Werner Mathias Goeritz Brünner (* 4. April 1915 in Danzig; † 4. August 1990 in Mexiko-Stadt) war ein deutsch-mexikanischer Architekt, Maler, Kunstschriftsteller und Bildhauer.
Leben und Werk
Goeritz war ein enorm vielseitiger und in verschiedenen Bereichen aktiver Mensch, der weltweit zu vielen anderen bildenden Künstlern und Architekten seiner Zeit fruchtbare und anregende Beziehungen unterhielt. Er schuf mutige Werke, die in der Welt durch ihren experimentellen und bahnbrechenden Charakter einzigartig sind und der modernen Kunst und Architektur wichtige Antriebe verliehen haben. Er brachte immer wieder Künstler aus verschiedenen Ländern und Arbeitsbereichen zusammen, um gemeinsame Projekte zu schaffen. Vor allem in Mexiko fanden viele Ausstellungen seiner wegweisenden Bilder und Skulpturen statt. Zu einem großen Teil ist sein Werk von einer religiösen Thematik geprägt, so stellte er Skulpturen und Zeichnungen mit dem auf vielfache Weise interpretierten Thema der Kreuzigung her, er schuf Altäre in den Kirchen Santiago Tlatelolco in Mexiko-Stadt und in der Kapelle des Convento de las Capuchinas Sacramentarias del Sagrado Corazón de María (Konvent der sakramentarischen Kapuzinerinnen des Heiligen Herzens Mariae) im Stadtteil Tlalpan von Mexiko-Stadt, und in verschiedenen Kirchen und Kathedralen gibt es Glasfenster nach seinen Entwürfen. Durch viele Werke im öffentlichen Bereich hat er das Bild von Mexiko-Stadt entscheidend mitgeprägt. Er ist ebenfalls bekannt für seine Zusammenarbeit mit Architekten wie Luis Barragán und Ricardo Legorreta. Weiterhin war er Initiator der ersten Werkstätten für Industriedesign in Mexiko. Escultura - Mathias Goeritz</ref>.
Kindheit und Jugend
Mathias Goeritz wurde als zweites Kind von Hedwig Goeritz, geb. Brünner, und des Rechtsanwalts Ernst Goeritz geboren. Hedwig Goeritz war die Tochter des Poträt-und Historienmalers Carl Brünner (1847-1918). Ernst Goeritz kam aus einer jüdischen Familie. Im Geburtsjahr von Mathias Goeritz zog die Familie nach Berlin um, da Ernst Goeritz in Berlin-Charlottenburg Stadtrat wurde und das Amt des Kulturdezernenten übernahm. Das kulturelle Interesse in der Familie war groß. Sie unterhielt Kontakte zu vielen Künstlern, die Mathias Goeritz schon im Kindesalter und als Heranwachsender persönlich kennenlernte. Seine Eltern waren auch als Kunstsammler aktiv, sie besaßen z. B. Bilder von Paul Klee. Aus dem Kreis der Familie und der Freunde bezog er entscheidende Impulse für seinen Lebensweg und seine eigene künstlerische Arbeit. Er selber sagte später, die „Atmosphäre in seinem Elternhaus war kunstgeladen“. (Christian Schneegass, in: El Eco, S. 16)
1934 machte Mathias Goeritz Abitur. Danach studierte er an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin. Zunächst belegte er dort ein Semester Medizin. Später wechselte er zu den Fächern Philosophie und Kunstgeschichte (Christian Schneegass, in: El Eco, S. 22). Am Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität studierte er 1935-1936 zwei Semester Theaterwissenschaft, an der Charlottenburger Städtischen Kunstgewerbe-und Handwerkerschule studierte er Kunstgeschichte und Malerei bei Hans Orlowski. In den Vorlesungen bei Dr. Eckart von Sydow hörte er von den Büchern des Prähistorikers Herbert Kühn, die unter anderem von den Höhlenmalereien in Spanien handelten. Wahrscheinlich las Mathias Goeritz in diesen Büchern zum ersten Mal von den Malereien in Altamira. (J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, in: El Eco S. 29) Eine spätere Reise zu diesem Ort verlieh ihm bedeutende Impulse für seine eigene künstlerische Arbeit.
In den folgenden Jahren lernte er verschiedene bedeutende deutsche Künstler kennen. Unter ihnen waren Ernst Barlach, Erich Heckel, Karl Schmitt-Rottluff, Käthe Kollwitz. Er besuchte diese Künstler auch in ihren Atelers.
Jedoch verschlimmerte sich in den dreißiger Jahren unter dem Terrorregime der Nationalsozialisten in Deutschland die Situation auch für die Künstler immer mehr, und so begann Mathias Goeritz nach und nach, sich außerhalb Deutschlands zu orientieren. Im Jahr 1937 ging er für mehrere Monate nach Paris. Überhaupt unternahm er bis 1939 viele Reisen in andere europäische Länder, so auch nach Bern, wo er Paul Klee kennenlernte.
1940 promovierte Mathias Goeritz zum Doktor. Seine Dissertation war eine Monographie über den deutschen Maler Ferdinand von Rayski. Goeritz erhielt die Note „gut“ für seine Arbeit.
Emigration
1941 verließ er Deutschland. Zunächst ging er nach Tetuán in Spanisch-Marokko. Dort gab er Zeichen-und Deutschunterricht. Damit verdiente er seinen Lebensunterhalt, ebenso wie mit verschiedenen Gelegenheitsarbeiten. 1942 konnte er nach Madrid und nach Granada reisen. Im gleichen Jahr heiratete er in Spanien die Photografin Marianne Gast. Er lernte Antoni Tapiés und Antonio Saura kennen.
1948 gab er den Impuls zur Gründung der „Schule von Altamira”. Diese war ein internationaler loser Zusammenschluss von Künstlern und Architekten und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der abstrakten Kunst nach dem II. Weltkrieg. Sie sollte ein offenes Forum zum länder -und fachübergreifenden Gedankenaustausch und für die freie Entwicklung von Ideen sein, dies ganz im Sinne der Auffassungen von Mathias Goeritz. Man wollte „über jeden Nationalismus erhaben sein“, so ausgedrückt in der ersten Nummer der Antología de la Escuela de Altamira aus dem Jahre 1950 (Ricardo Gullón: Conclusiones de la Escuela de Altamira, Bisonte no.1, Madrid/Santander 1950). Neben vielen anderen beteiligten sich auch Joan Miró und Willi Baumeister an der Schule von Altamira.
Die erste “Internationale Woche zeitgenössischer Kunst” der Schule von Altamira fand vom 19. - 25. September 1949 in den Höhlen von Altamira und in Santillana del Mar statt. Obwohl dieser Kongress unter der Schirmherrschaft des Gouverneurs von Santander stattfinden sollte, wurde Goeritz von den Behörden aufgefordert, Spanien zu verlassen. Der Grund war eine Denunziation, in der die Schule von Altamira als freimaurerisch und kommunistisch diffamiert wurde (Birgit Kiepe in: el Eco S. 73).
Mexiko
1949 wanderte Mathias Goeritz nach Mexiko aus. Den Aktivitäten der Schule von Altamira blieb er durch regen Briefaustausch verbunden.
In Mexiko übernahm er ein Lehramt an der Architekturschule der Universidad de Guadalajara im Bundesstaat Jalisco. Er hielt dort Vorlesungen über „Visuelle Erziehung“. In Mexiko entwickelt er seine eigene künstlerische Arbeit weiter. Er realisierte Skulpturen im öffentlichen Raum von Mexiko-Stadt (Großplastiken „Energía“, Torres de Satélite, Torres de Mixcoac, „El Coco“, etc.), arbeitete an Architekturprojekten (Bau des Museo Experimental El Eco etc.), er organisierte eine Ausstellung von französischen Malern des Spätimpressionismus und der beginnenden Moderne, u.a. von Renoir, Degas, Manet, Toulouse-Lautrec, Georges Braque (Schneegass, in: El Eco, S. 22), und initiierte Gemeinschaftsprojekte mit anderen Künstlern (Espacio Escultórico I und II in Mexiko-Stadt etc.). In verschiedenen Kirchen und Kathedralen Mexikos schuf er eine Reihe von sogenannten „Ambientes luminosos“, d.h. Innenräume, deren Atmosphäre vom Licht der Glasfenster bestimmt wurde (San Lorenzo in Mexiko-Stadt, Kathedrale von Mexiko-Stadt, Kathedrale von Cuernavaca, Santiago Tlatelolco, Mexiko-Stadt). Außerdem publizierte er Manifeste und Texte, in denen er seine künstlerischen Ideen darlegte (regelmäßige Publikationen in der Zeitschrift „Arquitectura México“, deren leitender Redakteur er in den Jahren 1958-1978 war, Manifest der „Emotionellen Architektur“ 1953/54, Manifest „Please, stop!“ 1960, Manifest „L`art prière contre l`art merde“, 1960 etc.). 1953 zog er um nach Mexiko-Stadt. Dort kam es im gleichen Jahr zum Bau des Museo Experimental El Eco, bei dem Mathias Goeritz in künstlerischer und architektonischer Hinsicht völlig freie Hand hatte. Sein Mäzen Daniel Mont hatte ihn eingeladen, auf einem Grund ein Gebäude vollkommen nach seinem freien Willen und seinen Ideen zu planen und zu errichten. Goeritz versuchte, im El Eco rechte Winel zu vermeiden und eine nach seinen Worten „kaum wahrnehmbare Asymmetrie“ (Goeritz in Leonardo, Vol. 3, Great Britain 1970, S. 63) herzustellen, die eher einer lebendigen Struktur entsprechen sollte. Das Gesamtkunstwerk El Eco war als Zentrum geistigen Austauschs geplant, hier sollten Menschen zusammenkommen und zu eigenen, neuen künstlerischen Initiativen angeregt werden. Experimentell sollte es in der Hinsicht sein, weil in ihm verschiedenste Bereiche wie Ausstellungen, Tanz, Lesungen, Theater, Konzerte u. a. stattfinden und auf interdisziplinäre Weise zusammenwirken sollten. Im Hof des Gebäudes wurde eine große Metallskulptur von Goeritz aufgestellt, „La Serpiente“. Heute befindet sich diese Plastik im Skulpturenpark des Museo del Arte Moderno in Mexiko-Stadt. Goeritz nannte das El Eco eine „emotionelle Architektur“ (Manifest der Emotionellen Architektur, 1954). 1954 - 1959 unterrichtete Goeritz Basic Design an der UNAM.
1957 Konzeption und Bau der Torres de Satélite im Norden von Mexiko-Stadt. Bei diesem Projekt kommt es zur Zusammenarbeit mit Luis Barragán, Jesús Reyes Ferreira und Mario Pani. Die Torres de Satélite wurden zu einem der Wahrzeichen von Mexiko-Stadt.
1958 starb seine Ehefrau Marianne Goeritz
1960 heiratete er Ida Rodríguez Prampolini, eine mexikanische Kunsthistorikerin, die er schon aus der Gründungszeit der Schule von Altamira kannte. 1962 hatte Goeritz seine erste Einzelausstellung in der Carstairs Gallery in New York.
1966 - 1968 war Goeritz Berater für das künstlerische Begleitprogramm der Olympischen Spiel in Mexiko. In diesem Kontext organisierte er das Großprojekt „Ruta de la Amistad“, zu dem er 18 Bildhauer aus verschiedenen Ländern und Kontinenten einlud, Großplastiken entlang eines Teilstücks der Avenida Periférico in Mexiko-Stadt zu konzipieren. Er selbst war bei diesem Projekt jedoch nicht mit eigenen Arbeiten beteiligt. Mit 17 Kilometern Länge ist die Ruta de la Amistad heute eine der größten Skulpturenstrecken der Welt.
1972 reiste er zum ersten Mal nach Israel.
1975 wurde er Mitglied der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag in den Niederlanden. 1977 wurde in Jerusalem nach den Plänen von Mathias Goeritz und im Sinne seines Konzepts der Emotionellen Architektur das Saltiel Community Center gebaut.
1979 kam es zum Bau des Espacio Escultórico I im Süden von Mexiko-Stadt, nahe des Universitätsgeländes Ciudad Universitaria. Der Espacio Escultórico, eine Gemeinschaftsarbeit von Goeritz, Helen Escobedo, Manuel Felguérez, Hersúa, Federico Silva und Sebastián, ist ein großer Kreis von insgesamt 64 Betonmodulen. Der Kreis hat einen Durchmesser von 120 Metern. Er ist erbaut auf dem Lavageröll des nicht weit entfernten Vulkan Xitle, das auch im Innern des Kreises in seiner ursprünglichen Form erhalten ist.
1986 realisierte Goeritz eine Großskulptur mit dem Titel „Energía“ im Parque de Chapultepec von Mexiko-Stadt, am Ausgang des dortigen Zoologischen Gartens.
Mathias Goeritz starb am 4. August 1990 in Mexiko-Stadt.
Schriften
- Johann Elias Ridinger : 60 Bilder. Mit einleitendem Text von Mathias Goeritz, Kanter-Bücher ; 24 Kanter Verlag, Königsberg 1941 (Mit Johann Elias Ridinger)
- Ferdinand von Rayski und die Kunst des neunzehnten Jahrhunderts, Hans von Hugo Verlag, Berlin 1942
- Manifiesto de la Arquitectura Emocional. Cuadernos de la Arquitectura, Guadalajara/Jalisco, März 1954
- La educación visual. La Gaceta, Publicación del Fondo de Cultura Económica, 8. Jg., Nr. 86, Okt. 1961
- Sobre Luis Barragán. Arquitectos de México Nr. 1, México D. F. 1964
- Gedanken zur Kunst der Gegenwart und Zukunft, Linzer Akademiefonds, Linz 1967
- Highway sculpture: the towers of Satellite City. Leonardo, International Journal of the contemporary artist, Oxford, England, Pergamon Press, 3. Jg., Juli 1970, S. 319-322
Literatur
- Eduardo Westerdahl: Mathias Goeritz, Ediciones Cobalto, Barcelona 1949
- Olivia Zuniga: Mathias Goeritz, Editorial Intercontinental, Mexico 1964 [in deutscher Sprache]
- Elke Werry (Hrsg.): Mathias Goeritz. Ein deutscher Künstler in Mexiko, Jonas Verlag, Marburg 1987
- Werner Hofmann: Mathias Goeritz (Nachruf). hanseatenweg 10, Zeitschrift der Akademie der Künste, Berlin (West), Nr. 2/1991, S. 138
- Christian Schneegass (Hrsg.): Mathias Goeritz, El Eco. (1915 - 1990). Bilder, Skulpturen, Modelle. Ausstellung 13.9. - 13.12.92, Akademie der Künste, Akademie der Künste, Berlin 1992, ISBN 3-88331-967-8
- Kirsten Einfeldt: Moderne Kunst in Mexiko : Raum, Material und nationale Identität. Image, Transcript, Bielefeld 2010,
Weblinks
- Literatur von und über Mathias Goeritz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Mathias Goeritz. In: archINFORM.
- Bilder der Werke von Mathias Goeritz bei praella.com
- http://www.worldcat.org/identities/lccn-n84-29056.
- http://www.mexiko.diplo.de/Vertretung/mexiko/de/0A/Dt-Spuren/M-Goeritz__seite.html
- http://www.latinamericanart.com/es/artistas/mathias-goeritz/biografia.html
- http://radicalart.info/nothing/monochrome/gold/MathiasGoeritz/index.html
- http://www.mefeedia.com/watch/28838225
- http://www.eleco.unam.mx
Quellen
Personendaten | |
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NAME | Goeritz, Mathias |
ALTERNATIVNAMEN | Goeritz Brünner, Werner Mathias |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-mexikanischer Architekt, Maler und Bildhauer |
GEBURTSDATUM | 4. April 1915 |
GEBURTSORT | Danzig |
STERBEDATUM | 4. August 1990 |
STERBEORT | Mexiko-Stadt |