Modell (Wissenschaft)

Modell, welches nach wissenschaftlichen Kriterien, Phänomene erklärt
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Das Wort Modell entstand im Italien der Renaissance (modello, hervorgegangen aus modulo, dem Maßstab in der Architektur) und gehörte bis ins 18. Jahrhundert der Fachsprache der bildenden Künstler an. Um 1800 verdrängte Modell im Deutschen das ältere, direkt vom lateinischen modulus entlehnte Model (Muster, Form, z.B. Kuchenform), das noch im Verb ummodeln fortlebt.

Praktisch wird mindestens seit der Antike in „Modellen“ gedacht, auch wenn der Begriff nicht explizit verwendet wurde.


Allgemeine Modelltheorie

Eine von breiten Kreisen der Forschung aufgenommene allgemeine Modelltheorie wurde 1973 von Herbert Stachowiak vorgeschlagen. Der in dieser Modelltheorie entwickelte Modellbegriff ist nicht auf eine Fachdisziplin festgelegt. Er will vielmehr domänenübergreifend, also allgemein anwendbar sein. Nach Stachowiak ist der Begriff Modell durch drei Merkmale gekennzeichnet:

  1. Abbildung. Ein Modell ist immer ein Abbild von etwas, eine Repräsentation natürlicher oder künstlicher Originale, die selbst wieder Modelle sein können.
  2. Verkürzung. Ein Modell erfasst nicht alle Attribute des Originals, sondern nur diejenigen, die dem Modellschaffer bzw. Modellnutzer relevant erscheinen.
  3. Pragmatismus. Pragmatismus bedeutet soviel wie Orientierung am Nützlichen. Ein Modell ist einem Original nicht von sich aus zugeordnet. Die Zuordnung wird durch die Fragen Für wen?, Warum? und Wozu? relativiert. Ein Modell wird vom Modellschaffer bzw. Modellnutzer innerhalb einer bestimmten Zeitspanne und zu einem bestimmten Zweck für ein Original eingesetzt. Das Modell wird somit interpretiert.

Ein Modell zeichnet sich also durch Abstraktion aus, also die bewusste Vernachlässigung bestimmter Merkmale, um die für den Modellierer oder den Modellierungszweck wesentlichen Modelleigenschaften hervorzuheben.

Wissenschaftstheorie

In der Methodologie und Wissenschaftstheorie wird der Begriff zur Bezeichnung einer theoretischen Annahme zum Unterschied von der hypothetischen Annahme (Hypothese) verwendet.

Dem Modell kommt im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess eine große Bedeutung zu. Unter bestimmten Bedingungen und Zwecksetzungen besitzen Modelle bei der Untersuchung realer Gegenstände und Prozesse in unterschiedlichen Wirklichkeitsbereichen und beim Aufbau wissenschaftlicher Theorien eine wichtige Erkenntnisfunktion.

Fiktive Modelle sind Mittel zur tieferen und umfassenderen Erkenntnis der Wirklichkeit. Im Prozess der Abstraktion mit Methoden der Idealisierung bzw. der Konstruktion entstanden, helfen sie, reale Eigenschaften, Beziehungen und Zusammenhänge aufzudecken, bestimmte reale Eigenschaften erfassbar und praktisch beherrschbar werden zu lassen. Sie werden zumeist gebildet, um auf real existierende Objekte die Mittel der theoretischen, besonders der mathematischen Analyse anwenden zu können.

Beispiele: ideales Gas, absolut schwarzer Körper, Massenpunkt, vollkommener Markt u. a. (siehe ideales Objekt)

Die erkenntnistheoretische und logische Möglichkeit und Rechtfertigung der Zulässigkeit von Modellen ist nur eine Seite. Wesentlich ist letztlich die Rechtfertigung der Zulässigkeit der Fiktion durch die tätige Praxis, das heißt der praktische Nachweis, dass die mit Hilfe des Modells aufgebaute Theorie auf reale Objekte effektiv angewendet werden kann.

Abstrakte Modelle

Heute unterscheidet man insbesondere drei Definitionen von Modell:

  • In der klassischen Definition wird ein Modell als vereinfachtes Abbild der Realität angesehen.
  • Neuerdings verbreitet sich jedoch mehr und mehr eine Definition, die ein Modell als Objekt von Konstruktionsprozessen ansieht. vom Brocke, J. (2002)

Als Qualitätsmaßstäbe dienen hier Wirtschaftlichkeit, Inhaltsadäquanz, Vergleichbarkeit, Darstellungsadäquanz und ein systematischer Aufbau (Grundsätze ordnungsgemäßen Modellierens)

Eine zusammenfassende allgemeine Definition des Begriffs Modell hat der Philosoph Klaus Dieter Wüsteneck in den 60er Jahren formuliert: Ein Modell ist ein System, das als Repräsentant eines komplizierten Originals auf Grund mit diesem gemeinsamer, für eine bestimmte Aufgabe wesentlicher Eigenschaften von einem dritten System benutzt, ausgewählt oder geschaffen wird, um letzterem die Erfassung oder Beherrschung des Originals zu ermöglichen oder zu erleichtern, beziehungsweise um es zu ersetzen.

Modellarten

Häufig werden folgende Modellarten unterschieden:


Modellplatonismus

nach Karl Popper u.a.: Verwendung eindrucksvoller, aber

praktisch bedeutungsloser Modelle und Hypothesen - auch in der Wirtschaftstheorie.

Beispielsweise in "Das kleine Wirtschaftslexikon" von Reinhard von Normann können Sie etwas mehr darüber lesen.

Verwendung des Modellbegriffs in verschiedenen Wissenschaften

Gemeint sind in Wirtschafts- und Naturwissenschaften in der Regel mathematische Modelle von natürlichen Phänomenen. Siehe dazu Hauptartikel mathematisches Modell.

Der inflationäre Gebrauch des Wortes Modell in wissenschaftlichen Arbeiten kann als eine intellektuelle Mode angesehen werden. In medizinischen Publikationen ist es zum Beispiel gängige Praxis, nicht "fünfzig Mäuse", sondern "das Mausmodell" (bzw. ein beliebiges Tiermodell oder einen Modellorganismus) zu untersuchen; dieser Sprachgebrauch drückt die Hoffnung aus, an der Maus erzielte Ergebnisse auf andere Lebewesen, insbesondere den Menschen, übertragen zu können.

Sozialwissenschaften

Auch in den Sozialwissenschaften wird der Begriff des Modells gern verwendet. Zum Beispiel wird ein Theoriegebäude zur Analyse und Planung von Unterricht als ein "didaktisches Modell" bezeichnet. Dieser modische Sprachgebrauch beruht wahrscheinlich auf der Analogie, die darin besteht, dass auch in der Entwicklung einer Handlungsanleitung die methodischen Schritte Formulierung, Erprobung, Validierung aufeinander folgen.

Max Weber sprach vom Idealtypus in der sozialwissenschaftlichen Forschung und meinte damit nichts Anderes als ein abstraktes, idealisiertes Modell der Realität. Ein Idealtypus kann sowohl gesellschaftliche Strukturen (Demokratie oder mittelalterliche Stadt) als auch zeitliche Verläufe (Revolutionen oder Konjunkturmodelle) beschreiben.

Informatik

In der Informatik bildet man Auszüge der Wirklichkeit in einem Datenmodell ab. Dieses Modell wird konzeptionelles Datenmodell genannt. Es ist frei von jeglicher Technik und daher für die Kommunikation zwischen Entwicklern und Anwendern geeignet. Weiter ist es die Grundlage für den Entwurf von Datenbanken.
Der datenbankspezifische Entwurf wird durch das so genannte logische Datenmodell beschrieben; die tatsächlich durchgeführte Implementierung der Datenbank hingegen durch das physische Datenmodell.
Die oben genannten Modelle werden üblicherweise mittels Entity-Relationship-Diagrammen beschrieben.
Weitere Beispiele für Modelle sind in Informatik Schichtenmodelle wie zum Beispiel das OSI-Schichtenmodell in der Telekommunikationstechnik .

Wirtschaftsinformatik

Als Beschreibungsmittel für Prozesse dienen Prozessmodelle. In vielen Informationssystemen spielen Simulationen eine Rolle. Daher werden in der Wirtschaftsinformatik häufig Simulationsmodelle genutzt.

Mathematische Logik

In der Modelltheorie der mathematischen Logik geht es nicht um eine Abbildung der Wirklichkeit in Mathematik. Hier versteht man unter einem Modell eines Axiomensystems eine mit gewissen Strukturen versehene Menge, auf die die Axiome des Systems zutreffen. Die Existenz eines Modells beweist, dass sich die Axiome nicht widersprechen; existieren sowohl Modelle mit einer gewissen Eigenschaft als auch solche, die diese Eigenschaft nicht haben, so ist damit die logische Unabhängigkeit der Eigenschaft von den Axiomen bewiesen.

Im Historischen Wörterbuch der Philosophie heisst es: "'Modell' heisst in der Logik ein System aus Bereichen und Begriffen, insofern es die Axiome einer passend formulierten Theorie erfüllt."

Siehe auch: Formale Sprache.

Biologie

Siehe dazu den Artikel Modellorganismus.

Konkrete Modelle

Kunst

Die primäre Wortbedeutung von Modell ist somit: ein der Nachahmung dienendes Vorbild. In Kunst und Kunstgewerbe ist ein Modell in der Regel eine Person (aber auch: ein Tier, ein Gegenstand), die dem Künstler (Maler, Bildhauer, Fotograf) "Modell steht" oder "sitzt". Da diese Tätigkeit zum Gelderwerb ausgeübt werden kann, ist Modell ein Beruf. Allerdings wird das Wort Modell, wenn ohne Erläuterung genannt, im Zweifel als Aktmodell, wenn nicht als Euphemismus für Prostituierte verstanden; zur Unterscheidung davon werden spezifischere Bezeichnungen wie insbesondere Fotomodell oder/und die englische Aussprache Model bevorzugt.

Versuchsmodell

In den Ingenieurwissenschaften versteht man unter einem Modell die Nachbildung eines technischen Erzeugnisses in verkleinertem Maßstab, jedoch nicht unbedingt mit denselben geometrischen Details wie die Großausführung, sondern mit denselben dimensionslosen Kennzahlen. Beispiel: als Modell eines Stahlrohres, das in tiefem Wasser verlegt wird und dabei durchhängt, kann ein dünner Blechstreifen dienen, der mit Plexiglas-Rohrstücken zusätzliche hydrodynamische Masse und mit Bleigewichten zusätzliches Gewicht bekommt, ohne die Biegesteifigkeit zu verfälschen. Versuchsmodelle dienen dem Zweck, daran Messungen durchzuführen und die Ergebnisse in die Großausführung umzurechnen, weshalb das Aussehen der Modelle irrelevant ist. Zum Einsatz kommen Modelle beispielsweise in Windkanälen und Schiffbau-Versuchsanstalten.

Muster

Davon abgelöst hat sich die Wortbedeutung: Ausprägung eines industriellen Produktes (Auto, Kleidung, ...) ("Modellreihe", "Modellpflege", ...). Der früher gleichbedeutende Ausdruck Muster ist hier, wahrscheinlich unter dem Einfluss des Englischen, verdrängt worden und lebt nur noch in Termini wie Geschmacksmuster fort.

Literatur

  • vom Brocke, J.; Referenzmodellierung : Gestaltung und Verteilung von Konstruktionsprozessen, Logos Berlin 2003; ISBN 3-832-50179-7
  • Schütte R.; Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung, Dr. Th. Gabler Verlag 2001. ISBN 3-409-12843-3
  • Stachowiak, Herbert; Allgemeine Modelltheorie, Wien 1973. ISBN 3-211-81106-0

Siehe auch