Buddhismus im Westen

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Mit Buddhismus im Westen wird der religiöse und philosophische Einfluss des Buddhismus auf die westliche Kultur bezeichnet. Ebenso wird darunter die Verbreitung des Buddhismus im Westen sowie der zunehmende Austausch zwischen der westlichen Kultur und dem Buddhismus verstanden.

Zen-Tempel (Chicago, USA)
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„Friedenspagode“ (Wien, Österreich)

Geschichte

Der Buddhismus ist in der westlichen Welt eine Neuerscheinung, die erst in den letzten Jahrzehnten hinreichend bekannt wurde. Erste Kenntnisse des Buddhismus gelangten allerdings schon im Altertum in den Westen, und zwar auf Initiative des indischen Kaisers Ashoka (regierte etwa 268-232 v. Chr.), der erstmals religiöse Gesandtschaften nach Syrien, Ägypten, Griechenland und Makedonien aussandte (siehe auch Edikte des Ashoka). Auch über die Handelswege entlang der Seidenstraße und mit den Eroberungszügen Alexander des Großen (356-323 v. Chr.) gelangten Nachrichten über den Buddhismus in den Westen. Im ägyptischen Alexandria soll sich längere Zeit eine buddhistische Schule gehalten haben, von der man annimmt, dass sie die griechische Philosophie beeinflusst haben könnte. Östliche Einflüsse sind vor allem bei Pythagoras und Empedokles, sodann in der Gnosis – in Basilides hat man gar einen Kryptobuddhisten erkannt – und im Neuplatonismus (Plotin und Porphyrius), bei Apollonius von Tyana und bei Origenes erkennbar. Gnosis und Neuplatonismus könnten ihrerseits (Rück-)Wirkungen auf die Ausbildung des Mahayana-Buddhismus gehabt haben.

Einen etwas kuriosen Eingang in die christliche Welt hielt Buddha vermittels der im Mittelalter weitverbreiteten Heiligenlegende von Baarlam und Joasaph (auch Josaphat) (ursprünglich 'Bodhisattva') aus dem frühen 6. Jahrhundert, die nichts anderes als eine christliche Umarbeitung der Buddha-Legende ist, was freilich erst Jahrhunderte später zutage gefördert wurde. Mit der Heiligsprechung der beiden legendären Gestalten im Jahr 1583 (Namenstag: 27. November) fand so auch Buddha als vermeintlich christlicher Heros Aufnahme in die Heiligengalerie der katholischen Kirche.

Mit dem Aufkommen des Islam und dem Abbruch des geistigen Transfers zwischen Ost und West (ab dem 8. Jh.) gerieten bestehende Kenntnisse über den Buddhismus wieder in Vergessenheit. Erst durch die Berichte des Marco Polo (1251-1324), der viele Jahre am Hof des buddhistischen Mongolenkaisers Kublai Khan zubrachte, gelangten erstmals wieder Nachrichten über den Buddhismus in die westliche Welt. Sie wurden aber als Phantasterei, Ketzerei und Heidentum abgetan und so kaum zur Kenntnis genommen.

Zwar lebt seit dem 17. Jahrhundert mit den Kalmücken ein ganzes buddhistisches Volk in Europa, es sollten aber wiederum Jahrhunderte verstreichen, ehe Arthur Schopenhauer (1788-1860) sich als erster westlicher Philosoph der Neuzeit eingehend mit dem östlichen Denken auseinander setzte. Er bezeichnete sich selbst als den »ersten europäischen Buddhisten«, doch waren seine Kenntnisse über diese Religion noch sehr rudimentär und unvollständig. Dennoch wird er als eigentlicher Wegbereiter des Buddhismus in der westlichen Welt gesehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte in rascher Folge eine rege Übersetzertätigkeit buddhistischer Quellentexte ein, welche zunehmend einen umfassenden und zuvor nicht gekannten Wissensstand vermittelten.

 
„Hsi Lai“ Tempel (Los Angeles, USA)
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Tibet. Mönche erstellen ein Sandmandala (Kitzbühel, Österreich 2002)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen erstmals auch Europäer (darunter auch zahlreiche Deutsche und Österreicher) in den Osten, um in den Ursprungsländern des Buddhismus zu studieren, wobei einige als Übersetzer ins Deutsche hervortraten, wie Karl Eugen Neumann, oder gar dem buddhistischen Mönchsorden beitraten und aus der direkten Begegnung und Auseinandersetzung mit der Lehre den Buddhismus dem Abendland öffneten (Nyanatiloka, Nyanaponika, Lama Anagarika Govinda, Ayya Khema). Umgekehrt begaben sich ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend auch asiatische Lehrer, darunter der vietnamesiche Mönch Thich Nhat Hanh in die westliche Welt, wo sie ihrerseits zu einer großen Buddhismus-Rezeption im Westen beitrugen.

Heute sind fast alle Schattierungen des Buddhismus im Westen vertreten, allen voran: Theravada, Vajrayana und Zen, aber auch unterschiedliche europäische Neubildungen, wie z.b. der von Sangharakshita gegründete Western Buddhist Order (in Deutschland: "Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens"), oder der von Ole Nydahl geprägte "Diamantweg Buddhismus". Weniger stark als in den USA sind auch in Europa die Lehren des "Reine Land Buddhismus" (Amidismus) und der verschiedenen Schulen des Nichiren-Buddhismus verbreitet. Bekannt wurde der Buddhismus in den letzten Jahrzehnten vor allem über das Schicksal der Tibeter und ihres bekanntesten Repräsentanten, des 14. Dalai Lama.

Ein westlicher Buddhismus?

Das Problem der kulturellen Fremdheit und die Frage nach einem genuin abendländischen Buddhismus

Gegenwärtig übt der Buddhismus unter allen nichtchristlichen Religionen die größte Faszinationskraft auf den westlichen Menschen aus. Der Umfang buddhistischer Literatur ist schier unübersehbar und beansprucht in den Regalen der Buchhandlungen zumeist die vorderen Ränge. In allen größeren Städten Europas, Nordamerikas und Australiens bestehen zahlreiche buddhistische Gruppierungen, Meditationszentren und Klöster, die auch westlichen Menschen zugänglich sind.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellt sich dennoch die Frage, inwieweit der Buddhismus fähig ist, sich als echte religiöse Alternative in der westlichen Welt zu artikulieren. Dabei muss gesehen werden, dass die zahlreichen im Westen vertretenen buddhistischen Denominationen sich ausschließlich auf ihre je eigene asiatische Herkunft und Tradition berufen und Ansätze zu einer Assimilation an westliche Voraussetzungen und Verstehenshorizonte kaum vorgezeichnet sind. Die Lehre sieht sich somit unweigerlich der kulturellen Fremdheit ausgesetzt. Kritiker machen geltend, dass andere Denkmuster und Symbole, zu denen sich noch eine Vielzahl von in Asien lebendigen Mythen, Legenden und volksreligiösen Beimischungen gesellen, nicht einfach kompatibel sind und sich also nicht ohne Weiteres in einen fremden kulturellen Kontext übertragen lassen, wo all diese indigenen Eigenheiten fehlen und in der Regel in ihrer tieferen Bedeutung auch nicht verstanden werden und im Ganzen auch nicht von Belang sind. Die Kritik entzündet sich primär also an den in Asien gewachsenen volksreligiösen Vorstellungen (Kult, Brauchtum, Mythen, Verständnis über die Rolle des Mönchs- und Laientums usw.), die dem Wesen und der Tradition des westlichen Menschen nicht ohne Weiteres evident erscheinen und seinem Lebensweltverständnis auch fremd sind. Kritisch hinterfragt wird ferner die unbesehene Gleichsetzung des Buddhismus mit »Esoterik« und »Mystik«, wodurch das im Buddhismus ebenfalls vorhandene aufklärerische und antimythologische Potential in den Hintergrund gerät; hierzu trägt gerade ein kultisch und mythologisch ausgerichteter Buddhismus bei. Ebenfalls in der Kritik ist die Orientierung an althergebrachten Sukzessionslinien (Beispiele: Vajrayana, Zen), die einer Neuorientierung und einer gelebten Eigenständigkeit im Westen entgegenstehen sollen. Allerdings widerspricht die starke Verbreitung des Zen und ebenfalls verschiedener Vajrayana-Schulen dieser Anschauung. Zudem gibt es inzwischen westliche Lamas, die als Tulkus (bewußte Inkarnationen) tibetischer Lamas angesehen werden.

Projekte, die einen genuin westlichen Buddhismus entwerfen, sind nicht neu, werden innerhalb der buddhistischen Szene im Westen aber noch wenig erörtert und – wo solche Diskussionen denn geführt werden – auf breiter Ebene auch kaum wahrgenommen.

Die Zielsetzung der Vertreter eines eigenständigen und also von asiatischen volksreligiösen Besonderheiten losgelösten westlichen Buddhismus beinhaltet im Wesentlichen: Reduktion auf den Kern der Lehre, wie er in den »Vier Edlen Wahrheiten« Buddhas zum Ausdruck kommt; Beachtung des mehr handlungsorientierten Bezugsrahmens des westlichen Menschen gegenüber weltabgekehrter Verinnerlichung und meditativer Versenkung; Forderung nach einer Höherbewertung der ethischen Prinzipien vor intellektueller Gelehrsamkeit und spirituellen Fähigkeiten; Abkehr von allen der abendländischen Tradition fremden Begleiterscheinungen, die sich aus volksreligiösen Gebräuchen, Selbstverständlichkeiten und historischen Spezifika einer anderen (asiatischen) Kulturwelt nähren. Ein weiteres Postulat besteht ferner im Bewusstwerden einer breiteren sozialen Mitverantwortung, damit auch in einer Stärkung des Gemeinschaftsbewusstseins und in der Förderung der Solidarität mit der uns umgebenden sozialen Mitwelt.

Prominente westliche Buddhisten

Bekannte westliche Buddhisten lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die einen sind Prominente wie Richard Gere, Tina Turner und Allen Ginsberg, von deren "Buddhist sein" aufgrund ihrer anderweitig bedingten Bekanntheit öffentlich die Rede ist. Zum anderen sind es Europäer und US-Amerikaner, die sich so intensiv mit dem Buddhismus beschäftigt haben, das sie ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben können, die also in erster Linie wegen ihres Buddhismus einem meist etwas kleineren Publikum bekannt sind. Zu ihnen gehören z.B, Jeffry Hopkins, Pema Chödrön und Robert F. Thurman, speziell in Deutschland unter anderen Alfred Weil, Sylvia Wetzel und Udo Yesche Regel.

Kritik

Slavoj Žižek sieht den "westlichen Buddhismus" als nur scheinbares Mittel der Dynamik des Kapitalismus teil zu haben, gleichzeitig durch "innere Gelassenheit" als Anschein mentaler Gesundheit zu entkommen und so funktioniert er als "perfektes ideologisches Supplement".

Auch einige asiatische Buddhisten äußern sich immer wieder kritisch gegenüber einem westlichen, oder europäischen Buddhismus, der die asiatischen Wurzeln der Religion nicht nachvollziehen kann und andersartig ist. Andere asiatische Buddhisten haben die westlichen Menschen ermuntert, zunächst die eigenen religiösen Traditionen ihrer Kulturen wieder besser kennenzulernen, bevor sie sich für den Buddhismus entscheiden.

Siehe auch


Literatur

  • Dagmar Doko Waskönig: Mein Weg zum Buddhismus Deutsche Buddhisten erzählen ihre Geschichte. O.W.Barth, Frankfurt/M. 2003, ISBN: 3502611114
  • Gottfried Rothermund: Der Buddhismus für die moderne Welt. Die Religionsphilosophie K.N. Jayatillekes. Stuttgart 1979
  • Volker Zotz: Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur, Theseus-Verlag, Berlin 2000
  • J. Snelling: Buddhismus: Ein Handbuch für den westlichen Leser. Diederichs, München 1991
  • Klaus-Josef Notz: Der Buddhismus in Deutschland in seinen Selbstdarstellungen. Frankfurt/M. 1984.
  • Lama Anagarika Govinda: "Lebendiger Buddhismus im Abendland". Barth-Verlag. Bern, München, Wien 1986