Romanisch (rät.rumantsch/romontsch/rumauntsch), auch Rätoromanisch genannt, gehört zur Gruppe der Romanischen Sprachen. Die von einigen Sprachwissenschaftern gelegentlich für Romanisch oder Rätoromanisch verwendete Bezeichnung Bündnerromanisch schafft mehr Probleme, als sie zu lösen vermag (z.B. mangelnde Unterscheidbarkeit von der künstlich geschaffenen Schriftsprache Rumantsch Grischun) und vermochte sich nicht durchzusetzen.
Bündnerromanisch | ||
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Gesprochen in |
Schweiz | |
Sprecher | 35000 (als Hauptsprache) | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Schweiz | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
rm | |
ISO 639-2 | (B) roh | (T) |
Verbreitung des Romanischen
Romanisch wird heute noch in einzelnen Gebieten des schweizerischen Kantons Graubünden gesprochen. Bei der Schweizer Volkszählung von 1990 gaben noch 66.356 Menschen an, Romanisch regelmäßig zu sprechen, davon 39.632 als Hauptsprache. Im Jahre 2000 gaben nur noch 35.100 Romanisch als Hauptsprache an.
Wegen der früheren Abgeschiedenheit vieler Orte und Täler des Kantons Graubünden haben sich verschiedene Idiome des Romanischen entwickelt, die sich in fünf Gruppen unterteilen lassen:
- Surselvisch (Sursilvan) (verbreitet im Vorderrheintal bis Domat/Ems und Rhäzüns (Razén) bei Chur sowie dessen Seitental Lugnez (Val Lumnezia))
- Sutselvisch (Sutsilvan) (in Gebieten des Hinterrheins, nämlich in den Berggemeinden des Domleschg und im Schams (Schons), letzte Reste am Heinzenberg und im Val Ferrera)
- Surmeirisch (Surmiran) (verbreitet im Albulatal zwischen Alvaschein und Alvaneu (zum Beispiel Tiefencastel, Lenzerheide) sowie im Oberhalbstein)
- Oberengadinisch (Puter) (im Oberengadin - und in Bergün, das geografisch nicht zum Engadin gehört)
- Unterengadinisch (Vallader) (verbreitet im Unterengadin und im Münstertal (Val Müstair))
Die Aufreihung entspricht der Verbreitung von West nach Ost.
Puter und Vallader werden von den Romanen auch als Rumantsch Ladin zusammengefasst und besungen ("chara lingua da la mamma, tü sonor rumantsch ladin...").
Jedes dieser fünf Idiome hat eine eigene Schriftsprache entwickelt, die allerdings selbst einen Kompromiss zwischen den jeweils verschiedenen Ortsdialekten darstellt.
Romanisch als Ganzes ist seit 1938 die vierte Nationalsprache der Schweiz, zunächst allerdings ohne Charakter einer Amtssprache. Durch die neue Bundesverfassung von 1999 erhielt die Sprache den Rang einer Landessprache. Dabei ist jede der fünf Schriftsprachen gleichberechtigt. Mehrere Versuche, eine einheitliche Schriftsprache für alle Bündnerromanen zu schaffen, schlugen lange Zeit fehl, weil der Grossteil der Romanen darin eine Gefahr für die Eigenständigkeit ihrer Idiome erblickt.
== Rumantsch Grischun == (Bündner Romanisch)
Der letzte Versuch, eine Art Hochsprache für alle Bündnerromanen zu schaffen, wurde durch die Lia Rumantscha, welche die Erhaltung des Romanischen zum Ziel hat, in den 1970er Jahren in Angriff genommen. Das Ergebnis trägt den Namen Rumantsch Grischun, auf Deutsch: Bündner Romanisch. Näheres zu dieser Kunst-Schriftsprache siehe unter Rumantsch Grischun.
Seit 1982 ist Rumantsch Grischun die offizielle Amtssprache für den Schriftverkehr mit der romanischsprachigen Bevölkerung.
Allerdings wurde Rumantsch Grischun nicht nur freundlich aufgenommen. Viele Bündner, nicht nur Romanen, befürchten, dass eine Kunstsprache zum Totengräber des Romanischen werden könnte. Andere sind optimistischer und verweisen auf das Beispiel der Deutschen Schriftsprache welcher es auch nicht gelungen ist, die vielfältigen Deutschschweizer Dialekte wesentlich zu beeinflussen.
Im August 2003 beschloss das Bündner Kantonsparlament, dass sämtliche Lehrmittel für die romanischsprachigen Primarschulen (Volksschulen), die bislang in den fünf traditionellen Idiomen herausgegeben worden waren, nach und nach nur noch in Rumantsch Grischun erscheinen sollen. Zudem wird ab jetzt im Münstertal Rumantsch Grischun als offizielle Schulsprache eingeführt - bis dato war Vallader die alltägliche Schriftsprache.
In den letzten 10 Jahren hat das Rätoromanische eine leichte Aufwertung erhalten. Ein Meilenstein ist auch die Herausgabe des Microsoft Office in der rätoromanischen Sprache ab Herbst 2005.
Geschichte des Romanischen
Ursprünglich war das heutige Verbreitungsgebiet des Romanischen von Kelten und, vermutlich nur ganz im Osten Graubündens, von Rätern besiedelt. Was die Zuordnung der Räter und ihrer Sprache angeht, ist man sich unsicher. Man geht aber davon aus, dass die rätische Sprache nicht indoeuropäisch war. Gesichertere Aussagen lassen sich wegen der bruchstückhaften Überlieferung des Rätischen nicht machen. Eine nähere Verwandtschaft mit dem Etruskischen ist möglich, aber auch angezweifelt.
Diese Völker wurden während des Alpenfeldzuges von 15 v. Chr. von den Römern unterworfen, welche die Lateinische Sprache (hauptsächlich in Form des von der einfachen Bevölkerung und vom Militär gesprochenen Populärlatein) in die unterworfenen Gebiete brachten.
Wie schnell dann die Romanisierung erfolgte, ist unsicher. Auf alle Fälle muss der Prozess, wie auch in anderen abgelegenen Gebieten, Jahrhunderte gedauert haben. Am Ende des Altertums waren nach den jedoch nicht abschliessenden Erkenntnissen der Sprachforschung die ursprünglichen vorrömischen Sprachen scheinbar praktisch ausgestorben und es blieben nur wenige Lehnwörter im Provinzlatein erhalten. Diese beziehen sich vor allem auf für die Alpen typische Bezeichnungen aus den Gebieten von Flora und Fauna sowie Geländebezeichnungen (z. B. crap "Stein").
Ab dem 8./9. Jahrhundert geriet die Region unter germanischsprachigen Einfluss. Im weiteren Verlauf wurde zunehmend Deutsch zur Amtssprache, Romanisch wurde zu jener Zeit verächtlich als "Bauernsprache" angesehen. Die gelegentlich gehörte Bezeichnung Geröllhaldenlatein ist neueren Datums (mitte 20. Jahrhundert) und nicht verächtlich sondern freundschaftlich/neckisch gemeint.
Die ersten bekannten romanischsprachigen Dokumente waren Übersetzungen lateinischer Predigten. Erst in der Zeit der Reformation entstanden eigentliche Schriftsprachen in den verschiedenen Idiomen.
Der Hauptgrund dafür, dass sich keine einheitliche Schriftsprache für alle Idiome entwickelte und dass das Romanische gegenüber der deutschen Sprache zunehmend an Boden verlor, war das Fehlen eines romanischen geistig-politischen Zentrums. Die Stadt Chur, welche als einzige für eine solche Funktion in Frage gekommen wäre, geriet als Bischofsitz schon früh unter deutschen Einfluss und war ab dem 15. Jahrhundert nur noch deutschsprachig. Erst in jüngster Zeit, d.h. ab Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich, infolge der Auswanderung von Romanen in die Kapitale, hier wieder zunehmend so etwas wie ein Zentrum für die Romanische Sprache und Kultur bilden können, von dem wichtige Impulse in die romanischen Stammlande ausgehen. Diese Entwicklung geht einher mit der zunehmenden Ausprägung eines romanischen Sprachbewussteins, das vor dem 19. Jahrhundert noch weitgehend fehlte.
Der Name Rätoromanisch hat sich erst ca. Mitte des 19. Jahrhunderts eingebürgert. Er geht auf den Namen der römischen Provinz Raetia zurück, die jedoch ein weit grösseres Gebiet umfasste, als den Lebensraum der unterworfenen Räter, welche, gemäss heutigem Forschungsstand, nur ganz im Osten des heutigen Graubündens, nämlich im Unterengadin und im Münstertal, lebten. Die Verbindung des Romanischen mit dem Rätischen dürfte also weitgehend ein Mythos sein. Jedoch ist anzunehmen, dass sich Sprache und Kultur der von den Römern unterworfenen Alpenbewohner, wer immer diese gewesen sein mochten, in irgendeiner, mit den Methoden der Sprachwissenschaft noch nicht erfassbaren, Form im Romanischen erhalten haben. So wenig wie 1500 Jahre Germanisierung das Romanische vollständig zum Verschwinden bringen konnten, so wenig waren gut 600 Jahre (im heutigen Graubünden keineswegs umfassender) römischer Unterwerfung in der Lage, Sprache und Kultur der vorrömischen, vermutlich keltischen, Bevölkerung, vollständig auszulöschen. Das Echo der vorrömischen Sprache und Kultur klingt noch heute im Romanischen weiter und bildet die Grundlage für das Selbstverständnis der Romanen.
Dass die Sprache früher auf einem beträchtlich grösseren Gebiet gesprochen wurde, merkt man an den rätoromanischen Ortsnamen sowie vielen Lehnwörtern in den heute deutschsprachigen Gegenden in den Schweizer Kantonen Glarus und St. Gallen. Sie zeigen, dass noch bis ins Hochmittelalter und z. T. länger die Sprachgrenze im Westen im Gaster bzw. am Walensee (dem "Welschensee") und im Rheintal am Hirschensprung lag; in Österreich waren grosse Teile Vorarlbergs und das westliche Tirol romanisch. Ganz spät (nach dem 11. Jahrhundert) eingedeutscht wurden Gegenden, deren Ortsnamen nicht auf der ersten Silbe betont werden, z. B. Ragaz (heute: Bad Ragaz), Sargans, Vaduz (dieses zu latein. aquaeductus "Wasserleitung"), das Montafon, Tschagguns, Galtür.
Zur Sprache
Romanisch kennt - wie fast alle romanischen Sprachen (das Rumänische hat ein Neutrum) - nur zwei Geschlechter: männlich und weiblich. Die romanischen Kinder, die in der Schule Deutsch lernen, merken sich die "Unzahl" der deutschen Artikel in der Regel mit dem nicht ganz korrekten, aber eingängigen Satz "das die der Teufel hol".
Romanisch hört sich im ersten Moment vielleicht wie Italienisch oder wie ein italienischer Dialekt an. Bei genauerem Hinhören bzw. hinsehen fallen jedoch bereits Endungen wie "-ziun" oder Buchstabendkombinationen wie "tg" oder "aun"/"eaun" auf, die, wie z.B. auch die Pluralbildung mit -s oder -ls untypisch fürs Italienische sind.
Eine Besonderheit in der Aussprache aber auch in der Schreibweise stellen zwei Zischlaute dar, die es sonst weder im romanischen noch im germanischen Sprachraum gibt, dafür aber im Ungarischen und auch in den slawischen Sprachen anzutreffen sind. Der eine entspricht im Deutschen einer Kombination aus "d" und einem Wert zwischen "j" und Ich-Laut. Er entspricht in der Schriftsprache jenem "g" im Italienischen, was vor "e" oder "i" steht, also wie in "Genova" oder "Gennaio". Was man im Italienischen also als weiches "dsch" artikuliert, ist im Bündnerromanischen dann ein "dch" oder "dj".
Der zweite Laut ist die entsprechende stimmlose Variante, also ein "t" gefolgt von einem Laut zwischen "j" und dem Ich-Laut. Bei diesem nun existieren zwei Schreibweisen. Für die Schriftsprachen Surselvisch, Sutselvisch und Surmeirisch ist es ein "tg" - wohl die auffälligste Buchstabenkombination des Rätoromanischen. Im Oberengadinischen und Unterengadinischen dagegen hat sich das "ch" für diesen Laut eingebürgert. Da aber einerseits der Zischlaut, der unserem deutschen "sch" entspricht, auch durch "sch" dargestellt wird, andererseits aber auch die Kombination aus "s" und "ch" sehr häufig auftritt, wird in Ober- und Unterengadinisch zur Unterscheidung beider Laute in der Schrift mitten im Wort ein Bindestrich gesetzt, was sehr gewöhnungsbedürftig aussieht. Ortsnamen wie "S-chanf" oder "Cinuos-chel" sind also ein Wort und als "Schtjanf" bzw. "Zinuoschtchel" zu artikulieren.
Im Rumantsch Grischun musste hier nun ein Kompromiss geschaffen werden: am Wortanfang findet man für diesen Laut in der Regel ein "ch", innerhalb des Wortes und am Wortende dagegen ein "tg". Bei Ortsnamen allerdings findet aus Rücksicht auf die Historie keine Anpassung der Schreibung statt.
Sprachbeispiele
Surselvisch (Sursilvan)
L'uolp era puspei inagada fomentada. Cheu ha ella viu sin in pegn in tgaper che teneva in toc caschiel en siu bec. Quei gustass a mi, ha ella tertgau, ed ha clamau al tgaper: "Tgei bi che ti eis! Sche tiu cant ei aschi bials sco tia cumparsa, lu eis ti il pli bi utschi da tuts".
Sutselvisch (Sutsilvan)
La vualp eara puspe egn'eada fumantada. Qua à ella vieu sen egn pegn egn corv ca taneva egn toc caschiel ainten sieus pecel. Quegl gustass a mei, à ella tartgieu, ed ha clamo agli corv: "Tge beal ca tei es! Scha tieus tgànt e aschi beal sco tia pareta, alura es tei igl ple beal utschi da tuts".
Surmeirisch (Surmiran)
La golp era puspe eneda famantada. Cò ò ella via sen en pegn en corv tgi tigniva en toc caschiel an sies pecal. Chegl am gustess, ò ella panso, ed ò clamo agl corv: "Tge bel tgi te ist! Schi ties cant è schi bel scu tia parentscha, alloura ist te igl pli bel utschel da tots".
Oberengadinisch (Puter)
La vuolp d'eira darcho üna vouta famanteda. Cò ho'la vis sün ün pin ün corv chi tgnaiva ün töch chaschöl in sieu pical. Que am gustess, ho'la penso, ed ho clamo al corv: "Che bel cha tü est! Scha tieu chaunt es uschè bel scu tia apparentscha, alura est tü il pü bel utschè da tuots".
Unterengadinisch (Vallader)
La vuolp d'eira darcheu üna jada fomantada. Qua ha'la vis sün ün pin ün corv chi tgnaiva ün toc chaschöl in seis pical. Quai am gustess, ha'la pensà, ed ha clomà al corv: "Che bel cha tü est! Scha teis chant es uschè bel sco tia apparentscha, lura est tü il plü bel utschè da tuots".
Rumantsch Grischun
La vulp era puspè ina giada fomentada. Qua ha ella vis sin in pign in corv che tegneva in toc chaschiel en ses pichel. Quai ma gustass, ha ella pensà, ed ha clamà al corv: "Tge bel che ti es! Sche tes chant è uschè bel sco tia parita, lura es ti il pli bel utschè da tuts"..
Enge Verwandtschaft des Romanischen mit dem Ladinischen?
Nach Meinung einzelner Forscher besteht eine enge Verwandtschaft zwischen dem Romanischen und dem Ladinischen sowie dem Friaulischen. Diese drei Sprachen werden denn auch gelegentlich als Rätoromanisch (im weiteren Sinne) zusammengefasst. Diese Untergruppe innerhalb der Romanischen Sprachen, die in engem Zusammenhang mit der sogenannten Questione Ladina steht, war und ist jedoch sehr umstritten. Eine enge Verwandtschaft der drei Sprachen konnte die bisherige Sprachforschung nicht erhärten.
Weblinks
- http://www.mypledari.ch/ Übersetzungsdatenbank vom englischen ins romanische
- http://www.ekud.gr.ch/rumantsch-grischun/pdf/office-rumantsch-de.pdf Pressemitteilung MS Office auf Rätoromanisch