Transhumanismus

Denkrichtung, die die Grenzen menschlicher Möglichkeiten durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. September 2005 um 01:11 Uhr durch Rax (Diskussion | Beiträge) (---LA / +überarbeiten (s. disku)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Transhumanismus ist das Bestreben, die menschliche Evolution durch verschiedene hypothetische Technologien gezielt zu steuern, um so eine Erweiterung der intellektuellen, physischen und psychischen Kapazitäten des Menschen sowie eine Verlangsamung (und potentiell Umkehr) des biologischen Alterns zu erreichen. Bei den Anhängern des Transhumanismus handelt es sich um eine verhältnismäßig kleine Gruppe technophiler Utopisten, die ihre Hoffnungen u.a. in molekulare Nanotechnologie, Gen- und Biotechnologie, Biogerontologie, Informationstechnologien, Kognitionswissenschaft, künstliche Intelligenz, sogenanntes "Uploading" und Kryonik.

Überblick über Transhumanismus

Die Bezeichnung 'Transhumanismus' wurde erstmals 1957 vom Biologen Julian Huxley geprägt, der sie definierte als "Mensch, der Mensch bleibt, aber sich selbst, durch Verwirklichung neuer Möglichkeiten von seiner und für seine menschliche Natur, überwindet". Die Definition Huxleys gewann keinen großen Anhang und unterscheidet sich im wesentlichen von der allgemeingebräuchlichen seit den achtziger Jahren.

1966 begann Fereidoun M. Esfandiary, ein iranisch-amerikanischer Futurist, mit "transhuman” (eine Abkürzung für engl. "transitory human", also Mensch im Wandel) Menschen zu bezeichnen, die Technologien, Lebensstile und Weltansichten annehmen, die einen Übergang zur "posthumanity" bilden.

Die moderne Definition des Transhumanismus geht jedoch auf Dr. Max More zurück: Transhumanismus ist eine Kategorie von Anschauungen, die uns in Richtung eines posthumanen Zustands führen. Transhumanismus teilt viele Aspekte mit dem Humanismus, einschließlich eines Respekts vor Vernunft und Wissenschaft, einer Verpflichtung zum Fortschritt und der Anerkennung des Wertes des menschlichen (oder transhumanen) Bestehens in diesem Leben. [...] Transhumanismus unterscheidet sich vom Humanismus im Erkennen und Antizipieren der radikalen Änderungen in Natur und Möglichkeiten unseres Lebens durch verschiedenste wissenschaftliche und technologische Disziplinen [...].

Dr. Anders Sandberg beschreibt modernen Transhumanismus als die Philosophie, dass wir uns zu höheren Niveaus entwickeln können und sollten, physisch, geistig und sozial, durch den Gebrauch rationaler Methoden, während Dr. Robin Hanson ihn beschreibt als die Idee, daß neue Technologien wahrscheinlich unsere Welt im folgenden Jahrhundert so sehr ändern werden, daß unsere Nachkommen auf vielen Arten nicht mehr 'Mensch' sein werden.

Laut einer Zusammenfassung transhumanistischer Literatur ist Transhumanismus:

die Befürwortung der Verbesserung des menschlichen Zustands durch Verbesserungstechnologien, wie die Überwindung des Alterns und die Erweiterung der intellektuellen, körperlichen oder physiologischen Kapazitäten.

Das Studium des Nutzens, der Gefahren und der Ethik der Implementierung dieser Technologien.

Transhumanismus und Technologie

Transhumanismus unterstützt ganz allgemein neue Technologien, einschließlich vieler umstrittener, wie Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft, sowie hypothetische zukünftige Technologien wie künstliche Intelligenz, das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher und Kryonik.

Aufgrund der aktuellen Beschleunigung des technologischen Fortschritts spekulieren viele Transhumanisten auf einen radikalen Durchbruch in den nächsten 50 Jahren. Der Transhumanismus unterstreicht, dass dieses wünschenswert ist und dass der Mensch durch die Anwendung technologischer Innovationen, wie Gentechnik, molekulare Nanotechnologie, Neuropharmazeutik, prothetische Verbesserungen und neue Schnittstellen zwischen Hirn und Computer (siehe Human Cognome Projekt), sich über den gegenwärtigen menschlichen Stand hinaus entwickeln kann und sollte.

Aufklärung und humanistische Wurzeln

Der Tradition der Aufklärung und ihren politischen, moralischen und philosophischen Gedanke des 19. Jahrhunderts folgend, strebt Transhumanismus danach, auf dem globalen Wissen der Moderne, für das Wohl der gesamten Menschheit, aufzubauen.

Laut seinen Anhängern strebt der Transhumanismus danach, Vernunft, Wissenschaft und Technologie zu Zwecken der Armutsbekämpfung, der Befreiung von Krankheiten, Behinderungen, Unterernährung und von unterdückerischen Regierungen weltweit, anzuwenden. Viele Transhumanisten beanspruchen für sich, die Qualität allen Lebens zu verbessern, und streben danach, das Gleichheit auch durch Eliminierung genetisch bedingter mentaler und und körperlicher Barrieren zu erreichen.

Über Humanismus hinaus

Laut Transhumanismus besteht ein ethischer Imperativ für Menschen, sich um Fortschritt und Verbesserung des menschlichen Zustandes zu bemühen (siehe Perfektionismus). Wenn die Menschheit in eine Post-Darwinistische Phase ihrer Existenz eintritt, in der Menschen die Evolution kontrollieren, so argumentieren Transhumanisten, dass die zufälligen Mutationen vielleicht durch rationale, moralische, und ethische, aber vor allem kontrollierte, Änderung ersetzt werden.

Geschichtliche Entwicklung

Zur Entstehung des Begriffs Transhumanismus gibt es unterschiedliche Aussagen. Julian Huxley hat 1957 in seinem Buch New Bottles for New Wine (Neue Flaschen für Neuen Wein) den Begriff Transhumanismus im gleichnamigen Kapitel postuliert. Der Begriff kam anschließend in Abraham Maslows Toward A Psychology of Being (Psychologie des Seins, 1968) und Robert Ettingers Man into Superman (1972) vor. Wie Maslow und Ettinger benutzte auch der iranisch-amerikanischen Futurist F.M. Esfandiary (engl.) (der seinen Namen in FM-2030 änderte) den Begriff in seinen Schriften aus den 1970er Jahren in Bezug auf Personen, die sich neue Technologien, Lebensweisen und Weltbilder zu eigen machen, die einen Übergang zum Posthumanen erkennen lassen. In seinem Buch Are You Transhuman? (1989) schreibt FM-2030:

[Transhumane] sind die erste Manifestation einer neuen Art von evolutionären Wesen. Sie ähneln darin den ersten Hominiden, die vor vielen Millionen Jahren die Bäume verließen und begannen sich umzuschauen. Transhumane habe nicht notwendigerweise das Ziel, die Evolution höherer Lebensformen zu beschleunigen. Viele von ihnen sind sich ihrer Rolle als Übergangsform der Evolution gar nicht bewusst.

Die frühen Transhumanisten trafen sich formal in den frühen achtziger Jahren an der Universität von Kalifornien, Los Angeles, die zur zentrale Brutstätte für Transhumanisten wurde. Dort konferierte auch FM-2030 über die futuristischen Ideologie der Upwingers. John Spencer von der Gesellschaft für Weltraumtourismus organisierte viele transhumanistische Events zum Thema Weltraum. Natasha Vita-More (früher Nancie Clark) stellte “Breaking Away” bei EZTV-Media aus, ein Treffpunkt für Transhumanisten und andere Futuristen. FM, John und Natasha lernten sich kennen, und begannen bald, Treffen für Transhumanisten in Los Angeles zu organisieren.

Auf der anderen Halbkugel des Globus, in Australien, schrieb Damien Broderick, Zukunftsroman- Autor, das “Judas Mandala”. 1982 verfasste Natasha den Transhumanistische Künstelermanifest und produzierte später die Kabelfernseh-Show TransCentury UPdate zur Transhumanität. Diese spezailiserte Talkshow erreichte über 100.000 Zuschauer.

1986 wurde Eric Drexlers bekanntes Buch zur Nanotechnologie “Engines Of Creation” veröffentlicht.

Heute gehören das “Extropy Institute” und die “World Transhumanist Association” zu den größten transhumanistischen Organisationen.

Transhumanistische Strömungen

  • Anarcho-Transhumanismus. Eine politische Philosophie- Synthetise von Anarchie und -Transhumanismus.
  • Cosmism. Eine moralische Philosophie gegründet nach dem Glauben, daß künstlich intelligentes Leben und seine Besiedlung des Weltraumes möglich und wünschenswert ist und überlegte Tätigkeit befürwortet, um seine Entwicklung sicherzustellen.
  • Extropianismus. Eine Richung des Transhumanismus gekennzeichnet durch einen Satz Grundregeln zu Extropie. Eine politische Philosophie bestehend aus gemäßigtem Libertärismus und Transhumanismus.
  • Hedonistischer Imperativ. Eine moralische Philosophie gegründet nach dem Glauben an die Notwendigkeit der Technologienutzung, um das Leiden in allem bewussten Leben zu beseitigen.
  • Posthumanismus. Eine Philosophie, die danach strebt, die Grundregeln des Renaissance-Humanismus zu überschreiten, um den Vorstellungen des wissenschaftlichen Wissens im 21. Jahrhundert besser zu entsprechen.
  • Prometheismus. Eine religiöse Philosophie, eine Synthese aus Cosmotheismus und Transhumanismus.
  • Singularitarianismus. Eine moralische Philosophie, nach dem Glauben gegründet, daß eine technologische Singularität möglich ist, und überlegte Tätigkeit befürwortet, um diese in sicherer Form herbeizuführen.
  • Transhumanistischer Sozialismus. Eine politische Philosophie, eine Synthese aus Sozialismus und Transhumanismus.
  • Transtopianismus. Ein radikaler Techno-Utopianismus gepaart mit Transhumanismus. Diese Form des Transhumanismus wird aufgrund von neofaschistischen Tendenzen von den übrigen Strömungen klar ausgegrenzt

Kritik am Transhumanismus

Kritiken am Transhumanismus können in zwei Hauptkategorien geteilt werden: gezielte Einwendungen gegen die Wahrscheinlichkeit der transhumanistischen Ziele, und Kritik der ethischen und moralischen Grundregeln von Transhumanismus.

Praktische Kritik

Genetiker und Wissenschaftsautor Steve Jones argumentiert, daß die Menschlichkeit die Technologie nicht hat und nie haben wird, die die Befürworter des Transhumanismus suchen. Jones behauptet, daß Technologien wie Gentechnik nie so leistungsfähig sind, wie allgemein angenommen wird.

In seinem Buch “Futurehype: Die Tyrannei der Prophezeiung”, Universität von Toronto, betont Soziologe Max Dublin viele fehlgeschlagene Vorhersagen des vergangenen technologischen Fortschritts, und argumentiert, daß moderne futuristische Vorhersagen ähnlich ungenau ausfallen werden. Er wehrt sich auch gegen das, was er als Fanatismus und Nihilismus in der Befürwortung transhumanistischer Zwecke sieht, und schreibt, daß historische Ähnlichkeiten zu religiösen und marxistischen Ideologien bestehen.

Moralische Kritik

Kritiker argumentieren weiterhin, dass Transhumanisten einseitig auf technologische Entwicklung setzen, ohen die damit einhergehenden ethischen Aspekte hinreichend zu berücksichtigen.

Einer der bemerkenswerten Kritiker des Transhumanismus ist [[Bill Joy], Mitbegründer von Sun Microsystems, der in seinem Essay “Why the future doesn't need us” argumentierte, dass Menschen wahrscheinlich ihre eigene Auslöschung durch Transhumanistische Massnahmen garantieren. Dies führte einige zu dem Schluss, dass die Menschheit eine angeborene Inkompetenz besitzt, ihre eigene Evolution zu leiten.

In seinem Buch “Our Posthuman Future”, schreibt der konservative politische Wirtschaftsweise Francis Fukuyama, dass Transhumanismus die progressiven Ideale der liberalen Demokratie auf kritische Weise unterminieren könnte. Dies geschähe durch eine fundamentale Veränderung der menschlichen Natur und der menschlichen Gleichheit.

Weiterhin wird die Subjektivität einer vermeintlichen “Verbesserung” ausgesuchter Leistungsmerkmale kritisiert. Auch die Popularität eugenischer Methoden im Rahmen der Rassenhygiene im Ideologien im 20.Jahrhundert und die daraus resultierende Sterilisierung bzw. Ermordung "minderwertigen" Lebens wird als Beispiel genannt, wozu Ideologien wie der Transhumanismus führen könnten.

Fiktionale Beschreibungen von Transhumanismus

Science Fiction hat Transhumanismus schon seit vielen Jahren in verschiedensten Formen dargestellt.

Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema findet man bei Greg Egan. In „Distress“ beschäftigt er sich unter anderem mit dem Konzept der morphologische Freiheit, dem (künstlichem) Anpassen des Körpers an sein eigens Selbstbild. In „Permutation City“ und „Diaspora“ beschäftigt er sich mit dem Uploaden, mit der Entwicklung komplexer Gesellschaftssysteme basierend auf simulierten Individuen.

Die Saga “Ousters of the Hyperion” von Dan Simmons ist ein Beispiel für eine transhumane Menschheit, bis hin zum Posthumanen. Anstatt “sich an Felsen zu klammern” wie der Rest der Menschheit (die sie als Barbaren hassten und fürchteten), zogen sie in Richtung Weltraum, passten sich an die Umgebung mittels Nanotechnologie an, und traten in eine symbiotische Beziehung zu ihrer Technologie. Simmon's späteres Buch “Ilium” zeigt eine andere Situation in der fernen Zukunft, wo Posthumane von ihrer eigenen Technologie scheinbar absorbiert wurden, während eine kleine Bevölkerungsgruppe von weniger veränderten Menschen weiterhin auf der Erde lebt und dabei komplett von einer Technologie abhängig ist, die sie nicht länger verstehen.

“Down and Out in the Magic Kingdom”, ein freier Roman von Cory Doctorow, erforscht eine Reihe transhumanistischer Themen, inklusive “Heilung” von Tod und Rohstoffmangel. Ein weiterer freier Roman, “Manna” von Marshall Brain, zeigt ebenfalls eine transhumanistische Zukunft auf.

Ein Rollenspiel namens “Transhuman Space” von David L. Pulver, illustriert von Christopher Shy, publiziert von Steve Jackson Games, ist Teil der Reihe “Powered by GURPS”

Die “Culture Series” von Iain Banks zeigt eine Zukunft, in der unsere Galaxie von einer Zivilisation namens “Culture” dominiert wird, einer perfekten demokratischen Gesellschaft, in der jedes Mitglied seinen eigenen Körper und seine Genetik durch Technologie verändern kann.

Elemente des Transhumanismus sind in den Romanen von Greg Bear zu finden. Beispiele beinhalten “Eon” (1985), und sein Nachfolgeroman Eternity (1988), in dem eine zukünftige menschliche Gesellschaft aus Versehen in ihre eigene Vergangenheit (unsere Gegenwart) zurückkehrt. Es wird extensiver Gebrauch von Computertheorie bezüglich Downloading/Uploading der menschlichen Persönlichkeit und Erinnerungen gemacht, wie auch Gentechnik und Klonen, um das Leben zu verbessern und Unsterblichkeit zu sichern. In seiner Kurzgeschichte “Hardfought” (1993) entwirft er ein Szenario, in dem die menschliche Gesellschaft und Biologie strikt manipuliert und kontrolliert sind, um maximale Effizienz im Kampf gegen die ursprünglichen Bewohner zu gewährleisten. Architektur, KI, und künstliche Implantate und Körper werden in “Strength of Stones” (1982) beschrieben, wo ein brillanter Architekt versucht, und daran scheitert, religiöse Utopias in einer fernen Welt zu erschaffen.

Im Videospiel Half-Life 2 sind die primären Feinde des Spielers Transhumane, die von einer außerirdischen Rasse namens “Combine” geschaffen wurden. Der menschliche Feind und Strohmann-Herrscher der Erde, Dr. Breen, nennt den transhumanistischen Zustand nötig und nur durch Hilfe von Außerirdischen erreichbar.

Literatur

in Bearbeitung -->

Diskussion

[1] Text und Diskussionsmöglichkeit über ein 'sozialdemokratisches Transhumanismus-Modell']