Piratensender

ohne Zulassung oder Genehmigung arbeitender Rundfunksender
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Piratensender sind Rundfunk-, in der Regel Hörfunksender, die ohne Lizenz ihr Programm ausstrahlen. Der Begriff bezeichnet private Sender, die von innerhalb, aber auch häufig von außerhalb eines Staatsgebietes aus ohne Genehmigung der zuständigen Behörden senden. Als Piratensender können auch Sender bezeichnet werden, die in dem Land, aus dem sie ausstrahlen, legal sind, aber in einem Nachbarland, wo sie ebenfalls empfangen werden können, von den Behörden missbilligt werden. Unterliegen Nachrichten und Informationen im Empfangsgebiet einer politischen oder religiös motivierten Zensur, kommt Piratensendern eine besondere Bedeutung zu.

Oft werden Piratensender auch als "Freie Sender" bezeichnet, sie sind jedoch nicht zu verwechseln mit freien Radios oder dem Bürgerfunk.

Geschichte

Der Name "Piratensender" ist dem Umstand geschuldet, dass Piratensender teilweise von Schiffen aus senden. Somit können sie den Standort leicht wechseln und sich durch Fahrt auf internationale Gewässer den Zugriffen der Behörden entziehen. Weiterhin bietet das Meerwasser eine exzellente Erdung, was insbesondere für den Sendebetrieb auf Kurz- und Mittelwellenfrequenzen vorteilhaft ist.

Erste "Piratensender" in den USA

Die ersten Piratensender, die jedoch nicht als solche bezeichnet wurden, entstanden in den 1920er-Jahren in Mexiko an der Grenze zu den USA. In den Vereinigten Staaten hatte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine kommerzielle, auf den Verkauf von Werbung ausgerichtete Radiokultur entwickelt. Sie bediente einen Massengeschmack. Da sie jedoch häufig zum Verkauf fragwürdiger Produkte, politischer Propaganda und anderer Verstöße gegen das US-Recht dienten, wurden die Sendelizenzen einiger Anbieter nicht verlängert. Diese wichen auf extrem leistungsstarke Sender an der mexikanischen Grenze aus, die in englischer Sprache sendeten und große Teile der USA erreichten. Die Sender waren mit einem "X" gekennzeichnet und bis zu 500.000 Watt stark, während in den USA ein Zehntel davon als Maximum galt.

Die klassischen Piratensender in Europa

Die klassischen Piratensender entwickelten sich in Europa (vor allem in England) in den 1960er-Jahren. In Grossbritannien, das vorbildhaft für Europa war, hatte sich zuvor eine völlig andere Radiokultur als in den USA entwickelt. Hier hatte die British Broadcasting Corporation (BBC) das Monopol, die bis heute das Idealmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt. Es orientierte sich an den von Lord Reith entwickelten Prinzipien eines Bildungsauftrags der Sender, dem unabhängigen "Public Service Broadcasting". Bei der BBC war damals "Massenkultur" - im Gegensatz zur Hochkultur - ein negativ besetzter Begriff. So fand z.B. der seit den 1950er-Jahren aufkommende Rock'n'Roll in Großbritannien fast nur auf dem in Luxemburg lizenzierten Privatsender Radio Luxemburg und dem US-amerikanischen Soldatensender AFN (in diesem Sinne auch Piratensender, da von der britischen Regierung nicht gebilligt) statt.

Als erster europäischer Piratensender nahm bereits im Jahr 1958 Radio Mercur den Sendebetrieb vor Dänemark auf und zwar von einem ehemaligen deutschen Fischereischiff, umbenannt in "Cheeta". Anschliessend ging vor der niederländischen Küste Radio Veronica auf Sendung, gefolgt von Radio Nord vor Stockholm.

Die bekanntesten englischen Piratensender, die ab 1964 sendeten, waren Radio Caroline - gegründet von dem Iren Ronan O´Rahilly- und Radio London (Big L). Beide sendeten ihre Programme ebenfalls von Schiffen außerhalb der Hoheitsgewässer vor der englischen Küste. Andere Seesender hatten ihre Sendeanlagen auf verlassenen Forts aus dem 2. Weltkrieg in der Themsemündung errichtet (z.B. Shivering Sands, Red Sands).

Die meisten Programme wurden in erster Linie vom Abspielen populärer Musik für jugendliche Hörer bestimmt, unterbrochen von Werbeeinblendungen und Nachrichten. Eingestreute Jingles und das Anmoderieren eines Musiktitels in die bereits gestartete Musik verliehen den Sendungen ein gewisses Tempo. Beliebt war es seinerzeit, die Sender mit den aufkommenden Transistorradios ortsungebunden zu empfangen.

Die Diskjockeys erlangten den Status von Popstars. Bekannte Dj´s waren z. B. Kenny Everett, Tony Blackburn, John Peel, Tommy Vance, Johnnie Walker oder Dave Lee Travis, um nur einige zu nennen. Letztgenannter moderierte zeitweise zusammen mit Uschi Nerke auch die deutsche Fernsehsendung "Beatclub" von Radio Bremen. Eine umfassende Auflistung von Diskjockeys findet sich auf dieser Seite: http://www.offshoreradio.co.uk/

Nach Inkrafttreten des Marine Broadcasting Offences Act stellten bis zum 14. August 1967 fast alle britischen Seesender ihren Sendebetrieb ein, nur Radio Caroline blieb weiterhin auf Sendung. Wenn man ungefähr den "Sound" eines Piratensenders der 1960er Jahre hören möchte, dann empfiehlt sich hierzu zurzeit etwa Radio London nachts auf Mittelwelle 1395 kHz. Radio London, auch "Big L" genannt, setzt nämlich entsprechende Jingles von damals ein und fährt sein Programm "back-to-back", spielt also einen Hit nach dem anderen ohne viel Unterbrechungen durch Wortbeiträge.

Piratensender im deutschsprachigen Raum

(zu ergänzen)

Piratensender außerhalb Europas

(zu ergänzen)

Piratensender heute

Nur wenige Stationen konnten einen längeren und durchgehenden Betrieb aufrecht erhalten, zu ihnen gehörten Sender, die außerhalb des Staatsgebietes von Schiffen aus Programm machten und Radio Hafenstraße, welches aus den besetzten Häusern der Hafenstraße und Radio Dreyeckland, das jahrelang mittels Umsetzer im französischen Elsass in die Region um Freiburg sendete.

Durch die Privatisierung und Vergabe von Lizenzen wurde es möglich, viele der Ziele freier Radios auch legal umzusetzen.

In Großbritannien haben Piratensender seit den 1960er Jahren eine wichtige Rolle bei der Verbreitung neuer Musikrichtungen gespielt. Radio Caroline machte Bands wie die Rolling Stones oder Status Quo bekannt. Seit Ende der 1980er Jahre haben insbesondere im Großraum London Sender wie Kiss FM (nicht mit dem Berliner Sender gleichen Namens identisch), Kool FM oder Rush FM die Entwicklung von elektronischen Musikstilen wie Jungle/Drum'n'Bass, Techno oder Speed Garage vorangetrieben und eine eigene MC-Kultur hervorgebracht.

Eine Hochburg der Piratensender sind auch die Niederlande. Dort werden insbesondere an den Wochenenden häufig Piratensender, nicht nur auf UKW, sondern auch auf Kurzwelle und im oberen Bereich des Mittelwellenbandes betrieben, welche auch weit entfernt von den Grenzen der Niederlande empfangen werden kann. Auch in den angrenzenden Teilen Deutschlands gehen gelegentlich Piratensender auf Sendung. Es gibt auch einige Rundfunksender, die ihren Sendebetrieb aus einer etwas unklaren Rechtslage heraus gestartet haben und später legalisiert wurden, wie Radio Bloemendaal und Europe 1.

Filme über Piratensender

Das Thema Piratensender wurde auch im Fernsehen verarbeitet: In einem Fernsehfilm spielen Mike Krüger und Thomas Gottschalk die Moderatoren des "Piratensenders Powerplay", der sein Sendestudio in einem US-amerikanischen Van untergebracht hat. Zum Ende des Film gelangen die beiden Moderatoren als offizielle Sprecher beim ARD-Hörfunk - eine Geschichte, wie sie bei erfolgreichen Piratensendern teils auch wirklich geschah.

Liste bekannter Piratensender

Niederlande und Belgien

Großbritannien

  • Radio Caroline (1964-1989, später legal)
  • Schiffe: "Fredericia"-Caroline North, "MiAmigo"-Caroline South; später "Ross Revenge"
  • Radio London (1964-1967) - Schiff "Galaxy"
  • Radio City (1964-1967) - Fort "Shivering Sands"
  • Swinging Radio England (1966) - Schiff "Laissez Faire"
  • Radio 270 (1966-1967) - Schiff "Oceaan 7"
  • Radio 390 (1965-1967) - Fort "Red Sands"
  • Radio Scotland (1965-1967) - Schiff "Comet"
  • Kiss FM (inzwischen legal)
  • Kool FM
  • Radio Nova
  • Radio Blackbeard
  • UK Radio
  • Laser 558
  • Laser Hot Hits

Frankreich und Italien

  • Radio Verte
  • Radio Ivre
  • Radio Active in Lyon (1976)
  • Radio Lorraine Coeur d'Acier in Nancy (1978)
  • Azur 102 (1977-1984)
  • Radio Continental (1977-1979) sendete aus Bordighiera
  • Radio Vintimille Internationale (1977-1981) sendete aus Ventimiglia
  • Radio K (1981-1982) broadcasting from Bussana di San Remo
  • Radio Lina (2003- ) sendet in Neapel

Deutschland

  • Piraten Trio Vreden (UKW)
  • Radio Hafenstraße
  • Radio Dreyeckland (RDL), seit 1977, legalisiert 1988 [1]
  • TwenFM (1999-2001; ab 2002 via Internet und mit Unterbrechungen legal auf UKW) [2]
  • Radio Westfernsehen
  • Radio Outaspace (9. Juli 2002-7. März 2003) [3]
  • Radio Bunte Republik Neustadt (fast jedes Jahr auf UKW) z.B.: [4]
  • Radio Marabu
  • Radio Benelux
  • Crazy Wave Radio
  • Radio Dr. Tim
  • Radio Lisa - Good music from east Germany
  • Sender Zitrone (ca. 1973-1978), später legalisiert
  • Laser 208 KW
  • Radio 948 (1993-1998) UKW
  • Radio 101

Israel

  • Voice of Peace

Österreich

  • Radio Bongo 500 (aufgelöst) [Info]

Schweiz

  • Radio 24 (1979-1983), sendete vom Pizzo Groppera (I) aus, ab 1983 lizenziert

Literatur

  • Wolf-Dieter Roth: Piratensender. Geschichte und Praxis. Siebel-Verlag/Verlag für Technik und Handwerk, Baden-Baden 2004, ISBN 3-88180-637-7
  • Ralph C. Humphries: "Radio Caroline-The Pirate Years",The Oakwood Press 2003, ISBN 0-85361-611-6