Gemeindebau

Typ eines Wohngebäudes in Österreich (ab 1919)
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Als Gemeindebau wird in Österreich ein Wohnblock des kommunalen sozialen Wohnungsbaus bezeichnet.

Karl-Marx-Hof in Döbling

Geschichte

Gemeindebauten sind seit den 1920er Jahren ein wichtiger Bestandteil der Architektur und Kultur von Wien geworden. Bis 1918 waren die Wohnbedingungen für die schnell wachsende Arbeiterbevölkerung der Großstadt unzureichend. Die in der Ersten Republik (1918-1934) regierende Sozialdemokratische Partei Österreichs begann ein Projekt zur Verbesserung der Lebensumstände für Arbeiter. Eine große Zahl von Gemeindebauten, meist große Wohnanlagen, wurden in dieser Zeit gebaut. Einschließlich der nach 1934 fertiggestellten Objekte entstanden so 64.000 Wohnungen mit Wohnraum für ungefähr 220.000 Bewohner. Die Wohnungen wurden nach einem Punktesystem vergeben, das Familien und einkommensschwache Bürger bevorzugte. Bei den Gemeindewohnungen treten die Gemeinden selbst als Bauherr und als Vermieter im Gegensatz zu Genossenschaftswohnungen auf. Typischerweise war der Gemeindebau eher in Sozialdemokratisch dominierten Gemeinden vorhanden, während in den zur ÖVP zuzurechnenden Gemeinden eher die Bauten durch Genossenschaften durchgeführt werden.

Im Februaraufstand 1934 wurde ihr festungsartiger Aufbau tatsächlich militärisch genutzt, wie im Karl-Marx-Hof, dem größten und berühmtesten Gemeindebau.

 
Gall-Hof in Alsergrund

Merkmale

Die klassischen Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit sind typischerweise in Blockrandbebauung ausgeführt. In der verhältnismäßig prunkvollen Schauseite führt eine große Toreinfahrt in einen Hof, der als Grünanlage mit Spielplätzen gestaltet ist. Der Zugang zu den Wohnungen erfolgt vom Innenhof.

Die Anlagen aus dieser Zeit tragen auch heute noch auffällige Tafeln mit einem Text der Form Wohnhausanlage der Gemeinde Wien errichtet in den Jahren 1925 bis 1927 aus den Mitteln der Wohnbausteuer.

Viele Gemeindebauten tragen Namen, neben einigen geographischen Bezeichnungen vorwiegend Personennamen. Neben allgemeinen Freiheitskämpfern George Washington wurden vor allen berühmte Sozialisten und Sozialdemokraten (Karl Marx, Olof Palme) geehrt, aber auch weniger bekannte örtliche Parteifunktionäre.

Nachkriegsentwicklung

Nach 1945 wurden weiterhin Gemeindebauten gebaut. Ihr Architekturstil passte sich der jeweiligen Zeit an. In den 1970er Jahren entstanden typische Hochhaussiedlungen, wie die Großfeldsiedlung in Leopoldau.

Heute wohnen ungefähr 600.000 Bewohner, ungefähr ein Drittel der Einwohner Wiens, in Gemeindebauten, die nicht mehr alle den Charakter von Sozialwohnungen haben.

Gemeindebauten in der Popkultur

Die Wiener Gemeindebauten wurden in der populären Kultur verewigt, z.B. von Wolfgang Ambros in seinem Lied Blume aus dem Gemeindebau. Mundl, die Hauptfigur von Ein echter Wiener geht nicht unter, lebt in einem Gemeindebau in Favoriten, und die bekannte Fernsehserie Kaisermühlen-Blues spielt in einem Gemeindebau in Kaisermühlen. In der Fernseh-Dokumentarserie von ORF Am Schauplatz geht es auch oft ums "Lebensgefühl" der Gemeindehausbewohner, die oft eine eigene Subkultur, eine Art Mikrokosmos, "Stadt in der Stadt" bilden.

Literatur

  • H. und R. Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien, 1980
  • A. Lichtblau, Wiener Wohnungspolitik 1892-1919, 1984 ISBN 3900351333
  • Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919-34, 1985 ISBN 3-85371-181-2
  • E. Bramhas, Der Wiener Gemeindebau. Vom Karl-Marx-Hof zum Hundertwasserhaus, 1987 ISBN 3764317973

Siehe auch