Uran(VI)-fluorid

chemische Verbindung, Material zur Urananreicherung
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Strukturformel
Struktur von Uranhexafluorid
Kristallsystem

orthorhombisch

Raumgruppe

Gitterparameter

a = 990,0 pm
b = 896,2 pm
c = 520,7 pm

Allgemeines
Name Uran(VI)-fluorid
Andere Namen

Uranhexafluorid

Summenformel UF6
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 7783-81-5
PubChem 24560
Wikidata Q408887
Eigenschaften
Molare Masse 351,99 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

5,09 g·cm−3 (20,7 °C)[2]

Sublimationspunkt

56,5 °C[1]

Dampfdruck

153 hPa (25 °C)[1]

Löslichkeit

heftige Zersetzung mit Wasser[1]

Gefahren- und Sicherheitshinweise

Radioaktiv
GHS-GefahrstoffkennzeichnungVorlage:RL[3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 330​‐​300​‐​373​‐​411
P:
MAK

1 mg·m−3[1]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0
  • fest: −(2197,7 ± 1,8) kJ·mol−1[4]
  • gasf.: −(2148,1 ± 1,8) kJ·mol−1[4]
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Uran(VI)-fluorid (UF6), meistens Uranhexafluorid genannt, ist ein farbloser, kristalliner Feststoff; es ist eine leicht flüchtige, äußerst giftige, radioaktive und korrosive Verbindung aus den Elementen Uran und Fluor. Uranhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig in trockener Luft. Es reagiert jedoch sehr heftig mit Wasser (beispielsweise Luftfeuchtigkeit). Zusammen mit Neptunium(VI)-fluorid und Plutonium(VI)-fluorid gehört es zu den drei bisher bekannten Hexafluoriden der Actinoidenelemente, die diese besondere Eigenschaft der leichten Flüchtigkeit besitzen. Seine besondere technische Bedeutung hat es in der Uran-Anreicherung durch das Gasdiffusionsverfahren oder mittels Ultrazentrifugen.

Geschichte

Uranhexafluorid wurde 1909 erstmals durch Otto Ruff dargestellt.[5][6] Lange Zeit blieb es lediglich für Laborstudien interessant. Erst mit der Entdeckung der Kernspaltung wurde diese Verbindung interessant, da sie die einzige deutlich flüchtige und gleichzeitig stabile Verbindung des Urans ist.

Darstellung

Durch Umsetzung von Uran(IV)-oxid (UO2) mit Fluorwasserstoff (HF) bei 200 °C erhält man Uran(IV)-fluorid (UF4).

 

UF4 wird mit elementarem Fluor zu UF6 weiter oxidiert.

 

Stickstofftrifluorid (NF3) fluoriert Uranmetall, UO2, UF4, UO3, U3O8 und UO2F2 · 2 H2O bei Temperaturen zwischen 100 und 550 °C zu UF6. NF3 ist ein potentieller Ersatz als Fluorierungsmittel im bestehenden nuklearen Brennstoffkreislauf sowie in der Wiederaufarbeitung der flüchtigen Actinoidenverbindungen.[7]

Eigenschaften

 
Phasendiagramm von UF6

Physikalische Eigenschaften

Uranhexafluorid bildet farblose, orthorhombische, leicht hydrolysierbare Kristalle, die unter Normaldruck (1.013,25 hPa) bei 56,5 °C sublimieren.[1] Der Dampfdruck bei 25 °C beträgt 153 hPa.[1]

 
Uranhexafluoridkristalle in einer Glasampulle

Der Tripelpunkt liegt bei einer Temperatur von 64,1 °C und einem Druck von 1,5 bar.[1] Der kritische Punkt liegt bei einer Temperatur von 230,2 °C, einem Druck von 45,5 atm (46,1 bar), einem Volumen von 256,0 cm3/mol und einer Dichte von 1,375 g/cm3.[2]

Die Bildungsentropie ΔfS0 beträgt für festes UF6: −430,4 ± 1,5 J·K−1·mol−1, für gasförmiges UF6: −280,4 ± 1,5 J·K−1·mol−1.[4]

Kristall- und Molekülstruktur

Das nicht salzartige Uranhexafluorid kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Pnma mit den Gitterparametern a = 990,0 pm, b = 896,2 pm und c = 520,7 pm und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle. Im gasförmigen Zustand ist das UF6-Molekül oktaedrisch (Oh); die U–F-Bindungslänge beträgt 199,6 pm.[8] Hingegen zeigen Untersuchungen an kristallinem UF6 mittels Neutronenstreuung eine leichte Abweichung von der regulär oktaedrischen Koordination. Dies wird auf die unsymmetrische Umgebung der Moleküle in der Kristallstruktur zurückgeführt.[9][10]

 
Elementarzelle von Uranhexafluorid[11]

Chemische Eigenschaften

Uranhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig gegen trockene Luft. Es reagiert hingegen sehr heftig mit Wasser (beispielsweise Luftfeuchtigkeit), wobei das wasserlösliche Uranylfluorid (UO2F2) und Fluorwasserstoff (HF) entstehen.[12] HF bildet im überschüssigen Wasser Flusssäure und ist stark ätzend.

 

UF6 kann unbegrenzt bei Raumtemperatur in Quarz- oder PYREX-Ampullen aufbewahrt werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Spuren von Feuchtigkeit vorhanden sind, das Glas selbst von allen Gaseinschlüssen frei ist und das HF restlos entfernt wird.[13]

Uranhexafluorid kann mit Natrium direkt zu Uranmetall reduziert werden.[14]

Spektroskopische Eigenschaften

Uranhexafluorid besitzt sechs Grundschwingungen: ν1, ν2, ν3, ν4, ν5 und ν6. ν1 und ν2 sind Streckschwingungen, ν5 und ν6 sind Biegeschwingungen. Die Normalkoordinate von ν3 besteht überwiegend aus einer Streckung, die von ν4 überwiegend aus einer Biegung. ν1, ν2 und ν5 sind Raman-aktiv, ν3 und ν4 IR-aktiv, ν6 ist IR- und Raman-inaktiv.[15][16][17][18][19][20]

Grundschwingung ν1 ν2 ν3 ν4 ν5 ν6
Termsymbol A1g Eg F1u F1u F2g F2u
Schwingungsfrequenz (cm−1) 667 ± 1 534 ± 1 626 ± 1 186 ± 1 200 ± 1 143 ± 2
IR-aktiv × ×
Raman-aktiv × × ×

Vergleich der Actinoidenhexafluoride

Uranhexafluorid (UF6) entsteht relativ zügig bei 300 °C aus Urantetrafluorid (UF4) und Fluor (F2), in gleicher Weise entsteht NpF6 bei 500 °C aus Neptuniumtetrafluorid (NpF4) und F2 und PuF6 bei 750 °C aus Plutoniumtetrafluorid (PuF4) und F2. Americiumhexafluorid (AmF6) kann unter diesen Bedingungen nicht dargestellt werden.[13] NpF6 und PuF6 sind lichtempfindlich und zersetzen sich zu den Tetrafluoriden und Fluor.[13]

Verwendung

 
Kaskade von Gaszentrifugen zur Urananreicherung

Uranhexafluorid dient zur Trennung der Uranisotope nach dem Gasdiffusionsverfahren oder mittels Ultrazentrifugen. Es ist hierzu ideal geeignet, da es sich im Gegensatz zu den meisten anderen Uranverbindungen leicht in die Gasphase überführen (Dampfdruck etwa 150 hPa bei Raumtemperatur) lässt und da von Fluor nur ein Isotop in der Natur vorkommt. Alle natürlichen Fluor-Atome haben exakt die gleiche Atommasse, daher sind die Massenunterschiede der Uranhexafluorid-Moleküle, die bei der Isotopentrennung ausgenutzt werden, wie erwünscht nur auf die Massenunterschiede der Uran-Atome zurückzuführen.

Die direkte Fluorierung von pulverförmigen abgebrannten Brennelementen mit Fluor-Gas hat das Ziel, die flüchtigen Fluoride (hauptsächlich UF6, teilweise NpF6) von den nichtflüchtigen Vertretern (z. B. PuF4, AmF3, CmF3, und den Fluoriden der meisten Spaltprodukte) zu trennen. Damit soll ein Großteil der Uranverbindungen von Plutonium, minoren Actinoiden und Spaltprodukten getrennt werden.[21]

Transport

 
UF6-Tank

Das bei der Isotopentrennung als Abfallprodukt anfallende abgereicherte Uran („Tails“) wird größtenteils als Uranhexafluorid in Tanks eingelagert. Diese Transportbehälter sind aus 16 mm dickem Stahl gefertigt und fassen 12,5 t Uranhexafluorid.[22] Die Transporte sind von der IAEA geregelt,[23] sind jedoch umstritten[24] und führen u. a. zu Anfragen im Deutschen Bundestag.[25][26][27]

Sicherheitshinweise

  • Uranhexafluorid ist eine sehr aggressive Substanz, die jedes Gewebe angreift. Beim Kontakt des Gases mit Körperflüssigkeiten bildet sich Flusssäure, die auf der Haut und den Schleimhäuten der Atemwege Verätzungen hervorruft. Die Exposition des Menschen gegenüber dem Gas wirkt sich zunächst auf die Augen und Atemwege aus und verursacht Reizungen, Verlust des Sehvermögens, Husten und übermäßige Bildung von Speichel und Auswurf. Nach längerer Exposition führt dies zu Pneumonitis und Lungenödemen mit möglicher Todesfolge.
  • Es ist hochtoxisch beim Einatmen und Verschlucken. Außerdem besteht die Gefahr der Anreicherung im menschlichen Körper, was vor allem die Leber und die Nieren betrifft.
  • Wie alle Uranverbindungen ist es radioaktiv. Die Aktivität ist von der Isotopenzusammensetzung des Urans abhängig.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Eintrag zu Uranhexafluorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  2. a b Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 97.
  3. Die von der Radioaktivität ausgehenden Gefahren gehören nicht zu den einzustufenden Eigenschaften nach der GHS-Kennzeichnung.
  4. a b c Gerald K. Johnson: „The Enthalpy of Formation of Uranium Hexafluoride“, in: The Journal of Chemical Thermodynamics, 1979, 11 (5), S. 483–490; doi:10.1016/0021-9614(79)90126-5.
  5. Otto Ruff: „Über einige neue Fluoride“, in: Chem. Ber., 1909, 42 (1), S. 492–497; doi:10.1002/cber.19090420175.
  6. Otto Ruff, Alfred Heinzelmann: „Über das Uranhexafluorid“, in: Zeitschrift für anorganische Chemie, 1911, 72 (1), S. 63–84; doi:10.1002/zaac.19110720106.
  7. Bruce McNamara, Randall Scheelea, Anne Kozeliskya, Matthew Edwards: „Thermal Reactions of Uranium Metal, UO2, U3O8, UF4, and UO2F2 with NF3 to produce UF6“, in: Journal of Nuclear Materials, 2009, 394 (2–3), S. 166-173; doi:10.1016/j.jnucmat.2009.09.004.
  8. Masao Kimura, Werner Schomaker, Darwin W. Smith, Bernard Weinstock: „Electron-Diffraction Investigation of the Hexafluorides of Tungsten, Osmium, Iridium, Uranium, Neptunium, and Plutonium“, in: J. Chem. Phys., 1968, 48 (8), S. 4001–4012; doi:10.1063/1.1669727.
  9. John H. Levy, John C. Taylor, Paul W. Wilson: „Structure of Fluorides. Part XII. Single-crystal Neutron Diffraction Study of Uranium Hexafluoride at 293 K“, in: J. Chem. Soc., Dalton Trans., 1976, S. 219–224; doi:10.1039/DT9760000219.
  10. J. H. Levy, J. C. Taylor, A. B. Waugh: „Neutron Powder Structural Studies of UF6, MoF6 and WF6 at 77 K“, in: Journal of Fluorine Chemistry, 1983, 23 (1), S. 29–36; doi:10.1016/S0022-1139(00)81276-2.
  11. J. C. Taylor, P. W. Wilson and J. W. Kelly: „The structures of fluorides. I. Deviations from ideal symmetry in the structure of crystalline UF6: a neutron diffraction analysis“, in: Acta Cryst., 1973, B29, S. 7–12; doi:10.1107/S0567740873001895.
  12. R. W. Kessie: „Plutonium and Uranium Hexafluoride Hydrolysis Kinetics“, in: Ind. Eng. Chem. Proc. Des. Dev., 1967, 6 (1), S. 105–111; doi:10.1021/i260021a018.
  13. a b c John G. Malm, Bernard Weinstock, E. Eugene Weaver: „The Preparation and Properties of NpF6; a Comparison with PuF6“, in: J. Phys. Chem., 1958, 62 (12), S. 1506–1508; doi:10.1021/j150570a009.
  14. C. D. Scott: „Direct Reduction of Uranium Hexafluoride to Uranium Metal with Sodium“, in: Ind. Eng. Chem. Proc. Des. Dev., 1963, 2 (2), S. 117–121; doi:10.1021/i260006a006.
  15. B. Weinstock, E. E. Weaver, J. G. Malm: „Vapour-Pressures of NpF6 and PuF6; Thermodynamic Calculations with UF6, NpF6 and PuF6“, in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1959, 11 (2), S. 104–114; doi:10.1016/0022-1902(59)80054-3.
  16. Howard H. Claassen, Gordon L. Goodman, John H. Holloway, Henry Selig: „Raman Spectra of MoF6, TcF6, ReF6, UF6, SF6, SeF6, and TeF6 in the Vapor State“, in: J. Chem. Phys., 1970, 53 (1), S. 341–348; doi:10.1063/1.1673786.
  17. Ezra Bar-Ziv, Mira Freiberg, Shmuel Weiss: „The Infrared Spectrum of UF6“, in: Spectrochimica Acta Part A: Molecular Spectroscopy, 1972, 28 (11), S. 2025–2028; doi:10.1016/0584-8539(72)80176-4.
  18. Robin S. McDowell, Larned B. Asprey, Robert T. Paine: „Vibrational Spectrum and Force Field of Uranium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1974, 61 (9), S. 3571–3580; doi:10.1063/1.1682537.
  19. E. R. Bernstein, G. R. Meredith: „Vibrational Spectra of Transition Metal Hexafluoride Crystals: III. Exciton Band Structures of MoF6, WF6 and UF6“, in: Chemical Physics, 1977, 24 (3), S. 311–325; doi:10.1016/0301-0104(77)85091-X.
  20. K. C. Kim, R. N. Mulford: „Vibrational Properties of Actinide (U, Np, Pu, Am) Hexafluoride Molecules“, in: Journal of Molecular Structure: THEOCHEM, 1990, 207 (3–4), S. 293–299; doi:10.1016/0166-1280(90)85031-H.
  21. Jan Uhlíř, Martin Marečeka: „Fluoride Volatility Method for Reprocessing of LWR and FR Fuels“, in: Journal of Fluorine Chemistry, 2009, 130 (1), S. 89–93; doi:10.1016/j.jfluchem.2008.07.002.
  22. Uranhexafluorid-Transporte
  23. IAEA-TECDOC-608: Interim guidance on the safe transport of uranium hexafluoride; Juli 1991.
  24. Gerhard Piper: Internationaler Uranhexafluorid-Tourismus durch Deutschland; Telepolis, 30. Juni 2007.
  25. Deutscher Bundestag Drucksache 14/6692: Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid in der Bundesrepublik Deutschland; 16. Juli 2001.
  26. Deutscher Bundestag Drucksache 16/5174: Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid; 27. April 2007.
  27. Deutscher Bundestag Drucksache 17/253: Uranhexafluorid – Sichere Lagerung und sachgemäßer Umgang zur Vermeidung von Umweltrisiken; 16. Dezember 2009.

Literatur

Commons: Uranhexafluorid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien