Verhältniswahl (siehe auch Wahlsysteme) ist ein Wahlverfahren, bei dem ein passiver Wahlteilnehmer (z.B. Partei) im Verhältnis der erhaltenen Wählerstimmen eine entsprechende Anzahl an Sitzen im zu wählenden Gremium (z.B. Parlament) erhält.
Dabei steht eine Parteizugehörigkeit/Listenzugehörigkeit der Kandidaten im Vordergrund, die Person im Hintergrund. Die Anzahl der Mandate soll der Anzahl der Stimmen für eine Wahlpartei oder Wahlliste entsprechen. Damit dieses Verhältnis möglich ist, können die Kandidaten nicht als einzelne Person, sondern nur als Gruppe (=Wahlpartei, =Liste) kandidieren.
Erhält eine gewählte Gruppe beispielsweise 10% der Stimmen, so erhält sie auch 10% der Sitze im zu wählenden Gremium.
Bei einigen Verhältniswahlsystemen gibt es jedoch eine Mindestanzahl an Stimmen, die ein zu Wählender erreichen muss, um berücksichtigt zu werden. Erreicht ein zu Wählender weniger Stimmen, als in der Sperrklausel definiert, erhält er keine Sitze im Parlament. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Sperrklausel bei Bundestagswahlen beispielsweise 5% der gültigen Stimmen oder drei Direktmandate. Die Sitzzuteilung erfolgt bei Bundestagswahlen mit der Quotenmethode mit Restausgleich nach größten Bruchteilen von Hare-Niemeyer.
Es gibt weitverbreitete Annahmen, die einen Zusammenhang zwischen dem Wahlrecht und der Parteienlandschaft sehen. So soll das Verhältniswahlrecht tendenziell zur Existenz vieler Parteien führen. Derartige Verallgemeinerungen unterliegen etlichen Einschränkungen. "Verhältniswahlrecht" und "Mehrheitswahlrecht" (oder genauer: -system) dienen daher nur als Oberbegriffe und sagen allein noch nichts Ausreichendes über das konkrete System aus.
Tendenzielle Vor- und Nachteile des Verhältniswahlsystems
Nachteile des Verhältniswahlsystems
- Relativ gute Abbildung des Wählerwillens, denn die Sitzverteilung im Parlament repräsentiert das Verhältnis des Wahlerfolgs der Parteien.
- Auch kleine und mittlere und vor allem neue Parteien erhalten ein "angemessenes" politisches Mitwirkungsrecht.
- Die Parteien können Experten ohne Probleme ins Parlament holen.
- Es ist nicht möglich, durch die Festsetzung der Wahlkreise das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen.
Mögliche Nachteile des Verhältniswahlrechts
- Gefahr der Zersplitterung des Parlaments, wenn sehr viele Parteien dort vertreten sind, wodurch:
- die Regierungsbildung meist erschwert ist (Bildung von Koalitionen nötig) und
- die Regierungen tendenziell instabiler sein können
- Der Wähler kann nicht entscheiden, wer (bzw. welche Koalitionspartner) regiert
- Der Wähler hat keinen direkten Einfluss auf die Kandidaten, die in das Parlament einziehen, da die Listen in der Regel von den Parteien aufgestellt werden. Eine Personenwahl ist daher nicht möglich; gewählt werden kann stets nur die Liste einer Partei als Ganzes.
- Die Abgeordneten sind abhängig von ihrer Partei, da diese Kontrolle über die Abgeordnetenlisten hat.
Deutschland: Personalisierte Verhältniswahl
Die personalisierte Verhältniswahl ist ein Wahlverfahren, das bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und verschiedenen Landtagen angewandt wird. Es kombiniert Elemente vom Mehrheitswahl (Bsp.: Großbritannien, USA) und Verhältniswahl (Bsp.: Niederlande).
Nach dem Bundestagswahlrecht werden die Sitze im Bundestag an die Parteien nach dem Verhältniswahlrecht verteilt, allerdings werden mit der Erststimme bestimmte Personen nach dem Mehrheitswahlrecht in den Bundestag gewählt, wodurch der Wähler Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestags hat.
Sperrklausel
Um die Zersplitterung des Parlaments, die unüberschaubare Vielzahl der Parteien und die mangelnde Stabilität der Regierungen zu vermeiden, wurde z.B. in Deutschland die Sperrklausel eingeführt. Das bedeutet, dass eine Partei mindestens 5% der Stimmen oder drei Direktmandate benötigt, um in den Bundestag einziehen zu können. So ist die Parteienlandschaft überschaubar und kleine Parteien (und auch radikale Splitterparteien) bleiben draußen.
Siehe auch
- Bundestagswahl
- Proporzwahl (Verhältniswahl in der Schweiz)
- Mehrheitswahl
- Wahlsystem