Augustinus von Hippo, (auch: Augustinus von Thagaste, dt. Augustin, fälschl. Aurelius Augustinus aufgrund einer Verwechslung mit Aurelius von Karthago), (* 13. November 354 in Thagaste in Numidien; † 28. August 430 in Hippo Regius im heutigen Algerien), war ein spätantiker westlicher Kirchenlehrer, christlicher Theologe und Philosoph. Er wird als katholischer Heiliger verehrt; sein Tag ist der 28. August. Aber auch auf den Protestantismus hatten seine Gedanken immensen Einfluss, vielleicht noch stärker als im Katholizismus selbst.

Zusammenfassung
Augustinus gilt als einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike, dessen Wirken das Denken des Abendlandes wesentlich geprägt hat. Seine Theologie beeinflusste die Lehre der katholischen Kirche ebenso wie Martin Luther und Johannes Calvin. In der Orthodoxen Kirche dagegen war er praktisch unbekannt und als seine Lehre erst im 14. Jahrhundert schließlich durch griechische Übersetzungen auch in Konstantinopel bekannt wurde, wurde sie abgelehnt, so weit sie nicht dem Konsens der Kirchenväter entsprach.
In seiner Jugend studierte er Rhetorik. Begeistert von Ciceros "Hortensius" wandte er sich der Philosophie zu. Er folgte zuerst dem Manichäismus, dann der Skepsis und schließlich dem Neuplatonismus. Nach seiner Bekehrung zum Christentum (387) durch Ambrosius von Mailand wurde er 396 Bischof von Hippo Regius in Afrika.
Augustinus hat neben theologischen auch viele wissenschaftliche Schriften verfasst, die zu einem großen Teil erhalten sind. Diese Schriften bilden für Augustinus eine Einheit; der christliche Glaube ist ihm Grundlage der Erkenntnis ( crede, ut intelligas).
Augustinus' Philosophie enthält von Platon übernommene, jedoch im christlichen Sinn modifizierte Elemente wie die Idee vom Absoluten oder den Dualismus von Geist und Materie, der sich im Menschen in der spannungsvollen Einheit von Leib und Seele ausdrückt.
Neueste Forschungen haben ergeben, dass diese herkömmliche Augustinus-Interpretation sehr fragwürdig ist. Vielmehr geht man heute davon aus, dass Augustinus' Denken seinen eigentlichen Ursprung im Dasein des Philosophen hat - also eine Art frühen Existenzialismus darstellt.
Die erste Biographie des Augustinus stammt von Possidius von Calama, der ihn als Schüler noch gut gekannt hat; allerdings beinhalten auch seine Werke biographische Details.
Leben
Augustinus wurde in der kleinen nordafrikanischen Stadt Thagaste geboren, welche zur römischen Provinz Numidien gehörte. Numidien lag am Rand des Römischen Reiches, erfreute sich dafür aber auch relativer Sicherheit und eines gewissen Wohlstandes. Der Vater Patricius war ein städtischer Verwaltungsbeamter ohne großes Vermögen. Erst kurz vor seinem Tod (372) ließ er sich taufen. Die Mutter Monica (Schreibweisen: Monika, Monnica u.ä.) war jedoch überzeugte Christin.
Bis 370 besuchte Augustinus die Schule in Thagaste (Madaura). Schon hier wurde, v.a. anhand Vergils, die Wort(-für-Wort)-Exegese betrieben. Ab 370 studierte Augustinus dann Rhetorik in Karthago. In dieser Zeit war die Beschäftigung mit Ciceros Hortensius, einer Einführung in die Philosophie, für Augustinus bestimmend. Damit einhergehend lehnte er in dieser Phase das Christentum ab, wandte sich aber sukzessive dem Manichäismus zu.
Eine nordafrikanische Konkubine, fast 15 Jahre mit ihm liiert, gebar ihm 372 einen Sohn, Adeodatus (Gottesgabe), der 389 starb. Ab 371 wird diese Verbindung von der Kirche toleriert, wenngleich sie nicht die volle staatliche Rechtsform der Ehe erhält. Nach seiner "Bekehrung" zum Christentum schickte er die Mätresse niederer Herkunft wieder nach Nordafrika zurück, um 385 ein christliches und mit reicher Mitgift ausgestattetes Mädchen zu heiraten. Bis zur Heiratsfähigkeit des Mädchens lebte er allerdings zwei Jahre mit einer anderen Mätresse zusammen (conf. 6, 15, 25).
Ab 375 fand sich Augustinus dann als Lehrer für Grammatik und Rhetorik erst in Thagaste, dann in Karthago. Gleichzeitig wirkte er als auditor im Manichäismus. Nach einer Begegnung mit dem dieser Richtung zugehörigen Bischof Faustus (Bischof) kam es dann zur enttäuschten Abkehr vom Manichäismus um 383. Stattdessen machten sich nun Tendenzen hin zum Skeptizismus der Neuen Akkademie bemerkbar, der ihm allerdings zu erkenntnistheoretisch ausgerichtet war.
383 ging Augustinus nach Rom, 384 dann als Lehrer für Rhetorik nach Mailand. In der Begegnung mit dem Bischof Ambrosius wurde Augustinus dessen sog. allegorische Schriftauslegung vermittelt, die ihm einen Zugang zum Alten Testament eröffnen sollte. Dennoch wandte sich Augustinus dann 386 erst einmal dem Neuplatonismus zu und rezipierte die libri platonicorum, die von Marius Victorinus ins Lateinische übertragen worden waren (Augustinus selbst lernte nie Griechisch). Durch den Presbyter Simplicianus wurden Augustinus erstmals die logos-Spekulation in der Lehre Plotins und die Gnadenlehre des Apostel Paulus vermittelt.
387 erfolgte dann die Bekehrung zum Christentum, mit der sowohl die Niederlegung des Lehr-Amtes als auch ein Eheverzicht und ein fortan in nahezu monastischer Rückgezogenheit auf einem Landgut in Cassiciacum geführtes Leben einhergingen. In der Osternacht ließ sich Augustinus dann gemeinsam mit seinem Sohn Adeodatus und seinem Freund Alypius von Ambrosius taufen. Schon 388 bereitete er seine Rückkehr nach Nordafrika vor. Bei der Einschiffung in Ostia starb Augustinus' Mutter Monica (* ca. 332; † 387), so dass sich die Abreise um nahezu ein Jahr verzögerte.
389 war Augustinus schließlich wieder in Thagaste angekommen. 390 (oder 391) akzeptierte er widerwillig die Priesterweihe durch Bischof Valerius, den Augustinus dann zunehmend als informell bereits designierter Nachfolger vertritt. Es kam zu ersten kirchenpolitisch-dogmatischen Auseinandersetzungen mit dem Manichäismus, Donatismus und Pelagianismus. Um 397 wurde Augustinus Bischof von Hippo. Dort starb er 430 während der Belagerung durch die Vandalen (zum geschichtlichen Zusammenhang vgl. Bonifatius, der auch mit Augustinus bekannt war, und Spätantike). Augustinus' Gebeine befinden sich heute in der Kirche "San Pietro in Ciel d'Oro" in Pavia/Norditalien.
Theologie
Trinität
Sein dogmatisches Hauptwerk sind die 15 Bücher "De trinitate dei" (Über die Dreieinigkeit). Einen Unterschied zwischen den einzelnen Personen, die er gleich ewig, gleich vollkommen und gleich allmächtig wähnte, leugnet Augustinus nicht; er will zwar nicht Modalist sein, nähert sich ihm aber stark. Die Personen betrachtet er vor allem als "Relationen" innerhalb des göttlichen Wesens. Damit entfernt er sich von der üblichen Christologie vor ihm, die eine Unterordnung von Christi unter dem Vater gelehrt hat.
Die Lehre des Ausgangs des Geistes aus Vater und Sohn hat er erstmalig vorgetragen. Später führte diese Idee zum Filioque-Streit. Nach griechischer Lehre geht der Geist aus dem Vater hervor.
Noch nach seinem Tod leistete er einen entscheidenden Beitrag zum Konzil von Chalcedon (451), da Papst Leo I. in seinem Tomus an die Versammlung eine christologische Schlüsselaussage enthielt, die von Augustinus stammte: "zwei Naturen in einer Person" (Jesus sei Gott und Mensch zugleich).
Vom Prämillenarismus zum Amillenarismus
Augustinus ist für den Aufstieg und die Annahme des Amillenarismus verantwortlich und verursachte so den Niedergang und die Verwerfung des Prämillenarismus, die bis zu dieser Zeit als feststehende orthodoxe Lehre in der Eschatologie der frühen Kirchenväter galt. Zunächst dachte er in damaliger dispensationalistischer Sicht von 5000 Jahren von Adam bis zur Fleischwerdung Christi (De civitate dei 20,7), an der sich das 1000-jährige Reich anschließt. Dann meinte er, unter Einfluß der aufkommendes allegorischen Auslegung, es gäbe doch kein irdisches 1000-jähriges Reich für Israel, sondern dass dies "symbolisch" als "Ewigkeit" betrachtet werden müsse. Die 1000 Jahre bezog er statt dessen auf den Zeitraum zwischen Jesu erstem und zweitem Kommen (De civitate dei 20,9). Als Grund gab er an, die Aussicht auf fleischliche Genüße und Schlemmereien, die sich einige Kirchenleute ausmalten, von einem ernsthaften Halten der kirchlichen Gebote abhalten würde. Die Verheißungen des Reiches dürfen nicht mehr auf Israel angewendet werden, sondern würden jetzt schon sich innerhalb der Kirche erfüllen (Substitutionstheologie). Als 1000 n.Chr. Christus nicht kam, wurde es für die Anhänger des Augustinus notwendig, auch die Dauer der 1000 Jahre allegorisieren. Jetzt sollten die 1000 Jahre für einen unbestimmten Zeitraum zwischen den beiden Kommen Christi stehen. Satan sei zwar gebunden, aber noch nicht ganz - das gegenwärtige Zeitalter ist als Kampf zwischen Gemeinde und Welt, zwischen "Stadt Christi" und "Stadt des Teufels" zu sehen (De civitate dei 20,11). Diese grundsätzliche Sicht setzte sich weithin im Christentum durch; sie wurde von der römischen Kirche akzeptiert - selbst die Führer der Reformation konnten sich davon nicht mehr befreien.
Prädestination
Augustinus ist bekannt als ein Vertreter der doppelten Prädestination, in der der Mensch zum ewigen Leben oder zur Verdammung von Gott vorherbestimmt ist. In seinem Spätwerk "Vom Gottesstaat" (De civitate dei) geht er vor der Schaffung des Menschen von zwei Engelsstaaten aus, dem Staat der bösen Engel (civitas diaboli) und dem Staat der guten Engel (civitas dei). Die bösen Engel sind dabei durch "grundlose Abkehr" böse geworden. Nach Schaffung des Menschen wurden diese beiden Staaten in den irdischen Staat (civitas terrena) und den Gottesstaat (civitas coelestis) übergeleitet, wiederum in dualistischer Ausrichtung. Nach dem jüngsten Gericht schließt sich der Kreis; es gibt es am Ende wieder zwei Staaten: Civitas Mortalis, d.h. die Höllenstrafe in Ewigkeit und auf der anderen Seite Civitas Immortalis, die ewige Herrschaft mit Gott (Himmel). Die Anzahl der Menschen, die in den Himmel kommen, entspreche dabei genau der Anzahl der abgefallenen Engel, so dass der Ausgangszustand wieder hergestellt ist. Sein Begriff des Gottesstaates wurde später lange Zeit (fälschlicherweise) in dem Sinne interpretiert, dass der Gläubige nur durch Gehorsam gegenüber der Kirche der Hölle entfliehen könne und führte zu einer großen Macht der Kirche.
Erbsündenlehre, Freier Wille
Er führte eine große Auseinandersetzung mit Pelagius, der die Theorie des freien Willens vertrat und Augustinus vorwarf, noch in den Schlingen des Manichäismus verfangen zu sein. Pelagius wurde zwar 418 im Sinne von Augustinus verurteilt, fand aber seinen Nachfolger in Julian von Eclanum. In dieser noch heftigeren Auseinandersetzung entwickelte Augustinus die Lehre der Erbsünde. Augustinus hat dabei die Interpretation von Römer 5:12 übernommen, die Hilarius eingeführt hat: "In ihm [Adam] haben alle gesündigt", so als wären alle in Adam enthalten gewesen (quasi in massa). Diese augustinische Interpretation ist philologisch nicht haltbar (denn es heißt dort tatsächlich "durch" Adam - Augustinus konnte kein Griechisch) und auch theologisch umstritten. Im Gegensatz zu Pelagius meinte Augustinus, dass die Erbsünde physisch übertragen wird (Concupiscentia carnalis). Augustinus behauptete, dass nur diejenigen, die völlig unverdient die Gnade Gottes erhielten, dieser Erblast entkommen können und ewiges Leben erhalten würden. Für Augustinus war klar, dass "Gott im Herzen der Menschen wirkt, um ihren Willen dahin geneigt zu machen, wohin immer er will: entweder zum Guten gemäß seiner Gnade oder zum Bösen nach ihren bösen Verdiensten". Und er lehrte, dass von der Minderheit, die der Hölle entgehe, nur wenige einer schmerzlichen Läuterung nach dem Tod entrönnen.
Höllenlehre
Augustinus war daher der bedeutendste Vertreter der Ansicht, dass man in einer Hölle endlose Qualen leiden muss. Stellen wie Matthäus 25:46 legte er so aus, dass das äonische (lateinisch:aeternam) Leben wie auch die äonische Strafe endlos sein müsse: "Ist beides ewig, so ist unweigerlich auch beides entweder langwährend, aber endlich, oder beides ist immerwährend und endlos."(andere Theologen sahen das äonische Leben tatsächlich nur auf wenige aufgabenbelegte Äonen begrenzt). Auch auf die Frage der Unverhältnismäßigkeit einer endlosen Strafe für eine einzige falsche Entscheidung fand er eine Antwort. Er meinte, dass der Mensch durch die Erbsünde "ewiges Übel" verdiene für den größten Frevel durch Adam der im Garten Eden passiert sei (andere Theologen sagten dazu, dass Gott die Sünde zur Erkenntnis des Guten wollte). Augustinus stritt auch ab, dass Gericht reinigenden Charakter haben könne, sondern dass sie allein strafenden sei – er meinte, dass jemand der vor seinem Tode Gott abgewiesen habe, dies auch nach dem Tod machen müsse, da er sich ja schließlich nicht bessern könne (andere Theologen sagten dazu, dass Gott alles bewirken kann, auch das).
Damit grenzte sich Augustin ebenso wie Johannes Chrysostomos und ältere Kirchenlehrer wie Ambrosius von Mailand oder Hieronymus oder Hippolyt von Rom, der Zeitgenosse von Origenes, stark von Origenes' Lehre der Apokatastasis ab. Augustinus Argumentationsmuster hatte einen großen Einfluss auf die westliche Theologie bis zur Gegenwart.
Fegefeuer
Neben Gregor der Große wird vor allem Augustinus zugeschrieben, die Lehre vom Fegefeuer systematisiert und ihr einen Platz in der katholischen Kirche verschafft zu haben. Er entfaltete sie in seinem Werk "Vom Gottesstaat" (XXI, 13, 16, 24) und stellt in seinen Bekenntnissen (IX, 13, 34-37) einen Bezug zwischen ihr und den Gebeten für die Toten her. Sowohl er, als auch Gregor der Große, interpretieren die "Flammen" in 1. Korinther 3:11-15 so, dass sie züchtigen und somit zur Besserung dienen (in Exposition Psalm 37,3), was in einem merkwürdigen Widerspruch zu seiner Annahme steht, dass seine "Flammen der Hölle" nicht reinigend sein können. Matthäus 12:31 legt er so aus, dass Gott über den Tod hinaus Sünden vergibt.
Antisemitismus
In seiner Kampfschrift "Gegen die Juden" griff Augustinus die Juden sowohl in ihrer Lebensführung als auch theologisch an. Augustinus verunglimpft Juden als bösartig, wild, grausam, vergleicht sie mit Wölfen, schimpft sie "Sünder", "Mörder", "zu Essig ausgearteter Wein der Propheten", "eine triefäugige Schar", "aufgerührter Schmutz". Sie seien des "ungeheueren Vergehens der Gottlosigkeit" schuldig. Das Alte Testament sprach er ihnen ab: "Sie lesen sie als Blinde und singen sie als Taube", verneinte nicht nur ihre "Auserwählung", sondern sogar das Recht, sich noch Juden zu nennen. Als erster Theologe legt er auch den Juden seiner Zeit Jesu Tod zur Last, was wieder ihre ewige Knechtschaft bedingt, ihre perpetua servitus. 1205 wird dieser Gedanke von Papst Innozenz III. aufgenommen und geht 1234 in die Dekretensammlung Gregor IX. ein.
Einstellung zu Krieg und Gewalt
Augustinus billigte und förderte die Bekämpfung des Donatismus und aller anderen, die anders als er selbst glaubten, durch staatliche Gewalt und geht so als Rechtfertiger und Begründer der Inquisition in die Geschichte ein. Die Donatisten hatten in seinen Augen das "Verbrechen des Schismas" begangen, waren nichts als "Unkraut", Tiere: "diese Frösche sitzen im Sumpf und quaken: "Wir sind die einzigen Christen!" Doch "Mit offenen Augen fahren sie zur Hölle hinab". Nachdem auch die Gewaltbereitschaft der Donatisten, die theologisch Augustinus nahe standen, zunahm, akzeptierte er die Notwendigkeit, diesem Übel durch harte Strafen, striktes polizeiliches Durchgreifen und Verbot des Zugangs zu Gerichten ein Ende zu machen. Die Verfolgung war so heftig, dass es zu zahlreichen Selbsttötungen kam. Augustinus missbrauchte als Rechtfertigung einen Satz aus dem Gleichnis Jesu: "Nötige die Leute hereinzukommen" (Lukas 14:23). Was er effektvoller noch mit "zwingt sie" überträgt (cogite intrare). "Duldung" nennt Augustinus nur "unergiebig und nichtig" (infructuosa et vana) und ist entzückt über die Bekehrung vieler "durch heilsamen Zwang" (terrore perculsi). Und so wurden schließlich auch die Donatisten in jahrelangen Pogromen "genötigt" - durch den römischen Staat und später gründlicher durch die Byzantiner. Man enteignete, enterbte und drohte dem donatistischem Klerus Verbannung von afrikanischem Boden an. 414 entzog man den Donatisten alle bürgerlichen Rechte und belegte ihre Gottesdienste mit der Todesstrafe. 420 erscheint Augustinus letzte anitdonatische Schrift "Contra Gaudentium". Die katholische Kirche war in der Folge in Nordafrika so verhasst, dass die einstigen Christen fast vollständig zum Islam übertraten.
Augustins Bündnis mit den staatlichen Autoritäten veranlasste ihn auch zur Entwicklung der folgenreichen Theorie vom "gerechten Krieg". Er fügte zwar als Bedingung hinzu, dass der Krieg von der eigenen Obrigkeit erklärt werden muss, die Verteidigung der eigenen Rechte zum Ziel haben und mit möglichst zurückhaltenden Mitteln geführt werden solle. "Krieg zu führen", lehrt Augustinus, "und durch Unterwerfung der Völker das Reich zu erweitern, erscheint den Bösen als Glück, den Guten als Zwang. Aber weil es schlimmer wäre, wenn die Ungerechten über die Gerechten herrschten, so nennt man nicht unpassend auch jenes ein Glück". Diese Aussage wurde aufgrund der weiten Interpretierfähigkeit in der Folge zur Rechtfertigung von Kriegen aller Art verwendet.
Kirche als Alleinseeligmachende
Augustinus hat erheblich dazu beigetragen, den wenig organisierten und dezentralisierten Hauskreis-Charakter der Urchristenheit in eine zentralisierte Massenkirche zu überführen. Er meinte zwar, dass die "Vernunft" zu jedem Christen redet und ihn zu Gott führt, diese aber nur in der Kirche gereinigt werden kann: "Ich würde nicht einmal dem Evanglium trauen, wenn mich die Autorität der Kirche nicht dazu bewegen würde" (c. ep. Man.5). "Nichts Heilsameres geschieht in der katholischen Kirche, als dass die Autorität den Vorrang hat" (mor 1,25). Die Theologie Augustinus scheint daher dem Ziel, die Interpretationshoheit und den Mittlercharakter der Kirche zu stärken, eher verpflichtet zu sein als der Bibeltreue. Augustinus erdachte ein Menschenbild, das von Geburt an negativ ist (Erbsündenlehre) und daher jedem mit einem schrecklichen Ende drohe (Höllenlehre), der sich nicht der Organisation Kirche anvertraut. Ausgeschlossen ist für Augustinus, dass der Mensch durch das glaubende Aufnehmen von Bibelworten allein als Individuum ohne die Organisation Kirche seelig und gläubig werden kann, was noch die Lehre Jesu war. Zudem wird durch die von Augustinus angewendete Allegorisierung Bibelauslegung (im Unterschied zur literalen Auslegung) willkürlich und eine normierende Instanz nötig, die festlegt, welche der jetzt nun vielen möglichen Auslegungen die offizielle ist (Beispiel Amillenarismus). Zusätzliche Lehren, die z.B. in Konzilen unter Hoheit der Kirchen festgelegt wurden, nehmen den gleichen oder fast höheren Stellenwert wie der Bibeltext ein und nehmen für sich in Anspruch, die allein richtige Sicht zu sein (z.B. Trinität). Will man "recht" glauben, muss man den Lehren der Kirche glauben. Mit diesem Dogmensystem wird Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und dem einzelnen Menschen von der Organisaton Kirche zurückgedrängt und der Klerus als unverzichtbar für das persönliche Heil dargestellt.
Kritik
Ingesamt fragen sich Kritiker, ob seine Theologie wirklich von dem Gottesbild beherrscht war, das Jesus vermittelt hat. Seine zunehmend düsteren Einschätzung der geistigen Aussichten der Menschheitsmehrheit lässt nicht deutlich werden, wieso im Zentrum der Bibel ein von Mitleid erfüllter Vater steht und wieso der Erlöser, der den Vater repräsentiert, Freund der Sünder genannt werden konnte.
Einige Historiker und Theologen, wie Alfred Adam und Windelband, vertreten die Ansicht, dass Augustinus bei der Entwicklung seiner Lehren stark vom Manichäismus und Neuplatonismus beeinflusst gewesen war und viele seiner Ideen daher biblisch nicht haltbar seien. Sie führen Lehren wie den starken Dualismus an, der auch im Neuplatonismus und Manichäismus vorherrscht (Staaten des Guten und Bösen in seinem Werk "Gottesstaat"), die Fegefeuerlehre (Inkarnation der "Hörer"), die Höllenlehre, die Erbsündenlehre, die Lehre der doppelten Prädestination (electi, auditores und Sünder), den Kreislauf (zwei Staaten zu Anfang und zum Ende) und die Körper- und Sexualfeindlichkeit. Ingesamt hat Augustinus die Überzeugungen des Urchristentums fast bis hin zur Unkenntlichkeit und Deformierung nachhaltig verändert.
Werke
- Confessiones (dt. Bekenntnisse) -- Autobiographische Betrachtungen
- De civitate Dei (dt. Vom Gottesstaat)
- De Trinitate (dt. Über die Dreifaltigkeit) -- fünfzehnbändiges Hauptwerk)
- De beata vita (dt. Über das Glück) -- Über den Zusammenhang zwischen Glück und Gottesbegegnung)
- De magistro (dt. Über den Lehrer) -- Zur Bedeutung der Sprache
- De vera religione (dt. Über die wahre Religion) -- Zur Bedeutung der christlichen Religion
- Soliloquien (dt. Selbstgespräche) -- Zur rationalen Selbsterkenntnis.)
- De immortalitate animae (dt. Von der Unsterblichkeit der Seele.)
- De doctrina christiana (dt. Über die christliche Bildung)
- Retractationes (dt. Überarbeitungen) -- enthält nachträgliche Korrekturen und Anmerkungen zu seinen früheren Schriften
Literatur
zum Leben
- Peter Brown, Augustinus von Hippo. Eine Biographie, ND München 2000 (Standardwerk)
- James J. O'Donnell: Augustine. A New Biography, New York 2005.
- G. Wills, Augustinus, Berlin 2004
- J. Bouman, Augustin - Lebensweg und Theologie, 1987
- C. Cremona, Augustin. Eine Biographie, 1988
- K. Flasch, Aurelius Augustinus
- H. Marrou, Augustin, 1958
- Johann Kreuzer, Augustinus zur Einführung, Hamburg 2005, ISBN 3885066092
zum theologischen Werk
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- ders., Das Forwirken des Manichäismus bei Augustin; in: ZKG 69 (1958), 1-25
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- Ernst Benz, Marius Viktorinus; 1932
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- W. Bessner, Augustins Bekenntnisse als Erneuerung des Philosophierens. 13 Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie von Augustin bis Boethius; 1991
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- E. Dinkler, Die Anthropologie Augustins; 1934
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- N. Fischer; Augustins Philosophie der Endlichkeit. Zur systematischen Entfaltung seines Denkens aus der Chorismoproblematik; 1987
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- R. Lorenz, Fruitio Dei bei Augustin; in: ZKG 63 (1950), 75-132
- ders., Die Herkunft des a Frui Deo; in: ZKG 64 (1952/53), 34-60
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- K.A. Wohlfahrt, Der metaphysische Ansatz bei Augustin; 1969
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zu den confessiones
- N. Fischer/ C. Mayer (Hg.), Die Confessiones des Augustinus von Hippo. Einführung und Interpretation zu den 13 Büchern; o.J.
- Kurt Flasch, Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Historisch-philosophische Studie; 1993
- Romano Guardini, Die Bekehrung des Aurelius Augustinus. Der innere Vorgang in seinen Bekenntnissen; 2.Aufl. 1950
- Adolf von Harnack, Augustins Confessiones; 1888
- G.N. Knauer, Psalmenzitate in Augustins Confessiones; 1955
- Jostein Gaarder, Vita Brevis - Das Leben ist kurz; 1997
- Barbara Kursawe, docere - delectare - movere. Die officia oratoris bei Augustinus in Rhetorik und Gnadenlehre; 2000
Gedenktag
- Anglikanisch: 28. August
- Evangelisch 28. August
- Katholisch: 28. August (Gebotener Gedenktag im Allgemeinen Römischen Kalender)
- Orthodox: 15. Juni
Siehe auch
Illuminationslehre, Augustinusregel, Erbsünde, Aurelius von Karthago
Weblinks
- Vorlage:PND
- Hervorragender Eintrag aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Augustinus (Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon)
- Augustinus-Website von James O`Donnell
- Texte im Internet
- E-Texte (englisch)
- Über 70 Zitate von Augustinus von Hippo
- Zentrum für Augustinusforschung Würzburg
- Augustins Philosophischer Grund
Personendaten | |
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NAME | Augustinus von Hippo |
ALTERNATIVNAMEN | Augustinus von Tagaste [Alternativ], Heiliger Augustinus, Augustin [Deutsch] |
KURZBESCHREIBUNG | westlicher Kirchenlehrer, christlicher Theologe und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 13. November 354 |
GEBURTSORT | Tagaste, Numidien |
STERBEDATUM | 28. August 430 |
STERBEORT | Hippo Regius im heutigen Algerien |