Mathematische Struktur

Menge mit bestimmten Eigenschaften
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Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Hierarchie mathematischer Strukturen. Unter einer mathematischen Struktur wird hier eine Menge verstanden, die mit bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist. Algebraische Strukturen sind mit einer oder mehreren Verknüpfungen ausgestattet. Topologische Räume erhalten ihre Struktur durch die Auszeichnung bestimmter Teilmengen als offen. Viele wichtige Mengen, zum Beispiel die Zahlkörper besitzen sowohl algebraische als auch topologische Struktur.

Algebraische Strukturen

Strukturen mit einer inneren Verknüpfung: Gruppen u.ä.

Die fundamentalen algebraischen Strukturen besitzen ein oder zwei zweistellige innere Verknüpfungen. Die Taxonomie dieser Strukturen richtet sich danach, welche der folgenden Gruppenaxiome in der Menge M bezüglich der Verknüpfung ◊ gelten:

<E>: Existenz und Eindeutigkeit: Für alle a, b aus M gilt: ab ist definiert und ist Element von M.
<A>: Assoziativgesetz: Für a, b, c aus M gilt: (ab)◊c = a◊(bc).
<N>: Existenz eines neutralen Elements: M enthält ein e, mit dem für alle a aus M gilt: ae = ea = a.
: Existenz des inversen Elements: Zu jedem a aus M gibt es ein a-1 aus M, mit dem gilt: aa-1 = a-1a = e.
<K>: Kommutativgesetz: Für a, b aus M gilt: ab = ba.

Die folgenden Strukturen mit einer zweistelligen inneren Verknüpfung verallgemeinern oder spezialisieren den fundamentalen Begriff der Gruppe:

  • Magma: von Bourbaki eingeführter, eher ungebräuchlicher Oberbegriff für eine Menge mit zweistelliger innerer Verknüpfung allein mit dem Axiom <E>.
  • Gruppe: Axiome <EANI>: Ein Monoid, in dem es zu jedem Element ein Inverses gibt. Gruppen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts zur Beschreibung von Symmetrien eingeführt und haben sich als fundamental für den gesamten Aufbau der Algebra erwiesen. Beispiele: (Z,+), (Q,·), die Punktgruppen zur Beschreibung von Molekülsymmetrien, die symmetrischen Gruppen zur Beschreibung von Permutationen, die Lie-Gruppen zur Beschreibung kontinuierlicher Symmetrien.
  • Abelsche Gruppe: Axiome <EANIK>: Eine Gruppe mit kommutativer Verknüpfung.

Strukturen mit zwei inneren Verknüpfungen: Ringe, Körper u.ä.

Die folgenden Strukturen haben zwei innere Verknüpfungen, die gewöhnlich als Addition und Multiplikation geschrieben werden; diese Strukturen sind von den Zahlbereichen (wie Z, Q, R) abstrahiert, mit denen man gewöhnlich rechnet. Die Verträglichkeit der additiven und der multiplikativen Verknüpfung wird durch folgende Axiome sichergestellt:

  • I*: Existenz des inversen Elements bezüglich der multiplikativen Verknüpfung, mit Ausnahme des neutralen Elements der additiven Verknüpfung. Formal: Zu jedem a aus M\{0} gibt es ein a-1 aus M, mit dem gilt: a·a-1 = a-1·a = e.
  • DL: Links-Distributivgesetz: Für a, b, c aus M gilt: a·(b+c)=a·b + a·c.
  • DR: Rechts-Distributivgesetz: Für a, b, c aus M gilt: (a+bc=a·b + b·c.
  • D: Distributivgesetz: es gilt DL und DR.
  • T: Nullteilerfreiheit: Wenn 0 das neutrale Element der additiven Verknüpfung bezeichnet, dann folgt für alle a, b aus M aus a·b=0, dass a=0 oder b=0.
  • U: Die neutralen Elemente bezüglich der Addition und der Multiplikation, 0 und 1, sind nicht gleich.

Die jeweils gültigen Axiome sind im folgenden in der Reihenfolge (additive Axiome|multiplikative Axiome|Verträglichkeitsaxiome) gekennzeichnet.

  • Ring: Axiome (EANIK|EA|D): Eine additive abelsche Gruppe, eine multiplikative Halbgruppe.
  • Kommutativer Ring: Axiome (EANIK|EAK|D): Ring mit kommutativer Multiplikation.
  • Ring mit 1 oder unitärer Ring: Axiome (EANIK|EAN|D):Ring mit neutralem Element der Multiplikation.
  • Integritätsbereich: Axiome (EANIK|EANK|DTU): Kommutativer, unitärer, nullteilerfreier Ring mit 1≠0.
  • Schiefkörper: Axiome (EANIK|EANI*|DTU): Unitärer, nullteilerfreier Ring mit 1≠0 und mit multiplikativem Inversen, außer für das Element 0.
  • Körper: Axiome (EANIK|EANI*K|DTU): Kommutativer Schiefkörper, Integritätsbereich mit multiplikativem Inversen, außer für das Element 0. Beispiele: die Zahlbereiche Q, R und C.

Wichtige Teilmengen, die aber nicht abgeschlossen bezüglich der Gruppenverknüpfungen sind:

Strukturen mit zwei inneren Verknüpfungen: Verbände u.ä.

Mengen von Mengen besitzen zwei innere Verknüpfungen, die als Vereinigung und Durchschnitt geschrieben werden und ganz anderen Verträglichkeitsaxiomen genügen als Addition und Multiplikation:

  • Abs: Absorptionsgesetze: u   ( u   v ) = u und u   ( u   v ) = u.

Damit lässt sich folgende Struktur erklären:

  • Verband: Axiome (EAK (bezüglich  )|EAK (bezüglich  )|Abs).

Die Verknüpfungen der Booleschen Algebra schreibt man gewöhnlich als Disjunktion ∨ und Konjunktion ∧. 0 und 1 sind neutrale Elemente im Sinne des Gruppenaxioms N: a∨0=a, a∧1=1. Das folgende Axiom

  • Kompl: Existenz der Komplemente: x ∧ ¬x = 0, x ∨ ¬x = 1

hat dagegen nichts mit dem Inversen aus dem Axiom I zu tun, denn auf der rechten Seite steht das neutrale Element der jeweils anderen Verknüpfung.

Strukturen mit innerer und äußerer Verknüpfung: Vektorräume u.ä.

Diese Strukturen bestehen aus einem additiv geschriebenen Magma (zumeist einer abelschen Gruppe) V und einem Zahlbereich (einer Struktur mit zwei inneren Verknüpfungen, zumeist einem Körper) K sowie einer Verknüpfung aus diesen beiden Mengen nach V, die als Linksmultiplikation *:K×VV oder als Rechtsmultiplikation *:V×KV geschrieben und (von V aus gesehen) als äußere Verknüpfung aufgefasst wird. Die Elemente von K heißen auch "Skalare", die äußere Verknüpfung dementsprechend auch "Skalarmultiplikation". Sie genügt den folgenden Verträglichkeitsaxiomen (in Notation für Linksmultiplikation):

  • A`: Assoziativgesetz: für a, b aus K und v aus V: ( a . b ) * v = a * ( b * v ).
  • D`: Distributivgesetze: für a, b aus K und v, w aus V: a * ( v + w ) = a * v + a * w und ( a + b ) * v = a * v + b * v.

Damit erhalten wir folgende Strukturen in der Notation (V | K | Verträglichkeitsaxiome):

  • Linksmodul: (Abelsche Gruppe | Ring | A`D`).
  • Rechtsmodul: (Abelsche Gruppe | Ring | A``D``) wie oben, aber mit Skalarmultiplikation von rechts statt von links.
  • Modul: (Abelsche Gruppe | kommutativer Ring | A`D` ) mit austauschbarer Links- oder Rechtsmultiplikation.
  • Vektorraum: (Abelsche Gruppe | Körper | A`D`) mit austauschbarer Links- oder Rechtsmultiplikation.

Zusätzliche Struktur auf Vektorräumen

Topologische Struktur

Dies sind die Mengen, mit denen man gewöhnlich rechnet. Grundlage ist die Menge der natürlichen Zahlen. Als algebraische Verknüpfung dienen Addition und Multiplikation. Indem man fordert, dass auch die Umkehroperationen Subtraktion und Division stets möglich sein sollen, erweitert man die Menge der natürlichen Zahlen zur Menge der ganzen Zahlen und zur Menge aller Brüche. Die reellen Zahlen werden als Grenzwerte von Zahlenfolgen eingeführt; sie ermöglichen das Wurzelziehen aus beliebigen positiven Zahlen. Die Wurzeln aus negativen Zahlen führen auf die komplexen Zahlen.

  • Die Menge der natürlichen Zahlen N dient dem Abzählen und steht ganz am Anfang des axiomatischen Aufbaus der Mathematik. Wir verstehen im folgenden die 0 als in N enthalten; die entgegengesetzte Konvention ist aber auch üblich. (N,+) und (N,·) sind Monoide mit den neutralen Elementen 0 bzw. 1. Addition und Multiplikation sind, wie auch bei allen anderen Zahlbereichen, distributiv.
  • Die Menge der nichtnegativen Brüche Q+ entsteht aus N, indem man Bruchzahlen als Inverse bezüglich der Multiplikation konstruiert. (Q+\{0},·) ist daher eine Gruppe; (Q+,+) ist eine Monoid.
  • Die Menge der Brüche oder rationalen Zahlen Q entsteht aus Q+ durch Hinzunahme der Inversen bezüglich der Addition oder aus Z durch Hinzunahme der Inversen bezüglich der Multiplikation. (Q,+) und (Q\{0},·) sind abelsche Gruppen. Addition und Multiplikation sind distributiv; Q ist ein Körper.
  • Die Menge der komplexen Zahlen C besteht aus Paaren reeller Zahlen (a,b), die in der Schreibweise a+bi mit i2=-1 den üblichen Rechengesetzen genügen. In C ist jede algebraische Gleichung auflösbar. C ist ein Körper.
  • Quaternionen, Cayley-Zahlen und darüber hinaus erweiterte Zahlbereiche besitzen sind nicht mehr kommutativ bezüglich der Multiplikation.

Wichtig sind ferner einige eingeschränkte Zahlbereiche:

  • Der Restklassenring Zm, kann als Einschränkung der natürlichen Zahlen auf die Menge {0,1,...,m-1} aufgefasst werden. Alle Rechenoperationen werden modulo m ausgeführt. Zm ist ein Ring; wenn m eine Primzahl ist, sogar ein Körper. In maschinennahen Programmiersprachen werden vorzeichenlose ganze Zahlen als Restklassenringe z.B. mit m=216 oder 232 dargestellt.