Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie

Zertrümmern von Harnsteinen
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Nierensteine sind Ablagerungen (Harnsteine) in den Nierengängen und/oder ableitenden Harnwegen. Letztere werden als Ureter- und Blasensteine bezeichnet. Andere Namen sind Nephrolith (griech. nephros - Niere, lithos - Stein), Nierenkonkrement oder Calculus renalis.

Der medizinische Fachausdruck für die Nierensteinkrankheit ist Nephrolithiasis oder Urolithiasis.

Nierensteine können sich im Nierenbecken bilden, es kann aber auch zu einer Auskristallisation im Nierengewebe kommen, z.B. bei der Uratniere.

Durch Nierensteine kann die Funktion der Niere beeinträchtigt werden und es kann zu einer Nieren-Dysfunktion kommen, z.B. durch Rückstau des Harns in die Nierenkanäle.

Stein im rechten Harnleiter (Pfeil), mit Harnaufstau. Computertomografie mit Kontrastmittel

Am häufigsten bestehen Nierensteine aus Calcium-Oxalat. Die Bildung von Nierensteinen kann durch erhöhte Oxalsäure-Werte begünstigt werden, die in einigen Nahrungsmitteln wie Rhabarber oder Roter Bete enthalten ist. Die Möglichkeit zur Bildung von Calcium-Oxalat kann durch Aufnahme von Fruchtsäuren (Ascorbinsäure) verringert werden.

Nierensteine entstehen vor allem in Zeiten mit einem vermehrten Flüssigkeitsbedarf, z.B. im Sommer.


Häufigkeit

Die Prävalenz von Nierensteinen beträgt ca. 5%. Das Verhältnis von betroffenen Männern zu Frauen beträgt dabei 7 : 5. Am häufigsten tritt die Erkrankung zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr auf. In den Industriestaaten leben ca. 20% der Männer und ca. 7% der Frauen mit einem erhöhten Steinrisiko. Ist bereits einmal ein Nierenstein aufgetreten, so beträgt das Risiko eines Rezidivs ca. 60%.

Einteilung

Am gebräuchlichsten ist die Einteilung der Nierensteine nach ihrer äußeren Form oder aber nach ihrer chemischen Zusammensetzung:

  • Klassifikation nach Form:
    • Ventilsteine
    • Hirschgeweihsteine
    • Korallensteine
    • Ausgusssteine
Auch Mischformen sind möglich.

Ursachen

Die Entstehung von Nephrolithen ist komplex und von vielen Faktoren abhängig, die je nach Zusammensetzung des Konkrements variieren und bis heute noch nicht in allen Einzelheiten verstanden sind.

Auf physikalischer Ebene kommt es zu einer Erhöhung der Konzentration von schwerlöslichen Ionen oder anderen Harnbestandteilen bis zur Überschreitung des sogenannten Löslichkeitsprodukts. Dadurch beginnen diese Substanzen (Salze) auszufallen und Konglomerate zu bilden, die je nach Größe die ableitenden Harnwege nicht mehr passieren können und sich ablagern.

Die Erhöhung dieser Harnbestandteile kann durch eine Vielzahl von Begleitumständen bedingt sein. Neben Exsikkose und Flüsigkeitsmangel kommen hier vor allem Erkrankungen in Frage, die eine erhöhte Harnkonzentration von Metaboliten oder Ionen bedingen, unter anderem Hyperparathyreoidismus, Hyperoxalurien, Hyperurikämien (Gicht) oder bestimmte Infektionserkrankungen. Auch eine erhöhte Zufuhr über die Nahrung kann massiv erhöhte Harnspiegel zur Folge haben.

Untersuchungsmethoden bei Verdacht auf Nierensteine

  • Ultraschall
  • Röntgen-Kontrastdarstellung der Niere und ableitenden Harnwege (sog. iv-Pyelogramm) (nicht geeignet zur Darstellung von Urat- und Xanthinsteinen)
  • Untersuchung des Urins (z.B. auf Spuren von Blut = Hämaturie)
  • Retrograde Darstellung der Harnwege
  • Endoskopische Verfahren
  • CT
  • NMR

Am häufigsten werden der Ultraschall, die Urinuntersuchung und das iv-Pyelogramm durchgeführt.

Medizinische Bedeutung

Nierensteine können recht groß werden und müssen dann operativ entfernt werden.

Bei dem Versuch des Körpers die Nierensteine auszuscheiden, werden oft so genannte Nieren-Koliken hervorgerufen (Ausnahme: Struvitsteine). Die Fremdkörper werden durch Muskelkontraktionen der ableitenden Harnwege in Richtung Blase geschoben. Dabei müssen sie durch drei Engstellen, an denen die Nierensteine hängen bleiben können. Die durch die dann verstärkten Muskelkontraktionen hervorgerufenen Schmerzen werden als Koliken (Nierenkoliken) bezeichnet.

Entfernung von Nierensteinen

Vor der operativen Entfernung (besonders von Nierenbeckensteinen) wird versucht, die Steine durch vermehrten Urin auszuspülen. Dies wird durch erhöhte Flüssigkeitsaufnahme und den Harndrang und die Harnproduktion steigernde Medikamente erreicht. Reine Urat- und Cystinsteine können oft mittels alkalisierender Medikamente aufgelöst werden (Urolitholyse). Eine weitere Methode stellt die Schlingenextraktion dar, bei der ein Katheter mit einer Schlinge (Zeiß'sch-Schlinge) über die Harnröhre in den Harnleiter eingeführt wird. In aller Regel verfängt sich der Stein in der Schlinge und durch ein dann angebrachtes Gewicht wird versucht, den Stein schneller aus den Harnwegen zu entfernen. Eine neue Methode ist die Zertrümmerung der Harnsteine durch Ultraschall. Hierbei kann meist auf einen stationären Eingriff verzichtet werden.

Perkutane Nephrolitholapaxie (PNL)

Diese Methode kommt vor allem bei größeren Steinen, die ausgeprägte Harnstauungen verursachen, zum Einsatz. Dabei wird durch einen kleinen Hautschnitt ein Endoskop eingeführt, über das anschließend die Zertrümmerung des Steins mit Stoßwellen stattfindet.

Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL)

Der Begriff Lithotripsie setzt sich zusammen aus den griechischen Wortbestandteilen "lithos" (Stein) und "tribein" (zerstoßen, zerreiben). Bei diesem Verfahren zur Zertrümmerung von in der Niere befindlichen Steinen wird versucht, mit Hilfe von gebündelten Schallwellen, welche genau auf die betroffene Stelle gerichtet werden, ohne einen percutanen Schnitt durchführen zu müssen, den Fremdkörper soweit zu zerkleinern, dass er entweder auf natürliche oder operative Weise entfernt werden kann.

Die Behandlungsmethode wurde im Februar 1980 erstmals von Ärzten des Universitätsklinikums Großhadern (München, Deutschland) und Ingenieuren und Technikern der Firma Dornier Systems (Friedrichshafen, Deutschland) an einem Patienten erfolgreich durchgeführt. Das verwendete Gerät HM2 ("Human Modell 2") bestand aus einer Badewanne, in deren Boden ein Stoßwellengenerator eingelassen war. Der Patient wurde an einer speziellen Liege unter Vollnarkose in die Wanne gebracht. Zur Ortung des Steins dienten zwei Röntgengeräte, deren Zentralstrahlen sich im Fokus des Stosswellengenerators kreuzten und dadurch die präzise dreidimensionale Positionierung des Steins erlaubten. Das Nachfolgemodell der "Dornier-Badewanne", der Lithotripter HM3, wurde ab 1983 in viele Länder weltweit vertrieben. Einige dieser Geräte sind bis heute in Betrieb. Neuere technische Entwicklungen führten zur Aufgabe der Badewanne zugunsten einer wassergefüllten Kunststoffblase (Koppelbalg). Etablierte Methoden zur Stosswellenerzeugung sind elektrohydraulische Generatoren (Funkenstrecke), elektromagnetische Generatoren und piezoelektrische Generatoren. Heute sind weltweit mehr als 3000 Geräte (Lithotripter) im Einsatz, etwa 90% aller Nierensteine werden in den zivilisierten Ländern auf diese schonende Art zertrümmert.

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