Geschichtsrevisionismus

Versuche, ein wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich anerkanntes Geschichtsbild zu revidieren
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Als Geschichtsrevisionismus bezeichnet man im deutschen Sprachraum Versuche, bestimmte historische Entwicklungen und Tatsachen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht anzuerkennen, sondern umzudeuten und rückgängig zu machen. Diese sind meist mit einer rechtsgerichteten Politik und mit Zielen des Rechtsextremismus verwandt oder verbunden.

Solche Versuche gab es schon zwischen den beiden Weltkriegen in der Weimarer Republik, vermehrt aber seit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus 1945. Es geht Geschichtsrevisionisten stets darum, die Ergebnisse der deutschen Kriegsniederlagen entgegen dem Hauptstrom der Geschichtswissenschaft in außerdeutschen Ursachen anzusiedeln, um mit der so gewonnenen "Deutungshoheit" Ansprüche auf ehemalige deutsche Gebiete oder Großmachtambitionen wieder aufzurichten. Anknüpfen können solche Versuche auch an Historiker wie Ernst Nolte, der im Historikerstreit 1986 eine neue Variante der Totalitarismusthese vertrat.

Dieser Geschichtsrevisionismus ist vom Begriff des Revisionismus, der in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und der Kritik des Staatskommunismus verankert ist, und vom Vertragsrevisionismus, der die im Versailler Vertrag von 1919 geforderten Reparationen und Gebietsabtretungen revidieren wollte, zu unterscheiden.

Geschichtsrevisionismus bezüglich Nationalsozialismus und Holocaust

Mit "Revisionismus" bezeichnet man seit dem Historikerstreit von 1986 das Bestreben, die von Staat und etablierter historischer Wissenschaft festgestellten Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren, zu verharmlosen und in andere Zusammenhänge einzuordnen.

Ziel des Geschichtsrevisionismus ist die direkte oder indirekte Holocaustleugnung und Verschiebung der deutschen Kriegsschuld am 2. Weltkrieg auf außerdeutsche Ursachen. Meist werden Relativieren und Leugnen des Holocaust in diesem Begriff zusammengefasst.

Zu den direkten Holocaustleugnern gehören u.a. Ernst Zündel in Kanada, Fred A. Leuchter in USA, David Irving in Großbritannien und der Diplom-Chemiker Germar Rudolf, ehemals Doktorand des Stuttgarter Max-Planck-Instituts. Als Zentralen des Revisionismus gelten das Institute for Historical Review in Kalifornien, USA, sowie das Institut Vrij Historisch Onderzoek (VHO , "Freie Historische Untersuchung") in Antwerpen, Belgien.

Ursprünglich selbst Anhänger des Holocaustleugners Robert Faurisson, führte der Pharmazeut Jean-Claude Pressac Untersuchungen in Auschwitz durch, um revisionistische Behauptungen zu untermauern. Mit korrekten wissenschaftlichen Methoden kam er jedoch zu einer bis dahin unerreicht exakten Erklärung der Vergasungstechnik, die die "Auschwitzlüge" vollständig widerlegte. Er legte seinen Revisionismus dabei ab. Seine Erkenntnisse werden jedoch teilweise in die "Beweisführung" von Holocaustleugnern eingebaut und umgedeutet, so dass er diese wiederum zu stützen scheint.

Ähnliche Untersuchungen führte der Handelsvertreter für Hinrichtungstechnik Fred A. Leuchter u.a. in Auschwitz durch, wobei er die Vergasung von Menschen in Auschwitz für technisch unmöglich erklärte. Diese Behauptung wurde jedoch schnell durch seriöse Wissenschaftler widerlegt, da Leuchter wichtige Faktoren wie die Verwitterung der Gaskammerwände nicht berücksichtigte oder auch bewusst verfälschte, wie z.B. den den Opfern zur Verfügung stehenden Raum, den er mit 0,8 qm angab. Zum Vergleich: bei Truppentransporten der Wehrmacht standen jedem Soldaten inkl. Ausrüstung 0,4 qm zur Verfuegung. Dennoch wird der sog. Leuchter-Report bis heute von Holocaustleugnern als Beweis für ihre Behauptungen angeführt.

Seriöse etablierte Historiker weigern sich bis heute oft, überhaupt auf die Behauptungen der Revisionisten zu reagieren. Man will ihre Thesen nicht mit Gegenschriften als Teil eines "wissenschaftlichen Diskurses" hoffähig machen und sich nicht auf die Verhöhnung der Holocaustopfer einlassen. In letzter Zeit haben sich jedoch auch Holocaustexperten wie Wolfgang Benz der gezielten Widerlegung von Holocaustleugnern gewidmet, um deren Thesen nicht für den Laien unwidersprochen stehen zu lassen.

Zu den indirekten Holocaustleugnern muss seit 1986 auch Ernst Nolte gezählt werden, der die Vernichtungslager der Nationalsozialisten als Reaktion auf die Arbeitslager Stalins und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 als Abwehrmaßnahme Adolf Hitlers deuten will. Er bestreitet damit die alleinige deutsche Kriegsschuld und relativiert so auch die deutschen NS-Verbrechen, indem er sie als zufällige Folge des von außen aufgenötigten Krieges umdeutet. Auch bewertete er die Bereitschaft des Vorsitzenden der "Jewish Agency" Chaim Weizmann, an der Seite Englands gegen Nazi-Deutschland zu kämpfen, als Kriegserklärung der Juden an das Deutsche Reich und stellte die mit Kriegsbeginn eskalierende Judenverfolgung des NS-Regimes als "Gegenmaßnahme" dar. Dieser Revisionismus findet weit über rechtsextreme Gruppen hinaus in der sogenannten "Neuen Rechten" Zustimmung.

Dort sehen Historiker wie Alexander Ruoff einen "Diskurs des völkischen Nationalismus, in dem nicht Auschwitz selbst, sondern die Bedeutung dieses Verbrechens für die Bildung einer selbstbewussten Nation geleugnet wird." Ruoff analysierte dazu die Wochenzeitung Junge Freiheit und stellte fest: "Mit dem Konzept der Hegemoniepolitik unternimmt die Neue Rechte den Versuch, gesellschaftliche Akzeptanz für eine völkische Fassung nationaler Selbstvergewisserung zu erreichen, die zum einen auf parteiförmige Organisationsformen wie zum anderen auf die Leugnung der Vernichtung der europäischen Juden verzichtet."

Literatur