Angst
Der Begriff Angst (v. lat.: angustia = Enge) bezeichnet eine Empfindungs- und Verhaltenssituation aus Ungewissheit, (körperlicher) Anspannung und Furcht, die durch eine eingetretene oder erwartete Bedrohung (z.B. Schmerz, Verlust, Tod) hervorgerufen wird.
Biologisch gesehen ist die Angst ein Stresszustand von starker Intensität als Antwort auf eine wahrgenommene Bedrohung, verbunden mit einem Gefühl körperlicher Spannung sowie starken Impulsen, der Situation zu entfliehen.
Überblick
Angst gilt als eine der primären Emotionen. Sie ist normalerweise ein in die Zukunft gerichtetes Warnsignal. Da sie bei Bedrohung Anlass zu einem Vermeidungsverhalten gibt, schützt sie vor Gefahr und dient der Selbsterhaltung. Sie ist in diesem Fall ein biologisch angelegtes, sinnvolles Reaktionsmuster, dass der Energiebereitstellung dient ("Kampf- & Fluchtreaktion").
Ängste können ausgelöst werden durch bedrohliche Situationen oder ihre Erwartung, durch Personen, Aussagen, Orte oder Erinnerungen. Die Auslöser können intern sein (etwa Symptome einer beobachteten körperlichen oder seelischen Unregelmäßigkeit) oder extern (z. B. Medienmeldungen über Lebensmittelskandale oder Katastrophen). Daneben können auch körperliche Erkrankungen wie etwa eine Schilddrüsenfehlfunktion aber auch seelische Störungen als Ursache von überschießenden Angstgefühlen in Betracht kommen.
Die körperlichen Symptome der Angst werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Im sogenannten limbischen System des Zwischenhirns liegen zwei mandelförmige Nervenknoten (Mandelkerne, lat. Amygdalae), die der Bewertung einer Situation als gefährlich oder bedrohlich dienen. Alle Wahrnehmungen werden hier auf potentielle Gefahr überprüft. In funktionellen Magnetresonanztomografien lässt sich folgerichtig nach entsprechenden Reiz-Konfrontationen eine erhöhte Aktivität der Amygdala nachweisen.
Die Amygdala vergleicht das Reizmuster der jeweiligen Situation unter Zuhilfenahme des präfrontalen Kortex und des Hippocampus mit
- angeborenen Schlüsselmerkmalen (z.B. Enge, Dunkelheit, Höhe, bestimmten Schemata wie z.B. Reißzähnen) sowie mit
- Erfahrungswerten.
Sind eine Situation oder ein Gedanke unbekannt oder enthalten entsprechende Schlüsselreize, werden sie als potentiell bedrohlich eingestuft. Liegen Erfahrungswerte vor, wird anhand der Erinnerungen bestimmt, ob in dieser / vergleichbaren Situationen früher bereits ein Erregungszustand bestand. Auch in diesem Fall schaltet der Körper auf Alarm.
Aus dieser "lernfähigen" Angstreaktion entstehen sowohl adäquate Ängste vor bisher unbekannten Themen wie auch objektiv unbegründete Ängste bis hin zu Angststörungen. Als Sonderform der Angst tritt die Todesangst auf. In besonders bedrohlichen Situationen, zum Beispiel bei Vernichtungsschmerz, der beim Herzinfarkt oder beim Ertrinken auftreten kann, spielen keine anderen Empfindungen mehr eine vordergündige Rolle, einzig das Überleben hat noch Bedeutung.
Angst muss übrigens nicht unbeding spürbar sein. Sehr oft sind Ängste vorhanden, deren Existenz die Betroffenden nicht bestätigen können, da sie verdrängt werden. Besondere Ängste, die Charakter bestimmend sind, beschreibt Fritz Riemann. Die von ihm beschriebenen Ängste sehen nur wenige Menschen, obwohl jeder Mensch ein oder mehrere dieser Ängste besitzt.
In einer philosophischen Betrachtung ist die Angst des Menschen um sich selbst, die im Bewusstsein seiner Verwundabrkeit und Todesverfallenheit wurzelt, der letzte Grund aller Unverantwortlichkeit und Unmenschlichkeit. Die Angst um sich ist Ausdruck einer konstitutionellen Seinsunsicherheit und nicht einfach eine Angst vor dem Sterben, sondern die Angst vor dem Verlust vor allem. Wer aus der Angst um sich lebt, ist unfrei; man kann ihn mit dem erpressen, worauf er sein Vertrauen gesetzt hat. Im Alltag kann die Angst um sich latent bleiben, so lange man sich im Besitz dessen wähnt, worauf man vertraut. Das Vertrauen schlägt aber in Verzweiflung um, wenn man es verliert.
Ablauf der Angstreaktion
Hat die Amygdala eine Situation als bedrohlich eingestuft, wird über eine netzförmige Nervenstruktur im Hirnstamm das sogenannte ARAS (Aufsteigendes Retikuläres Aktivierungssystem) der gesamte Organismus in Alarmbereitschaft versetzt. Im Vegetativen Nervensystem überwiegt dann die Aktivierung des Sympathikus. Dazu werden Hormone ausgeschüttet (u.a. Adrenalin), Nervenzellen vor-erregt und eine ganze Reihe von körperlichen Veränderungen eingeleitet, die den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereiten. Das führt u.a. zu folgenden Reaktionen:
- Erhöhte Aufmerksamkeit, Erhöhte Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns bei gleichzeitiger thematischer Einengung auf die angstauslösende Situation
- Empfindlichere Wahrnehmung (Pupillen weiten sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher)
- Erhöhte Muskelanspannung, Erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit
- Erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck
- Flachere und schnellere Atmung
- Energiebereitstellung in Muskeln und Nervenzellen
- Körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern und Schwindelgefühl
Diese sinnvollen Reaktionen klingen nach Ende der bedrohlichen Situation relativ schnell wieder ab.
Störungen der Angstreaktion
Angst kann auch pathologische (krankhafte) Formen annehmen. Beispiele dazu sind die Phobien, u.a. die soziale Phobie (die Angst vor Menschen), oder die Agoraphobie (die Angst vor freien Flächen), oder spezifische Phobien wie die Angst vor Hunden, vor Tieren im Allgemeinen, vor Blut oder Gewitter. Weitere angstbezogene Störungen sind die Panikstörung, die generalisierte Angststörung und die mit Angst einhergehende Posttraumatische Belastungsstörung. (Mehr Informationen über Störungen der Angstreaktion finden sich unter Angststörung.)
Der größte Unterschied zwischen phobischen Störungen und anderen Angststörungen ist die Objektbezogenheit. Während phobische Ängste sehr objektbezogen sind, lässt sich bei anderen Angststörungen meist kein äußerer Anlass für die aufkommende Angst erkennen.
Risikofaktoren zur Entstehung einer Angststörung sind: Alter, Geschlecht, genetische Faktoren, soziales Umfeld und gesellschaftliche Anerkennung, Kindheitsentwicklung/Erziehung, belastende/traumatische Erlebnisse.
Historische Einordnung
In der psychologischen Literatur taucht der Begriff der Angst erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf und bezeichnet zunächst, nach S. Freud, eine neurotisch übersteigerte Furcht (Angstneurose). Später wurde der Begriff allgemeiner verwendet. Manche Autoren trennen das subjektive Gefühl der Angst, bei der man u. U. nicht genau benennen kann, wovor man sich fürchtet, von der objektiv auf einen Gegenstand oder ein Ereignis bezogenen Furcht.
Das Wort „Angst“ gibt es auch im Englischen. Es bedeutet so viel wie Existenzangst. Sie sprechen von "angst-ridden" (von Angst geritten, im Sinne von beherrscht). Vermutlich wurde das Wort 1849 von George Eliot eingeführt.
„Angst ist etwas, das einem im sonnigsten Tag die Schatten zeigt“ (Jaroslaw Osiak)
„Ich habe oft Angst gehabt. Aber ich habe nicht klein beigegeben. Ich tat einfach so, als hätte ich keine Angst, und bald verschwand die Angst.“ (Theodore Roosevelt)
Umgang mit der Angst in den Religionen
Wahrhafte Freiheit und Menschlichkeit scheint nur dem möglich, der nicht mehr aus der Angst um sich selbst, sondern aus einer letzten Geborgenheit heraus leben kann. Auf diesen Sachverhalt beziehen sich alle Religionen. Der christliche Glaube versteht sich als die Gemeinschaft mit dem allmächtigen Gott: Im Wort Gottes, dem Angesprochenwerden des Menschen im Wort der Weitergabe des Glaubens, scheint sich Gott seinem Geschöpf und nimmt es auf in die ewige und bedingungslose Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn, die der Heilige Geist ist. Glaube bedeutet damit Anteilhaben am Gottesverhältnis Jesu. Die Geborgenheit in der Gemeinschaft mit Gott entmachtet die Angst des Menschen um sich selbst und befreit ihn so zu wahrer Menschlichkeit.
Siehe auch
- Furcht, Sorge, Angststörung, defensiver Pessimismus, Panik, Panikattacke, Phobie, Emotion, Erlernte Hilflosigkeit, Psychotherapie, Unheimliches, Anxiolytikum, Doppelbindungstheorie, Objekt klein a
- Buchtitel: Angst (Stefan Zweig), Angst (Stephen Laws), Angst (Zbigniew Safjan), Keine Panik (Leidig / Glomp)
Literatur:
Angst und christlicher Glaube: Peter Knauer, Unseren Glauben verstehen, Würzburg 6. Auflage 2001.
Weblinks
- http://www.hilfezurselbsthilfe-online.de
- http://www.uni-protokolle.de/pruefungsangst.php
- Wege aus der Angst
- http://web4health.info/de/answers/anx-menu.htm
- http://www.psychotipps.com/Angst-vor-Ablehnung.html
- International Classification of Diseases (ICD 10)
- Neurobiologie der Angst
- Angst als Teil des Menschen
- http://www.wbpaterok.de