Betrug und Fälschung in der Wissenschaft

bedeutende Fälle von Betrug und Fälschung in der Wissenschaft
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Betrug und Fälschung in der Wissenschaft sind unwahre Behauptungen oder gefälschte Messergebnisse, die vorsätzlich (Betrug) oder möglicherweise unbewusst (Fälschung) publiziert werden.

Universitäten und Forschungserinrichtungen versuchen in den letzten Jahren, mit der Verabschiedung von „Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis“ und Maßnahmen zum „Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten“ gegen solche Vorkommnisse vorzugehen.

Im Einzelfall mag dabei die Abgrenzung zwischen Fälschung und wissenschaftlichen Witz für Außenstehende nicht immer sofort erkennbar sein.

Ursachen und Motivation

Die Ursachen und Motivation für Betrug und Fälschung in der Wissenschaft werden in jedem Fall individuell zu suchen sein.

In Betracht kommen dabei häufig Ruhm und Ehre, die Forscher mit der Publikation neuer und sensationeller Erkenntnisse zu gewinnen suchen. Auf der anderen Seite können auch ein Publikationszwang und der Bedarf an Fördermitteln dazu führen, dass Versuchsdaten und Ergebnisse erfunden oder geschönt werden.

Nach der Aufdeckung von Fälschungen steht oft die Frage im Raum, warum die Fehler so lange unentdeckt blieben. Dabei handelt es sich teilweise jedoch nicht einfach um ein blindes Vertrauen in die Wissenschaft und ihre Forschungsergebnisse. Manchmal stehen strukturelle Mängel des Forschungsbetriebs einer Aufdeckung von Mißständen im Weg:

  • Universitäten und Forschungseinrichtungen fürchten um ihren Ruf, wenn bekannt wird, dass wissenschaftliche Fehler in ihrem Haus gemacht werden.
  • Fachbereiche und Kollegen fürchten das Ausbleiben von Forschungsgeldern.
  • Falls es sich bei dem Fälscher um einen Professor oder eine einflußreiche Koryphäe des Fachs handelt, sind Mitarbeiter und Kollegen für die eigene Karriere auf ein gutes Einvernehmen mit dem Fälscher angewiesen.

Im Falle des Anthropologie-Professors Protsch versuchte eine interne Universitätskommission zu ergründen, warum Protschs Umfeld sein Verhalten jahrzehntelang tolerierte. Eine Mischung aus Angst, Ignoranz und falsch verstandener Solidarität, so die Diagnose, habe verhindert, dass Fachbereich und Hochschulleitung konsequent gegen den Professor vorgegangen seien. Zum anderen hätten Kollegen und die Universitätsleitung „Ausmaß und Tragweite des Fehlverhaltens von Protsch offensichtlich falsch eingeschätzt und es deshalb nicht konsequent verfolgt“.

Beispiele

Die folgenden Fälle von Betrug und Fälschung haben Aufsehen über ihr Fachgebiet hinaus erregt:

  • In den Geisteswissenschaften:
    • Die Sokal-Affäre: Im Mai 1996 veröffentlichte die Zeitschrift Social Text den Artikel “Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity” („Grenzen überschreiten: eine transformative Hermeneutik der Quantengravitation“) des Physikers Alan Sokal. Kurz darauf gab Sokal in einer anderen Zeitschrift, Lingua Franca, bekannt, dass es sich bei dem Aufsatz um eine Parodie handele, die er verfasst habe, „um einen gegenwärtig modischen postmodernen/poststrukturalistischen/gesellschaftskonstruktivistischen Diskurs und, allgemeiner, einen Hang zum Subjektivismus zu bekämpfen“. Er hatte die zusammengesuchten Zitate verschiedener postmoderner Denker mit dem typischen Jargon dieser Denkrichtung zu einem Text montiert, dessen unsinniger Inhalt bei Beachtung wissenschaftlicher Standards, so der Vorwurf an die Herausgeber von Social Text, als solcher hätte erkannt werden müssen.
  • Fälschungen von Geschichtsquellen:
    • Der ehemalige Nationalsozialist Hermann Rauschning veröffentlichte im Züricher Exil ausführliche Aufzeichnungen seiner angeblichen Gespräche mit Hitler, die ein Bestseller wurden und lange Zeit als genuine Selbstaussagen Hitlers von der Forschung genutzt wurden. In Wirklichkeit hatte Rauschning Hitler nur selten persönlich getroffen, und auch dann nie unter vier Augen.
    • Viele Dokumente, die in der Reichstagsbrandkontroverse von Vertretern der Theorie vorgelegt wurden, die Nazis hätten das Gebäude angesteckt, erwiesen sich als Fälschung. So wurde z.B. die sensationelle Aussage des ehemaligen Heizers im Reichtstagsgebäude, Johannes Wittkowski, aus dem Jahre 1969 vorgelegt, er habe die "Wache" der Nazi-Brandstifter mit eigenen Augen gesehen. In Wahrheit war Wittkowski aber bereits 1963 verstorben. Hinter den Fälschungen soll der kroatische Publizist Eduard Calic stecken.
    • Die Hitler-Tagebücher, die die Illustrierte Stern 1983 mit großen Aplomb veröffentlichte ("Die Geschichte des Nationalsozialismus muss neu geschrieben werden!"), erwies sich rasch als Machwerk des geschickten Fälschers Konrad Kujau. Die Geschichte ist die Grundlage für die Kinokomödie Schtonk mit Götz George und Uwe Ochsenknecht.
  • In der Anthropologie:
    • Der Anthropologe Reiner Protsch von Zieten hat Schädelfunde aus der menschlichen Vorgeschichte bewußt und systematisch vordatiert, teilweise um Zehntausende von Jahren.

Literatur

  • William Broad, Nicholas Wade: Betrug und Täuschung in der Wissenschaft., ISBN 3764315601
  • Junge, Torsten und Ohlhoff. Dörthe: Wahnsinnig genial. Der Mad Scientist Reader, ISBN 3932710797, Alibri Verlag Aschaffenburg.
  • Peter Haffner, Hania Luczak: Fälschungen in der Forschung. In: Geo 03/März 2003, Seiten 120-138.

Siehe auch

Geschichtsfälschung