Jan Ullrich

deutscher Radrennfahrer
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Jan Ullrich (* 2. Dezember 1973 in Rostock) ist einer der erfolgreichsten deutschen Radrennfahrer. 1997 gewann er als erster Deutscher die Tour de France. Darüber hinaus war er fünfmal Zweiter, einmal Dritter und einmal Vierter der Tour de France, Amateurweltmeister im Straßenfahren, zweimal Weltmeister im Einzelzeitfahren sowie Sieger im olympischen Straßenrennen.

Jan Ullrich nach der Deutschlandtour 2005 in Bonn


Fahrerprofil

Jan Ullrich gilt als einer der besten Rundfahrtspezialisten seiner Generation. Bei Etappenrennen zeichnen ihn seine hohe Leistungskonstanz und seine guten Bergfahrerqualitäten aus. Seine Position im Gesamtklassement erreicht bzw. stabilisiert er vor allem durch seine Spitzenleistungen im Zeitfahren. Auch seine Endgeschwindigkeit im Sprint ist für einen Rundfahrt-Spezialisten beachtlich. Ullrich gehört dem athletischen Fahrertyp an und fällt durch einen kraftvoll-runden Tritt auf. Markant ist seine Fähigkeit, große Übersetzungen gleichmäßig über einen langen Zeitraum treten zu können.

Leben

Frühe Jahre

Jan Ullrich kam bereits in der Kindheit mit Radsport in Berührung. Als neunjähriger gewann er sein erstes Schulrennen und 1983 sein erstes Rennen für die SG Dynamo Rostock auf einem geliehenen Rad in Turnschuhen. 1985 siegte er in einem Radrennen in Warnemünde. Ullrich wurde durch das DDR-Leistungssportsystem gefördert und kam nach Spartakiade-Siegen 1986 mit 13 Jahren auf die "Kinder- und Jugendsportschule" (KJS) des SC Dynamo Berlin.

1987 wurde Jan Ullrich DDR-Schülermeister im Rad-Bahnvierer und 1988 DDR-Jugendmeister im Straßenradfahren, 1990 DDR-Jugendmeister im Punktefahren. Nach der Wende nahm ihn sein Trainer Peter Becker mit nach Hamburg. 1993 gewann der 19-jährige Jan Ullrich überraschend die Straßenweltmeisterschaft der Amateure in Oslo. Ein Jahr später belegte er den dritten Platz bei der erstmals ausgetragenen sowohl für Amateure wie Profis offenen Zeitfahrweltmeisterschaft. Nach diesem Erfolg wurde er vom Team Telekom unter Vertrag genommen und zog zu seiner Freundin Gaby Weiss ins südbadische Merdingen. In seinen ersten anderthalb Profijahren fuhr Ullrich eher unauffällig.

1996 - 1999

Bei seiner ersten Tour de France im Jahr 1996 erreichte er jedoch sensationell den zweiten Platz hinter seinem dänischen Teamkollegen Bjarne Riis und gewann mit dem letzten Zeitfahren seine erste Tour-Etappe.

1997 startete Jan Ullrich ebenfalls als Helfer seines Kapitäns Bjarne Riis in die Frankreichrundfahrt. Doch als er sich nach einem überlegen herausgefahrenen Etappensieg in den Pyrenäen bei einer Bergankunft in Andorra-Arcalis erstmals das Gelbe Trikot des Führenden überstreifen konnte, kam in Deutschland eine Art "Tourfieber" auf, und die französische Sportzeitung L'Équipe reihte ihn mit der Schlagzeile "Voilà le Patron" in die Größen der Radsportwelt ein, während die italienische Gazzetta dello Sport am nächsten Tag "Ullrich il Kaiser" auf dem Titelblatt schrieb und ihm damit seinen bis heute in Italien verwendeten Spitznamen gab. Ullrich gewann noch eine weitere Etappe und schließlich, als erster Deutscher und mit 23 Jahren als einer der jüngsten Fahrer überhaupt, die Gesamtwertung der Tour.

Sein historischer Sieg machte Ullrich in Deutschland innerhalb kürzester Zeit zum populärsten aktiven Sportler überhaupt; er wurde 1997 zum "Sportler des Jahres" gewählt. Allerdings konnte der neue Radstar die extrem hohe Erwartungshaltung der Öffentlichkeit (die eine Serie von Toursiegen erwartete) in den nächsten Jahren nicht einlösen.

 
Jan Ullrich bei der deutschen Straßenrad-Meisterschaft 2004

Seit 1998 erlebte Ullrich regelmäßig ein schwaches Frühjahr, geprägt von schlechter Fitness, Übergewicht, Krankheiten und Verletzungen. Trotzdem erreichte er bei der Tour 1998 den zweiten Rang hinter Marco Pantani und holte sich drei Etappensiege. Ein Jahr später verhinderte ein Sturz bei der Deutschlandtour seinen Start bei der "Grande Boucle", Ullrich gewann dafür am Saisonende die Vuelta a España und die Zeitfahr-WM.

2000 - 2003

Im Jahre 2000 traf der Telekom-Fahrer erstmals bei der Tour auf Lance Armstrong und wurde von diesem klar auf den zweiten Platz verwiesen. Beim Ruhetag gab er in einer selbstkritischen Stellungnahme Fehler bei der Vorbereitung zu und versprach künftig Besserung. Tatsächlich gewann er wenige Wochen nach Ende der Tour das Straßenrennen der Olympischen Sommerspiele in Sydney und zudem Silber im Zeitfahren - vor seinem Rivalen Armstrong. Nach diesen Prestigeerfolgen übernahm Ullrich sogar kurz als erster Deutscher die Führung der UCI-Radsport-Weltrangliste.

Im Jahre 2001 lief die Vorbereitung für die Tour für Ullrichs Verhältnisse glatt, doch trotz starker Form bei der Tour konnte er Armstrongs dritten Sieg nicht verhindern und landete zum vierten Mal auf dem 2. Platz. Im Herbst hielt er sich mit seinem zweiten Erfolg bei der Zeitfahr-WM schadlos.

Für die Tour 2002 bereitete sich Jan Ullrich ehrgeiziger und früher denn je vor. Eine langwierige Knieverletzung, die nur operativ behoben werden konnte, zwang ihn jedoch zu einer einjährigen Pause. Die Zeit der erzwungenen Untätigkeit erwies sich für Ullrich als verhängnisvoll: Zunächst verursachte er in Freiburg unter Alkoholeinfluss einen nächtlichen Autounfall. Nur wenige Wochen später wurde er, während eines Aufenthalts in einer Rehabilitationsklinik, positiv auf Doping getestet. Ullrich erklärte, von Unbekannten "Pillen" in einer Discothek angenommen zu haben. Er wurde für sechs Monate gesperrt.

Im gleichen Jahr zog er von Merdingen nach Scherzingen an die schweizerische Seite des Bodensees.

Nach diesem Tiefpunkt seiner Karriere beschloss Ullrich, unter neuen Bedingungen noch einmal eine Wiederkehr zu versuchen. Er wechselte gemeinsam mit seinem Mentor Rudy Pevenage vom Team Telekom zur Mannschaft Coast. Das von einem mittelständischen Textilunternehmen gesponserte Team geriet im Frühjahr 2003 allerdings in Finanzschwierigkeiten und wurde vom Radsportweltverband UCI zweimal suspendiert. Schließlich konnte Teammanager Pevenage den bisherigen Co-Sponsor Bianchi überzeugen, den Radrennstall komplett zu übernehmen.

Nach einigen guten Platzierungen bei der Deutschland-Tour und der Tour de Suisse ging Jan Ullrich schließlich im celestefarbenen Trikot des Team Bianchi mit einer exzellenten Form in seine sechste Tour de France, bei der er zunächst von einer Magenvergiftung geplagt wurde, seinen Rückstand in den Alpen aber begrenzen konnte.

Am 18. Juli 2003 gewann Ullrich dann die 12. Etappe der Tour, ein Einzelzeitfahren in Cap' Découverte, mit über eineinhalb Minuten Vorsprung vor dem großem Favoriten Lance Armstrong. Es war Ullrichs erster Etappensieg bei der Tour seit 1998. Obwohl Ullrich den Kampf um das Gelbe Trikot auch danach und bis zum letzten Zeitfahren offen gestalten konnte, setzte sich Lance Armstrong schließlich durch und feierte seinen fünften Toursieg in Folge. Jan Ullrich belegte trotz Sturzes im Zeitfahren mit 1:01 Minuten Rückstand ein fünftes Mal den zweiten Gesamtrang beim wichtigsten Radrennen der Welt.

 
Jan Ullrich bei der Deutschlandtour 2004

Nach der Tour wurde Jan Ullrich von der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) mit der "Fair Play-Plakette des deutschen Sports" ausgezeichnet, weil er den Sturz seines Gegners Armstrong nicht zum Angriff ausgenutzt hatte, sondern auf ihn wartete. Im Dezember 2003 wurde Ullrich von den deutschen Sportjournalisten zum zweiten Mal zum Sportler des Jahres gewählt und setzte sich damit unter anderem gegen Michael Schumacher durch, der im gleichen Jahr zum 6. Mal Formel 1-Weltmeister geworden war.

2004

 
Jan Ullrich beim Rennen "Rund um die Hainleite" 2004 in Erfurt

Im Jahr 2004 fuhr Ullrich zunächst ein sehr unauffälliges Frühjahr und stieg bei dem Ardennenklassiker La Flèche Wallonne vorzeitig aus. Erst gut vier Wochen später kehrte Ullrich bei der Deutschlandtour ins Renngeschehen zurück und überraschte mit einer starken Formverbesserung: Im Auftaktzeitfahren wurde er Zweiter, die Bergetappen beendete er in vorderen Rängen. Mitte Juni gewann Ullrich bei seiner achten Teilnahme schließlich erstmals die renommierte Tour de Suisse, bei der er auch die erste Etappe und das abschließende Zeitfahren für sich entscheiden konnte.

Am 3. Juli 2004 ging Ullrich im belgischen Lüttich als einer der Anwärter auf den Gesamtsieg an den Start der 91. Tour de France, verlor jedoch schon im Prolog überraschend 15 Sekunden auf den Titelverteidiger Lance Armstrong. Durch eine Erkältung verlor er auf den beiden Pyrenäen-Bergetappen weitere fünf Minuten auf Armstrong und damit jede Chance auf den Gesamtsieg. Trotz seines Einsatzes in der letzten Tourwoche in den Alpen und bei den beiden verbliebenen Zeitfahren, in denen er sich jeweils nur Lance Armstrong geschlagen geben musste, kam er in der Gesamtwertung nicht über einen vierten Platz hinaus. Dies war bisher sein schlechtestes Ergebnis bei der Tour de France.


Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen trat Jan Ullrich als Titelverteidiger beim Straßenrennen mit dem Ziel an, seine zweite Goldmedaille zu gewinnen. Der Kurs in der Innenstadt von Athen war jedoch eher für Eintagesrennenspezialisten geeignet und endete mit dem Favoritensieg von Paolo Bettini. Beim Einzelzeitfahren wurde der als Favorit gehandelte Ullrich nur Siebenter.

2005 (aktuell)

 
Tour de France 2005
 
Nacht von Hannover 2005

Dieses Jahr begann Jan Ullrich mit dem Training auf Mallorca, und nach einer Grippe trainierte er in der Toskana. Die erste Rundfahrt, die er dieses Jahr bestritt, war der Circuit Cyclciste de la Sarthe (Sarthe-Rundfahrt), bei der er im Schlußklassement den 10. Rang belegte.

Jan Ullrich bestätigt am 15. Mai die Trennung von seiner Freundin Gaby. Die 31-Jährige ist mit der gemeinsamen Tochter Sarah Maria aus dem Haus in Scherzingen ausgezogen. Er selbst wohnt weiterhin im Ort Scherzingen in der Gemeinde Münsterlingen, nahe Konstanz, in der Schweiz.

Bei der Tour de Suisse wurde Ullrich Dritter der Gesamtwertung, hinter Aitor González Jiménez und Michael Rogers.

Die Tour de France 2005 war für Jan Ullrich die letzte Gelegenheit, gegen Lance Armstrong anzutreten, da dieser bereits vor Beginn der Tour seinen Rücktritt vom Radrennsport angekündigt hatte. Zu Anfang der Tour noch von zwei Stürzen geplagt, erreichte Ullrich in den Pyrenäen sein Formhoch, was ihn allerdings nicht mehr auf Augenhöhe mit den Konkurrenten Lance Armstrong und Ivan Basso bringen konnte. Ullrich belegte den dritten Platz in der Gesamtwertung hinter Armstrong und Basso. Am vorletzten Tag der Tour (20. Etappe) konnte er im 55-km-Einzelzeitfahren dem bis dahin an dritter Stelle platzierten Dänen Michael Rasmussen über sieben Minuten abnehmen - das Ausmaß des Zeitrückstandes war allerdings nicht nur auf Ullrichs Überlegenheit als Zeitfahrer, sondern auch auf das Pech des Dänen zurückzuführen.

Das Abschneiden im Zeitfahren, bei dem Ullrich nur 23 Sekunden mehr als Armstrong benötigte, und der Podiumsplatz ließen ihn dann doch noch eine positive Bilanz ziehen.

Bei der Deutschlandtour 2005 belegte Ullrich hinter Levi Leipheimer den zweiten Platz im Gesamtklassement.

Jan Ullrich im kritischen Urteil der öffentlichen Meinung

Jan Ullrichs Chancen, seine Fähigkeiten und sein Trainingszustand sind alljährlich Gegenstand lebhafter Diskussionen unter Journalisten, Radsportexperten und Fans. Mal wird Jan Ullrich nachgesagt, nicht über die notwendige Härte zu verfügen, mal heißt es, er habe nicht den unbedingten Siegeswillen wie beispielsweise Lance Armstrong, mal wird ihm mangelnde Vorbereitung vorgeworfen. So haben sich auch im Vorfeld der Tour de France 2005 wieder ehemalige Radsportgrößen wie Raymond Poulidor, Rudi Altig und allen voran Eddy Merckx zu diesem Thema geäußert.

Bei all diesen Diskussionen bleibt eine objektive Bewertung oft auf der Strecke.

Tatsache ist, daß Jan Ullrich zusammen mit Erik Zabel an der Spitze der erfolgreichsten deutschen Radrennfahrern rangiert und seine Erfolge (siehe unten) mehr als nur beachtlich sind. An der wünschenswerten Bilanz eines Campionissimo fehlt ihm nun der Giro-Sieg, denn damit hätte er die Titel der drei großen Rundfahrten, den Olympia-Sieg und mehrere Weltmeistertitel in seiner Erfolgsliste.

Erfolge (Auswahl)

Literatur

  • Jan Ullrich, Hagen Boßdorf: Ganz oder gar nicht. Econ, 2004, ISBN 3-430-19231-5
  • Andreas Burkart: Jan Ullrich - Wieder im Rennen. Goldmann, 2003, ISBN 3-442-15295-X
  • Hagen Boßdorf (Vorwort): Jan Ullrich - Meine Lieblingsradtouren, Schwarzwald. Artbeer Creation, 2001, ISBN 3-00-007288-8