Angriff
Anhand von Zeugenaussagen und öffentlich zugänglichen militärischen Dokumenten der US-amerikanischen und japanischen Armee, wurde der Tag am 07.12.1941, an dem der Angriff auf Pearl Harbor stattfand, folgendermaßen rekonstruiert:
3.42 Uhr: Sichtung eines Periskops durch den US-Minenräumer Condor vor der Hafeneinfahrt von Honolulu.
6.00 Uhr: Der Flugzeugträger Enterprise, der sich ca. 370 Seemeilen südlich von Oahu befindet, entsendet 18 Aufklärer nach Pearl Harbor.
6.10 Uhr: Nachdem der Befehlshaber des Angriffsverbandes Vizeadmiral Nagumo den verschlüsselte Angriffsbefehl: "Ersteigt den Berg Niitaka!" erhalten hat, lässt er die erste Angriffswelle starten.
Der Japanische Flottenverband konnte sich unbemerkt ca. 220 Seemeilen nördlich an Oahu heranarbeiten. Er besteht aus den sechs Flugzeugträgern "Akagi", "Kaga", "Soryu", "Hiryu", "Shokaku" und "Zuikaku", von denen die Akagi das Flaggschiff ist. Die Flugzeugträger werden durch zwei schnelle Schlachtschiffe, drei Kreuzer, neun Zerstörer und drei U-Boote gesichert. Des weiteren gehören acht Tankschiffe und zwei weitere Zerstörer zum Geschwader, welche auf Wartepositionen im Nordpazifik zurückbleiben.
6.20 Uhr: Begleitet von "Banzai"-Rufen der Besatzungen heben 183 Bomber und Jagdflugzeuge der ersten Angriffswelle unter dem Kommando von Fregattenkapitän Mitsuo Fuchida von den Flugzeugträgern ab und nehmen Kurs auf Pearl Harbor.
6.30 Uhr: Das US-Versorgungschiff Antares sichtet ein U-Boot vor Pearl Harbor. Die Sichtung wird vom US-Zerstörer Ward weitergeleitet. Daraufhin wird ein Patrouillenflugzeug an die genannte Stelle entsandt.
6.45 Uhr: Zerstörer Ward schießt auf das U-Boot, welches am Kommandoturm getroffen wird. Der Angriff wird aus der Luft von einem Patrouillenflugzeug des Typs PBY unterstützt. Dabei sterben der japanische Kapitän Akira Hiro-o und der Marinesoldat Yoshio Katayama als erste Tote im Japanisch-Amerikanischen Krieg.
6.53 Uhr: Der Kommandant der Ward, Kapitän Outerbridge sendet dem Kommandeur des 14. Marinedistrikts (Gebiet der Hawaii-Inseln) die Angriffsmeldung
7.02 Uhr: Die Opana-Radarstation im Norden von Oahu entdeckt ca. 132 Seemeilen in nördlicher Richtung entfernt unbekannte Flugzeuge.
7.10 Uhr: Der Dienst habenden Offizier Leutnant Tyler im Hauptquartier der Luftverteidigung Fort Shafter wird von der Opana-Radarstation, über die Sichtung informiert.
7.15 Uhr: Die Angriffsmeldung, über das U-Boot vor Pearl Harbor, wird nach der Dekodierung dem Dienst habenden Offizier im 14. Marinedistrikt ausgehändigt. Inzwischen entsendet die japanische Flotte die zweite Angriffswelle mit 167 Flugzeugen unter Korvettenkapitän Shimazaki.
7.20 Uhr: Leutnant Tyler in Ford Shafter ist davon überzeugt, dass es sich bei den nicht identifizierten Flugzeugen um Bomber des Typs B-17 handelt, die vom Festland erwartet werden. Die Opana-Station wird gebeten, das Radar abzustellen.
7.40 Uhr: Die erste Angriffswelle kommt in Sichtweite der Nordküste von Oahu. Beginn der Angriffsaufstellung.
7.49 Uhr: Fregattenkapitän Fuchida befiehlt den Angriff auf den Flottenstützpunkt Pearl Harbor und benachbarte Militärstützpunkte auf Oahu.
7.53 Uhr: Mit dem Codewort "Tora! Tora! Tora!" ("Tiger! Tiger! Tiger!") meldet Fuchida per Funk an Vizeadmiral Nagumo, dass die Überraschung der US-Streitkräfte geglückt ist.
7.55 - 8.25 Uhr: Kombinierter Angriff von Torpedobombern und Sturzkampfbombern auf Pearl Harbor. Die Torpedobomber sind mit speziell präparierten Flachwassertorpedos ausgerüstet, die extra für den Angriff auf Pearl Harbor entwickelt wurden. Die im Hafen liegenden Schiffe sowie die Flugplätze Kaneohe, Ford Island, Hickam, Bellows, Wheeler und Ewa werden attakiert.
7.58 Uhr: Die US-Marine sendet eine Warnung an alle Schiffe per Funk: "Luftangriff Pearl Harbor! Dies ist keine Übung!"
8.00 Uhr: Eine vom Festland gestartete Staffel B-17-Bomber erreicht Pearl Harbor zeitgleich mit den von der Enterprise gestarteten Flugzeugen. Die Besatzungen dieser Flugzeuge sind völlig überrascht und können nicht hilfreich in den Kampf eingreifen.
8.02 Uhr: Das Schlachtschiff Nevada eröffnet das Feuer auf sich von Backbord nähernde Torpedobomber. Zwei Flugzeuge werden abgeschossen, bevor ein Torpedo in den Bug des Schiffes einschlägt. Als einziges Schlachtschiff versucht Nevada trotzdem, aus Pearl Harbor auszulaufen, das Schiff muß jedoch nach weiteren Angriffen auf den Strand gesetzt werden, um ein Sinken zu verhindern.
8.05 Uhr: Der Angriff konzentriert sich auf die acht Schlachtschiffe der US-Pazifikflotte, aber auch kleinere Einheiten werden getroffen. Glück im Unglück - das mit Flugbenzin beladene Tankschiff Neosho übersteht den Angriff ohne Schaden.
8.08 Uhr: Radio KGMB unterbricht seine Sendung, um alle Angehörigen von Armee und Marine dazu aufzurufen, sich unverzüglich zum Dienst zu melden.
8.10 Uhr: Nachdem die vorderen Magazine des Schlachtschiffs Arizona durch Bombentreffer explodieren, sinkt das Schiff innerhalb von 9 Minuten. Über 80% der mehr als 1500 Mann starken Besatzung kommen um.
8.12 Uhr: Der Oberkommandierende von Heer und Flotte in Hawaii, General Walter C. Short, informiert die gesamte Pazifikflotte und Washington: "Die feindlichen Auseinandersetzungen mit Japan haben mit einem Luftangriff auf Pearl Harbor begonnen."
8.17 Uhr: Der US-Zerstörer Helm ist der erste, der versucht, die U-Boote im Hafen von Pearl Harbor zu bekämpfen. Allerdings kann das von ihm attackierte U-Boot entkommen. Die Japaner setzen fünf Zwei-Mann-U-Booten ein, die beschädigten Schiffen den Rest geben sollten. Diese bleiben aber alle erfolglos und gehen verloren.
8.26 Uhr: Die Feuerwehr von Honolulu meldet drei Tote und sechs Verletzte - vermutlich durch Splitter von Flak-Granaten des amerikanischen Abwehrfeuers - und bittet Hickam Field um Hilfe.
8.39 Uhr: Der Wasserflugzeug-Tender Curtiss sichtet ein japanisches Zwei-Mann-U-Boot im Hafen und eröffnet das Feuer. Der US-Zerstörer Monaghan nimmt Kurs auf den Eindringling.
8.40 - 9.15 Uhr: Angriff durch Horizontalbomber
8.40 Uhr: Der US-Zerstörer Monaghan rammt das japanische U-Boot und wirft Wasserbomben. Infolge der Schäden muss das U-Boot auftauchen. Eine Durchsage im örtlichen Radiosender verkündet den japanischen Angriff.
8.50 Uhr: Korvettenkapitän Shimazaki ordnet die Kampfaufstellung zur zweiten Angriffswelle auf die Militärbasis von Oahu an.
8.54 Uhr: Beginn der zweiten Angriffswelle. In dieser Angriffswelle werden die Flugplätze mit ca. 54 Bombern und die Schiffe im Hafen mit ca. 78 Sturzkampfbomber angegriffen. Ca. 36 Jäger sichern den Luftraum über Pearl Harbor.
9.00 Uhr: Das holländischen Überseeschiff Jagersfontein greift als Erstes der Verbündeten in den Kampf ein.
9.15 - 9.45 Uhr: Angriff durch Sturzkampfbomber
Brennendes, sinkendes Wrack
Wrack der USS Shaw
9.30 Uhr: Die drei Zerstörer Cassin, Downes und Shaw sowie der leichte Kreuzer Raleigh werden angegriffen. Ca. 27 Sturzkampfbomber werfen Bomben auf die Einrichtungen von Ford Island, die Schlachtschiffe auf der Südseite der Insel und weitere Schiffe auf der Nordseite.
Ab 9.45 Uhr: Nachlassen der Angriffe und Beendigung der Einflüge.
10.00 Uhr: Die Bomber der ersten Angriffswelle kehren auf ihre nun ca. 180 Seemeilen nördlich von Oahu kreuzenden Flugzeugträger zurück
11.15 Uhr: Gouverneur Poindexter verkündet per Radio den Ausnahmezustand für das gesamte Territorium von Hawaii.
11.46 Uhr: Die erste von vielen Falschmeldungen über feindliche Truppenlandungen auf Oahu geht ein.
12.10 Uhr: US-amerikanische Aufklärer fliegen in Richtung Norden, können aber keine feindlichen Flugzeuge oder Schiffe entdecken.
12.40 Uhr: Der Gouverneur einigt sich mit Präsident Roosevelt darauf, das Kriegsrecht einzuführen. Beide halten es für notwendig, eine Militärregierung einzusetzen.
13.00 Uhr: Der Kommandeur der Fliegerstaffeln Fuchida landet an Bord des Flugzeugträgers Akagi, um mit Vizeadmiral Nagumo die Möglichkeit eines dritten Angriffs zu besprechen.
13.30 Uhr: Signalfahnen auf der Akagi signalisieren den japanischen Schiffen den Befehl zum Rückzug. Der Angriffsverband nimmt Kurs auf Tokyo.
16.25 Uhr: Gouverneur Poindexter unterzeichnet die Proklamation des Kriegsrechtes.
Schwarzweißfoto - dunkle Rauchwolken steigen über den brennenden Schiffen auf
Bilanz
Die Bilanzen über den Angriff auf Pearl Harbor sind vielfach widersprüchlich. Dies liegt daran, dass unbedeutende Schiffe vielfach nicht mitgezählt wurden oder es Unstimmigkeiten bei der Zählung von beschädigten oder zerstörten Schiffen gab. Die Toten und Verwundeten wurden teilweise getrennt nach Zivilisten, Marine- und Armee-Zugehörigkeit erfasst, in machen Bilanzen wurden die zivilen Opfer gar nicht erfasst.
Diese Bilanz gibt also nur ungefähr wieder, welche Zerstörung und wie viele Opfer in Pearl Harbor zu verzeichnen sind.
Verluste auf US-amerikanischer Seite:
- ca. 2403 Mann gefallen
- ca. 1178 Verwundete
- ca. 12 gesunkene oder gestrandete Schiffe
- ca. 9 beschädigte Schiffe
- ca. 164 zerstörte Flugzeuge
- ca. 159 beschädigte Flugzeuge
Verluste auf japanischer Seite:
- ca. 65 Piloten und U-Boot-Besatzungsmitglieder gefallen.
- ca. 29 zerstörte Flugzeuge
- ca. 5 versenkte Zwei-Mann-U-Boote.
Das wichtigste Angriffsziel, die Vernichtung der US-amerikanischen Flugzeugträger, wurde nicht erreicht, da diese zum Zeitpunkt des Angriffes nicht in Pearl Harbor waren. Außerdem blieben die riesigen Treibstofflager und die Marinewerften intakt, deren Zerstörung eine amerikanische Gegenoffensive um lange Zeit verzögert hätte. Schließlich einigte der Angriff die amerikanische Nation, Isolationismus und Pazifismus verloren auf einen Schlag ihren Einfluß auf Politik und öffentliche Meinung. Der Überraschungsangriff wurde als hinterhältig uund perfide aufgefaßt, der Wunsch nach Rache und Sieg über Japan führte dazu, dass die Werbebüros der Streitkräfte von Freiwilligen geradezu überrannt wurden. Der japanische Überraschungsangriff war daher rückblickend gesehen ein schwerer strategischer Fehler.
Hintergründe
Der vermeidliche Überraschungsangriff auf Pearl Harbor wurde in Amerika das Synonym für einen verheerenden, nicht provozierten Überraschungsangriff ohne Kriegserklärung.
Nach Prüfung der Hintergründe ist das Überraschende an dem Angriff eigentlich nur, dass die Amerikaner so überrascht waren und dass das Stützpunktpersonal in Pearl Harbor nicht in der notwendigen Alarmbereitschaft war.
Der US-amerikanische Geheimdienst hatte nämlich schon seit Wochen den streng geheimen diplomatischen Funkverkehr aus Tokio entschlüsselt und mitgehört. Er wusste daher schon am Vorabend von Pearl Harbor über die unmittelbar bevorstehende Kriegserklärung Bescheid. Außerdem waren die bilateralen Friedensgespräche an unüberwindbaren Interessengegensätzen zwischen den USA und Japan faktisch gescheitert.
In dem Film Pearl Harbor sagt ein hoher US-amerikanischer General nach dem Angriff am Tisch des Präsidenten: "Würden die Japaner jetzt bei uns einfallen, würden sie bis Chicago vorrücken, ehe wir in der Lage wären, sie aufzuhalten." Es ist unglaubwürdig, dass ein amerikanischer General so dumm ist, aber es spiegelt die US-amerikanische Propaganda wieder, mit der die Ängste in der Bevölkerung zur damaligen Zeit geschürt wurden, um in den Krieg einzutreten. Rein rechnerisch wäre eine Landung der japanischen Armee in den USA unmöglich gewesen, da es in der japanischen Armee gar nicht genug Offiziere gab, um jede besetze Stadt bis Chicago nur mit einem Offizier zu besetzen. Eine Invasion der USA war vom japanischen Kaiserreich auch nie geplant gewesen. Der Angriff auf Pearl Harbor sollte nur eine Einmischung der USA in den Pazifikkrieg verhindern, die gründlich misslang, da die US-Flugzeugträger nicht vernichtet werden konnten.
Dafür, dass niemand auf Hawaii mit der Möglichkeit eines japanischen Angriffs gerechnet hat, dass die Liegeplätze der Schlachtschiffe um Ford Island weder mit Torpedonetzen noch durch Sperrballone gesichert waren, die Besatzungen größtenteils Landgang hatten und die Flakstände nur zum Teil bemannt und die Munitionskammern abgeschlossen waren, für diese und andere Versäumnisse kostete es den Oberbefehlshaber der Pazifikflotte, Admiral Kimmel, und den Heereskommandeur auf Hawaii, General Short, den Posten.
Nicht weiter ermittelt wurde allerdings die Frage nach der höheren militärischen und politischen Verantwortung.
In den Bereich der Spekulation und Verschwörungstheorien gehören allerdings Behauptungen, Präsident Roosevelt habe Menschen und Material in Pearl Harbor absichtlich geopfert, um einen japanischen Angriff zu provozieren und die amerikanische Bevölkerung endlich kriegswillig zu machen.
Literatur
- Dan van der Vat: Pearl Harbor. Der Tag der Schande, München 2001, ISBN 3453195256
Weblinks
- Robert B. Stinnet "Pearl Harbor"
- Der Überfall auf Pearl Harbor (USA treten in den Zweiten Weltkrieg ein)
- Pearl Harbor - Tag der Niedertracht
- Fotos des Angriffs
- Zweifel an der Legende von Pearl Harbor
- Roosevelts Pearl Harbor Rede vom 8.12.41 (engl.)
- Pearl Harbor Anhörungen (engl.)
- Pearl Harbor Dokumente (engl.)
siehe auch: Pearl Harbor (Film)