problematik bei vorgezogenen Bundestagswahlen unangetastet gelassen hat, hätte binnen sechs Monaten nach ihrem Erlass vorgegangen werden müssen. Am 13. September wurden aus denselben Erwägungen ähnliche Klagen der Republikaner, der Zentrumspartei, der AGFG und der Deutschen Weißen Partei zurückgewiesen (Az.: BvE 6/05, 8/05, 9/05 und 10/05).

Die Verfassungsbeschwerde der Partei Offensive D (Az.: 2 BvR 1298/05) wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Des Weiteren haben auch mehrere Bürger Verfassungsbeschwerde gegen die Bundestagsauflösung erhoben.


Wahlkreise

Auch für den 16. Deutschen Bundestag beträgt die gesetzliche Anzahl der Abgeordneten 598. Die Wahlkreise wurden allerdings in einigen Gebieten im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 verändert. Thüringen hat (von 10 auf 9) einen Wahlkreis verloren, Bayern (von 44 auf 45) einen hinzugewonnen.

Nachwahl in Wahlkreis Dresden I

Nach dem Tod der Direktkandidatin der NPD, Kerstin Lorenz, wird die Abstimmung im Wahlkreis 160 (Dresden I) auf den 2. Oktober 2005 verschoben. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es das bislang zweimal gegeben: 1961 und 1965 musste wegen verstorbener Kandidaten eine Nachwahl zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, was aber in beiden Fällen keinen Einfluss auf die parteipolitische Zusammensetzung des Bundestages hatte.

Damit konnten etwa 219.000 Dresdner (6,1 Prozent der sächsischen Wahlberechtigten) am 18. September nicht wählen. Die bisher abgegebenen Briefwahl-Stimmen sind ungültig und werden vernichtet.

Das endgültige amtliche Wahlergebnis wird erst nach der Wahl in Dresden festgestellt. Nach Ansicht des Berliner Staatsrechtlers Christian Pestalozza hätten die Ergebnisse vom 18. September bis zum Abschluss der Nachwahl unter Verschluss gehalten werden müssen. Andernfalls könnten die betroffenen Bürger ihre Stimme viel gezielter einsetzen. „Dadurch sind Freiheit und Gleichheit der Wahl beeinträchtigt“, so der Experte. Das halte er für verfassungsrechtlich bedenklich. Ähnlich äußerte sich der CDU-Direktkandidat in dem betroffenen Wahlkreis, Andreas Lämmel. Er hatte der Bild-Zeitung gesagt, die Auszählung der Stimmen in ganz Deutschland dürfe erst erfolgen, wenn auch die in Dresden eingesammelt seien. Auch die Dresdner FDP-Direktkandidatin Peggy Bellmann hatte gefordert: „Bis zur Nachwahl dürfen nirgendwo Stimmen ausgezählt werden.“

Bei der Bundestagswahl vor drei Jahren hatte die SPD mit nur geringem Vorsprung gewonnen.

Der Wahlkreis 160 wird voraussichtlich keine Auswirkungen auf die Rangfolge der Fraktionen im Bundestag haben, er kann jedoch für einzelne Sitzverschiebungen zwischen den Parteien oder den Landeslisten einzelner Parteien sorgen:

Aufgrund des negativen Stimmgewichtes im Bundestagswahlrecht ist es in bestimmten Konstellationen möglich, dass zusätzliche Stimmen für eine Partei diese einen Sitz gegenüber dem vorläufigen Ergebnis kostet. Insbesondere die CDU mit ihren 3 Überhangmandaten in Sachsen (Vorläufiges Endergebnis) ist dafür anfällig.

Zwischen den Landeslisten kann es zu Verschiebungen bei der FDP, den Grünen und der CDU kommen (Alabama-Paradoxon). Erhält die FDP in Dresden etwa 4.000 Zweitstimmen (was wahrscheinlich ist), erhält die FDP Thüringen einen zusätzlichen Sitz zu Lasten der FDP Nordrhein-Westfalen. Ebenso kann bei (unwahrscheinlichen) 40.000 Zweitstimmen der Grünen ein Sitz der Grünen Hessen zu den Grünen Saarland wechseln. Erhält die Union zwischen 9.409 und 41.226 Stimmen, so wechselt ein Sitz von der CDU Nordrhein-Westfalen zur CDU des Saarlandes.

Politische Kräfte

SPD

 
Gerhard Schröder (SPD)

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte im Jahr 2003 angekündigt, bei den nächsten Bundestagswahlen zum dritten Mal als Kanzlerkandidat für die SPD antreten zu wollen, wenn diese auch eigentlich erst für 2006 vorgesehen waren. Die Fortführung der rot-grünen Koalition ist das erklärte Ziel der SPD-Spitze; eine große Koalition von SPD und CDU wird zwar als "nicht gewollt" dargestellt, jedoch auch nicht ausgeschlossen.

Gleichzeitig sind einige SPD-Politiker bemüht, sich deutlich von den Grünen abzusetzen. So erklärte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, man wolle keinen "Mopsfledermaus-Wahlkampf" führen.

Außerdem will die SPD in ihrem Wahlmanifest durch "Innovationsregionen" Bürokratie abbauen. Der Bundeshaushalt soll konsolidiert werden, aber es wird keine terminliche Zielvorgabe genannt.

CDU/CSU

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Angela Merkel (CDU)
 
Edmund Stoiber (CSU)

CDU/CSU streben für die vorgezogene Neuwahl im Herbst 2005 die Ablösung der gegenwärtigen Bundesregierung an. Als Koalitionspartner nennen sie die FDP; eine große Koalition mit der SPD lehnen sie ab. Die Union hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel als Kanzlerkandidatin nominiert. Diese hat angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die Mehrwertsteuer von 16% auf 18% anzuheben und dafür die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um zwei Prozentpunkte zu senken. Außerdem soll der Atomkonsens zugunsten längerer Laufzeiten der Kraftwerke aufgegeben werden. Dadurch verspricht sich die Union eine Senkung der Strompreise. Die gesetzliche Krankenversicherung soll künftig über eine Gesundheitsprämie, deren Höhe nicht wie bisher nach dem Einkommen bemessen wird, finanziert werden; es ist jedoch ein Steuerausgleich für Geringverdiener vorgesehen. Außerdem will Merkel Bürokratie abbauen und den Bundeshaushalt bis 2013 konsolidieren.

Dem so genannten Kompetenzteam der Kanzlerkandidatin Merkel gehören neben ihr und dem CSU-Vorsitzenden, Edmund Stoiber, auch Paul Kirchhof (Finanzen, Haushalt), Peter Müller (Wirtschaft, Arbeit), Dieter Althaus (Aufbau Ost), Günther Beckstein (Inneres), Wolfgang Schäuble (Außenpolitik), Ursula von der Leyen (Soziales), Annette Schavan (Bildung), Gerda Hasselfeldt (Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Umwelt) und Norbert Lammert (Kultur) an.

Grüne

 
Joschka Fischer (Grüne)

Bündnis 90/Die Grünen treten an, um ihre Politik von „solidarischer Modernisierung in ökologischer Verantwortung“ (so der Titel ihres Wahlprogramms) fortzusetzen. In ihrem Wahlprogramm, beschlossen in Berlin am 17. Juli 2005, haben sie arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Forderungen (wie z.B. die Verschiebung von Subventionen, die den verschwenderischen Umgang mit knappen Ressourcen begünstigen, zugunsten der Forschungs- und Technologieförderung) prominent herausgestellt, halten aber auch an ihren anderen Punkten (Atomausstieg, geregelte Zuwanderung und Integration, Verbraucherschutz, Transparenz und informationelle Selbstbestimmung, Gleichberechtigung der Geschlechter und sexuellen Identitäten) fest. Ob sie im nächsten Bundestag ihre Politik werden umsetzen können, wird von den Wahlergebnissen der anderen Parteien und von Koalitionsverhandlungen abhängen. Nach Aussagen führender Grüner kommt weder eine Koalition mit der Union noch mit der Linkspartei in Betracht.

Joschka Fischer wurde zum „Spitzenkandidaten“ gekürt und kandidiert auf Platz 2 der hessischen Landesliste für den Bundestag hinter der Staatssekretärin Margareta Wolf. Andere Landeslisten werden von Renate Künast, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, und Claudia Roth angeführt. Zum grünen Spitzenteam gehören außerdem Umweltminister Jürgen Trittin, Parteivorsitzender Reinhard Bütikofer, die beiden Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager, die Politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sowie der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck.

Außerdem wollen die Grünen analog zur SPD Bürokratie abbauen und den Bundeshaushalt konsolidieren.

FDP

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Guido Westerwelle (FDP)

Anders als 2002 hat die FDP auf die Nominierung eines eigenen Kanzlerkandidaten verzichtet. Stattdessen hat die FDP-Spitze am 23. Mai 2005 erklärt, dass sie eine Koalition mit der CDU/CSU anstrebe, obwohl sie die von der Union geforderten Erhöhung der Umsatzsteuer ablehnt. Zum „Spitzenkandidaten“ kürte die FDP Guido Westerwelle, der als einziger prominenter Politiker vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für den Fall eines Regierungswechsels vorgezogene Neuwahlen zum Bundestag gefordert hatte. Er führt die Landesliste in Nordrhein-Westfalen an, während in anderen Bundesländern diese Funktion von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bayern), Birgit Homburger (Baden-Württemberg), Wolfgang Gerhardt (Hessen), Joachim Günther (Sachsen), Rainer Brüderle (Rheinland-Pfalz), Jürgen Koppelin (Schleswig-Holstein), Markus Löning (Berlin) oder Cornelia Pieper (Sachsen-Anhalt) erfüllt wird.

Auch die FDP will Bürokratie abbauen und den Bundeshaushalt konsolidieren. Im Gegensatz zu ihrem potentiellen Koalitionspartner steht die FDP in ihrem Programm für mehr Datenschutz und einen besseren Schutz der Bürgerrechte.

Die Linkspartei.

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Gregor Gysi (Die Linke.PDS)
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Oskar Lafontaine (WASG, Co-Spitzenkandidat der Linken.)

Auf den offenen Listen der Linkspartei kandidierten auch Mitglieder der noch jungen Partei WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) und Parteilose. Spitzenkandidaten waren Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Während die Linkspartei bis zur Wahl nur mit Petra Pau und Gesine Lötzsch als direktgewählte Abgeordneten im 15. Deutschen Bundestag vertreten war, wird sie im Ergebnis der Bundestagswahlen als viertstärkste Fraktion in den Bundestag einziehen. In Ostdeutschland wurde sie hinter der SPD zweitstärkste Partei.

Die wichtigsten Forderungen der Linkspartei sind die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50%, die Einführung eines Mindestlohnes von 1000 Euro netto und 420 Euro Grundsicherung für Ost und West.

Andere Parteien

Den anderen Parteien gelang, wie allgemein erwartet, nicht der Einzug in den Bundestag.

Im Oktober 2004 kündigten NPD und DVU an, bundesweit gemeinsam antreten zu wollen. Begründet liegt dies vor allem darin, dass in verschiedenen Bundesländern meist nur eine der rechten Parteien Erfolge verzeichnen konnte. Einer Listenverbindung steht allerdings das Bundeswahlgesetz entgegen, das nur Parteien, nicht aber Parteiverbindungen zur Wahl zulässt. Daher trat formal nur die NPD an, auf den Landeslisten kandidierten aber auch DVU-Kandidaten. Bei der Europawahl 2009 soll dann die DVU antreten. Diese Strategie war bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg erfolgreich, aber schon in der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 erreichte die NPD nicht einmal mehr 1% der Stimmen und erlebte damit auch einen finanziellen Rückschlag. Die NPD kündigte an, dass sie fünf Direktmandate, unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt, gewinnen will.

Der Bundeswahlleiter ließ 26 weitere Parteien zur Wahl zu, drei zogen ihren Antrag zurück (darunter die WASG), 30 Parteien wurden abgelehnt. Zugelassen waren:

Die Landeswahlausschüsse prüften am 19. August 2005, ob diese Parteien die erforderliche Anzahl an Unterstützungsunterschriften für ihre Kreiswahl- und Landeslistenvorschläge gesammelt haben. Über die Beschwerden einiger Parteien wurde am 25. August 2005 vom Bundeswahlausschuss abschließend entschieden. Dabei wurden alle Beschwerden bis auf eine zurückgewiesen. Stattgegeben wurde lediglich der Beschwerde der NPD betreffend die Landesliste NPD in Baden-Württemberg, die der Landeswahlleiter nicht zugelassen hatte.

Danach traten insgesamt 25 Parteien mit Landeslisten zur Wahl an. Von den hier genannten waren dies:

  • die MLPD in allen Ländern
  • die NPD in allen Ländern
  • die Grauen in 11 Ländern
  • die Republikaner in 9 Ländern
  • die PBC in 8 Ländern
  • die BüSo in 7 Ländern
  • die Familien-Partei in 6 Ländern
  • die PSG und die Tierschutzpartei in vier Ländern
  • die Frauen und Pro DM in drei Ländern
  • APPD und die PARTEI in Hamburg und Berlin
  • 50plus (Brandenburg), AGFG (Sachsen), Bayernpartei (Bayern), Deutschland (NRW), Offensive D (Sachsen-Anhalt) und ZENTRUM (NRW) in einem Bundesland

Die meisten Parteien traten in Nordrhein-Westfalen an (16), die wenigsten in Schleswig-Holstein (8).

Vom Einzug von Parteien, die in der 15. Wahlperiode nicht (in Fraktionsstärke) im Bundestag vertreten waren, hing ab, ob das rot-grüne Lager mit SPD und Grünen oder das schwarz-gelbe Lager mit CDU/CSU und FDP eine eigene Mehrheit im Bundestag erhalten würde.

Streit um Wahlwerbespot

Die Ausstrahlung des APPD-Wahlkampfspots innerhalb des ARD-Programmes wurde kurzfristig vom WDR verweigert. Begründet wurde dies mit Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften und die Menschenwürde, mit Verherrlichung sexuellen Auslebens, von Sadomasochismus und Drogenkonsum. Dies sei zu Unrecht geschehen, wie APPD-Wahlkampfleiter Karl Nagel in einer Stellungnahme begründete. Die wenige Stunden vor Ausstrahlung eingereichte zensierte Fassung wurde vom WDR akzeptiert und am 26. August ausgestrahlt. Die APPD hat danach beim Oberverwaltungsgericht Münster eine einstweilige Verfügung erwirkt, die die Ausstrahlung der unzensierten Fassung der Wahlwerbung anordnete. Diese wurde daraufhin am 5. September erstmals gesendet. Da das ZDF die Ausstrahlung weiterhin verweigert und das Oberverwaltungsgericht Mainz dem ZDF zustimmte, hat die APPD am 9. September Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Für Aufmerksamkeit sorgte auch Die PARTEI, die einen Teil ihrer Werbezeit bei eBay zum Verkauf anbot. Das ZDF hatte eine genaue Prüfung des Spots angekündigt und diesen dann inklusive unübersehbarer Schleichwerbung gesendet.

Überblick über die Parteiprogramme zur Bundestagswahl 2005

Überblick der Kerninhalte der Programme der im Bundestag vertretenen Parteien:

Arbeitsmarktpolitik

  • SPD: Nachbesserungen an Hartz IV und Angleichung der Regelsätze zwischen Ost- und Westdeutschland. Ältere Arbeitslose sollen das einkommensabhängige Arbeitslosengeld I erhalten. Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
  • CDU/CSU: Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent, im Gegenzug Anhebung der Umsatzsteuer von 16 auf 18 Prozent. Einschränkung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellungen in Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern; in größeren Firmen erst nach zwei Jahren. Arbeitnehmer soll dann wählen können, ob Kündigungsschutz oder Anspruch auf Abfindung in den Arbeitsvertrag aufgenommen wird. Stärkung des Kombilohnsystems für mehr Beschäftigung im Niedriglohnsektor. Unternehmer sollen Hartz-IV-Empfänger 10 Prozent unter dem Tariflohn bezahlen dürfen.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Korrekturen bei Hartz IV und Angleichung der Regelsätze zwischen Ost- und Westdeutschland. Der Arbeitsmarkt im Niedriglohnsektor soll durch Steuersubventionen gefördert werden. Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
  • FDP: Einschränkung des Kündigungsschutzes. Arbeitnehmer sollen erst nach vier Jahren und nur in Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern Kündigungsschutz über den Kündingungsschutz nach dem BGB hinaus erhalten. Die FDP will zudem die Bundesagentur für Arbeit (BfA) aufspalten und neu organisieren.
  • Die Linkspartei.: Abschaffung der Arbeitsmarktreform Hartz IV. Anhebung der Regelsätze von 345 auf 420 Euro und höherer Freibeträge. Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 1.000 Euro netto.

Steuerpolitik

  • SPD: Gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer, dafür im Gegenzug eine dreiprozentige Abgabe für Großverdiener mit Einkommen von über 250.000 Euro. Absenkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent.
  • CDU/CSU: Anhebung der Umsatzsteuer von 16 auf 18 Prozent zur Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. Absenkung des Eingangssatzes der Einkommensteuer von 15 auf 12 Prozent und des Spitzensatzes von 42 auf 39 Prozent. Erhalt der Gewerbesteuer. Absenkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 22 Prozent. Beibehaltung der Ökosteuer.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer. Erhöhung des Spitzensatzes der Einkommensteuer von 42 auf 45 Prozent. Einführung einer Steuer für Großverdiener und stärkere Belastung von Großerben und Bürgern mit hohen Privatvermögen.
  • FDP: Gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer, dafür Einführung eines 3-Stufen-Modells von 15, 25 und 35 Prozent bei der Einkommensteuer. Der Eingangssteuersatz bleibt somit gleich und der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 35 Prozent gesenkt werden. Durch die Einführung eines Grundfreibetrags von € 7700 für jeden Bürger (auch jedes Kind), der auf das gesamte Familieneinkommen angerechnet wird, werden insbesondere Familien entlastet. Dies wird durch eine Erhöhung des Kindergeldes auf € 200 p.m. flankiert.
  • Die Linkspartei.: Gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer, dafür Erhöhung des Spitzensatzes der Einkommensteuer von 42 auf 50 Prozent. Beibehaltung des Eingangssteuersatzes von 15 Prozent. Wiedereinführung der Vermögensteuer und Neugestaltung der Erbschaftsteuer. Einführung einer sozialen Grundsicherung von 750 Euro für Alleinstehende und 1.900 Euro für Eltern mit zwei Kindern.

Gesundheitspolitik

  • SPD: Einführung einer Bürgerversicherung, auch für Selbständige, Beamte und Politiker. Höhe der Versicherung orientiert sich an der Leistungsfähigkeit. Die Bemessungsgrundlage für den Beitrag orientiert sich dabei an den sieben Einkunftsarten des Steuerrechts, also auch Unternehmensgewinne oder Kapitalerträge (dort bei Kleinsparern mit Freibeträgen). Erhalt der beitragsfreien Familienversicherung.
  • CDU/CSU: Einführung einer Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) für jeden erwachsenen Versicherten. Beitragshöhe ist eine feste Monatsprämie, die den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben der jeweiligen Krankenkasse entsprechen und kostendeckend sein soll.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Einführung einer Bürgerversicherung, auch für Selbständige, Beamte und Politiker anstelle der Kranken- und Pflegeversicherung. Höhe des Versicherungsbeitrags orientiert sich an der Leistungsfähigkeit. Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Erhalt der beitragsfreien Familienversicherung.
  • FDP: Abschaffung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), und jeder Bürger versichert sich privat (PKV). Ein Mindestschutz bleibt Pflicht. Versicherungsbeiträge für Kinder und sozial Schwache werden steuersubventioniert. Umstellung der Pflegeversicherung auf Kapitaldeckung.
  • Die Linkspartei.: Einführung einer Bürgerversicherung, auch für Selbständige, Beamte und Politiker, auch mit Kapital- und Mieteinnahmen. Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Private Zusatzversicherungen ermöglichen.

Außenpolitik

  • SPD: Weitere selbstbewusste Außenpolitik und gegen ein militärisches Engagement im Irak. Für eine Erweiterung der Europäischen Union um die Türkei. Mehr Verantwortung Deutschlands durch Übernahme eines ständigen Sitzes im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen.
  • CDU/CSU: Gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union, dafür eine privilegierte Partnerschaft. Gleiche Beziehungensintensität in der Außenpolitik zu Frankreich und zu den USA.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Weitere Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Für eine europaweite Volksabstimmung zur EU-Verfassung. Transatlantische Partnerschaft bleibt "Eckpfeiler" der Außenpolitik.
  • FDP: Förderung der transatlantischen Partnerschaft. Für einen Sitz der Europäischen Union (EU) im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen; als "zweitbeste Lösung" ein Sitz Deutschlands.
  • Die Linkspartei.: Gegen einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mehr Engagement in der Dritten Welt. Für eine Volksabstimmung zur EU-Verfassung.

Innere Sicherheit

  • SPD: Präventionsmaßnahmen zur Senkung der Jugendkriminalität. Verbesserter Datenaustausch von Polizei und Justizbehörden in Europa. Ausstattung der Sicherheitsbehörden mit effizientem Digitalfunksystem und mehr Kompetenzen für das Bundeskriminalamt (BKA).
  • CDU/CSU: Aufbau einer „Anti-Terror-Datei“ von Polizei und Nachrichtendiensten. Schärfere Sicherheitsmaßnahmen gegen terrorverdächtige Ausländer und eine Warndatei gegen Visa-Missbrauch. Förderung der DNA-Analyse.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Einschränkung der Telefonüberwachung und gegen eine Referenzdatei für biometrische Daten. Erhalt der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten.
  • FDP: Gegen Einführung von biometrischen Daten in Ausweisdokumenten. Für die Abschaffung des „Großen Lauschangriffs“. Eingeschränkte Nutzung von Video- und Telefonüberwachung sowie der DNA-Analyse soll erlaubt sein.
  • Die Linkspartei.: Gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Gegen eine weitere Überdehnung des Grundgesetzes durch die bisher von der Bundesregierung eingeführten Sicherheitspakete.

Bildung und Forschung

  • SPD: Einführung von Förderunterricht vor der Einschulung, um Sprachdefizite zu beheben. Ausbau von weiteren Ganztagsschulen. Die Länder sollen für das Ganztagsschulprogramm bis 2008 rund vier Milliarden Euro für die Einrichtung von 10.000 zusätzlichen Ganztagsschulen erhalten. Für ein gebührenfreies Erststudium an Universitäten und Fachhochschulen und für den Erhalt des Bafög (keine Umwandlung in ein Volldarlehen). Weitere Förderung der Forschung auf allen Gebieten.
  • CDU/CSU: Ausbau der Sprachförderung. Stärkere Förderung von Hochbegabten. Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach. Universitäten dürfen Studiengebühren verlangen. Erhöhung der jährlichen Forschungsausgaben um eine Milliarde Euro.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems. Für ein gebührenfreies Erststudium an Universitäten und Fachhochschulen. Für den Ausbau des Bafög zu einer elternunabhängigen Unterstützung. Erhöhung der Forschungsausgaben.
  • FDP: Abbau von Bildungsdefiziten in den Kindertagesstätten. Einführung von verbindlichen Sprachtests. Mehr Autonomie und Wettbewerb an Schulen und Hochschulen. Für die Einführung von Studiengebühren. Abbau von Gesetzen, die die Forschung beeinträchtigen.
  • Die Linkspartei.: Erhöhung der Bildungsausgaben auf 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems und Einführung von Gesamtschulen bis zur 10. Klasse. Gegen eine Einführung von Studiengebühren.

Gesellschaft und Familie

  • SPD: Umwandlung des Erziehungsgelds in Elterngeld, als Ersatz für ein Jahreseinkommen. Schrittweise Einführung von gebührenfreien Kindertagesstätten. Anwendung der Geschlechtergerechtigkeit in politischen Bereichen.
  • CDU/CSU: Eltern erhalten einen Kindergrundfreibetrag von 8.000 Euro. Beispiel: eine Familie mit zwei Kindern bleibt bis zu einem Jahreseinkommen von 38.200 Euro einkommensteuerfrei, was einer Erhöhung um 5.000 Euro entspricht. Die Bildungspolitik bleibt bei den Ländern. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll gefördert werden. Einführung eines Kinderbonus ab Januar 2007 für neugeborene Kinder in Höhe von 600 Euro im Jahr als Beitragsermäßigung in der Rentenversicherung. Keine Abschaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaften (Homoehe)
  • Bündnis 90/Die Grünen: Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder vom ersten Lebensjahr an. Ausbau des Kinderzuschlags für geringverdienende Eltern zu einer Grundsicherung. Förderung der Gleichstellungspolitik.
  • FDP: Steuerliche Entlastung für Erwachsene und Kinder durch einen Grundfreibetrag von 7.700 Euro im Jahr. Einführung von gebührenfreien Halbtagskindergärten. Ausbau der Ganztagsbetreuung auch für Babys.
  • Die Linkspartei.: Erhöhung des Kindergelds von 154 Euro auf 250 Euro. Keine Anrechnung des Kindergelds auf das Arbeitslosengeld II. Für geringverdienende Eltern gibt es gebührenfreie Kindertagesstätten. Förderung der Ganztagsbetreuung von Kindern. Einführung einer Mindestrente von 800 Euro.

Umwelt und Energie

  • SPD: Reduzierung der Kohlesubventionen, Ausstieg aus der Kernkraft. Förderung von effizienteren Kraftwerken und des sparsameren Umgangs mit Energie. Förderung von erneuerbaren Energien. Gesetzesvereinfachung durch die Einführung eines Umweltgesetzbuches (UGB).
  • CDU/CSU: Reduzierung der Kohlesubventionen, kein sofortiger Atomausstieg, aber auch keine Pläne für die Durchsetzung neuer Atomkraftwerke. Längere Laufzeiten für Kernkraftwerke, solange es keine Risiken birgt. Ausbau des Ökostroms, aber Einschränkung der Förderung.
  • Bündnis 90/Die Grünen: Reduzierung der Kohlesubventionen, weiterer Ausstieg aus der Kernkraft und Verringerung der Abhängigkeit vom Erdöl. Förderung der erneuerbaren Energien, damit in Deutschland bis zum Jahr 2020 25 Prozent des deutschen Stroms und 25 Prozent des Wärmeverbrauchs sowie 25 Prozent des Kraftstoffs aus erneuerbaren Energien kommen. Deutschland soll Vorreiter beim Klimaschutz bleiben.
  • FDP: Abbau der Subventionen für die Steinkohle und für Erneuerbare Energien, dafür mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt. Eventuell staatliche Regulierung für niedrigere Energiepreise, sollten die Energiekonzerne nicht die Strompreise verringern, werden sie gezwungen die Stromnetze abzugeben. Kein Atomausstieg.
  • Die Linkspartei.: Eintritt für einen "sozial-ökologischen Umbau". Dezentralisierung der Energieversorgung in Deutschland. Förderung von Ökostrom. Wirtschaftskreisläufe sollten regional statt global sein. Landwirtschaft soll vermehrt ökologisch wirtschaften.

Siehe auch

Bundestagswahlrecht | Liste der politischen Parteien in Deutschland

Literatur

  • Axel Balzer, Marvin Geilich, Shamim Rafat (Hrsg.): Politik als Marke. Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung. Lit-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-8146-6
  • Matthias Geyer (Hrsg.), Dirk Kurbjuweit, Cordt Schnibben: Operation Rot-Grün. Geschichte eines politischen Abenteuers. Spiegel Buchverlag, Münster April 2005, ISBN 3-4210-5782-6
  • Wolf-Rüdiger Schenke, Peter Baumeister: Vorgezogene Neuwahlen: Überraschungscoup ohne Verfassungsbruch? Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, S. 1844 - 1846

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