Roter Fingerhut | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) ist eine rosettenbildende Zweijährige oder kurzlebige Staude aus der Familie der Braunwurzgewächse (Scophulanaceae). Fingerhut ist in allen Bestandteilen hochgiftig. Bereits der Verzehr von 2 Fingerhutblättern kann zu einer tödlichen Vergiftung führen.
Merkmale, Namensherkunft, Besonderheiten
Die Bezeichnung Digitalis leitet sich von dem lateinischen Wort „digitus“ = Finger ab und bezieht sich auf die fingerhutähnliche Form der Blüten. Der Fingerhut ist geradezu perfekt für die Bestäubung durch Honigbienen eingerichtet. Der vorstehende untere Teil der Blütenglocke dient als Landeplattform, und wenn das Insekt zum Nektar vordringt, streift es die Staubgefäße mit dem Rücken, so dass der Pollen dort abgeladen werden kann.
Steht der Fingerhut in der vollen Sonne, dann richten sich alle seine Blüten nach Süden aus – ein hilfreiches Zeichen für den verirrten Wanderer.
Fingerhut speichert in den Blättern Kalium, Eisen, Kalzium, Kieselerde sowie Magnesium. Die abfallenden Blätter wirken sich daher positiv auf das Wachstum benachbarter Pflanzen aus, da sie als Gründünger wirken.
Verbreitungsgebiet und Verwendung als Gartenpflanze
Der Rote Fingerhut ist in Westeuropa sowie dem westlichen Süd-, Mittel- und Nordeuropa beheimatet. In Deutschland hat er sein natürliches Verbreitungsgebiet bis zum Harz und dem Thüringer Wald, wo er auf Waldlichtungen und an den Waldrändern zum teil in großen Mengen zu finden ist.
Seit dem 16. Jahrhundert ist er als Zierpflanze auch in den Gärten zu finden.
Verwendung in der Pflanzenheilkunde
Fingerhut als Mittel gegen Herzinsuffizienz wird seit dem späten 18. Jahrhundert verwendet. Tabernaemontanus wusste 1588 noch keine Anwendung für dieses Pflanze: "Wozu diese Kreuter zu gebrauchen seyn/ finde ich nicht bey den Authorn." Verwendet hat man ihn jedoch zu dieser Zeit bereits in Irland, verbunden mit magischen Bräuchen sollte es gegen den "[[Böser Blick|Bösen Blick]" helfen. Die Engländer verwendeten die Pflanze als Brechmittel, zur Förderung des Auswurfs bei Bronchitis und um 1700 sogar gegen die Schwindsucht. 1748 zeigten Versuche der Academie Francaise, dass nach Verfütterung von Fingerhut an Truthähne deren Herz, Leber, Gallenblase und Lunge geschrumpft waren. Das führte dazu, dass auch die Engländer den Fingerhut seltener anwendeten.
Der englische Arzt William Withering griff 1775 auf ein altes Familienrezept (angeblich gestand ihm die Ehefrau eines seiner Patienten, dass sie auf eine Kräuterfrau zurückgegriffen habe) zur Behandlung der Wassersucht zurück und behandelte mit Blättern des roten Fingerhuts erfolgreich Wasseransammlungen (Ödeme), die auf eine Herzschwäche zurückzuführen waren. Angeblich wollte die Kräuterfrau ihm nicht Namen und Stand der Pflanze verraten; er ließ sie beobachten und fand, daß das Elixier der Kräuterfrau Digitalis erhielt. 1785 veröffentlichte er dann seine berühmte Abhandlung "An account of the Foxglove and its medical uses". Diese Form der Therapie setzte sich jedoch anfänglich nicht durch und erst nach 1850 wurde Digitalis häufiger verschrieben.
Der Wirkstoff des Fingerhuts sind sogenannte Herzglykoside, die heute allerdings überwiegend aus dem wolligen Fingerhut gewonnen werden. Herzglykoside regen den geschwächten Herzmuskel an, sich wieder stärker zusammenzuziehen.
Die Pflanze ist hochgradig giftig, bereits der Verzehr von 2 -3 Fingerhutblättern kann tödlich enden. Aufgrund des bitteren Geschmacks kommt es allerdings selten dazu. Viel häufiger sind iatrogene Vergiftungen, auch schon bei therapeutischen Dosen, da die Wirkungsbreite der Digitalisglykoside gering ist. Die ersten Anzeichen einer Vergiftung sind Übelkeit, Erbrechen, Ohrensausen, Schwindelanfälle und ein Sinken der Pulsfrequenz unter 50 Schläge pro Minute.
Fingerhut im Aberglauben
Der Sage - besonders den englischen und irischen Sagen nach - dient der Fingerhut dem Elfenvolk als Kopfbedeckung. Böse Feen sollen die Blüten einst den Füchsen als Handschuhe geschenkt haben, damit diese lautlos ihr Wesen in den Hühnerställen treiben konnten. Die Zeichnung der Blüten stammt daher logischerweise von den Fingerabdrücken der unglückbringenden Feen.
Fingerhut in der Literatur
In Theodor Fontanes Roman "Der Stechlin" taucht der Fingerhut als Symbol des bevorstehenden Lebensendes auf:
Dubslav hielt die kleine Flasche gegen das Licht und tröpfelte die vorgeschriebene Zahl in einen Löffel voller Wasser. Als er sie genommen hatte, bewegte er die Lippen hin und her, etwa wie wenn ein Kenner eine neue Weinsorte probt. Dann nickte er und sagte : "Ja, Engelke, nu geht es los, Fingerhut."