Es gibt im Nachsommer, neben anderen, eine Stelle von provozierender Ambivalenz.
Bekanntermassen hat Stifter die Erzählung mitten im Zeitraum der bürgerlichen Revolutionen geschrieben, vollendet ein knappes Jahrzehnt nach dem Scheitern von 1848.
Im Rückblick, in der eingeschobenen Risach – Mathilde – Geschichte, greift Stifter auf eine Konstellation zurück, die seit dem 18 Jahrhundert von Schriftstellern zur Gestaltung von Emanzipationsbestrebungen des bürgerlichen Individuums gewählt wurde: die Exponenten einer begüterten Landadelfamilie verweigern dem armen Hauslehrer, den sie zur Erziehung ihrer Kinder auf ihr Anwesen geholt haben, die wohlsituierte Tochter und zerstören beider Bund.
In dem Auftritt, da Frau Makloden auf Hainbach ihre Tochter Mathilde dem armen Hauslehrer Risach verweigert, macht sich dieser die Argumentation der Mutter zu eigen, verlässt unter Tränen die Szene, küsst gar zum Abschied der Frau die Hand und hat versprochen, in eigener Person der Geliebten das Gebot der Eltern zu überbringen. Mathilde wird Risachs Verhalten als einen schändlichen Wortbruch, als kleinmütigen Verrat an ihrer Liebe geisseln - während die Erzählung (scheinbar oder anscheinend?) dazu tendiert, das Verhalten Risachs im Sinne höherer Vernunft zu rechtfertigen.
In der Szene, da Risach demütig die Entscheidung der Eltern akzeptiert, transformiert sich Risach in einen gehorsamen Sohn, dem Frau Makloden die Hand auf den Scheitel legt und ihm bei Erfüllung aller Bedingungen künftigen Segen in Aussicht stellt.
Schickt Stifter hier seinen Helden auf einen Gang zu den Müttern? Ist die Regression Risachs als ein Reflex auf die nachmetternichschen Verhältnisse zu verstehen? (Biez)