Das Faust-Museum in Knittlingen ist im Alten Rathaus, einem Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert, untergebracht. Die Dauerausstellung wurde 2002 neu konzipiert. Sie zeigt Exponate zum historischen Johann Faust, der vermutlich um 1480 in Knittlingen[1] mit dem Vornamen Georg geboren sein soll, sowie zu den zahlreichen Bearbeitungen des Fauststoffs.
Vorläufer im Neuen Rathaus
Das umstrittene historische Dokument für Knittlingen als Faust-Geburtsort ist die Abschrift der Urkunde eines Immobilienkaufs im Jahr 1542. Diese handschriftliche Abschrift wurde von dem Lehrer Karl Weisert 1934 mit einem Bleistift gefertigt. Das Original ist während des Zweiten Weltkriegs verbrannt. Die Abschrift Weiserts wurde 1934 vom damaligen Bürgermeister Lener mit Unterschrift und Stempel beglaubigt. Danach bezeichnet ein Knittlinger Kaufbrief das Haus neben der heutigen Stadtkirche als das Gebäude „allwo Fausten born“:
„Wohnbehausung des Frühmessers vnd Hofraytin samt Keller vnd übrig zugehord, alles an vnd beyeinand rechter hand vf dem berg neben der Cappel, eynseit des Jörgen Gerlachen seelig behausung, allwo Fausten born, auch neben der Wagenhüttin vnd beym kleinen gestaffelten Wandelgäßlen ... zu eynem vffrechten, steten, vesten vnd ewigen Kaufs verkauft.“
Außerdem zitierte der aus Ansbach gebürtige Johannes Manlius im Jahr 1563 eine Äußerung seines Wittenberger Lehrers Philipp Melanchthon, der aus dem fünf Kilometer entfernten Bretten stammte, wonach dieser den Knittlinger Faust gekannt habe:[3]
„Ich hab einen gekennet / mit nammen Faustus von Kundling (ist ein kleines stettlein / nicht weit von meinem Vatterland) derselbige da er zu Crockaw in die Schul gieng / da hatte er die Zauberey gelernet / wie man sie dann vor zeiten an dem ort sehr gebraucht / auch öffentlich solche kunst geleeret hat. Er gieng hin und wider allenthalben / und sagte viel verborgene ding.“
Seit 1954 gab es in Knittlingen eine Faust-Gedenkstätte. Sie bestand aus zwei Räumen im Neuen Rathaus und zeigte hauptsächlich Exponate der Sammlung von Karl Theens, die den Bestand der alten Ausstellung bildete. Die umfangreiche Sammlung von Karl Theens wurde der Stadt Knittlingen zunächst leihweise zur Verfügung gestellt, dann durch die Stadt Knittlingen angekauft und so zum Grundstock des Faust-Museums und des Faust-Archivs. 26 Jahre lang standen für die zahlreichen Besucher und Vitrinen nur 30 qm Grundfläche zur Verfügung.[5]
Faust-Museum im Alten Rathaus
Das Anwachsen der Besucherzahlen und der zur Verfügung stehenden Exponate ließen schon bald den Wunsch entstehen, ein größeres Haus für die Faust-Sammlung einzurichten, das sich nicht wie die alte Ausstellung als „Anhängsel des Rathausbetriebs“[6] präsentiert. Ab 1977 konkretisierten sich die Planungen auf das Alte Rathaus als neuen Standort. Es handelt sich um eines der ältesten und schönsten Häuser Knittlingens. Aufgrund von Bränden und Kriegen weist es allerdings kaum noch Bausubstanz aus der Zeit Johann Georg Fausts auf, das heutige Bauwerk stammt weitgehend aus dem 18. Jahrhundert.
In Zusammenarbeit mit Vertretern der Faust-Gesellschaft übernahm Hans Schiffer die architektonische Leitung. Es wurde möglichst viel von der alten Bausubstanz erhalten. Das Gebäude hat etwa 300 qm Grundfläche und 200 qm Wandfläche. Die Archivräume im Dachgeschoss wurden im November 1979 bezogen. Es wurden etwa 5000 Exponate katalogisiert und über 100 Tisch- und Wandvitrinen bestückt. Der Faust-Forscher Günther Mahal richtete das Museum im Alten Rathaus ein. Zum 500. Geburtstag des historischen Fausts konnte das Museum dann 1980 eröffnet werden. 2002 wurde die Ausstellung im Faust-Museum völlig neu konzipiert, und das Archiv zog in die ehemalige Alte Lateinschule.
Ausstellung im Faust-Museum
Gezeigt werden unter anderem die neun bekannten zeitgenössischen Quellen zum historischen Faust. Seit 2010 befindet sich ein Alchemisten-Schrank in Hexagramm-Form als Dauerleihgabe im Museum. Die im 1. Obergeschoss ausgestellten Exponate befassen sich mit den „Volksbüchern“ vom Doktor Faust, Christopher Marlowes Faust-Drama über das Puppenspiel, bis zu Johann Wolfgang von Goethes Faust. Im 2. Obergeschoss wird die internationale Faust-Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts ausgestellt, u. a. weibliche Faust-Gestalten, Romane, Comics, Mundart sowie Faust in der Parodie. Darüber hinaus beschäftigt sich die Ausstellung auch mit Faust im Theater, in der Musik und im Film. Neben der Dauerausstellung werden in der Galerie des Faust-Archivs jährlich zwei Sonderausstellungen gezeigt.
„Wir wissen nicht, wie er [der historische Faust] ausgesehen hat, wir wissen nicht, ob er verheiratet war. Das Problem ist, dass im 17. Jahrhundert Knittlingen mehrfach abgebrannt ist. Das heißt, die Originalunterlagen, wie Taufregister, Geburts- und Eheregister, sind alle verbrannt. Wir wissen aber, dass die Familie Faust hier existiert hat. Es gibt die so genannten Maulbronner Musterungslisten. Und genau in der Epoche, wo Georg Faust gelebt hat, ist belegt ein Konrad Faust, ein Michael Faust. Georg Faust hat keinen Militärdienst geleistet. Sonst würde er auch drin stehen, in diesen Musterungslisten.“
Faust-Archiv in der Alten Lateinschule
Seit 2002 befindet sich das Faust-Archiv in der ehemaligen Alten Lateinschule, eine der ältesten erhaltenen Lateinschulen in der Region mit barocker Oberfläche.[8] Der barocke Schulsaal im Erdgeschoss wird heute für Konzerte, Literaturabende, Vorträge und Symposien genutzt. Im 1. Stock steht eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung, die alle Facetten des Faust-Themas vom historischen Faust bis zur Gegenwart abdeckt. In der Galerie im 2. Stock finden neben Sonderausstellungen zu Faust auch zahlreiche Kunstausstellungen statt.[9]
Im Faust-Archiv geht der größte Teil der Sammlung auf mehrere Einzelsammlungen zurück.[10] Es handelt sich um
- die Faust-Sammlung des Stuttgarter Oberingenieurs Karl Theens, des ersten Präsidenten der 1967 gegründeten Faust-Gesellschaft,
- die Faust-Musiksammlung von Walter Aign,
- die gesammelten Theatermaterialien zu Faust des Schauspielers und Regisseurs Luigi Malipiero sowie
- die Faust-Briefmarkensammlung des Juristen Hermann Blaese.
- die Puppenspiel-Sammlung: Handpuppen, Marionetten, Schattentheaterfiguren, Nachlässe (z.B. Hohnsteiner Puppenspiele, Werner Wolffoerster (Karlsruhe), Gustav Dubelowski-Gellhorn (Linzer Marionettentheater „Pupilla“), Schattentheater Kraemer (Karlsruhe).
- die Faust-Sammlung Moosmann-Böhme. Die 2001 erworbene Sammlung besteht aus Ölgemälden, Zeichnungen, graphischen Werken, Büchern, Illustrationen, Tonträgern, Filmen und Briefmarken. Eine Besonderheit in der Sammlung bilden die 42 Mephisto- und Faust-Skulpturen, Plaketten aus Bronze, Gips, Holz, Zinn, Porzellan, Alabaster, Aluminium, Silber und Elfenbein.[11]
- Faust-Musik verschiedener Komponisten
- Faust-Filme (international)
Einzelnachweise
- ↑ Geburtsjahr und Geburtsort sind unklar und umstritten, vgl. dazu die weitergehenden Angaben im WP-Artikel zu Johann Faust
- ↑ Zitiert nach Günther Mahal (Hrsg.), Der historische Faust, Faust-Archiv, Knittlingen 1982, S. 104
- ↑ Vgl. dazu auch Günther Mahal, Faust-Museum Knittlingen, 1984, S. 12
- ↑ Zitiert nach Johannes Manlius, Locorum Communium Collectanea. Basel 1563, S. 42 f. (lat.), deutsch erschienen 1565.
- ↑ Günther Mahal, Brigitte Bruns, Ottmar Maier (Hrsg.): Faust-Museum Knittlingen. Exponate, Materialien, Kommentare. Daxer, Stuttgart 1980, S. 5
- ↑ So die kritische Formulierung von Mahal zur alten Situation im Neuen Rathaus, a.a.O., S. 5
- ↑ Heike Hamberger, in: Marianne Thoms: Sterndeuter, Quacksalber, Freigeist? Der historische Faust. SWR2 Wissen – Manuskriptdienst. Sendung vom 4. Februar 2011
- ↑ Faust-Archiv, Kirchplatz 9, 75438 Knittlingen, direkt neben dem Faust-Geburtshaus
- ↑ Vgl. aktuelles Veranstaltungsprogramm, Faust-Museum / Faust-Archiv, über Homepage Stadt Knittlingen oder anzufordern beim Faust-Archiv.
- ↑ Günther Mahal, Brigitte Bruns, Ottmar Maier (Hrsg.): Faust-Museum Knittlingen. Exponate, Materialien, Kommentare. Daxer, Stuttgart 1980, S. 6
- ↑ Die Faust-Sammlung Moosmann-Böhme. Katalog herausgegeben vom Faust-Museum/Archiv der Stadt Knittlingen und dem Germanistischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 2008
Literatur
- Günther Mahal (Hrsg.): Ansichten zu Faust. Karl Theens zum 70. Geburtstag. Kohlhammer, Stuttgart 1973, 272 S.
- Günther Mahal, Brigitte Bruns, Ottmar Maier (Hrsg.): Faust-Museum Knittlingen. Exponate, Materialien, Kommentare. Daxer, Stuttgart 1980, 194 Seiten
- Hildegard Gerlach, Günther Mahal: Hexen, Brocken, Walpurgisnacht. Sonderausstellung 1980. Faustmuseum, Knittlingen 1980, 80 S.
- Günther Mahal: Faust zensiert. Sonderausstellung 1981. Faustmuseum, Knittlingen 1981, 80 S.
- Albert Allgaier: Knittlingen und der Schwarzkünstler Faust. In: Ders., Streifzüge durch Schwaben. Bd. 2. Kohlhammer, Stuttgart 1981, S. 52 ff.
- Günther Mahal: Faust, der Mann aus Knittlingen. 1480/1980. Dokumente, Erläuterungen, Informationen. Faust-Gesellschaft, Knittlingen 1982, 93 S.
- Günther Mahal: Goethes Faust - im Ernst? Sonderausstellung 1982. Faustmuseum, Knittlingen 1982, 80 S.
- Günther Mahal (Hrsg.): Faust-Rezeption in Rußland und in der Sowjetunion. Sonderausstellung 1983. Faustmuseum, Knittlingen 1983, 116 S.
- Günther Mahal (Hrsg.): Die "Historia von D. Johann Fausten" (1587). Ein wissenschaftliches Symposium anläßlich des 400jährigen Buchjubiläums (Knittlingen 10./11. Oktober 1987). Verl. am Klostertor, Maulbronn 1988, 103 S.
- Günther Mahal: Faust im Zeichen des Mars. Sonderausstellung 1992. Faustmuseum, Knittlingen 1992, 174 S.
- Günther Mahal: Faust und die Briefmarken. Sonderausstellung 1995. Faustmuseum, Knittlingen 1995, 106 S.
- Günther Mahal: Faust-Museum Knittlingen. 2. Aufl. Westermann, Stuttgart 1996, 128 S.
- Günther Mahal: Faust - Und Faust. Der Teufelsbündler in Knittlingen und Maulbronn. Attempto, Tübingen 1997, 216 S.
- Heike Hamberger: ... allwo Fausten born. Faust-Museum und das Faust-Archiv in Knittlingen. In: ALG-Umschau / Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e.V.. Berlin 2005, 34, S. 36 f.
- Faust-Museum/Archiv der Stadt Knittlingen, Germanistisches Seminar der Universität Heidelberg (Hrsg.): Die Faust-Sammlung Moosmann-Böhme. Der Katalog. Stegmaier, Mühlacker 2008, 235 S.
Weblinks
Koordinaten: 49° 1′ 25,9″ N, 8° 45′ 27,5″ O