Der Gotthardtunnel oder auch Gotthard-Scheiteltunnel ist der Scheiteltunnel der Gotthardbahn und verläuft unter dem Sankt-Gotthard-Pass durch das Schweizer Gotthardmassiv. Der 15 003 Meter lange Eisenbahntunnel besteht aus einer einzelnen, doppelgleisig ausgebauten Tunnelröhre zwischen den Ortschaften Göschenen im Kanton Uri und Airolo im Kanton Tessin.
Gotthard-Scheiteltunnel | ||
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![]() Nordportal in Göschenen
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Nutzung | Eisenbahntunnel | |
Verkehrsverbindung | Gotthardbahn | |
Ort | Gotthardmassiv, Alpen | |
Länge | 15 003 m | |
Anzahl der Röhren | 1 | |
Größte Überdeckung | ca. 1800 m | |
Bau | ||
Bauherr | Gotthardbahn-Gesellschaft | |
Baukosten | 227 Mio. SFr. | |
Baubeginn | 13. September 1872 (Südportal), 24. Oktober (Nordportal) | |
Fertigstellung | 29. Februar 1880 (Durchstich), 22. Mai 1882 (Einweihung) | |
Planer | Entreprise du Grand Tunnel du Gothard | |
Betrieb | ||
Betreiber | SBB Infrastruktur | |
Gotthardtunnel mit Gotthardbahn | ||
Lagekarte | ||
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Koordinaten | ||
Göschenen | 688010 / 168594 | |
Airolo | 689386 / 153661 |
Verlauf
- Zulauf
- Die Gotthardbahn benutzt von Luzern bis Immensee die Schweizer Nordostbahn und die Aargauischen Südbahn und fährt am Südostufer des Zuger Sees entlang über Goldau (517 m ü. M.) zum Lowerzer See und durch das Muota-Tal zum Vierwaldstätter See (Brunnen, Flüelen). An dessen Südende (435 m ü. M.) steigt sie im Reusstal bis Göschenen. Im Süden steigt sie von Bellinzona über Biasca (303 m ü. M.) ins Livinental (Leventina).
- Steigungen
- Vom nördlichen Tunnelportal auf einer Höhe von 1106 m in Göschenen aus steigt die Tunnelstrecke über etwa 8 km 45 Meter zum ungefähr halbwegs liegenden Scheitelpunkt auf 1151 m an. Das südliche Tunnelportal liegt auf 1142 m Höhe bei Airolo. D. h. auf dieser Seite werden im Tunnel nur 9 Meter Höhe befahren.
- Die Gebirgsüberlagerung
- Die Überlagerung durch den Gebirgsstock über dem Tunel beträgt zwischen 400 und maximal 1800 m. Ab dem Km. 6 von Norden bis Km. 13 kurz vor dem Südportal etwa 1100 m Stärke im Mittel. Vgl. die Abbildung Gebirgsüberlagerung rechts.
- Verwaltungsgrenze
- Nach zwei Kilometern südlich vom Scheitelpunkt aus wird die Kantonsgrenze Uri/Tessin im Inneren des Tunnels passiert und nach weiteren fünf Kilometern Airolo erreicht. Die Fahrt durch den Tunnel dauert etwa neun Minuten.
Der Tunnelbau
Vorgeschichte
Kaum hatte der Bahnbau in den nichtalpinen Gebieten Europas begonnen, kam in der Schweiz der Gedanke auf, den Norden mit dem Süden durch eine Alpenbahn zu verbinden. Bereits 1847 reichte der damalige Oberingenieur des Kantons Graubünden ein Konzessionsbegehren für den Bau einer Lukmanierbahn von Chur nach Biasca ein. Die 1853 erteilte Konzession verfiel dann allerdings durch Fristablauf.
1852 stellte der Leiter des eidgenössischen Eisenbahnbüros Gottlieb Koller ein erstes Projekt zum Bau einer Eisenbahnlinie über den Gotthard vor, und am 19. August 1853 organisierte sich ein aus neun Kantonen bestehendes Gotthardkomitee. Ingenieur Koller erarbeitete ein erstes Projekt für die Strecke von Flüelen an den Langensee (123 km). 1861 vermass der Zürcher Ingenieur Kaspar Wetli die Strecke von Erstfeld nach Lugano in nur gerade fünf Monaten, was auch heute noch als Meisterleistung der Vermessungstechnik gilt.
Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gotthardbefürwortern und Verfechtern der Lukmanier- und Splügenvariante wurde 1863 von den Ingenieuren Wetli und Koller erstmals die Idee eines Tunnels unter dem Gotthard präsentiert. Als auch der Präsident der zürcherischen NOB (Nordostbahn) Alfred Escher die Linienführung über den Gotthard befürwortete, war die Entscheidung gefallen. Zudem war die Strecke über den Gotthard die kürzeste.
Am 7. August 1863 gründeten fünfzehn Kantone und die beiden Bahngesellschaften SCB (Schweizerische Centralbahn) die große Gotthardvereinigung. Alfred Escher, reicher Bankier und Regierungspräsident des Kantons Zürich und die wohl mächtigste und einflussreichste Schweizer Persönlichkeit seiner Zeit, wurde Präsident und damit zum umtriebigen Vertreter der Gotthardidee. In der Folge wurde das auf den Plänen Wetlis und Kollers basierende Projekt von Anton Beckh und Robert Gerwig vorangetrieben.
An der Berner Gotthardkonferenz vom September 1869 unter dem Vorsitz des Bundesrates Emil Welti wurde festgehalten: Es sollte eine durchgehende doppelspurige Adhäsionsbahn bebaut werden mit einer maximalen Steigung von 26‰, in Tunneln 23‰ und einem minimalen Radius von 300 m. Ein Scheiteltunnel sollte Göschenen und Airolo verbinden. Die Kosten für die Gotthardstrecke sollten 187 Millionen Franken betragen, davon rund 60 für den Tunnel. Italien sollte 45 Millionen, das neue Deutsche Reich und die Schweiz je 20 Millionen übernehmen, der Rest sollte am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Der deutsch-französische Krieg verzögerte die Unterzeichnung vorerst. 1869 unterschrieben die Schweiz und Italien und am 28. Oktober 1871 auch das Deutsche Reich.
Am 6. Dezember 1871 wurde die Gotthardbahngesellschaft (GB) unter dem Präsidium Alfred Eschers gegründet. Die finanzielle Kontrolle über die internationale Finanzierung hatte Escher, der 1856 die Schweizerische Kreditanstalt gegründet hatte, welche bei der Finanzierung der Gotthardbahn eine wichtige Rolle spielte.
Das Projekt
Nach einer unglaublich kurzen Eingabefrist von sechs Wochen trafen sieben Offerten ein. Den Zuschlag erhielt die Genfer Firma "Entreprise du Grand Tunnel du Gothard" des Louis Favre, am 7. August 1872 wurde der von Escher aufgesetzte Vertrag unterzeichnet. Der größte Konkurrent war die italienische Firma "Società Italiana di Lavori Pubblici" unter der Leitung von Severino Grattoni. Grattoni hatte bereits den mit 12 km längsten Tunnel der Welt erstellt, den Mont Cenis. Auch mit dem Gotthard hatte er sich beschäftigt, hatte die Geologie geprüft und Probebohrungen vorgenommen.
Favre, der bisher keinen Tunnel gebaut hatte, der länger war als 1000 Meter, unterbot den Mitkonkurrenten, akzeptierte die ruinösen Vertragsbedingungen und hinterlegte eine Kaution von 8 Millionen Franken.[1] Er versprach eine Bauzeit von acht Jahren – angesichts der unbekannten Geologie ein riskantes Unterfangen. Falls die vereinbarte Bauzeit überschritten würde, drohte eine Geldstrafe von 5.000 Franken täglich im ersten halben Jahr und 10 000 Franken in der folgenden Zeit, im Falle einer vorzeitigen Fertigstellung galt der gleiche Betrag als Prämie. Sollte die Verzögerung mehr als ein Jahr betragen, würde die hinterlegte Kaution verfallen. Favre hoffte darauf, die beim Bau des gerade fertig gestellten Mont-Cenis-Tunnels gemachten Erfahrungen nutzen zu können. Zudem stellte er dortige Mineure und Ingenieure ein und kaufte das dort verwendete Tunnelmaterial auf.
Bau
Die Bauarbeiten begannen am Südportal am 13. September 1872 und am 24. Oktober des gleichen Jahres im Norden. Die Bautrupps bewegten sich im Firststollenverfahren (Belgische Bauweise) aufeinander zu, gearbeitet wurde in drei Schichten rund um die Uhr.
Besonders auf der Südseite kämpfte man schon am Anfang mit großen technischen Schwierigkeiten. Die Belastungen durch instabile Gesteinsschichten, die manchmal alle paar Dutzend Meter ihre Beschaffenheit wechselten, und ständige Wassereinbrüche waren enorm und hielten während der ganzen Bauzeit an, zudem stieg die Temperatur im Tunnel stellenweise auf 33°, später auf 40° C. Ende 1872 war im Norden nur der Firststollen erst zu 101 m ausgebrochen, im Süden wurde in Handarbeit nur 18 m vorgestoßen.
Der Bauunternehmer Louis Favre übernahm die ersten Bohrmaschinen Typ Sommeiller vom Mont Cenistunnel. Dazu erprobte er die wichtigsten erhältliche Schlagbohrmaschinen vor Ort. Die beiden Werkstattchefs in Airolo und Göschenen entwickelten die vorhandenen Maschinen weiter. Wichtig war, dass die Maschinen weniger reparaturanfällig wurden und die Schlagbohrmaschinen mit einem automatischen Vortrieb versehen werden konnten. Seguin und Ferroux, die beiden Werkstattchefs, konnten einen signifikanten Fortschritt erzielen. Zu Beginn mussten pro Tag drei Maschinen ausgewechselt werden, gegen Ende des Baus nur noch eine Maschine alle drei Tage. Die Abluft der pneumatischen Schlagbohrmaschinen diente gleichzeitig der spärlichen Belüftung des Tunnels. Je sechs Bohrmaschinen waren auf Lafetten montiert. Mit den Maschinen wurden zirka einen Meter tiefe Löcher gebohrt, die anschliessend mit Dynamit gefüllt und gesprengt wurden. Die Nachfrage nach Dynamit war so gross, dass in Bauen am Urnersee eine Sprengstofffabrik gebaut wurde. Eine unzureichende Lüftung erschwerte das Atmen im mit Sprenggasen gefüllten Tunnel: wenn zu wenig Druck vorhanden war, wurde die Maschine bevorzugt, die Lüftung musste warten. Weil die giftigen Dynamitdämpfe Krankheiten in Atemwegen und Augen verursachten, musste die Schichtdauer auf fünf Stunden herabgesetzt werden. Obwohl leistungsfähigere Maschinen aus Belgien eingesetzt wurden, geriet Favre mit seinem Zeitplan mehr und mehr in Rückstand, nach einem Jahr war noch nicht ein einziger Kilometer im Teilprofil geschafft. Favre trieb den Vorstoß schnell voran und vernachlässigte den Vollausbruch. Später kam erschwerend dazu, dass unter dem unterschätzten Bergdruck sämtliche Holzstützen brachen und jeder ausgebrochene Meter sofort ausgemauert werden musste. 1873 beauftragte Oberingenieur Gerwig der Gotthardbahn-Gesellschaft den deutschen Bergingenieur Friedrich Moritz Stapff für die Bearbeitung aller erforderlichen geologischen Untersuchungen. Zuerst war er der Bausection Airolo zugeteilt, später wurde er Vorstand der geologisch-montanistischen Abteilung bei der Zentralbauleitung in Airolo. Die Aufgaben von Stapff umfassten die Nachführung der bestehenden geologischen Karten, die Beobachtung der geologischen Verhältnisse, wie Temperaturverhältnisse, Wassereinbrüche, Zustand des Felsens, damit der Bau nicht verzögert wurde. Stapff zeichnete alle Gesteinsformationen entlang der Tunnelachse auf und sammelte pro Gesteinsformation eine Handstück. Eine dieser Sammlungen befindet sich heute im Verkehrshaus. [3]
Favre erhöhte die Zahl der Arbeiter ständig. In Göschenen arbeiteten maximal 1645, in Airolo 1302 Arbeiter, vorwiegend Italiener aus den bitterarmen ländlichen Gegenden des Piemonts und der Lombardei. Die Mineure und Arbeiter lebten in schmutzigen und überbelegten Verschlägen und wurden finanziell ausgebeutet. Ein Mineur verdiente in einer Achtstundenschicht etwa 3,90 Franken. Zwei Drittel ihres Lohnes wurde ihnen für Essen und Unterkunft wieder abgezogen, die Lampen und das Öl dafür (30 Rappen täglich) mussten sie selber bezahlen. Abgezogen wurden ihnen zudem fünf Franken monatlich für die Kleidung und zwei Franken für die Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz. Ein Teil des Verdienstes wurde in Coupons ausbezahlt, die nur in den betriebseigenen Geschäften eingelöst werden konnten.
Am 27. Juli 1875 kam es in Göschenen zu einem Aufstand der Arbeiter, sie streikten und blockierten den Tunneleingang und verlangten einen Franken mehr Lohn pro Tag. Eine eilends zusammengestellte, überforderte Milizeinheit, 21 Mann aus Altdorf, schoss in die Menge, vier Arbeiter kamen ums Leben, mehrere wurden schwer verletzt. 80 Arbeiter reisten nach dem Vorfall ab.
Das Ereignis wurde durch anklagende Presseberichte in halb Europa bekannt und löste Untersuchungen über die Lebensbedingungen der Tunnelarbeiter aus. Zwei eidgenössische Kommissionen prüften die Situation. Aus dem Bericht des inspizierenden Arztes Dr. Sonderegger vom 30. März 1876: Das Elend in den für die Arbeiter hergerichteten Quartieren übersteigt in der Tat alle Begriffe. In kleinen dumpfen Zimmern reiht sich Bett an Bett - elende, halb faule Strohsäcke. Er erwähnt die schlechte Luft in überfüllten Räumen mit ihren übel riechenden Öllampen, wo neben den Betten auch gekocht werden musste, den Mangel an frischem Wasser, den Schmutz und die miserablen hygienischen Zustände. Die Arbeiter litten an Wurmkrankheiten, Durchfall und Typhus, und viele waren an Silikose erkrankt, die sie sich im Tunnel durch den omnipräsenten Granitstaub zugezogen hatten.
Bedenkliche Zustände kamen so ans Licht, bessere Bedingungen wurden gefordert, aber nie durchgesetzt. Niemand fühlte sich zuständig, zudem waren die Bauarbeiten schon zu sehr in Verzug geraten. So blieben die Zustände mehr oder weniger unverändert. Unter diesen Bedingungen war Favres Zeitplan völlig durcheinander geraten. Neue Abklärungen ergaben, dass die Kosten den Voranschlag um mehr als 100 Millionen Franken überschreiten würden. Im Juni 1874 wurde an einer Schlichtungskonferenz in Bern unter bundesrätlicher Leitung bestimmt, dass der gänzlich ausgebrochene Tunnel nie mehr als 600 Meter auf jeder Seite hinter der Stollenbrust zurückbleiben darf. Favre hielt sich nicht daran und die GB stellte die Zahlungen ein, worauf sich Favre und die Gotthardbahngesellschaft in Streitigkeiten verwickelten. Die Kurse der Aktien sanken ins Bodenlose und zeitweise wurde der Bau in Frage gestellt. Die Nachfinanzierung gelang nur, weil sich Italien und Deutschland nach einer weiteren internationalen Konferenz zu neuen Zahlungen bereit erklärten. Alfred Escher, der die Verantwortung für das finanzielle Debakel der GB trug, musste auf Druck des Bundesrates zurücktreten. Die Finanzierung wurde durch das Alpenbahngesetz gesichert, mit dem die Eidgenossenschaft sich verpflichtete, den Kantonen, die sich an der Gotthardbahn beteiligt hatten, 4,5 Mio. Franken zu zahlen.
Nach Beendigung des Baus forderte die GB von Favres Unternehmung Nachzahlungen in Millionenhöhe, die seinen Nachlass ruinierten. Seine Tochter erhielt jedoch eine lebenslängliche jährliche Rente von 10 000 Franken, die ihr ermöglichen sollten, den Haushalt nach gutbürgerlichen Verhältnissen einzurichten.
Am 19. Juli 1879 wurde Favre bei einer Besichtigung im Tunnel bei Kilometer 3 von einem Unwohlsein befallen und starb wenige Minuten später im Alter von 53 Jahren an einem Herzversagen. Obwohl er den Durchstich nicht mehr erlebte, wurde ihm trotzdem die Ehre zuteil, als erster den Tunnel zu durchqueren:
nachdem die Angehörigen des nördlichen Bautrupps am 24. Dezember 1879 zum ersten Mal den Sprenglärm im Süden vernommen hatten, als nur noch 422 m Fels- und Steinmassen die beiden Baustellen trennten, durchdrang am 28. Februar 1880 um 18.45 Uhr ein Bohrer von Süden her die verbleibende Felswand. Durch das Loch reichten die Arbeiter ihren Kollegen auf der Nordseite eine Blechdose mit einem Bild Favres, das von den Worten begleitet war: Wer wäre würdiger gewesen, als Erster die Schwelle zu überschreiten, als Favre, der seinen Mitarbeitern Meister, Freund und Vater war. Es lebe der Gotthard!
Am Sonntag, dem 29. Februar 1880, kurz nach 11 Uhr, erfolgte nach sieben Jahren und fünf Monaten der eigentliche Durchstich. Die Abweichungen betrugen nur 33 Zentimeter und 5 Zentimeter in der Höhe – eine Meisterleistung der Ingenieurs- und Vermessungstechnik. Das Ereignis wurde in den europäischen Medien gefeiert, der mit 15 km bisher längste Tunnel der Welt war entstanden.
Vom 22. bis zum 25. Mai 1882 wurde mit über 600 Gästen aus ganz Europa die Einweihung gefeiert, Alfred Escher nahm jedoch nicht daran teil. Am 1. Juni 1882 nahm die Gotthardbahn den durchgehenden Verkehr zwischen Immensee und Chiasso auf. Den ersten Postsack trug Alois Zgraggen, der Kondukteur der letzten Postkutsche, die über den Pass fuhr.
Im Jahre 1897 passierten täglich 61 Züge den Tunnel. Durch den Rauch der Dampflokomotiven wurden die Bahnerhaltungsarbeiten wesentlich erschwert. Daher wurde ein Belüftungssystem nach gebaut, welches 1902 mit einer Leistung von 800 PS in Betrieb genommen wurde. Mit Unterstützung des natürlichen Luftzugs wurden Luftgeschwindigkeiten von 2,6–3,6 m/s am Nordportal und 2,2–3,0 m/s am Südportal erreicht.
Die Passage durch den Tunnel dauerte nach der Inbetriebnahme 17–23 Minuten. Der Fahrpreis betrug 2,70 SFr in der 1. Klasse, 1,90 SFr in der 2. Klasse und 1,35 SFr in der 3. Klasse.
Fazit
Die durchschnittliche Tagesleistung belief sich für die gesamte Arbeitszeit auf 4,47 m. Zum Vergleich: Moderne Tunnelbaumaschinen erreichten bei der Weströhre des Gotthard-Basistunnels eine durchschnittliche Tagesleistung von 18 Metern. Die Kosten beliefen sich auf knapp 227 Millionen Franken. Durchschnittlich arbeiteten 5472 Mann auf den verschiedensten Baustellen.
199 Arbeiter starben während der Bauarbeiten.[4] Von den 171 Toten, die in der Unfallliste im Bundesarchiv erwähnt werden wurden 53 Arbeiter von Wagen oder Lokomotiven zerquetscht, 49 von Felsen erschlagen, 46 durch Dynamit getötet. 23 kamen auf andere Art ums Leben, einer von ihnen ertrank. Schuld war nach offizieller Angabe jeweils der Zufall oder der Verunglückte selbst. Zahlreiche weitere Männer jedoch starben zum Teil Jahre später an den Spätfolgen von Unterernährung, Krankheiten und Verletzungen, die sie sich während des Tunnelbaus zugezogen hatten.
Denkmal
1932 wurde zum Anlass des 50. Jahrestags der Beendigung des Tunnelbaus das Denkmal des Tessiner Künstlers Vincenzo Vela (1820–1891) aufgestellt. Vela schuf es 1882 aus eigenem Antrieb und ohne Bezahlung. Es trägt den Titel «Vittime del lavoro» (Opfer der Arbeit) und ist den beim Gotthard-Eisenbahntunnel verunglückten Arbeitern gewidmet. Es steht in Airolo in der Nähe des Bahnhofs. [5]
Im Tunnel selbst sind die Orte der Unglücke dadurch markiert, dass an die Wand mit weißer Schrift Daten und die Namenskürzel der Opfer des jeweiligen Todesfalles eingetragen sind.
Befestigungen
Zu den Befestigungen rund um den Tunnel gehören das Wachhaus in Göschenen und das in der Schweiz einzigartige dreistöckige Artilleriewerk Fondo del Bosco bzw. Forte Airolo im Süden. Seine Anlage folgt dem Entwurf des österreichisch-ungarischen Generalgenieinspektors Daniel Freiherr von Salis-Soglio. Es umfasst einen Kampf- und Unterkunftstrakt und Flankiergalerien. Als Geschütze gegen Angriffe von Süden gab es zunächst zwei 12 cm-Ringrohrkanonen (1882, Krupp), zwei 12 cm-Kugelmörser (1888, Gruson), fünf 8,4 cm-Ringrohrkanonen (1880, Krupp in verschiedenen Kasematten), vier 5,3 cm-Schnellfeuerkanonen (1887, Krupp in Versenk-Panzertürmen) und zwölf 8,4 cm-Bronzekanonen (1871) in drei Kaponnieren. Hinzu kamen drei Beobachtungs-Panzertürmchen und ein 1 km langer Stollen zur Verteidigungsanlage direkt am Eingang des Tunnels. Dort gehörten ausser einer Wache MG-Stände, Flammenwerfer und Sprengkammern über dem Tunnel dazu. Die Sprengkammern waren bereits in der ausserhalb vom Gebirgsstock gelegenen Einfahrtsgalerie angelegt worden. Flankiergalerien standen am Stuei und Infanterieanlagen auf dem Foppahügel. Der Bau wurde im April 1887 begonnen und im Sommer 1890 beendet. Die Baukosten betrugen ca. 1,5 Millionen Franken. Erst 1947 wurde das längst veraltete Fort als Kampfanlage aufgegeben und nur noch als Unterkunft bzw. seit neuerem auch als Museum genutzt.
Zukunft
Ab 2016, nach der Eröffnung des im Bau befindlichen Gotthard-Basistunnels, ist die Zukunft der Bergstrecke in Frage gestellt. Man überlegt, die alte Strecke für Güterzüge zu verwenden, während die schnelleren Personenzüge mit 200 km/h den Neubau benutzen. Schwere Güterzüge mit ihrer Maximalgeschwindigkeit von 100–120 km/h würden zumindest tagsüber die Personenzüge behindern. Auf der bisherigen Bergstrecke gilt in den engen Kehrtunneln für alle Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Damit würde der Vorteil des Basistunnels als Flachbahn zum Teil verspielt, schwere und lange Züge ohne den Einsatz von Verstärkungslokomotiven ohne Zwischenhalt über den Alpentransit zu befördern.
2009 erarbeiteten die Kanton Uri und Tessin, sowie die SBB eine Machbarkeitsstudie UNESCO Welterbe Verkehrswege Gotthard. Die Studie kam zum Schluss, dass die Einzigartigkeit der Geschichte und der erhaltenen Objekte gegeben ist. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kultur, das für die Eingaben bei der UNESCO zuständig ist, wurde festgelegt, dass bis zu einer Ausarbeitung eines Dossiers die SBB die Inventarisierung der Bahnstrecke abschliesst und ein denkmalgerechtes Betriebskonzept der Bergstrecke ausarbeitet. Die Kantone erstellen die nötigen raumplanerischen Voraussetzungen. Die Ausarbeitung eines Dossiers dauert zwei Jahre, so dass die Verleihung des Labels Welterbe auf die Eröffnung des Basistunnels bereit sein könnte.[6]
Filme
- Manfred Baur, Hannes Schuler: Der Durchbruch. Die Eroberung der Alpen, Teil 2 (5teilig). Dokumentation. 2009, 45 Min.
Literatur
- Karl Lüönd: Unser Gotthard. Ringier, Zürich, 1980.
- Werner Meyer: 1291, die Geschichte. Silva-Verlag, Zürich, 1990.
- Hans Peter Nething: Der Gotthard. Ott Verlag, Thun 1976
- Rennhardt: Der Gotthard – SJW-Heft 1594
- Verkehrshaus der Schweiz (Hg.) Kohle, Strom und Schienen - Die Eisenbahn erobert die Schweiz. Zürich, 1998.
- ViaStoria und Kilian T. Elsasser (Hg.) Der direkte Weg in den Süden. Zürich, 2007.
- Artur Wyss-Niederer: Sankt Gotthard, Via Helvetica. Edition Ovaphil, Lausanne, 1979.
- NZZ Folio 07/95 - Thema: Gotthard
Weblinks
- Gotthard-Tunnel (Video Führerstandsfahrt, Vermessung)
- Vorlage:Röll
- http://www.museumsfabrik.ch/eisenbahn_gotthard.html
Einzelnachweise
- ↑ J. Kauffmann: Der Baubetrieb des Gotthardtunnels. In: Centralblatt der Bauverwaltung, Jg. 2 (1882) Nr. 14, S. 117-119 u. Nr. 15, S. 127-129
- ↑ Adolphe Braun: Photographische Ansichten der Gotthardbahn. Dornach im Elsass, ca. 1875
- ↑ S. 165. Markus Schwyn. Friedrich Moritz Stapff -der Geologe am Gotthard, in: Verkehrshaus der Schweiz (Hg.) Kohle, Strom und Schienen - Die Eisenbahn erobert die Schweiz. Zürich 1998
- ↑ S. 163. Konrad Kuoni. Der Gotthard gewinnt das Alpenbahnringen, in: Verkehrshaus (Hg.) Kohle, Strom und Schienen. Zürich 1998
- ↑ Vincenzo Vela
- ↑ S. 26-31. Kilian T. Elsasser und Toni Häfliger. Verkehrslandschaft Gotthard, in: Werk, Bauen, Wohnen. 9-2010