Nutzwertanalyse (NWA) ist die Analyse einer Menge komplexer Handlungsalternativen.
Zweck einer Nutzwertanalyse ist es, die Elemente dieser Menge entsprechend den Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines multidimensionalen Zielsystems zu ordnen.
Die Zielsetzung der NWA
Es handelt sich um eine Methode, die den Nutzwert verschiedener Entscheidungsalternativen im Vergleich zueinander liefert. Das Ergebnis der anfangs vielleicht etwas technisch anmutenden Analyse ist für jede der Alternativen eine Zahl, die den Nutzwert darstellt. Die „beste“ Lösung erhält dabei den höchsten Nutzwert im Vergleich zu den anderen Alternativen.
Sie ist besonders gut geeignet, wenn „weiche“ — also in Geldwert oder Zahlen nicht darstellbare — Kriterien vorliegen, anhand derer zwischen verschiedenen Alternativen eine Entscheidung gefällt werden muss.
Einsatzgebiet
Sollen mehrere, miteinander schwer vergleichbare, unterschiedliche Parameter verglichen werden, stellt die Nutzwertanalyse ein Instrument zur Auswahl der nutzenreichsten Variante dar. Die NWA ermittelt die Effektivität, das heißt den Gesamtbeitrag des Projekts zu gegebenen Zielen. Die Einsatzmöglichkeiten der NWA sind prinzipiell sehr vielfältig.
Vorteile
- Flexibilität des Zielsystems
- Anpassung an eine große Zahl spezieller Erfordernisse
- direkte Vergleichbarkeit der einzelnen Alternativen
Nachteile
- hoher Zeitaufwand
- Subjektivität der Gewichtung - dadurch große Transparenz der (politischen) Präferenzen
- Vergleichbarkeit der Alternativen, da nicht immer gewährleistet sein kann, dass zwei Alternativen in der selben Hinsicht verglichen werden.
Ablauf der Schritte
Die NWA läuft in sechs Schritten ab.
Ermittlung der Ziele
Der wichtigste Schritt dieser Methode ist die Konkretisierung des Zielsystems. Es muß streng hierarchisch sein sonst ist es nicht berechenbar. Es können unterschiedliche Kriterien definiert werden, um einige Alternativen im Voraus auszuschließen.
Zum Beispiel: „Welche Vorlesung soll ich besuchen?“
Kriterien:
- Pflichtvorlesung und Interesse
- Stil und Verständlichkeit des Vortragenden
- Blockveranstaltung oder Einzelvorlesung
- „K.O.-Kriterien“ (Muss-Kriterien): Mindest/Höchstbedingung, deren Erfüllung zwingend gefordert wird
- Soll-Kriterien, deren möglichst weitgehende Erfüllung wünschenswert ist
Sie legen Bewertungskriterien fest, die zur Beurteilung herangezogen werden sollen. Dabei geht es nur um die wichtigsten Kriterien, die schließlich zur Entscheidung führen sollen, und nicht um alle die bekannt sind.
Bei der Anzahl der Kriterien gilt erfahrungsgemäß die Regel „weniger ist mehr“; es ist sinnvoll, sich auf wenige prägnante Punkte zu konzentrieren. Einerseits erhöht sich der Arbeitsaufwand, je mehr Kriterien verglichen werden sollen, andererseits wird der Vergleich damit zunehmend schwieriger. Drei bis fünf Kriterien sind empfehlenswert, mehr als zehn sind in der Praxis nicht zu empfehlen.
Ferner sind die folgendenden vier Punkte bei der Auswahl der Bewertungskriterien zu berücksichtigen:
- Operationalität: Bewertungskriterien müssen genau beschrieben werden und messbar sein.
- Hierarchiebezogenheit: Bewertungskriterien, die einer gemeinsamen Kategorie angehören, sind gemeinsam anzuordnen.
- Unterschiedlichkeit: Verschiedene Bewertungskriterien müssen unterschiedliche Merkmale beschreiben.
- Nutzensunabhängigkeit: Die Erfüllung eines Kriteriums darf nicht die Erfüllung eines anderen voraussetzen.
Gewichtung der Ziele (Kriterien)
Die Gewichtung hängt von den Präferenzen der Entscheidungsträger ab. In der Praxis wird die Kriteriengewichtung oft direkt vergeben, also ohne einen paarweisen Vorabvergleich. Dies ist eine starke Vereinfachung und führt zu einem eher „pauschal geschätzten“ Ergebnis, im Gegensatz zu einer tatsächlichen Kriterienanalyse wie es die Methode vorschlägt.
Typisch für die einfache Nutzwertanaylse ist eine freie Skalierung der Gewichtungsfaktoren z.B. zwischen 0 und 9:
- Freie Gewichtung:
- für „schlecht“ die Punkte 0-2,
- für „mittel“ die Punkte 3–5 und
- für „gut“ die Punkte 6-8 und
- für „sehr gut“ den Punkt 9 zulässt.
Ein Beispiel mit beliebiger Gewichtung könnte wie folgt aussehen und Pro sowie Kontra zu jedem Satz zunächst schriftlich fixieren (also pro Zeile nur einmal Pro oder Contra), um anschließend durch die Multiplikation mit der Gewichtung zum Ergebnis zu kommen:
Kriterium erfüllt ja/nein Gewichtung Ergebnis/Wertigkeit -------------+-------------------+--------------+----------------------- | | x 2 | | | x 7 | | | x 5 | | | x 9 | | | x 2 | | | x 2 | | | x 8 | | | x 4 | | | x 7 | | | x 7 |
In einer genaueren Aufschlüsselung werden zunächst in einem paarweisen Vergleich der Kriterien ermittelt, das heißt durch die Überlegung „Ist Kriterium A wichtiger als Kriterium B“?
- Wenn ein Kriterium weniger wichtig, so bekommt es null Punkte
- Wenn ein Kriterium gleichgewichtig mit einem anderen ist, erhält es einen Punkt
- Wenn ein Kriterium wichtiger ist als das andere, erhält es die Punktzahl zwei.
Diese Gliederung ergibt ein genaueres Ergebnis, als die simple Frage „erfüllt/nicht erfüllt“ und führt durch die Vorgewichtung zu einem mathematisch brauchbaren Ergebnis.
Die Alternative mit dem höchsten Nutzwert ist damit auf Rang 1 zu sehen, stellt also die beste Auswahl dar. Dabei ist jedoch immer zu beachten, dass die Nutzwertanalyse ein vergleichendes Ergebnis liefert, also keine absolute Aussage über den Nutzen liefern kann.
Sensitivitätsanalyse
Die Sensitivitätsanalyse zeigt, ob das Ergebnis robust gegenüber sinnvollen Veränderungen ist, indem man die Gewichte variiert.
Fazit
Der Vorteil, den die Nutzwertanalyse bietet, liegt nicht nur in der besseren Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung begründet. Er liegt auch darin, dass die Kriterien und Argumente, welche letztendlich eine Entscheidung bestimmen, einer genauen Prüfung unterzogen werden. Dies führt oft zu neuen Erkenntnissen während des Entscheidungsprozesses.
Die Konzentration auf die wirklich entscheidenden Faktoren schafft Klarheit. Aufgrund der Zahlendarstellungen wird darüber hinaus eine Vergleichbarkeit hergestellt, die ohne diese Methode nicht gegeben ist. Auf diese Weise werden „Bauchentscheidungen“ deutlich reduziert.
Diese Form der Argumentation kann auch emotionale Faktoren wie zum Beispiel Wohlbefinden, Wetter am neuen Standort oder sogar sexuelle Anziehungskraft enthalten. Diese Nutzwertanalyse stellt das komplexeste deduktive Argument dar.
Ähnliche Methoden
Analytic Hierarchy Process von Thomas Saaty. Der AHP ist mathematisch anspruchsvoller und präziser, zwingt zum paarweisen Vergleich auch bei den Alternativen und misst über den Inkonsistenzfaktor auch Logik und Qualität einer Entscheidung.
Vergleich Nutzwertanalyse und Analytic Hierarchy Process
- Zur Berechnung der Nutzwertanalyse (NWA) genügen Stift und Papier. Deshalb wurde die NWA schon zu Zeiten eingesetzt, in denen es noch keine EDV gab. Die Methode des Analytic Hierarchy Process (AHP) basiert mathematisch dagegen auf einer Iteration von Matrizen-Multiplikationen (siehe Matrix). Diese benötigten natürlich Rechenkraft, die dem AHP in der Praxis erst ab 1990, mit Beginn des Computer-Zeitalters, erfolgreich zur Verfügung stand. Die NWA ist dagegen nur ein additives Näherungsverfahren und begnügt sich mit den Grundrechenarten.
- Bei der NWA wird im Gegensatz zum AHP bereits das Ranking der Kriterien von vielen Anwendern leider nicht' durch paarweisen Vergleich ermittelt (nicht „jedes Kriterium mit jedem anderen Kriterium“), siehe auch externes Beispiel. Stattdessen tragen viele Anwender ihren prozentualen Schätzwert direkt in die Ranking-Tabelle der Kriterien manuell ein (siehe oben, Gewichtung der Ziele). Die „Methodik“ der NWA reduziert sich in diesen Fällen also im Wesentlichen darauf, dass die Summe aller Gewichtsfaktoren nicht mehr als 100% ergeben darf.
- Aber auch bei „korrekter“ Anwendung der NWA steht bei der paarweisen Bewertung der Kriterien für die Punktwerte lediglich eine sehr schmale Skala mit einer geringen Bandbreite von 0 bis 2 zur Verfügung, im Gegensatz zum AHP, der mit einer weit größere Bandbreite (1-2-3-4-5-6-7-8-9) wesentlich differenziertere Bewertungen zulässt. Bewertungen mit einer größere Bandbreite wären bei der NWA allein schon bedingt durch die simple Mathematik (nur Grundrechenarten) auch gar nicht handelbar.
- Das Ranking der Alternativen wird bei der NWA sogar grundsätzlich ohne paarweisen Vergleich ermittelt. Der Analytic Hierarchy Process dagegen „zwingt“ zum paarweisen Vergleich und Nachdenken auch bei den Alternativen.
- Im Gegensatz zum AHP kann die NWA nicht die Konsistenz einer Entscheidung aus den subjektiven Bewertungen überprüfen. Bedingt durch die simple Mathematik gibt es in der Praxis relativ viele mathematische Abweichungen der NWA, die von den Anwendern je nach persönlichen Geschmack oder konkreter Fragestellung abgewandelt wurden.
- Die NWA verlangt zwingend die Umrechnung bei den harten Kriterien (z.B. Euro, km, kg) innerhalb einer zusätzlichen Hilfstabelle für die Erstellung der „Zielerfüllungsfaktoren“ (siehe Vergabe von Punkten für die Varianten). Beim AHP kann man die Bewertungen direkt ohne diesen Umweg eingeben.
Weblinks
- Entscheidungen mit Nutzwertanalyse mit Beispielen
- WU-Wien Institut prodman
- UNI-Hannover Laum
- Anwendung der Nutzwertanalyse
- Beispiel einer Nutzwertanalyse
- Yooscore, Software zur Nutzwertanalyse
Literaturhinweis
- Christof Zangemeister: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik - Eine Methodik zur multidimensionalen Bewertung und Auswahl von Projektalternativen, 1970