Realschule

weiterführende Schule der Sekundarstufe I mit Schwerpunkt reale Bildung in Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Estland
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Deutschland

Die Realschule (bis 1964 Mittelschule) ist eine weiterführende Schulform im Rahmen des des dreigliedrigen Schulsystems in Deutschland. Sie beginnt mit der 5. bzw. 7. Klasse und wird nach der 10. Klasse mit der Mittleren Reife abgeschlossen.

Die Realschule soll die Schüler im Gegensatz zum Gymnasium hauptsächlich darauf vorbereiten, nach dem Abschluss in der 10. Klasse eine Berufsausbildung zu beginnen. Dementsprechend ist der Unterricht auch oftmals praxisorientierter. So gibt es ab der 7. Klasse die Möglichkeit, die Fachrichtungen Wirtschaft, Technik oder Sozialwesen auszuwählen. Welche Fachrichtungen und Zusatzangebote (z.B. zweite Fremdsprache) angeboten werden, hängt von der jeweiligen Schule ab.

Aufgrund der Kulturhoheit der Länder hat jedes Bundesland andere Gesetze im Bereich des Schulwesens und somit auch andere Richtlinien für Realschulen.

Im Saarland wurde vor einigen Jahren die Realschule mit der Hauptschule zusammenlegt. Die neue Schulform ist nun die Erweiterte Realschule, in der die Schüler in den Klassen 5 und 6 gemeinsam, und ab der 7. Klasse in verschiedene Zweige aufgeteilt werden (Zweig zum Hauptschulabschluss und Zweig zur Mittleren Bildungsreife).

Bremen fasste 2004 die Haupt- und Realschulen zur Sekundarschule zusammen. In der 5. und 6. Klasse werden alle Schülerinnen gemeinsam unterrichtet. Ab der 7. Klasse wird Mathematik und Englisch, ab der 8. Klasse auch Deutsch leistungsdifferenziert in zwei unterschiedlichen Gruppen erteilt. Ab der 9. Klasse werden die Schüler in abschlussbezogene Profilklassen eingestuft.

Brandenburg legte 2005 alle Realschulen und Gesamtschulen ohne gymnasialer Oberstufe zur Oberschule zusammen.

Im Schuljahr 2003/2004 gab es in Deutschland 2980 Realschulen mit 1,30 Millionen Schülern.

Siehe auch: Regionale Schule in Rheinland-Pfalz - Christoph Semler

Siehe auch: polytechnische Oberschule (in der DDR)

Geschichte der realen Bildung

 
Johann Amos Comenius

Wurzeln der realen Bildung finden sich bereits im frühen Mittelalter: Walahfrid Strabo (808-849), Benedektinerabt auf der Insel Reichenau, schrieb in seinem Gartengedicht (Hortulus), wie die Erfahrung durch der Hände Arbeit vergrößert werden kann.

Weitere Wurzeln früher realer Bildungsansätze begegnet man bei den Renaissance-Pädagogen wie Erasmus von Rotterdam (1469-1536), Thomas More (1478-1535) und J.L.Vives (1492 - 1540), die neben die „Sprachbemeisterung“ die „Sachbemeisterung“ setzten.

Doch die wieder zu einer reinen Verbalschule drängenden Kräfte der Reformationszeit schnitten diese Bestrebungen ab. Höfisches Leben wurde vorbildlich. Der Adel sah jedoch seine Ziele der Erziehung und Bildung mit den Lateinschulen nicht erfüllt und es entwickelten sich die Ritterakademien. Sie waren das Tor zu einer neuzeitlich realen Bildung.

Parallel dazu standen die Bemühungen einzelner Pädagogen um die reale Bildung. Wolfgang Ratke (Ratichius) (1571-1635) forderte die Einführung der Muttersprache in den Unterricht und die Ablösung vom Latein. Johann Amos Comenius (1592-1670) baute darauf die Forderung, die Worte nur in Verbindung mit den Sachen zu lehren. In der „Trivialschule“ des Joh. Raue (1610-1679) wurde bereits in Fächern wie Geometrie; Stenographie, Realien, Biologie etc. gelehrt.

Für Joh. Joachim Becher (1635?-1682) hatte die Schule die Aufgabe, über Erziehung und Lehre ein geordnetes Staatsgefüge zu schaffen. Sein Ideal war der handwerklich gebildete Gelehrte, der „nützlich gelehrte“ Wissenschaftler.

Im 18. Jh. erstarkte das Bürgertum und der Ruf nach den realbildenden Schulen wurde wieder lauter. Die schulpädagogischen und schulorganisatorischen Gesamtsysteme zerfielen. Eine neue Epoche der realen Bildung begann, an deren Ende das Erstarken der mittleren Schulform stand. Zunächst aber war die Vermittlung realer Bildungsinhalte noch die Aufgabe einzelner Real-Pädagogen:

Für den Pietisten August Hermann Francke (1663-1727) war der Realismus durchaus methodisch geprägt. Die Natur zeigte die Größe und Allmacht Gottes. Praktische Unterweisungen hatten primär das Ziel, zum Unterhalt seiner Franck'schen Anstalten in Halle (Saale) beizutragen. 1698 gründete Francke in Halle die nach ihm benannten Franckesche Stiftungen, eine bis heute bestehende soziale Einrichtung.

Datei:Denkmal Hecker.JPG
Johann Julius Hecker, Denkmal in Berlin

Der Hallenser Pastor Christoph Semler (1669-1740) gründete 1707 seine „Mathematische und Mechanische Realschule“. Die Idee war es, den Unterricht zu veranschaulichen und Techniken zu schulen, die für das spätere Leben und dem Beruf notwendig erschienen. Nach einem Misserfolg gründete er sie 1738 noch einmal. Der zweite Versuch endete zwei Jahre später mit Semlers Tod. Semlers Schule war die erste, die den Namen „Realschule“ trug. Sie blieb jedoch über die gesamte Zeit ihres Bestehens lediglich eine Ergänzungsschule zur „Teutschen Schule“.

Aus der Teutschen Schule heraus, deren Verbalismus er kritisierte, entwickelte der reformorientierte pietistische Theologe Johann Julius Hecker (1707-1768) ein Fachklassensystem (angelehnt an die von Joh. Gottfried Groß geschaffene differenzierte Stoffverteilung je nach dem Berufswunsch der Schüler) in seiner „Ökonomisch-Mathematischen Realschule“ in Berlin von 1747. Hecker gilt als Gründer der ursprünglichen praxisorientierten Realschule, für die er einen Schulgarten anlegen ließ und der er 1748 das erste preußische Lehrerseminar angliederte.

So sehr sich die Realpädagogen auch bemühten, ihre Mühe allein reichte nicht, den Bildungsbedarf des Bürgertums zu befriedigen. Es entstanden die Bürgerschulen und unter der Zusetzung des Fachs Latein die Höhere Bürgerschule. Die Höhere Bürgerschule teilte sich in um 1860 herum in die Realschule 1. Ordnung (aus der etwa zwanzig Jahre später das Realgymnasium erwuchs) und die Realschule 2. Ordnung, die zur Oberrealschule wurde. Beide neuen Schulformen wurden mit Beginn des neuen Jahrhunderts den Gymnasien gleichgestellt.

Der Zweig zu den heutigen Realschulen verlief jedoch anders: Aus einem Konglomerat von mittelbildenden Schulen (höhere Töchter- und Knabenschulen, Stadtschulen, Bürgerschulen und Rektoratschulen) erwuchs 1872 eine eigenständige, wesensbestimmte Mittelschule. Über drei Neuordnungen hinweg hielt sie sich auch über den 2. Weltkrieg hinweg und konnte nach dessen Beendigung ihren Betrieb relativ schnell wieder aufnehmen. Je nach Bundesland wurden die Mittelschule früher oder später in Realschulen umbenannt, weil die Elternschaft in dem Namen „Mittelschule“ etwas herabsetzendes empfand. Der Begriff „Mittelschule“ bezeichnete so nicht nur einen Schultyp, sondern vermeintlich auch eine Qualität.


Österreich

Der Begriff Realschule wird seit dem 18. Jahrhundert Bezeichnung für eine berufsbezogene Schulart verwendet und wurde in der Politischen Schulverfassung 1805 erstmals gesetzlich verankert(3-jährige Anstalt für Kaufleute, Kameralisten, Landwirte und "Künstler höherer Art"). Die im Organisationsentwurf 1849 vorgesehene allgemein bildende 6-klassige Realschule (1851 umgeformt) trat erst 1868 als Prototyp einer lateinlosen höheren Schule mit modernen Fremdsprachen und Betonung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung in Konkurrenz zum Gymnasium. Zunächst 7-klassig, erhielt die Realschule 1927 eine 8. Klasse und wurde ein dem Gymnasium gleichwertiger Schultyp, der seit 1962 als Realgymnasium geführt wird. Zur Zeit werden Realschulen in Österreich als Schulversuch geführt, oft als integrierter Teil einer Hauptschule.


Schweiz

Die Realschule ist in der Schweiz eine Oberstufenschule (Deutschland: Hauptschule). In den meisten Kantonen ist die Realschule die Oberstufenschule für schulisch schwächere bis durchschnittliche Schüler, nachdem sie die Grundstufe, die fünf bis sechs Jahre dauernde Primarschule (Deutschland: Grundschule) besucht haben.

Das Absolvieren einer Matura und meistens auch das Besuchen weiterführender Schulen bleibt Realschülern verwehrt. Dazu wird meistens der Besuch einer Sekundarschule oder einer Bezirksschule vorausgesetzt. Diese sind meistens gezwungen, eine Berufslehre oder eine Anlehre zu beginnen.

Siehe auch: Schulsystem in der Schweiz

Fürstentum Liechtenstein

Die Realschule ist im Fürstentum Liechtenstein eine Sekundarschule (Schweiz: Oberstufenschule). Die Realschule in Liechtenstein ist die Schule für Schüler auf höherem Niveau.

Nach Absolvieren der Realschule ist ein Weiterstudium generell möglich.

Siehe auch: Schulsystem Liechtensteins

Literatur

Saldern, Matthias von (2002). Bildungsgang Realschule. Hohengehren: Schneider.