Die Brabanter Straße, Köln-Leipziger Straße oder Lütticher Straße war eine Altstraße und im Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine eine der bedeutendsten West-Ost-Handelsstraßen. Als Höhenweg (streckenweise Höhen-Hohlweg) vermied die Straße sumpfige Täler und Flussquerungen (Brückenzoll).
Die Straße führte auf den längeren Wasserscheiden entlang und wurde bereits 1255 als „strata publica“ genannt. Sie verband das ehemalige Herzogtum Brabant im heutigen Belgien über Köln, Siegen, den Berg Angelburg, Marburg und Erfurt mit Leipzig. Auf dieser mittelalterlichen Straße, die wichtige Messeplätze miteinander verband, wurden ein Großteil des Ost-West-Handels, vor allem mit Eisenwaren aus dem nördlichen Dillgebiet und aus dem Siegerland, und der Reiseverkehr abgewickelt.
Verlauf
Der Streckenverlauf der Brabanter Straße variierte teilweise aufgrund von klimatischen, politischen und anderen Gegebenheiten (z. B. in unsicheren Kriegszeiten, Meidung von Pestgebieten), es gab für einzelne Abschnitte andere Verläufe und Parallelwege.
Lüttich-Aachen
Der Abschnitt Brabant-Aachen entspricht ungefähr dem Verlauf der heutigen Nationalstraße 3 in Belgien:
Grenze zum Herzogtum Limburg
- Herve
- Battice
- Clermont (heute Ortsteil von Thimister-Clermont)
- Henri-Chapelle
- Kelmis
- Moresnet (heute Ortsteil von Kelmis)
Grenze zur Freien Reichsstadt Aachen[1]
- Bildchen (heute Ortsteil von Aachen)
- Aachen - Fasten- und ab 29. September Michali-Messe; Messeprivilege 1166 und 1173; 1359 ab 1. Mai Walpurgis-Messe
Aachen-Köln
Der Abschnitt Aachen-Köln entspricht ungefähr dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 258 (bis Kornelimünster) und 264 (ab Düren):
- Aachen
Grenze zur Reichsabtei Kornelimünster
- Kornelimünster; Brücke über die Inde
Grenze zum Herzogtum Niederlothringen, ab 1435 zum Herzogtum Jülich
Grenze zum Herzogtum Jülich
- Schevenhütte (heute Stadtteil von Stolberg); Brücke über den Wehebach
- Düren, Brücke über die Rur
Grenze zum Herzogtum Brabant, später zu den Spanischen Niederlanden
Grenze zum Herzogtum Jülich
Grenze zum Erzstift Köln
Grenze zur Freien Reichsstadt Köln
- Köln, Hahnentor - Oster-, ab 1. August St.-Petri-Kettenfeier- und ab 23. Oktober Severins-Messe in Köln, später Estomihi- und ab 25. Juli St. Jakob-Messe sowie Stapelrecht; Messeprivileg 1360
Eine alternative Route führte von Aachen über Haaren, Weiden, Langerwehe, Birkesdorf (jüliche Zollstelle) und Jülich oder Kerpen / Frechen nach Köln.
Köln-Siegen
Der Abschnitt Köln-Siegen war die sogenannte „Brüderstraße“ oder „Siegener Landstraße“, ein hochmittelalterlicher Höhenweg in nahezu geradlinigem Verlauf bei nur wenigen Talquerungen:
- Köln; Fähre über den Rhein 1428 erstmals erwähnt, 1674 an Seilen verankerte Gierseilfähre, 1822 dauerhafte Schiffsbrücke
Grenze zum Erzstift Köln
- Deutz (heute Ortsteil von Köln); Zollstation
Grenze zum Herzogtum Berg
- Brück (heute Ortsteil von Köln); Zollstation 1411 erstmals erwähnt
- Overath; Brücke über die Agger, „Altes Zollhaus“ in Overath-Steinenbrück
Grenze zur Reichsherrschaft Homburg
- Drabenderhöhe[2] (heute Ortsteil von Wiehl); Straßenname „In der Landwehr“ (bergische Grenzbefestigung); Knotenpunkt zur „Zeithstraße“ von Siegburg nach Hagen
Grenze zum Herzogtum Berg
- Denklingen (heute Ortsteil von Reichshof); Reste der bergischen Landwehr nachgewiesen
- Erdingen (heute Ortsteil von Reichshof)
Grenze zur Reichsherrschaft Wildenburg[3]
- Weierseifen (heute Ortsteil von Friesenhagen); Zollstelle
- Crottorf bei Friesenhagen
- Wildenburg; 1384 Privileg zur Führung der „Brüderstraße“ durch den Ort bei Burg Wildenburg; Zollprivilege 1384 und 1396
Grenze zur Grafschaft Nassau-Dillenburg bzw. (1606 bis 1734) Nassau-Siegen[4]
- Hohenhain (heute Ortsteil von Freudenberg); Schanzanlage am Schlagbaum („Dicker Schlag“) durch die „Nassau-Siegener Landhege“
- Freudenberg
- Vor der Gründung von Freudenberg verlief die Strecke entlang des „Kölschen Heck“ an Römershagen (heute Ortsteil von Wenden) und dem Löffelberg vorbei über Lindenberg (heute Stadtteil von Freudenberg).
- Siegen; Brücke über die Sieg 1343 erstmals erwähnt, im 16. Jh. steinerne Brücke zum „Kölner Tor“ im Westen der Stadt - ab 24. Juni Johannimarkt in Siegen (seit dem 17. Jh.)
Eine alternative Strecke von Köln nach Marburg führte durch den Westerwald: Köln - Siegburg - Weyerbusch - Altenkirchen (bis hierher identisch mit der „Köln-Frankfurter Straße“, die über Limburg an der Lahn nach Frankfurt am Main weiterführte) - Ingelbach – Müschenbach - Hachenburg - Kirburg - Hof - Salzburg - Driedorf - Roth - Herborn - Marburg
Siegen-Marburg
Die Strecke führte über die Höhen, auf denen sich heute keine Trassen von Bundesstraßen befinden. Der Abschnitt Gladenbach-Marburg entspricht grob dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 255:
- Siegen; „Marburger Tor“ im Osten, schon 1311 belegt
- Niederdielfen (heute Ortsteil von Wilnsdorf)
- Irmgarteichen (heute Ortsteil von Netphen)
Grenze zur Grafschaft Nassau-Dillenburg (1606 bis 1734)[5]
- Ewersbach (heute Ortsteil von Dietzhölztal)
Grenze zur Landgrafschaft Hessen(-Marburg) bzw. Hessen-Kassel
- Angelburg; Knotenpunkt zur „Herborner Straße“ (auch „Herborner Hohe Straße“) und zum „Westfalenweg“
- Niedereisenhausen (heute Ortsteil von Steffenberg) und Diedenshausen (heute Ortsteil von Gladenbach) oder
- Bottenhorn (heute Ortsteil von Bad Endbach) und Rachelshausen (heute Ortsteil von Gladenbach)
- Gladenbach
- Niederweimar; Abzweig zur „Weinstraße“ durch die Furt der Allna in das Rhein-Main-Gebiet
- Marburg - am 1. Mai Walpurgismarkt, am 29. September Michaelsmarkt und am 19. November (heute in den Oktober verlegt) Elisabeth-Jahrmarkt
Eine alternative Route führte von Niederdielfen über Haiger, Dillenburg, den Dillübergang bei Herborn, Niederweidbach (heute Ortsteil von Bischoffen) und Gladenbach (entsprechend etwa dem Verlauf der heutigen Bundesstraße 255) oder über Rollshausen (heute Ortsteil von Lohra) nach Marburg.
Marburg-Melsungen
Der Abschnitt Marburg-Melsungen entspricht grob dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 62, 454 und 254 (bis Homberg):
- Marburg; Weidenhäuser Brücke über die Lahn; Abzweig zur „Frankfurt-Bremer Landstraße“ oder „Kaiserstraße“ über Goßfelden, Wetter, Frankenberg und Korbach nach Paderborn. Die „Frankfurt-Bremer Landstraße“ führte ursprünglich westlich an Marburg vorbei nach Niederweimar.
- Der ältere Höhenweg von Marburg-Weidenhausen über den „Alten Kirchhainer Weg“ und die Lahnberge zur steinernen Ohm-Brücke an der Brücker Mühle im kurmainzischen Amöneburg nach Kirchhain wurde oft entlang der Lahn durch hessisches Gebiet umgangen.
- Kirchhain; Abzweig zur Straße „durch die langen Hessen“ über die Ohmbrücke im kurmainzischen Amöneburg und den Ebsdorfergrund nach Staufenberg und Butzbach.
Grenze zum Erzstift Mainz
- Niederklein (heute Ortsteil von Stadtallendorf)
Grenze zur Grafschaft Ziegenhain (bis 1450), dann Grenze zur Landgrafschaft Hessen
- Treysa (heute Ortsteil von Schwalmstadt); Brücke über die Wiera
- Ziegenhain (heute Ortsteil von Schwalmstadt); Brücke über die Schwalm; Ortsname „Grenzebach“ (heute Stadtteil von Schwalmstadt) an der B 254
Grenze zur Landgrafschaft Hessen
- Spieskappel (heute Ortsteil von Frielendorf)
- Homberg; Brücke über die Efze
- Dagobertshausen (heute Ortsteil von Malsfeld)
- Melsungen, Knotenpunkt zur „Nürnberger Straße“ (Nord-Süd) und zur Straße „durch die langen Hessen“; die Brabanter Straße heißt hier „Sälzerweg“
Der Abschnitt von Kirchhain nach Treysa wurde im 17. Jh. als Teil der „Niederrheinischen Straße“ (heute noch Straßenname in Kirchhain, Stadtallendorf, Treysa, Neukirchen und Oberaula) vom Köln über Biedenkopf nach Hersfeld als Poststraße ausgebaut und 1831 bis 1842 gepflastert.
Melsungen-Eisenach
Der Abschnitt Melsungen-Eisenach entspricht grob dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 487 (bis Spangenberg) bzw. 27 (ab Sontra-Wichmannshausen), 254 und 7 und war ein Teilstück der Straße „durch die langen Hessen“.
- Melsungen; Brücke über die Fulda
- Spangenberg
- Waldkappel; Brücke über die Wehre
- Wichmannshausen (heute Ortsteil von Sontra); Brücke über die Sontra
- Röhrda (heute Ortsteil von Ringgau)
- Netra (heute Ortsteil von Ringgau)
- Kreuzburg (heute Philippsthal); Straßenname „Am Zollhaus“
Grenze zum Gebiet der Wettiner[6]
- Vacha; schon um 1186 steinerne Brücken bei Vacha über die Werra
- Eisenach
Eine alternative Route führte von Kirchhain über Lehrbach (heute Ortsteil von Kirtorf), Kirtorf, Ohmes (heute Ortsteil von Antrifttal) und Hersfeld (grob entsprechend dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 62 und 84) nach Eisenach. Wegen der besseren Unterkunftsmöglichkeiten zogen größere Reisegruppen manchmal auch von Waldkappel statt über Kreuzburg über Eschwege und Treffurt nach Thüringen.
Eisenach-Leipzig
Der Abschnitt Eisenach-Leipzig, ein Teil der sogenannten „Via Regia“, entspricht grob dem Verlauf der heutigen Bundesstraßen 7 und 87.
- Eisenach
- Wutha
- Lupnitz
- Sättelstädt und Mechterstädt oder
- Haina
- Gotha
- Grabsleben
- Erfurt - Pfingst- und ab 11. November St. Martins-Messe in Erfurt (bis Anfang des 16. Jh.) und Stapelrecht; Messeprivileg 1331
- Niederzimmern
- Berlstedt
- Buttelstedt (Knotenpunkt zu einer Nord-Süd-Verbindung)
- Eckartsberga
- Taugwitz (heute Ortsteil von Lanitz-Hassel-Tal)
- Kösen; Brücke über die Saale
- Naumburg - ab 29. Juni Petri-Pauli-Messe in Naumburg; schon 1278 erwähnt, Messeprivileg 1514
- Weißenfels mit Furt durch die Saale
- Leipzig - Oster-, ab 29. September Michaelis- und ab 1. Januar Neujahrs-Messe in Leipzig und Stapelrecht; Messeprivilege 1497 und 1507
Reiseberichte und Darstellungen
Die „Brabanter Straße“ wurde von bekannten Reisenden benutzt, so von Martin Luther (1483–1546) im April/Mai 1512 auf seiner Reise von Wittenberg zum Ordenskapitel der Augustiner-Eremiten in Köln und im September/Oktober 1529 auf seiner Reise zum Marburger Religionsgespräch[7] Aus dem Briefwechsel ergibt sich das Itinerar einer Reise Philipp Melanchthons (1497–1560), der die Brabanter Straße mehrfach bereiste, im Jahre 1536.[8] 1552 zieht Philipp I. von Hessen (1504–1567) nach seiner Freilassung in den Spanischen Niederlanden über diesen Weg von Jülich zurück nach Marburg. Joachim II. von Brandenburg (1505–1571), August von Sachsen (1526–1586) und Christian III. von Dänemark (1503–1559) zogen 1558 über die „Brabanter Straße“ zur Kaiserwahl nach Frankfurt am Main.[9] 1591 berichtet Arnoldus Buchelius (1565–1641) in seinem Tagebuch detailliert über die Stationen von Treysa bis Köln.[10]
Auch der mittelalterliche Jakobsweg aus Mitteldeutschland nach Santiago de Compostela folgte der „Brabanter Straße“, in deren Verlauf das Grab der Heiligen Elisabeth in der Marburger Elisabethkirche, die Reliquien der Gebeine der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom, die Reliquien im Aachener Dom (Windeln und Lendentuch Christi, Marienkleid, Enthauptungstuch Johannes des Täufers) und das Grab des Heiligen Lambertus in der St. Lambertuskathedrale (heute zerstört) in Lüttich besucht werden konnten.
Die Romwegkarte von Erhard Etzlaub (um 1460–1532) aus dem Jahr 1501 sowie die daran angelehnte Karte des europäischen Verkehrsnetzes („Carta itineraria europae“) 1520 von Martin Waldseemüller (um 1470–1520) führen die wichtigsten Stationen der „Brabanter Straße“ auf und orientieren sich an ihrer Streckenführung, deutlich etwa von Treysa nach Köln. Auch die Karte des Oberbergischen von Arnold Mercator (1537–1587) aus dem Jahre 1575 zeigt den Verlauf der „Landstraiß uff Siegen“.
Literatur
- Georg Landau: Beiträge zur Geschichte der Alten Herr- und Handelsstraßen in Deutschland I-II/2. In: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte 1 (1856), S. 483–505 [falsche Paginierung], 575–591 und 639–665 (Online-Ressource, aufgerufen am 15. August 2011)
- Hermann Böttger / Wilhelm Weyer: Alte Straßen und Wege. In: dieselben / Alfred Lück: Geschichte des Netpherlandes, Netphen: Selbstverlag des Amtes Netphen 1967, S. 47–60, bes. S. 54f
- Hugo Weczerka: Hansische Handelsstraßen, Bd. I-III (Quellen und Darstellungen zur Hansischen Geschichte 13/1-3), Köln / Wien: Böhlau 1962/67/68
- Herbert Nicke: Vergessene Wege. Das historische Fernwegenetz zwischen Rhein, Weser, Hellweg und Westerwald; seine Schutzanlagen und Knotenpunkte (Land und Geschichte zwischen Berg, Wildenburg und Südwestfalen 9). Nümbrecht: Martina Galunder 2001, ISBN 3-931251-80-2.
Einzelnachweise
- ↑ Heute Staatsgrenze zwischen Belgien und Deutschland.
- ↑ Nach dem „Siegburger Vergleich“ von 1604 endgültig homburgisch.
- ↑ Heute Landesgrenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
- ↑ Heute Landesgrenze zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
- ↑ Heute Landesgrenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen auf der Landstraße 729.
- ↑ Heute Landesgrenze zwischen Hessen und Thüringen auf der Bundesstraße 62.
- ↑ Vgl. Günter E. Th. Bezzenberger: Luthers Reise zum Religionsgespräch 1529. In: ders. / Karl Dienst (Hrsg.): Luther in Hessen, Kassel / Frankfurt am Main: Verlag Evangelischer Presseverband 1983, S. 50–69. Luther reiste über Netra, Röhrda, Waldkappel (27.9.), Friemen, Bischofferode, Pfieffe, Spangenberg, Homberg, Spieskappel (28.9.), Treysa, Speckswinkel, Erksdorf, Langenstein und Kirchhain (29.9) nach Marburg (30.9.).
- ↑ Gotha (6.9.), Eisenach (7.9.), Kreuzburg (7.9.), Waldkappel (8.9.), Spieskappel (9.9.), Kirchhain (9.9.), Marburg (10.9.); vgl. Walter Thüringer / Heinz Scheible: Philipp Melanchthon: Briefwechsel. Regesten, Bd. 10 Orte A-Z und Itinerar, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1998, S. 454.
- ↑ Vgl. G. Landau: a. a. O., S. 659f.
- ↑ Treysa (11.6.), Kirchhain, Marburg, Gladenbach (12.6.), Dillenburg (13.6., Abreise 15.6.), Haiger, Siegen (16.6.), Denklingen, Overath, Deutz (17.6.) und Köln (17.6.); vgl. Hermann Keussen: Die drei Reisen des Utrechters Arnoldus Buchelius nach Deutschland, insbesondere sein Kölner Aufenthalt II. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 85 (1908), S. 43–90, bes. S. 50-54 (Online-Ressource, abgerufen am 14. August 2011)