Sinus und Kosinus

trigonometrische Funktionen
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Die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion sind mathematische Funktionen aus der Klasse der trigonometrischen Funktionen. In einem rechtwinkligen Dreieck ist der Sinus eines Winkels das Verhältnis der Gegenkathete (Kathete, die dem Winkel gegenüberliegt) zur Hypotenuse (Seite gegenüber dem rechten Winkel), der Kosinus ist das Verhältnis der Ankathete (das ist jene Kathete, die einen Schenkel des Winkel bildet) zur Hypotenuse.

Datei:Sin.png
Graph der Sinusfunktion
Datei:Cos.png
Graph der Kosinusfunktion

Im rechtwinkeligen Dreieck lassen sich Sinus und Kosinus nur für Winkel zwischen 0 und 90 Grad definieren; für beliebige Winkel ist der Sinus als y-Koordinate und der Kosinus als x-Koordinate eines Punktes am Einheitskreis definiert, mittels Potenzreihendarstellung lässt sich die Definition auf komplexe Argumente verallgemeinern.


Geometrische Definition

Definition mit rechtwinkeligem Dreieck

Datei:RechtwinkligesDreieck.png
Dreieck mit einem rechten Winkel in C

Der Sinus und der Kosinus definieren sich über die Seitenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck. Betrachtet man den Winkel zwischen Hypotenuse und einer der beiden Katheten, dann ist der Sinus das Verhältnis von der dem Winkel gegenüberliegenden Seite (die eine Kathete ist) zur Hypotenuse, und der Kosinus das Verhältnis von der Kathete, die einen Schenkel des Winkel bildet, zur Hypotenuse (die den anderen Schenkel des Winkel bildet).

Formelmäßig gilt hier: Ist c die Hypotenuse und liegt der Winkel α zwischen c und der Kathete b, also der Kathete a gegenüber, dann ist der Sinus

 

und der Kosinus

 

Da aus geometrischen Gründen die Hypotenuse die längste Seite ist (denn sie liegt dem größten Winkel, also dem rechten Winkel, gegenüber), gelten auch stets sin (α) ≤ 1 und cos (α) ≤ 1.

Betrachtet man statt α den gegenüberliegenden Winkel β, so wechseln beide Katheten ihre Rolle, die Ankathete von α ist die Gegenkathete von β und die Gegenkathete von α ist die Ankathete von β, es gilt also

 

und

 

Da im rechtwinkeligen Dreieck α + β = 90° gilt, folgt

cos(α) = sin(90° - α)

und

sin(α) = cos(90° - α).

Auf dieser Beziehung beruht auch die Bezeichnung Kosinus, nämlich der Sinus des Komplementärwinkels.

Aus dem Satz des Pythagoras folgt die Beziehung

sin²(α) + cos²(α) = 1 .

Definition mit Einheitskreis

 
Einheitskreis

 

Da im rechtwinkeligen Dreieck der Winkel zwischen Hypotenuse und Kathete Werte von 0 bis 90 Grad annehmen kann, sind Sinus und Kosinus zunächst nur für solche Winkel definiert. Für eine allgemeine Definition betrachtet man einen Punkt   mit den Koordinaten   auf dem Einheitskreis, also  . Der Ortsvektor von   schließt mit der x-Achse einen Winkel   ein. Der Koordinatenursprung  , der Punkt   auf der x-Achse und der Punkt   bilden ein rechtwinkliges Dreieck. Die Länge der Hypotenuse beträgt  . Die Ankathete des Winkels   ist der Vektor   der Länge  , es gilt also

 

Die Gegenkathete des Winkels   ist der Vektor von   nach  , also der Vektor   der Länge  , es gilt also

 

Die y-Koordinate eines Punktes im ersten Quadranten des Einheitskreises entspricht also dem Sinus des Winkels zwischen seinem Ortsvektor und der x-Achse, die x-Koordinate dem Kosinus des Winkels. Setzt man diese Definition in den anderen Quadranten fort, so lassen sich Sinus und Kosinus für beliebige Winkel definieren.

Für negative Winkel betrachte man die Beziehung

 

und

 ,

aus der sich Sinus und Cosinus für den vierten Quadranten, also Winkel zwischen -90 und 0 Grad berechnen lassen. Der Sinus ist also eine ungerade Funktion, der Kosinus eine gerade.

Für Winkel größer 90 Grad betrachte man die Beziehung

 

und

 ,

aus der sich Sinus und Cosinus für den zweiten und dritten Quadranten, also Winkel zwischen 90 und 270 Grad berechnen lassen.

Für Winkel kleiner -90 Grad und größer 270 Grad ergeben sich Sinus und Kosinus aus den Beziehungen

 

und

 ;

Sinus und Kosinus sind also periodische Funktionen mit Periode 360 Grad.

Wertebereich und spezielle Funktionswerte

Die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion können für reelle Argumente nur Werte zwischen -1 und 1 annehmen.

Verlauf des Sinus in den vier Quadranten

In den vier Quadranten ist der Verlauf der Sinusfunktion folgendermaßen:

Quadrant Grad Bogenmaß Bildmenge Monotonie Konvexität Punkttyp
  0 0 Nullstelle, Wendepunkt
1. Quadrant     positiv:   steigend konkav
    1 Maximum
2. Quadrant     positiv:   fallend konkav
    0 Nullstelle, Wendepunkt
3. Quadrant     negativ:  fallend konvex
      Minimum
4. Quadrant     negativ:   steigend konvex


Für Argumente außerhalb dieses Bereiches erhält man den Wert des Sinus daraus, dass der Sinus periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π Radiant) ist, d. h.  . Außerdem gilt  .

Verlauf des Kosinus in den vier Quadranten

Der Kosinus ist ein um 90° (bzw. π/2 Radiant) phasenverschobener Sinus, es gilt  .

In den vier Quadranten ist der Verlauf der Kosinusfunktion daher folgendermaßen:

Quadrant Grad Bogenmaß Bildmenge Monotonie Konvexität Punkttyp
  0 1 Maximum
1. Quadrant     positiv:   fallend konkav
    0 Nullstelle, Wendepunkt
2. Quadrant     negativ:   fallend konvex
      Minimum
3. Quadrant     negativ:   steigend konvex
      Nullstelle, Wendepunkt
4. Quadrant     positiv:   steigend konkav

Für Argumente außerhalb dieses Bereiches erhält man den Wert des Kosinus daraus, dass der Kosinus so wie der Sinus periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π Radiant) ist, d. h.  . Außerdem gilt  .

Wichtige Funktionswerte

Eine Reihe einfach zu merkender und häufig verwendeter Werte:

  •  
  •  
  •  
  •  
  •  

Weitere mit Wurzeln angebbare Funktionswerte

Über die Berechnung der fünften Einheitswurzeln mittels einer quadratischen Gleichung erhält man  

Mit Hilfe der Additionstheoreme kann man viele weitere solche Ausdrücke berechnen:

  erhält man aus  .

Aus   und   lassen sich dann z. B.   und dann rekursiv auch alle   berechnen.

Zusammenhang zwischen Sinus und Kosinus

 
  (Satz des Pythagoras)

Insbesondere folgt daraus   und  . Diese Ungleichung gilt aber nur für reelle  ; für die über die Potenzreihe definierten komplexen Argumente können Sinus und Kosinus beliebige Werte annehmen.

Umkehrfunktion

Da sich zu einem gegebenen Wert   ein passender Winkel im ersten oder vierten Quadranten und zu einem gegebenen Wert   ein passender Winkel im ersten oder zweiten Quadranten konstruieren lässt, folgt aus diesen geometrischen Überlegungen, dass die Funktionen

  und
 

eine Umkehrfunktion besitzen. Diese Umkehrfunktionen

  bzw.
 

werden Arkusfunktionen genannt. Der Name rührt daher, dass sich deren Wert nicht nur als Winkel, sondern auch als Bogenlänge (Arcus bedeutet Bogen) interpretieren lässt; für diese Interpretation ist die Angabe des Wertebereichs im Bogenmaß

  bzw.
 

üblich. Eine andere Interpretation des Wertes als doppelter Flächeninhalt des dazugehörigen Kreissektors am Einheitskreis ist ebenfalls möglich; diese Interpretation ist insbesondere für die Analgoie zwischen Kreis- und Hyperbelfunktionen nützlich.

Für die Arkusfunktionen gelten unter anderem folgende Formeln:

 , denn für   gilt   und  .
 , denn für   gilt   und  .
 , denn für   gilt   und  .
 , denn für   gilt   und  .

Stetigkeit

Da die Sinusfunktion

 

und die Kosinusfunktion

 

monoton, surjektiv und invertierbar sind, folgt, dass sie in diesen Quadranten stetig sind. Da die Funktionen in den anderen Quadranten lediglich gespiegelt bzw. periodisch fortgesetzt sind, sind die Sinus- und Kosinusfunktion für alle reellen Argumente stetig.

Zusammenhang mit dem Skalarprodukt

Der Kosinus steht in enger Beziehung mit dem Skalarprodukt zweier Vektoren   und  :

 ,

das Skalarprodukt ist also die Länge der Vektoren multipliziert mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels. In endlichdimensionalen Räumen lässt sich diese Beziehung aus dem Kosinussatz ableiten. In abstrakten Vektorräumen mit innerem Produkt wird über diese Beziehung der Winkel zwischen Vektoren definiert.

Additionstheoreme

Aus dem Skalarprodukt lassen sich die sogenannten Additionstheoreme herleiten:

Die Vektoren   und   der Länge 1 schließen den Winkel   ein; mit dem Skalarprodukt folgt also

 .

Die Vektoren   und   der Länge 1 schließen den Winkel   ein; mit dem Skalarprodukt folgt also

 .

Aus   und  erhält man die Additionstheoreme für den Sinus:

 

sowie

 .

Setzt man in diesen Beziehungen   und   (beziehungsweise   und ), so erhält man durch Addition bzw. Subtraktion je zweier Additionstheoreme

 ,
 ,
  und
 .

Weitere Identitäten finden sich in der Formelsammlung Trigonometrie.

Ableitung (Differentiation) und Integration von Sinus und Kosinus

Nachfolgend wird eine geometrische Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion dargestellt. Eine exakte Berechnung mit Methoden der Analysis ist nicht möglich, da Sinus und Kosinus bisher nur geometrisch und nicht analytisch definiert sind.

Berechnung der ersten Ableitung

Berechnung der Ableitung mit Bogenlänge

Der Nachweis wird mit Hilfe des Einheitskreises erbracht, wobei der Winkel zweckmäßigerweise im Bogenmaß angegeben wird.

 
Ableitung Sinus

Aus der Skizze kann man folgende Zusammenhänge erkennen.

x ist das Bogenmaß zum Sinuswert. Im Einheitskreis ist

 

Ändert sich der Bogen x um das Maß dx, so ergibt sich auch das Maß dy. Denkt man sich dx gegen Null gehend, so ergeben sich zwei ähnliche Dreiecke ABC und EDC. Setzt man diese ins Verhältnis so erhält man die Verhältnisgleichung

 

Da die Strecke

 

ist und

 

die Ableitung ist, ergibt sich als Lösung

 .

Berechnung der Ableitung mit Flächen

Obige Berechnung der Ableitung beruht auf dem nicht elementaren Begriff der Bogenlänge; es ist nicht so einfach zu zeigen, dass die Länge des Kreisbogens   einfach durch die Länge der Sehne   angenährt werden darf. Eine andere Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion, die auf Flächenüberlegungen beruht, vermeidet dieses Problem. Für diesen Zugang interpretiert man den Winkel als doppelten Flächeninhalt des dazugehörigen Sektors am Einheitskreis, analog zu den Umkehrfunktionen der Hyperbelfunktionen. Numerisch ist das zwar der selbe Wert wie das Bogenmaß, diese Interpretation vermeidet aber die Problematik der Bogenlänge.


Zunächst folgt aus  , dass

 ,

also wegen der Stetigkeit der Kosinusfunktion

 ,

es reicht also, den Grenzwert

 

zu berechnen.

 
sin x < x < tan x

Betrachtet man in nebenstehender Abbildung die Punkte   und   und ist   in Bogenmaß gegeben, so hat das Dreieck   (rote Fläche) den Flächeninhalt  , der Kreissektor   (rote plus orange Fläche) den Flächeninhalt  , und das Dreieck   (rote plus orange plus gelbe Fläche) den Flächeninhalt  . Da eine Fläche jeweils die vorige umfasst, gilt erstens

 , also  ,

und zweitens

 , also  ,

insgesamt also

 

und daher

 .

Für die Ableitung der Sinusfunktion ergibt das

 .

Berechnung der Ableitung aus den Additionstheoremen

Leopold Vietoris hat im September 1956 auf dem vierten österreichischen Mathematikerkongress in Wien eine Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion vorgestellt, die im Wesentlichen nur die Additionstheoreme und Monotonie und Stetigkeit der Sinus- und Kosinusfunktion benötigt. Sei   ein Winkel mit  . Dann folgt aus mehrmaliger Anwendung der Additionstheoreme

 .

Setzt man

 ,
  und
 ,

so lässt sich leicht zeigen, dass

 

gilt. Daher konvergiert die Folge  , und für den Grenzwert   gilt

 .

Die Folge   konvergiert somit ebenfalls und der Grenzwert   erfüllt   und  . Aus der Stetigkeit der Kosinusfunktion bei   folgt, dass   der Cauchyschen Funktionalgleichung genügt:

 

Da   monoton steigend ist, ist   ebenfalls monoton steigend und hat daher als monotone Lösung der Cauchyschen Funktionalgleichung notwendigerweise die Form

 ,

wobei   eine Konstante   ist. Es gilt also  . Aus   folgt   und daher

 

weil die Sinusfunktion ungerade ist. Daraus folgt

 .

Welche Bedeutung hat nun die durch den Grenzwert

 

definierte Konstante  ? Wie sich geometrisch zeigen lässt, ist

 

der Umfang des dem Einheitskreis eingeschriebenen regelmäßigen  -Ecks und

 

der Flächeninhalt. Analytisch wurde bereits gezeigt, dass diese Folgen konvergieren; geometrisch anschaulich sind die Grenzwerte Umfang bzw. Fläche des Einheitskreises. Mit der geometrischen Definition der Kreiszahl   gilt also

  sowie
 .

Es gilt also

 .

Dieser Grenzwert lässt sich als analytische Definition von   verwenden, wobei zu beachten ist, dass die dabei verwendete Folge die genaue Kenntnis der Sinusfunktion nicht voraussetzt, da sie wegen

 

mit einer einfachen Rekursionsformel darstellbar ist.

Definiert man das Winkelmaß so, dass dem gestreckten Winkel   der Wert   entspricht, misst man also im Bogenmaß, so gilt für den Sinus

 .

Höhere Ableitungen

Aus   und der Kettenregel erhält man die Ableitung des Kosinus:

 

und daraus die zweite Ableitung des Sinus:

 .

Die dritte Ableitung ist daher

 .

und die vierte Ableitung ist wieder die Sinusfunktion selbst:

 .

In weiterer Folge erhält man daraus für die  -te Ableitung des Sinus

 

und für die  -te Ableitung des Kosinus

 

Diese Beziehung gilt nur, wenn   im Bogenmaß angegeben wird. Wird der Winkel   in Grad gemessen, so kommt nach der Kettenregel bei jeder Ableitung ein Faktor   dazu, also beispielsweise  . Um diese störenden Faktoren zu vermeiden, wird in der Analysis der Winkel ausschließlich im Bogenmaß angegeben; die Angabe von Winkel in Grad ist allerdings anschaulicher und daher bei geometrischen Überlegungen zweckmäßiger.

Integration

Aus den Ergebnissen über die Ableitung ergibt sich unmittelbar die Stammfunktion von Sinus und Kosinus im Bogenmaß:

 
 .

Analytische Definition

Obige Definitionen des Sinus und des Kosinus beinhalten geometrische Überlegungen. Geometrie wird üblicherweise naiv-intuitiv und nicht auf axiomatischer Basis behandelt. Sinus und Kosinus spielen auch eine wichtige Rolle in der Analysis, in der aber ein viel formalerer Zugang zweckmäßig ist. Daher sind die geometrischen Definitionen für die Analysis nicht ausreichend, und es wird eine analytische Definition benötigt. Auf Basis einer streng formalisierten Geometrie lässt sich die Äquivalenz der geometrischen und der analytischen Definition zeigen; auf Basis einer naiven Geometrie sind die geometrischen Überlegungen allerdings lediglich als Heuristik zur Begründung der analytischen Definition zu betrachten.

Die analytische Definition erlaubt zusätzlich die Erweiterung auf komplexe Argumente. Sinus und Kosinus als komplexwertige Funktion aufgefasst sind holomorph und surjektiv.

Für die analytische Definition gibt es in der Literatur keinen einheitlichen Zugang; es sind mehrere äquivalente Varianten verbreitet.

Definition als Taylorreihe

Mit Hilfe der aus geometrischen Überlegungen berechneten Ableitung des Sinus gilt für die  -te Ableitung an der Stelle 0

 

Daraus ergibt sich folgende Taylorreihenentwicklung um x=0:

 

Für die aus geometrischen Überlegungen berechneten Ableitung des Kosinus gilt für die  -te Ableitung an der Stelle 0

 

Daraus ergibt sich folgende Taylorreihenentwicklung um x=0:

 

Mit dem Quotientenkriterium lässt sich zeigen, dass diese Potenzreihen für jede komplexe Zahl x absolut und in jeder beschränkten Teilmenge der komplexen Zahlen gleichmäßig konvergieren. Diese unendlichen Reihen verallgemeinern also die Definition des Sinus und des Kosinus von reellen auf komplexe Argumente. In der Analysis werden die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion häufig mittels dieser Reihenentwicklung definiert. Auch   wird in der Analysis üblicherweise nicht geometrisch, sondern beispielsweise über diese Reihe und die Beziehung   als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle der Kosinusfunktion defniert.


Für kleine Werte zeigen diese Reihen ein sehr gutes Konvergenzverhalten. Zur numerischen Berechnung kann man daher die Periodizität und Symmetrie der Funktionen ausnutzen und den x-Wert bis auf den Bereich -π/4 bis π/4 reduzieren (siehe Reduktionsformel). Danach sind für eine geforderte Genauigkeit nur noch wenige Glieder der Reihe zu berechnen. Das Taylorpolynom der Kosinusfunktion bis zur vierten Potenz z.B. hat im Intervall [-π/4, π/4] einen relativen Fehler von unter 0,05%. Im Artikel Taylor-Formel sind einige dieser so genannten Taylorpolynome grafisch dargestellt und eine Näherungsformel mit Genauigkeitsangabe angegeben. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilsummen der Taylorpolynome nicht die bestmögliche numerische Approximation darstellen; im "Handbook of Mathematical Functions" von Abrahmovitz und Stegun finden sich Näherungspolynome mit noch kleinerem Approximationsfehler.

Definition mit Hilfe der Exponentialfunktion

Die trigonometrischen Funktionen können auch mit Hilfe der Exponentialfunktion definiert werden. Dieser Ansatz führt zum einen Sinus und Kosinus auf nur eine Reihe zurück, und ist aus der Eulerformel

 .

motiviert. Für eine reelle Zahl   ist also   der Realteil von   und   der Imaginärteil von  .

Für beliebige komplexe Zahlen   definiert man dann

 

und

 

Selbstverständlich kann man auch den Sinus wie oben als Taylorreihe definieren und dann die Übereinstimmung mit dieser Definition zeigen.

Ausgehend von dieser Definition lassen sich sehr leicht die Eigenschaften des Sinus und die Additionstheoreme des Sinus und Kosinus nachweisen.

Definition über analytische Berechnung der Bogenlänge

Die Definition des Sinus und Kosinus als Taylorreihe liefert keinen analytischen Beweis der Differenzierbarkeit des Sinus und Kosinus, sondern setzt die Differenzierbarkeit letztlich axiomatisch voraus. Die Definition mit Hilfe der Exponentialfunktion hat das selbe Problem, versteckt es allerdings im Beweis der Eulerformel.

Ein echter analytischer Beweis der Differenzierbarkeit des Sinus und Kosinus erfordert, dass die geometrische Definition des Sinus und Kosinus zuerst analytisch formalisiert wird. Dies ist möglich, indem man den Einheitskreis   beispielsweise als

 

parametrisiert. Die Bogenlänge dieser Kurve berechnet sich als

 

Wie leicht zu zeigen ist, ist   ungerade, stetig, streng monoton wachsend und beschränkt. Da die gesamte Bogenlänge dem Kreisumfang entspricht, folgt, dass das Supremum von   gleich   ist;   wird bei dieser Vorgangsweise also analytisch als Supremum von   definiert.

Die Funktion

 

ist auch differenzierbar:

 .

Weil sie stetig und streng monoton wachsend ist, ist sie auch invertierbar, und für die Umkehrfunktion

 

gilt

 .

Mit Hilfe dieser Umkehrfunktion   lassen sich nun Sinus und Kosinus als  - und  -Komponente von   analytisch definieren:

 

sowie

 .

Aus der Quotientenregel und der Kettenregel folgen dann

 

sowie

 .

Bei dieser Definition des Sinus und Kosinus über die analytische Berechnung der Bogenlänge werden die geometrischen Begriffe tatsächlich sauber formalisiert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass im didaktischen Aufbau der Analysis der Begriff der Bogenlänge erst sehr spät formal eingeführt wird und daher Sinus und Kosinus erst relativ spät verwendet werden können.

Definition als Lösung einer Funktionalgleichung

Eine anderer analytischer Zugang ist, Sinus und Kosinus als Lösung einer Funktionalgleichung zu definieren, die im Wesentlichen aus den Additionstheoremen besteht: Gesucht ist ein Paar stetiger Funktionen  , das für alle   die Gleichungen

  und
 

erfüllt. Die Lösung   definiert dann den Sinus, die Lösung   den Kosinus. Um Eindeutigkeit zu erreichen, sind einige Zusatzbedingungen zu erfüllen. In Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1 wird zusätzlich gefordert, dass

  eine ungerade Funktion,
  eine gerade Funktion,
 , und
 

gilt. Bei diesem Zugang wird offensichtlich die Differenzierbarkeit des Sinus vorausgesetzt;   wird in weiterer Folge analytisch als das doppelte der kleinsten positiven Nullstelle des Kosinus definiert. Verwendet man den oben beschriebenen Zugang von Leopold Vietoris und berechnet die Ableitung des Sinus aus den Additionstheoremen, so ist es zweckmäßiger,   auf geeigente Weise analytisch (beispielsweise als Hälfte des Grenzwerts des Umfangs des dem Einheitskreis engeschriebenen  -Ecks) zu definieren und dann die Differenzierbarkeit der Lösung dieser Funktionalgleichung zu beweisen. Als Zusatzbedingung zu den Additionstheoremen fordert man dann beispielsweise

 ,
 , und
  für alle  .

Unter den getroffenen Voraussetzungen ist die Eindeutigkeit der Lösung der Funktionalgleichung relativ einfach zu zeigen; die geometrisch definierten Funktionen Sinus und Kosinus lösen auch offensichtlich die Funktionalgleichung. Die Existenz einer Lösung lässt sich analytisch beispielsweise nachweisen, indem man zeigt, dass die Talyorreihen von Sinus und Kosinus oder eine andere der oben verwendeten analytischen Darstellungen von Sinus und Kosinus die Funktionalgleichung tatsächlich lösen.

Produktentwicklung

 

 

Anwendungen

Geometrische Anwendungen

 
Skizze zum Beispiel

Mit der Definition des Sinus können auch im nicht rechtwinkligen Dreieck Größen, speziell die Höhen, berechnet werden; ein Beispiel ist die Berechnung von   im Dreieck DBC bei gegebener Länge   und Winkel β:

 

 

 

Andere wichtige Anwendungen sind der Sinussatz und der Kosinussatz.

Fourierreihen

Im Hilbertraum   der auf dem Intervall   bezüglich des Lebesgue-Maßes quadratisch integrierbaren Funktionen bilden die Funktionen

 

ein vollständiges Orthogonalsystem, das sogenannte trigonometrische System. Daher lassen sich alle Funktionen   als Fourierreihe

 

darstellen, wobei die Funktionenfolge   in der  -Norm gegen   konvergiert.

Physikalische Anwendungen

In der Physik werden Sinus- und Kosinusfunktion zur Beschreibung von Schwingungen verwendet. Insbesondere lassen sich durch die oben erwähnten Fourierreihen beliebige Signale als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, siehe Fourieranalyse.


Herkunft des Namens

Die Bezeichnung "Sinus" leitet sich von dem lateinischen "sinus" ab, was soviel heißt wie "Bogen" oder "Busen". Das Wort ist mit "jiva" aus dem Sanskrit verwandt, wo es etwa "Bogensehne" bedeutet. Im Arabischen entwickelte sich das Wort zu "jiba": "Tasche" oder "Kleiderfalte". "Kosinus" bedeutet "Sinus des Komplementärwinkels".

Weitere Bedeutung

Siehe auch

Literatur

  • Leopold Vietoris, Vom Grenzwert  . Elemente Math. 12 (1957).