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Schwarz-grüne Koalition

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Als Schwarz-Grüne Koalition bezeichnet man eine Koalition einer konservativen mit einer grünen Partei.

Deutschland

In Deutschland bezeichnet eine Schwarz-Grüne Koalition eine Regierung aus der CDU oder der CSU mit den Grünen. Im Vergleich zu anderen Konstellationen ist diese noch recht jung.

Schwarz-Grüne Koalitionen hat es bisher weder auf Landes-, noch auf Bundesebene in Deutschland gegeben. Auf kommunaler Ebene (z.B. in Kiel, Köln, Kassel, und Essen) gab und gibt es seit einiger Zeit rund zwei Dutzend schwarz-grüne Bündnisse, vor allem in NRW. In Kassel (Streit um den Ausbau des Flughafens Kassel-Calden) und Köln (Mehrheitsverlust) ist diese Konstellation jedoch zwischenzeitlich gescheitert.

Eine Reihe Politiker von CDU/CSU und Grünen sprechen sich für Schwarz-Grün als weitere Option in der Koalitionsbildung aus. Früher wurden solche Bündnisse von beiden Seiten kategorisch ausgeschlossen. 2004 haben sich insbesondere Unionspolitiker wie Edmund Stoiber (CSU) und Peter Müller (CDU) für Schwarz-Grün als weitere Option ausgesprochen. Innerhalb der schwarzen und der grünen Partei(en) ist Schwarz-Grün jedoch nach wie vor umstritten.

Debatte: Schwarz-Grün auf Landesebene

Mit Schwarz-Grün in ihren Bundesländern haben bisher mehrere Regierungschefs und Landtagswahlspitzenkandidaten der CDU geliebäugelt, darunter Peter Müller (Saarland) und Ole von Beust (Hamburg).

Vor der NRW-Landtagswahl 2005 zeigten sich die Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers (CDU) und Bärbel Höhn (Grüne) bei mehreren Fototerminen. Gemeinsam erklärten sie, wenn auch eher aus taktischen Gründen: "Schwarz-Grün liegt in der Luft". Rüttgers setzte danach, trotz einer sich abzeichnenden knappen Mehrheit, auf eine Koalition mit der FDP und auf einen Lagerwahlkampf.

Im Vorfeld der thüringer Landtagswahlen 2004 wurde über Schwarz-Grün von vielen Seiten spekuliert. 69 % der Grünen- und 48 % der CDU-Wähler in diesem Land hätten laut einer Emnid-Umfrage eine solche Koalition begrüßt. Auch vor der sächsischen Landtagswahl 2004 war Schwarz-Grün nicht von vorneherein ausgeschlossen.

Die Bildung schwarz-grüner Koalitionen in Berlin sowie Baden-Württemberg ist nach den Landtagswahlen 2006 in diesen beiden Ländern zumindest denkbar. In Berlin köchelt die Debatte über ein künftiges Zusammengehen der beiden Oppositionsparteien CDU und Grüne weiter, wenn auch mittlerweile nur noch auf Sparflamme. Derzeit hält vor allem der Grünen-Politiker und Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland ein solches Zusammengehen für möglich, während CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer für eine klare Absage Kritik aus den eigenen Reihen erntete. Zimmer hatte vorher monatelang für eine solche Zusammenarbeit der beiden derzeitigen Oppositionsparteien plädiert.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) schließt Schwarz-Grün für sein Bundesland, dessen Grüne als eher konservativ gelten, nicht aus. Dies dürfe kein Tabuthema sein, sofern die FDP den Einzug in den Landtag im März 2006 verpassen werde: „Schwarz-Grün ist allemal besser als eine große Koalition oder Rot-Grün.“ [1]

In Bremen brachte CDU-Bausenator Jens Eckhoff Schwarz-Grün für die Zeit nach der Landtagswahl in 2007 ins Gespräch. Grundsätzlich hält auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel die Zeit reif für schwarz-grüne Koalitionen auf Landesebene.

Rechnerische Parlaments-Mehrheiten für Schwarz-Grün würden den jeweils aktuellsten Umfragen ("Sonntagsfrage") zu Folge derzeit in Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein erzielt und in Bremen knapp verfehlt.

Debatte: Schwarz-Grün auf Bundesebene

Bei den Grünen plädieren Bundespolitiker wie Jerzy Montag, Werner Schulz und der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Reinhard Loske, für Schwarz-Grün als weitere Möglichkeit grüner Beteiligung an der Bundesregierung. Der mächtigste Grünen-Politiker Joschka Fischer lehnt dies indes ab: "Ich wüsste nicht, wie ich mit Angela Merkel und Herrn Kirchhof eine gemeinsame Politik vereinbaren sollte." (Zitat vom 6.9.2005) Auch Angela Merkel teilte in ihrem Buch "Mein Weg" Schwarz-Grün auf Bundesebene eine (zumindest vorläufige) Absage: "In diesem Jahrzehnt nicht mehr." Nach der letzten Bundestagswahl (18.09.2005) erreicht eine schwarz-grüne Koalition aber keine Mehrheit, allenfalls, wenn sie von der FDP unterstützt würde.

Zuspruch der Wähler

Laut einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Monatszeitschrift "Cicero" [2] vom September 2005 halten deutlich mehr Grünen- als Unionswähler Schwarz-Grüne Koalitionen auf kommunaler, auf Länder- und auf Bundesebene für sinnvoll. Die Unionswähler sind von diesem Gedanken kaum mehr angetan als der Durchschnitt der Wähler.

Ebene Grünen-Wähler CDU/CSU-Wähler Bevölkerung
Kommunal 59 % 39 % 36 %
Länder 49 % 33 % 32 %
Bund 32 % 24 % 21 %

Immer noch gibt es zwischen Unions- und Grünen-Wählern starke Unterschiede, insbesondere in der Frage, welche politischen Themen die wichtigsten seien. Für Grünen-Wähler stellen "Umweltpolitik" und "Soziale Gerechtigkeit" die beiden "wahlentscheidenden Aspekte" dar. Bei den CDU/CSU-Wählern landen diese beiden Themen unter ferner liefen. Im Gegenzug sind die beiden Topthemen konservativer Wähler ("Wirtschaftspolitik" und "Arbeitsmarkt") für grüne Wähler von geringerer Bedeutung.

Thema Grünen-Wähler CDU-Wähler
Umweltpoltik 64 % 4 %
Soziale Gerechtigkeit 39 % 15 %
Wirtschaftspolitik 15 % 53 %
Arbeitsmarkt 11 % 42 %

Stand: September 2002. Quelle: Umfrage von Infratest dimap nach [3], S. 15

Machtpolitische Erwägungen

Nicht zuletzt sprechen machtpoltische Erwägungen für Schwarz-Grün: Denn sowohl Unionsparteien als auch Grüne suchen eine strategische (Koalitions-)Alternative. Die SPD ist in den letzten Jahren in Bund oder Ländern Koalitionen mit der CDU (große Koalition), mit FDP, mit Grünen, mit der PDS respektive Linkspartei sowie Ampelkoalitionen mit FDP und Grünen eingegangen.

Die SPD hat also fünf Koalitionsvarianten verwirklicht. Zudem wäre es in Schleswig-Holstein auf Landesebene beinahe zu einer weiteren Koalitionsvariante gekommen: Rot-Grün unter Tolerierung des Südschleswigschen Wählerverbandes, eine Konstellation, die von Spöttern auch (etwas unexakt) als "Dänenampel" bezeichnet wurde.

Der CDU hingegen bleiben als Koalitionsoptionen derzeit nur Schwarz-Gelb sowie eine große Koalition, den Grünen bleibt gar nur Rot-Grün - oder die wenig beliebte Ampelkoalition. Sowohl für Grüne als auch für CDU wäre Schwarz-Grün eine willkommene Alternative, zumal diese Option die Verhandlungsmacht in Koalitionsverhandlungen mit anderen potenziellen Partnern stärken würde. So hatte der damalige CDU-Spitzenkandidat und heutige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers seinen zeitweiligen Flirt mit den Grünen vor der NRW-Landtagswahl 2005 damit erklärt, dass es "mir ein großes Maß an Freiheit" eröffne, mehrere Koalitionsoptionen zu haben.

Für die grüne Partei spricht zudem ein weiteres Argument für Schwarz-Grün: Sollte die SPD bei Wahlen auf Dauer schlechte Ergebnisse erringen, werden rot-grüne Koalitionen dadurch verunmöglicht. Derzeit sind die Grünen an keiner Landesregierung beteiligt, nachdem seit 1998 rot-grüne Regierungen in Hessen, NRW, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Berlin abgewählt worden waren.

Österreich

In Österreich gab es nach den Nationalratswahlen 2002 Regierungsverhandlungen zwischen den Grünen und der ÖVP, die aber (dem Vernehmen nach kurz vor einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss) platzten, nicht zuletzt wegen massiver Bedenken der grünen Parteibasis. Dennoch gelten die Grünen seither als möglicher Regierungspartner der ÖVP und sind somit nicht mehr ausschließlich an die SPÖ gebunden.

Nach den Landtagswahlen in Oberösterreich 2003 gibt es nun erstmals in Österreich eine Regierungszusammenarbeit zwischen Schwarz und Grün auf Landesebene.

Vorlage:Politische Koalitionen