Hugenotte

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Hugenotten ist die seit etwa 1560 gebräuchliche Bezeichnung für die französischen Protestanten. Ihr Glaube ist stark von der Lehre Johannes Calvins beeinflusst.

Die Hugenotten wurden in Frankreich insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert stark verfolgt. Besonders die Verfolgungen unter Ludwig XIV. ab 1685 lösten eine Fluchtwelle von einer viertel Million Hugenotten in die umliegenden protestantischen Länder aus.

Nach dem Ende der Verfolgung und dem Inkrafttreten der französichen Verfassung 1791 setzte sich immer mehr die Bezeichnung Protestanten durch. Die Bezeichnung Hugenotten ist also eigentlich nur für calvinistische Gläubige für die Zeit ihrer Verfolgung in Frankreich gerechtfertigt.

Die französischen Protestanten stellen im vorwiegend katholischen Frankreich heute eine kleine Minderheit dar.

Etymologie

Der Ursprung des Wortes "Hugenotten" ist vermutlich eine Anspielung auf das französische Wort aignos (Eidgenossen), das die Verbindungen zum calvinistischen Zentrum Schweiz aufzeigt. Möglicherweise stand auch der Genfer Freiheitskämpfer Besancon Hugues bei der Namengsbebung Pate, doch genau lässt sich die Herkunft des Wortes nicht herleiten. Sicher ist, dass der Name nicht als Eigenbezeichnung der Gläubigen, sondern als Spottbegriff entstand.

Geschichte

Anfänge der Reformation in Frankreich

Um die Zeit, als in Deutschland durch die Thesen Luthers die Reformation begonnen hatte (1517), gibt es in Frankreich eine Situation, in der das Luthersche Gedankengut auf fruchtbaren Boden fallen konnte:

Franz I., der Frankreich seit 1515 regierte, hatte zu dieser Zeit die katholische Kirche zunehmend zu einem Verwaltungsorgan des Staates aus- und umgebaut: Seit dem Konkordat von Bologna 1516 hatte er das Recht, die hohen Ämter der französischen Kirche nach eigenem Willen zu besetzen. Er nutzte dies geschickt, um den französischen Hochadel in den entsprechenden Positionen unterzubringen, und ihn sich auf diese Weise zu verpflichten. Die Infrastruktur der Kirche war für Franz ebenfalls von Bedeutung:
Ihre Präsenz in allen Städten und Dörfern, die hohe Reichweite, die die Pfarrer in ihren Gemeinden erzielen konnten, und die Familienregister, die die Pfarreien führten, waren Elemente, die er für verwaltungstechnische Aufgaben, zum Beispiel der Veröffentlichung von Edikten, einspannen konnte.

Insbesondere in Paris führte diese Verweltlichung zu Widerspruch von humanistischen Kreisen, insbesondere um Erasmus von Rotterdamm (Didier Érasme) und Jacques Lefèvre d'Étaples (Jakob Faber). Um 1520 beginnt man, in diesen Zirkeln die Thesen Luthers diskutieren, die die heilige Schrift zum Maßstab des Glaubens machen und die Trennung von Staat und Kirche einfordern. Die theologischen Thesen Luthers werden zunächst auch vom Königshaus eher positiv aufgenommen: So waren die Schwester des Königs, Margarete von Navarra, und der Bischof von Bayonne, Jean du Bellay, sowie dessen Bruder Guillaume Mitglieder der Gruppe um Lefèvre.

Franz I., ohnehin sehr aufgeklärt und aufgeschlossen, zudem wohl noch durch seine Schwester beeinflusst, zeigt sich ebenfalls gegenüber den theologischen Aspekten der beginnenden Reformationsbewegung nicht abgeneigt. So hält er zum Beispiel über Lefèvre seine schützende Hand, als gegen diesen nach einer Abhandlung über Maria Magdalena ein Prozess wegen Ketzerei angestrengt worden war. Die Reform einer Kirche von innen heraus ist, zumindest was die theologischen Deutungen angeht, nichts, was Franz I. fürchten müsste.

Zunächst einmal darf also um 1520 herum der reformatorische Gedanke auch in Frankreich Fuß fassen. Von den Humanisten findet er auch rasch seinen Weg ins gehobene Bürgertum, wo die vorhandenen weitreichenden Handelsbeziehungen nicht nur Waren, sondern auch Ideen schnell verbreiteten helfen.

Beginnende Verfolgung

Sehr schnell setzt jedoch eine katholische Gegenbewegung ein: Die Amtsträger der Kirche beginnen, sich um ihre Pfründe sorgen zu machen: 1521 wird Luther vom Papst exkommuniziert, die Pariser Universität Sorbonne verdammt seine Lehren.

Franz I. gerät dadurch zunehmend unter Druck, und zwar aus zwei Gründen:

Der erste ist innenpolitischer Natur: Nach 1520 wird schnell deutlich, dass die Reformation eben nicht nur eine theologische Geschichte ist, die sich in den Studierzimmern der Gelehrten breitmacht, sondern dass die Thesen die bestehende klerikale (und eng damit verbunden auch die weltliche) Machtstruktur anzugreifen beginnen. Franz kann kein Interesse daran haben, dass die Reformer jetzt am Stuhl derjenigen Adeligen sägen, denen er gerade kirchliche Ämter, Würden und Einnahmequellen verschafft hatte, und die eine wesentliche Stütze seiner Kontrolle über Frankreich darstellen.

Zum zweiten befindet sich Franz I. zu dieser Zeit mit den Habsburgern, genauer gesagt, dem deutschem Kaiser Karl V. in einem schweren Konflikt. Frankreich ist über die Niederlande, Deutschland und Spanien von den den Habsburgern in die Zange genommen, in Norditalien befindet sich Frankreich im offenen Krieg mit den Habsburgern. Würde Franz der Reformation in Frankreich freien Lauf lassen, so hätte er auch noch Rom gegen sich, und Karl V., der 1521 über Luther die Reichsacht verhängt hatte, wäre - dann von Rom unterstützt - von einer Invasion Frankreichs nicht mehr abzuhalten gewesen. Auch diese außenpolitische Überlegung zwingt Franz dazu, sich mehr und mehr vom Protestantismus zu distanzieren.

So kommt es zunehmend zu Repressalien gegen die Protestanten, die sich zu einer Verfolgung zumindest des öffentlichen Protestantismus ausweiten: Die Erste Hinrichtung eines französischen Protestanten ist für den 8. August 1523 belegt, als der Augustinermönch Jean Valliére in Paris am Pfahl verbrannt wird.

Untergrundkirche

Der Protestantismus wird bis etwa 1530 zunehmend in den Untergrund gedrängt. Ein Teil der Protestanten flieht, unter anderem in die Schweiz, wo Zwingli gerade dabei ist, die katholische Kirche komplett zu entmachten. Ins politische Aus gedrängt, treten die Protestanten aus dem Untergrund jedoch zunehmend provokativer auf: Auf Plakaten wird die Messe der Katholiken als Götzendienst bezeichnet (1534), Marienstatuen werden verunstaltet.

Etwa um 1533 schließt sich Johannes Calvin in Paris dem Protestantismus an. Bis zu dieser Zeit wäre auch er eher als katholischer Humanist denn als Reformierter zu bezeichnen. Nach einer protestantisch gefärbten Rede von Nicolaus Cop, des Rektors der Universität Paris, die höchstwahrscheinlich unter Beteiligung Calvins entstand, müssen beide aus Paris fliehen.

Doch trotz der Unterdrückung erhält die Bewegung noch immer Zulauf: 1546 bildet sich in Meaux die erste protestantische Gemeinde in Frankreich. 1559 findet in Paris die erste Nationalsynode der reformierten Christen Frankreichs statt. 15 Gemeinden schickten ihre Abgesandten, zu der nächsten, die zwei Jahre später stattfinet sind auf einmal um die 2.000 Gemeinden vertreten. Zu Beginn der 1560er Jahre haben die reformierten Untergrundkirchen etwa zwei Millionen Anhänger, was in etwa zehn Prozent der französischen Gesamtbevölkerung entspricht.

Diese reformierten Gemeinden sind jedoch nicht mehr lutherisch geprägt: Die Verfolgung hat enge Bande der französischen Reformierten zu dem in Genf lebenden Calvin entstehen lassen. Zwischen 1535 und 1560 durchdringt zunehmend der Calvinismus das französische Protestantentum, und der Calvinismus ist es, der den Dissidenten Zulauf verschafft. Jetzt kommt auch der Name "Hugenotten" auf.

Die Hugenottenkriege

1547 stirbt Franz I., und sein Sohn Heinrich II. besteigt den Thron Frankreichs. Er setzt die Repression gegenüber den Hugenotten unvermindert fort. Etwa um diese Zeit beginnt das Habsburgerreich in eine Vielzahl von Kleinstaaten zu zerbröseln: Karl V. bekommt die Refomation nicht mehr unter Kontolle, und der Kompromiss des "cuius regio, eius religio" tat ein übriges zur Spaltung des Kaiserreiches.

Heinrich II. möchte ähnliche Zustände wie in Deutschland in jedem Fall verhindern. Zunehmend haben sich nämlich jetzt auch Adelige den Hugenotten angeschlossen, und eine Übereinkunft nach dem Augsburger Prinzip für Frankreich hätte die seit Franz I. sehr erfolgreiche Zentralisierung Frankreichs schwer beschädigt. Damit beginnt endgültig die Politisierung des Protestantismus in Frankreich.


1559 erlässt Heinrich das Edikt von Écouen. Und mehr dazu gibt's demnächst.