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Multimedia Home Platform

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Der Multimedia Home Platform-Standard, kurz MHP, wurde vom internationalen DVB-Projekt entwickelt und spezifiziert die Übertragung und Darstellung interaktiver Inhalte im Digitalen Fernsehen.

Möglich sind sowohl rein rundfunkbasierte Dienste (Informationsseiten (erweiterter Videotext), Spiele, Programmübersicht, komplexere EPGs etc.), als auch interaktive Dienste, die einen zusätzlichen Rückkanal erfordern (z.B. Abstimmungen/Quizfragen, Homeshopping-Angebote, etc.).

Dagegen dient die MHP nicht:

  • zur Übertragung von Programminformationen (dafür gibt es die DVB-SI (Service Information) und elektronische Programmführer (EPGs)),
  • der Verschlüsselung von Inhalten (denn dazu sind schon spezielle Verschlüsselungssysteme definiert worden),
  • zur Wiedergabe von Audio- oder Video (das kann der Fernseher auch ohne MHP.)

MHP-basierte Anwendungen können über sämtliche vom DVB-Projekt spezifizierten digitalen Übertragungstechnologien, wie DVB-S, DVB-T und DVB-C, übertragen werden. Zur Ausführung der Dienste wird ein MHP-fähiges Endgerät benötigt. In Deutschland soll die Umstellung auf digitalen Rundfunk bis zum Jahr 2010 abgeschlossen sein, bis dahin sollten alle TV-Haushalte mit Digital-Receivern ausgestattet sein. Die Marktentwicklung von MHP ist davon allerdings nur indirekt berührt, denn die Unterstützung von MHP-Diensten in den DVB-Empfängern ist optional.

Technik

Grundsätzlich ist eine Set-Top-Box (STB) oder ein Fernsehempfänger mit Unterstützung der MHP-Plattform Voraussetzung für die Nutzung von MHP-Angeboten.

Gegenwärtig existieren zwei Versionen des MHP-Standards, die Version 1.0 ( aktuelle Fassung: 1.0.3), und die Version 1.1 (aktuelle Fassung: 1.1.2 (Stand April 2005)).

Die Standards definieren zwei Arten von Anwendungsklassen:

  • DVB-J: Java-Anwendungen
  • DVB-HTML: XHTML-Seiten mit optional eingebettetem Java-Code

DVB-J

Es handelt sich bei DVB-J Anwendungen also um in Java geschriebene Programme. Die MHP-Plattform nutzt und definiert eine große Anzahl von Schnittstellen, womit es dem Programmierer möglich wird, der speziellen Situation und den Einschränkungen des MHP-Empfängers gerecht zu werden.

Softwarestack der MHP-Plattform

Der Softwarestack zeigt die verschiedenen Softwareschichten einer MHP-Implementierung. Die beiden untersten Schichten, die Hardware und die Systemsoftware (Betriebssystem und Treiber), werden von den eigentlichen MHP-Schnittstellen durch eine so genannte Java Virtual Machine getrennt. Als Java-Grundlage dient mittlerweile in MHP 1.0.3 das Personal Basis Profile (früher Personal Java), welches auf einer CDC-basierten Virtual Machine aufsetzt. Diese MHP-Schnittstellen (APIs) gewähren unter anderem Zugriff auf DVB-Service-Informationen (enthält den EPG, eine angepasste grafische Benutzerschnittstelle (HAVI UI), Zugriff auf das Datenkarusell (DSM-CC), das Management von Applikationen (Xlets) und viele andere technische Aspekte der DVB-Standards wie etwa den MPEG-Dekoder und einen optional vorhandenen Rückkanal (für interaktive Anwendungen). Zusammen bilden diese Erweiterungen das MHP API, auf dem die interoperablen MHP-Anwenderungen ausgeführt werden können. Der so genannte Navigator dient zur Auswahl von MHP-Anwendungen und weiteren DVB-Diensten durch den Nutzer und zur allgemeinen Steuerung der Applikationen.

DVB-HTML

DVB-HTML Applikationen werden erst seit dem MHP 1.1 Standard voll unterstützt, da die Komplexität im Vergleich zu DVB-J deutlich höher ist, ist die entsprechende Unterstützung in MHP-Empfängern bisher praktisch nicht vorhanden.

Applikationsübertragung in DVB

Übertragen werden die MHP-Anwendungen zusammen mit dem DVB-Transportstrom, der auch die digitalen Audio- und Videodaten enthält. Innerhalb dieses Transportstromes werden die MHP-Anwendungen in DSM-CC (Digital Storage Media Command and Control) Datenkarusselle verpackt. Diese Karusselle werden zyklisch in den DVB-Transportstrom gemultiplext (hinzugefügt). Durch die zyklische Wiederholung ist sichergestellt, dass zu jedem möglichen Einschaltzeitpunkt des Empfängers die Applikation (früher oder später) erfolgreich empfangen werden kann. Natürlich müssen Applikationen nicht pausenlos ausgestrahlt werden, es ist durchaus möglich Applikationen zum Beispiel nur sendungsbegleitend (z.B. Tageschau-Ticker) auszustrahlen.

Signalisiert werden die MHP-Anwendungen dem MHP-Empfänger über die AIT-Tabelle (Application Information Table). Der Inhalt dieser SI-Tabelle (Service Information) ermöglicht dem Empfänger, das DSM-CC-Karussell mit der MHP-Anwendung zu finden und der MHP-Anwendung einen Namen, sowie eine eindeutige ApplicationID und eine OrganisationID zuzuordnen. Außerdem enthält die AIT (bei DVB-J Applikationen) Angaben zum Klassenpfad und zur Java-basierten Startklasse (dem so genannten Xlet).


Implementierung

Prinzipiell kann jeder Boxen-Hersteller MHP implementieren, da der Standard vollständig offen ist. Allerdings fallen bei der Implementierung der MHP Patentkosten in zum Teil unbekannter Höhe an. In der Praxis greifen viele Firmen jedoch auf MHP-Middleware von Drittanbietern zurück (Marktführer: Alticast, 1.5 Mio. Lizenzen), da eine MHP-Implementierung sehr aufwändig ist.

Ein Hersteller darf einen MHP-Empfänger nur dann mit dem MHP-Logo schmücken, wenn der Empfänger vorher fehlerfrei einen Testlauf bestanden hat. Dieser Test, der von den Herstellern im Selbsttest durchgeführt wird, prüft das Funktionieren sämtlicher Elemente der MHP-API. Die Testsuite (Summe aller Tests) ist beim DVB-Projekt erhältlich und ist gebührenpflichtig. Die gegenwärtige Testsuite umfasst deutlich mehr als 14.000 Softwaretests. Dies stellt die fehlerfreie Ausführung aller Applikationen auf den getesten MHP-Implementierungen sicher. Abstürze sowie unterschiedliches Verhälten verschiedner Implementierungen sollen somit ausgeschlossen werden.

Für das Testen von Applikationen existiert zur Zeit noch keine Testsuite. Das Durchführen von Appliktionstests ist bisher noch alleinige Aufgabe der jeweiligen Anbieter.

Die überwiegende Mehrheit der weltweit auf dem Markt befindlichen MHP-Receiver (Stand: Juli 2005) orientieren sich gegenwärtig am Standard MHP 1.0.2.

Konkurenzsysteme

Neben MHP werden von einigen Kabelnetzbetreibern und Geräteherstellern andere Verfahren zur Darstellung von Multimedia-Inhalten verwendet. Zum Beispiel das MicroHTML-Verfahren, das anders als MHP nicht auf DVB-Standards beruht.

Technische Entwicklung

Zukünftige Entwicklungen des MHP-Standards umfassen:

  • die Unterstützung der Funktionalität von Festplattenrekordern,
  • multimediale Heimvernetzung,
  • die Unterstützung von interaktiven HDTV-Formaten,
  • interaktives Fernsehen über breitbandige IP-Verbindungen (z.B. DSL)
  • interaktive Dienste auf der Blu-ray Disc, mittels der BD-J Java-Variante,
  • weltweite Verbreitung im Rahmen des GEM-Standards (Globally Executable MHP)

Bedienung von MHP-Applikationen

Die Bedienung von MHP-Applikation kann ausschließlich über die klassische Fernbedienung erfolgen. Neben der Steuerung über die Pfeiltasten/OK-Taste ermöglicht vor allem die Verwendung der vier vom Videotext/Teletext her bekannten Farbtasten eine einfache, intuitive Bedienung.

Prinzipiell gibt es zwei Methoden auf MHP-Anwendungen zuzugreifen. Einerseits werden MHP-Anwendung automatisch mit der Wahl eines Fernsehkanals gestartet. In diesem Fall erscheint zumeist im unteren Bereich des Bildschirms ein kleines Hinweisfenster. Durch den Druck auf eine (zumeist rote Farb-) Taste kann dann bequem die verfügbare Applikation gestartet werden. Andererseits verfügen alle MHP-Boxen über eine zentrale Benutzerschnittstelle zum Auswählen von Applikationen - den so genannten Navigator. Von hier aus können Applikationen aus Listen ausgewählt und gestartet werden.

Im britischen Pay-TV (Sky, ITV2) ist das interaktive Fernsehen (auf Basis von OpenTV auf einer Pace-Box, nicht MHP) schon so weit fortgeschritten, dass bei interaktiven Film- und Werbesendungen ein roter Punkt im Bildbereich eingeblendet wird, der symbolisiert, dass bei einem Druck auf den roten Knopf der Fernbedienung ein Rückkanal über die Telefonleitung aktiviert wird (vorausgesetzt, das Empfangsgerät ist mit der Telefonleitung verbunden) und man dadurch beim Teleshopping direkt bestellen oder bei Umfragen abstimmen kann (so geschehen bei der letzten Staffel der britischen Version von "Big Brother").

Dieser Rückkanal ist bei MHP auch vorgesehen, allerdings beschränkt er sich nicht nur auf Analog-Modem, sondern ist unabhängig von der verwendeten Übertragungstechnik. Das heisst, die Verbindung kann etwas auch über ISDN, DSL, Kabel, GPRS oder UMTS aufgebaut werden. Einige der in Deutschland erhältlichen Geräte unterstützen bereits Rückkanalverbindungen per Analog-Modem.

Verbreitung von MHP-Empfängern

Die weltweite Verbreitung der MHP beschleunigt sich deutlich. Laut aktuellen Zahlen des DVB Projektes (MHP Update September 2005) sind weltweit bereits etwa 3,7 Mio. MHP-Empfänger im Einsatz, die meisten davon gegenwärtig in Italien und Südkorea.

MHP konnte sich in Deutschland seit seiner Einführung (Beginn des Regelbetriebes im Oktober 2002) bisher noch nicht auf breiter Front durchsetzen, der Anteil MHP-fähiger Receiver liegt bei den DVB-Boxen unter 0,1% (GfK). Auf dem deutschen Markt sind derzeit ca. 6 Geräte erhältlich (Stand: August 2005, Quelle: Receiversuche auf www.digitalfernsehen.de):

  • Strong 5505 (DVB-T), Neu, mit analogem Modem. Marktführer in Italien.
  • Humax CI 8140 (DVB-S)
  • Humax DTT-4000 (DVB-T)
  • Nokia Mediamaster 310S (DVB-S), Produktion eingestellt, Restposten noch erhältlich
  • Panasonic TU-MSF100 (DVB-S)
  • Philips DSR 5600 (DVB-S), lieferbar, evtl. Kulanz-Rücknahme durch Philips.

Die bisher geringe Verbreitung in Deutschland ist vor allem auf die noch zu hohen Preise der Endgeräte, die mangelnde Unterstützung des privaten Fernsehens und das noch zu geringe Angebot an MHP-basierten Anwendungen zurückzuführen (Angebot siehe unten). Dazu kam der inzwischen beigelegte Streit um den zukünftigen Standard des interaktiven Fernsehens, der andere proprietäre Systeme wie OpenTV verdrängte und zur Unsicherheit seitens der Zuschauer führte.

Das Beispiel Italien zeigt, dass es auch anders geht: Durch die staatliche Subvention der durch MHP entstehenden Mehrkosten konnten bereits über eine Millionen MHP-Endgeräte abgesetzt werden. Diese Subventionen (2004: 120 Euro, 2005: 70 Euro) werden jedoch gegenwärtig von einer EU-Kontrollkommission untersucht.

In Südkorea werden bis Ende des Jahres bereits 1,5 Mio. Satelliten-MHP-Empfänger verkauft sein - ohne Subvention.

Verfügbare MHP Anwendungen in Deutschland

  • ARD

- TV-Portal (Programmübersicht, Persönliche Programmerstellung, Zusatzinformationen)

- ARD-Online Kanal

- Presseclub

- Interaktives Quiz mit Jörg Pilawa (mit Rückkanal)

- Feste der Volksmusik

- C`T interaktiv

- Sportschau interaktiv

- Rundschau Nachrichtenticker (Bayerischer Rundfunk, über DVB-T in Bayern)

Der größte Teil des Angebots kann über DVB-S empfangen werden, eine Teilmenge ist über die DVB-T Verbreitung verfügbar, allerdings mit regionalen Unterschieden.

  • ZDF

- ZDFdigitext (Das Hauptportal, auch über DVB-T verfügbar)

- ZDF Infokanal (Nachrichten, Programmübersicht)

- ZDF interaktiv: Reise (Reiseinformationen)

siehe auch: ZDFvision

  • RTL, Vox, RTL 2 und Super RTL

- RTL TV Interaktiv (Portal, Informationen, Wetter,...)

- Wer wird Millionär

(Stand Juli 2005)

Neue Entwicklungen

Um MHP und dem interaktiven Fernsehen in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, entwickeln einige Unternehmen Lösungen, die das Fernseherlebnis des Zuschauers verbessern sollen. Beispiele sind hierfür ein neuartiges Object Tracking System, das unter dem Namen LiveLink System vertrieben wird.

Einigen Aufwind versprechen sich die MHP-Befürworter von der Initiative ClickTV, die vom Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) ins Leben gerufen wurde. Hier haben sich einige Unternehmen zusammengefunden, die MHP und das interaktive Fernsehen nachhaltig unterstützen möchten und sich im Rahmen der IFA 2005 gemeinsam präsentieren werden.


Siehe auch

DVB

Literatur

  • Ulrich Reimers: DVB, The Family of International Standards for Digital Video Broadcasting, Second Edition, 2005, ISBN 3-540-43545-X (Kapitel 14, MHP)
  • Steven Morris & Antony Smith-Chaigneau: Interactive TV Standards. A Guide to MHP, OCAP, and JavaTV. First Edition, Focal Press, 2005, ISBN 0-240-80666-2
  • Edward M. Schwalb: iTV Handbook. Technologies and Standards. First Edition, Prentice Hall, 2004, ISBN 0-13-100312-7
  • Rainer Schäfer: Technische Grundlagen des interaktiven Fernsehens. In: Christiane zu Salm (Hrsg.): Zaubermaschiene interaktives Fernsehen? TV-Zukunft zwischen Blütentraümen und Businessmodellen. 1. Auflage, Gabler, 2005 ISBN 3-409-12637-6
  • OpenMHP - MHP-Open Source Projekt
  • xleTView - xleTView, MHP-Open Source Emulator auf Sourceforge
  • MHP-KDB - Webseite des EU-Projektes MHP-KDB, Beispielcode, Applikationstests
  • Interactive-TV-Web - MHP/OCAP Webseite von Steven Morris