Agenda 2010

ehemalige Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes
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Die Agenda 2010 ist ein mehrgliedriges Konzept der Bundesregierung, mit dem sie das deutsche Sozialsystem und den Arbeitsmarkt reformieren will. Um mehr Wachstum und damit mehr Beschäftigung zu bewirken, ist in der Agenda 2010 ein ganzes Bündel an dringend notwendigen Veränderungen sowohl im Sozialstaat als auch in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik vorgesehen.

Ziele

Das Hauptziel der Agenda 2010 ist, wieder mehr Beschäftigung für Arbeitslose zu schaffen. Da der Staat in einer Marktwirtschaft diese nicht per Anweisung schaffen kann, müssen indirekte, aber dennoch gezielte Einzelmaßnahmen ergriffen werden. Als Zwischenziel muss daher der Arbeitsmarkt transparenter und dynamischer werden (siehe Hartz-Konzept).

Um Unternehmer wieder zu Neueinstellungen zu motivieren, müssen die Kosten für die Arbeit runter. Dies bedeutet Einkommensteuersenkungen für die Beschäftigten und Senkung der Sozialversicherungsbeiträge auf ein niedrigeres Niveau.

Da durch den Generationenvertrag die Sozialversicherungsbeiträge (derzeit liegen diese bei ca. 45% des Bruttolohns) vorwiegend von der jungen für die ältere Generation finanziert wird, ist darauf zu achten, dass die junge Generation in ihrer Zahlungspflicht für die Alten nicht überfordert wird. Daher müssen beide Generationen gleichmäßig verteilt Nachteile in Kauf nehmen.


Maßnahmen

Die bisher erreichten und durchgeführten Maßnahmen der Regierung sind im einzelnen:

  1. Bereicht Wirtschaft: Förderung des Mittelstands durch Änderung der Handwerksordnung (Betriebsgründung auch ohne Meisterbrief), Reform des Kündigungsschutzes und Senkung der Lohnnebenkosten bei Beschäftigung.
  2. Bereich Ausbildung: Besondere Ausbildungsangebote für Jugendliche, Berufsausbildung auch durch fachlich geeignete, erfahrene Gesellen in den Betrieben.
  3. Bereich Steuern: Steuersenkungen des Eingangssteuersatzes von 26% auf nun 16%, des Spitzensteuersatzes von 53% auf 45%, zugleich Erhöhung des steuerfreien Jahreseinkommens auf 7.663 €. Damit werden die Steuerzahler erheblich entlastet.
  4. Bereich Bildung: Erhöhung der Bildungsausgaben innerhalb von fünf Jahren um 25%, Bafög-Reform um mehr studienbereiten jungen Menschen eine Hochschulausbildung zu ermöglichen. Ebenso Investition von 4 Mrd. € zur Förderung von Ganztagsschulen, um Schüler länger und intensiver zu betreuuen und auszubilden.
  5. Bereich Arbeitsmarkt: Einführung neuer Förderinstrumente für mehr Beschäftigung wie Ich-AG, Zuschüsse für Existenzgründer, Personal-Service-Agenturen, neue Beschäftigungsarten wie Minijob und Midijob.
  6. Bereich Gesundheit: Ergreifen von dringend notwendigen Maßnahmen, um das weitere Ansteigen der Sozialversicherungsbeiträge von derzeit ca. 45% des Bruttolohns auf 50% zu verhindern. Ergreifung von Maßnahmen, um die Effizienz im deutschen Gesundheitssystem zu erhöhen und damit die Gesamtkosten zu reduzieren. Gleichzeitig Erhöhung der Kostentransparenz für die Versicherten durch Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte ab dem Jahr 2006.
  7. Bereich Rente: Ergreifen von dringend notwendigen Maßnahmen, um das weitere Ansteigen der Rentenversicherungsbeiträge für die derzeitigen Beitragszahler konstant auf 19,5% des Bruttolohns zu halten. Ergänzung der Rentenformel um den Nachhaltigkeitsfaktor um einen weiteren Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge zu dämpfen. Reduzierung der versicherungsfremden Leistungen.
  8. Bereich Familie: Erhöhung des Kindergelds auf 154 €. Verstärkte Investitionen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, Ausbau von Ganztagsschulen, Einführung von Steuervergünstigungen für die Kinderbetreuung und für die Einstellung von Haushaltshilfen im Privathaushalt.

Bewertung der Agenda 2010

Allein diese Maßnahmen können jedoch nur kurzfristig zur Lösung der Rentenproblematik und den steigenden Kosten der Krankenversicherung beitragen. Es müssen mehr Menschen Arbeit finden, um die Zahl der Beitragszahler für die Sozialversicherung zu erhöhen. Für mehr Beschäftigung müssen jedoch die Kosten für die Arbeitskraft sinken. Daher müssen weiter die Steuern und die Lohnnebenkosten reduziert werden. Nur so lässt sich die soziale Absicherung für die Gesellschaft langfristig erhalten. Langfristig werden daher auch die Maßnahmen der Agenda 2010 nicht für die Zukunft ausreichen.

Kritiker der Agenda 2010, allen voran die Gewerkschaften, werfen dem Konzept zu starke Einschnitte in den Sozialstaat vor: Die Arbeitslosenhilfe soll sich nicht mehr am letzten Einkommen orientieren, sondern am staatlich festgelegten Existenzminimum (Langzeitarbeitslose werden also Sozialhilfeempfängern gleichgestellt). Nachvollziehbar sind diese Kritikpunkte anhand der Agenda 2010 nur schwerlich. Gemäß der Agenda 2010 wird das Arbeitslosengeld unverändert wie bisher ausgezahlt. Die Sozialhilfe wird nur als Arbeitslosengeld II umbenannt. Dabei werden jedoch nicht die Leistungen, also die Höhe der Auszahlungen gekürzt, sondern es wird die Verwaltung der Sozialhilfe an das Arbeitsamt übertragen. Daher kommt es nicht zu einer Leistungskürzung, sondern nur zu einer sinnvollen Kompetenzbündelung auf das Arbeitsamt, um auch Sozialhilfeempfänger wieder in Beschäftigung zu führen (siehe dazu auch Hartz-Konzept). Die Polemik der Gewerkschaften geht daher an den Aussagen der Agenda 2010 vorbei.

Volkswirtschaftlich argumentieren die Gewerkschaften damit, dass die Reformpläne die Nachfrage schwächen, da Empfänger von Sozialleistungen als Opfer der Kürzungsmaßnahmen eine Personengruppe mit höherer Konsumquote seien als die Profitträger der Agenda (Steuerzahler und Beschäftigte). Die ideologische Grundlage für die Konzepte und Analysen der Gewerkschaften ist zumeist der Keynesianismus. Allerdings stellte sich hierbei die Frage was sinnvoller ist. Soll (so die Forderung der Gewerkschaften) durch eine Erhöhung der Sozialhilfe der Aufschwung erreicht werden oder sollen Sozialhilfeempfänger (so ist es in der Agenda 2010 vorgesehen) wieder dem Arbeitsmarkt zugeführt und damit in Beschäftigung gebracht werden.

Ein Leitantrag zur Agenda 2010 wurde auch auf dem Sonderparteitag der Grünen am 14./15. Juni 2003 mit ca. 90-prozentiger Mehrheit [1] angenommen, nachdem die SPD auf ihrem Sonderparteitag am 1. Juni mit deutlich über 80 Prozent für den Leitantrag des SPD-Bundesvorstandes gestimmt hatte.

Situation in Österreich

In Österreich wurde per Volksbegehren eine Änderung des österreichischen Verfassung durchgesetzt, in dem Artikel 1 um einen Absatz erweitert wurde, der festschreibt, dass es sich bei Österreich um einen Sozialstaat handelt. Dieses Begehren wurde durchgesetzt, weil auch in Österreich zahlreiche soziale Einschnitte (Sozialabbau) zur Debatte standen.

Siehe auch: Demografie, Hartz-Konzept, Sozialabbau, Sozialpolitik, Gewerkschaft

Presse:

Attac:

ver.di:

DGB: Aufstehn, damit es endlich besser wird