Stellungskrieg

defensive Militärtaktik mit geringer oder ohne Bewegung der Fronten
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. September 2005 um 20:36 Uhr durch 217.244.254.209 (Diskussion) (Entwicklung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Stellungskrieg bezeichnet man, im Gegensatz zum Bewegungskrieg, eine defensive Form der Kriegsführung, die von statischen Frontverläufen geprägt ist. Charakteristisch ist hierbei meist die Sicherung der Fronten durch ausgedehnte Systeme von Feldbefestigungen, weshalb es sich bei vielen Stellungskriegen um Grabenkriege handelte. Als erster Stellungkrieg zählt der Krimkrieg (auch Orientkrieg) von 1853 bis 1856, bei dem es zur fast einjährigen Belagerung der Festung Sewastopol mit Hilfe befestigter Stellungen kam. Hierbei wurden die neuen Kriegsmittel Maschinengewehr Granatbeschuss und moderne Geschütze eingesetzt. Etwa 150.000 Menschen starben, wobei jedoch etwa 100.000 den Krankheiten, Seuchen und Mangelversorgung anheim fielen. Zu Stellungskämpfen kam es in Folge unter anderem in der Spätphase des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) und im Russisch-Japanischen Krieg (1904-1905). Sie erreichten schließlich einen blutigen Höhepunkt in den Schützengräben des 1. Weltkriegs. Die Möglichkeit der Stellungskriege endete erst, als die Erweiterung der Frontlinien infolge der Motorisierung und des Zusammenwirkens verschiedener Waffengattungen nicht mehr an die Marschgeschwindigkeit der Infanterie gebunden war (Zweiter Weltkrieg).

Ein Posten des Cheshire Regiment in einem Schützengraben nahe La Boisselle während der Schlacht an der Somme, Juli 1916

Entwicklung

Wichtig für die Entstehung des Stellungskrieges war die Einführung großer Wehrpflichtarmeen zur Zeit der französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege. Davor waren die Armeen zu klein, um große Gebiete langfristig zu verteidigen. Schlachten waren daher vergleichsweise kurz oder entwickelten sich zu Belagerungen. Große Armeen machten es außerdem schwieriger, den Gegner auszumanövrieren und die Flanken anzugreifen, allerdings war es noch immer möglich, mittels massiver Kavallerie- oder Infanterieangriffe durchzubrechen.

Durch die Entwicklung und Verbesserung der Schusswaffen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde diese Taktik jedoch zunehmend selbstmörderischer. Der Amerikanische Bürgerkrieg wurde zu Beginn mit Taktiken aus der napoleonischen Zeit ausgetragen, gegen Ende wurde der Krieg jedoch zu einer Vorschau auf den 1. Weltkrieg. So gewannen Feldbefestigungen stark an Bedeutung. Diese umfassten die aus spitzen Holzpfählen bestehenden „Chevaux de frise“, welche wie der später erfundene Stacheldraht eingesetzt wurden. Mit der Gatling Gun wurde zudem ein Vorläufer des Maschinengewehrs verwendet. Die Schlacht von Petersburg gegen Ende des Bürgerkrieges stand mit ihren Gräben in einem deutlichen Gegensatz zu frühen Schlachten wie der Schlacht von Bull Run. Angriffe wie „Pickett's Charge“ bei der Schlacht von Gettysburg zeigten deutlich, wie sinnlos ein Angriff auf eine konzentrierte Verteidungslinie geworden war.

Zwei Hauptfaktoren waren verantwortlich für diese Änderung, zum einen die Einführung des Hinterladers, der überraschenderweise von beiden Seiten lange Zeit ignoriert worden war, und der es einer kleinen Truppe ermöglichte, eine größere Feuerkraft zu entfalten. Eine kleine Gruppe Verteidiger konnte so, hinter entsprechender Deckung, Angreifer sehr viel einfacher zurückschlagen. Dazu kam der Einsatz von Maschinengewehren, die den Verteidigern gegenüber den Angreifern nochmals einen deutlichen Vorteil verschafften.

Weiterhin wurden verstärkt Stacheldrahthindernisse aufgestellt, die die Angreifer zwar nicht verletzten, aber aufhielten und somit länger dem Feuer der Verteidiger aussetzten.

Eine weitere wichtige Neuerung kam nach dem Bürgerkrieg in Form der modernen Artillerie auf. Moderne Geschütze wurden schnell zu einer der tödlichsten³ Waffen auf dem Schlachtfeld.

Durchführung

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erkannten die deutschen und alliierten Truppen, dass auch die kleinste Deckung es ermöglichte, einen Angriff relativ problemlos zurückzuschlagen. Frontale Angriffe führten zu dramatischen Verlusten. Es wurden von beiden Seiten verschiedene Strategien und Taktiken versucht, den Stellungskrieg zu überwinden, die jedoch in der Regel keine nachhaltigen Erfolge zeitigten. So wollten sich die Gegner durch massierten Menschen- und Materialeinsatz strategisch ausbluten. Eine Taktik war es, mit einem örtlichen Sturm einen Durchbruch zu erzwingen und so zu Flankenangriffen anstatt zu Frontalangriffen zu kommen. Dazu gingen dem Sturm Ablenkungsangriffe, Trommelfeuer, Gasangriffe und der Minierkrieg voraus. Die Erfolge waren jedoch bestenfalls begrenzt, denn die gegnerischen Frontlinien hatten mehrere parallele Verteidigungslinien, die durch rasche Truppenverschiebungen verstärkt werden konnten. Die Marneschlacht führte zu einer Serie von Umfassungsmanövern, die erst endeten, als beide Armeen die Küste erreichten. Das Grabensystem der Westfront erstreckte sich danach von der Nordsee bis zur Schweiz. Durch die Grabenkämpfe in Nordfrankreich wurde der Erste Weltkrieg zum längsten und blutigsten Stellungskrieg in der Geschichte. Allein die Kämpfe vor Verdun forderten von 1916 bis 1918 über 250.000 Menschenleben, endeten aber mit nahezu unveränderten Fronten. Der Stellungskrieg an der Westfront setzte sich bis zur Frühjahrsoffensive, der Operation Michael, im März 1918 fort.

An der Ostfront waren aufgrund der großen Flächen weiterhin weiträumige Operationen möglich, und es entwickelte sich daher kein Stellungskrieg.

Nachwirkungen

Der Stellungskrieg entstand als Resultat der neuen, schnellfeuernden Waffen, der Massenproduktion. Daher wird oft angenommen, dass auch neue Technologien dem Stellungskrieg ein Ende bereiteten, in der Regel wird hier der Panzer angeführt. Panzer waren mit Sicherheit ein wichtiger Faktor, jedoch wurden sie erst spät im Krieg in größeren Stückzahlen eingesetzt. Sie wurden häufig fehlerhaft eingesetzt, da die Generäle natürlich noch keine Erfahrung mit dieser Waffe hatten. Diese frühen Panzer waren nicht in der Lage, den Stellungskrieg in einen Bewegungskrieg zu verwandeln. So gingen die Gebietsgewinne der Alliierten vor Cambrai nach einer Gegenoffensive deutscher Sturmtruppen wieder verloren. Die Panzer des Ersten Weltkriegs erreichten Höchstgeschwindigkeiten von maximal 8 km/h und konnten mit Flammenwerfern und Geschützen bekämpft werden.

Nach dem Krieg übertrieben beide Seiten die Wirkung des Panzers auf den Stellungskrieg. Die Deutschen suchten und fanden in ihm den Grund für die Niederlage. Für die aufstrebenden alliierten Offiziere, die gerne ein großes, eigenständiges Panzerkorps sehen würden (unter anderen J.F.C. Fuller und George Patton), war die Hervorhebung des Panzers ein Weg, um politische Ziele zu erreichen. Für die Analysten bot der Panzer eine Erklärung, wo all die anderen Änderungen in den Waffensystemen nicht ausreichend erschienen. Man konnte sich nicht vorstellen, dass eine der anderen Waffen Flugzeuge, Artillerie und Gas oder verbesserte Kommunikation diese Änderung herbeigeführt haben könnte.

Aber der Panzer war nur teilweise eine Erklärung dafür, dass der Stellungskrieg obsolet geworden war. Viele alliierte Siege von 1917 wurden ohne oder mit nur sehr wenigen Panzern errungen. Die Deutschen machten zu Beginn des Jahres 1918 Landgewinne, ohne über eine nennenswerte Panzerarmee zu verfügen. Die wichtigste Lektion, die die deutschen Taktiker nur zu gut gelernt hatten und dies mit dem Blitzkrieg 1940 ihren alliierten Gegnern deutlich demonstrierten, war nicht technologischer, sondern taktischer Natur. Militärs wie Fuller, Hart, Guderian und de Gaulle und die Schaffung von Panzerdivisionen machte den Verteidigungsvorteil der Infanterie zunichte und ermöglichten das Wiederaufleben des Bewegungskrieges. Entscheidend wurde das Zusammenwirken von Panzerverbänden, Kampfflugzeugen und Infanterie und die so genannte Schwerpunktbildung an einem begrenzten Frontabschnitt. Der Schlüssel, um die statische Kriegsführung in den Gräben zu durchbrechen, lag darin, die taktische Überraschung zu erringen, die Schwachpunkte der gegnerischen Linie zu attackieren, die Befestigungen zu umgehen und sich von der Vorstellung zu lösen, einen umfassenden Plan für jede Situation parat zu haben. Stattdessen wurden kleine autonome Gruppen hochtrainierter Soldaten eingesetzt (die sog. Sturmtruppen) in denen die jeweiligen Offiziere selbsttätig agieren konnten.

Die Nutzlosigkeit des Stellungskrieges wurde jedoch nicht von allen Armeen erkannt, so bauten die Franzosen noch die Maginot-Linie, welche sich dementsprechend im 2. Weltkrieg auch als nutzlos erwies.

Auch wenn der 2. Weltkrieg mobiler war als der erste, bleibt dennoch ein Vermächtnis erhalten: die massive Feuerkraft, die über eine große, nun mobile Front verfügbar war. Diese Entwicklung erhöhte die Zerstörungen durch Kriege immens im Vergleich zu den Kriegen des 18. und 19. Jahrhunderts. Zusätzlich hatten die taktischen Neuerungen, die den Stellungskrieg überflüssig machten, einen immensen Einfluss auf die Kriegsführung. Noch heute ist die Basis des modernen Landkriegs eine kleine quasi-autonome Einheit, das sogenannte Fire Team, und eine reibungslose Kommunikation ist der Schlüssel, um die Initiative über den Feind zu gewinnen und zu behalten.