Atmungskette

chemische Reaktionskette, biologischer Energiestoffwechsel in den Mitochondrien
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Die Atmungskette ist ein wichtiger Teil des Energiestoffwechsels der meisten Lebewesen und bezeichnet einerseits einen Stoffwechselweg: eine Kette von nacheinander stattfindenden biochemischen Redoxreaktionen. Sie dient den Lebewesen zur Energiegewinnung. Andererseits steht der Begriff auch für die Gesamtheit der an dem Stoffwechselweg teilnehmenden Proteinkomplexe.

Schematische Darstellung der Atmungskette mit den Komplexen (I, II, III und IV), sowie der ATP-Synthase (Komplex V) in der inneren Membran der Mitochondrien. Oben: Einspeisung der Elektronen über den Komplex I durch Oxidation von NADH zu NAD+. Die Elektronen werden über Coenzym Q, zum Komplex III und weiter über Cytochrom c zum Komplex IV transportiert, wo sie Sauerstoff (O2) zu Wasser reduzieren. Unten: Einspeisung der Elektronen über den Komplex II durch Oxidation von Succinat zu Fumarat. Auch hier werden die Elektronen über Coenzym Q, zum Komplex III und weiter über Cytochrom c zum Komplex IV transportiert, wo sie Sauerstoff (O2) zu Wasser reduzieren.
Übergeordnet
Elektronentransportkette
Aerobe Atmung
Oxidative Phosphorylierung
Untergeordnet
Atmungskette der Zellmembran
Atmungskette der Mitochondrienmembran
Gene Ontology
QuickGO
Übergeordnet
Zellmembran
Mitochondrienmembran
Untergeordnet
Komplex I
Komplex II
Komplex III
Komplex IV
Gene Ontology
QuickGO

Die Atmungskette ist ein Spezialfall einer Elektronentransportkette und bildet zusammen mit der Chemiosmosis den Prozess der oxidativen Phosphorylierung.

Netto läuft dabei die exergonische Oxidation von Wasserstoff zu Wasser ab. Durch NADH, FMNH2 und FADH2 angelieferte Elektronen werden mit Hilfe einer Reihe von Redoxvorgängen, die an der inneren Mitochondrienmembran ablaufen, dazu genutzt, aus ADP und Phosphat die universelle „Energiewährung“ der Zelle, ATP, zu synthetisieren (oxidative Phosphorylierung). Die an die Wasserstoff- und Elektronenüberträger NADH und FADH2 gebundenen Elektronen und der daran gebundene Wasserstoff entstammen dem Citratzyklus, dem Abbau der Fettsäuren und der Glykolyse.

Die Atmungskette gibt es sowohl bei Prokaryoten als auch in den Zellen höher entwickelter Lebewesen (Eukaryoten). Bei Eukaryoten befindet sich die Atmungskette in den Mitochondrien in der inneren Mitochondrienmembran, bei Prokaryoten in der Zellmembran.

Atmungskette als Elektronentransportkette

Elektronentransportketten bestehen aus einer Reihe hintereinander geschalteter Redox-Moleküle, die in der Lage sind, Elektronen aufzunehmen bzw. abzugeben. Über diese Kette werden Elektronen von höheren Energieniveaus auf niedrigere weitergegeben, sie fallen sozusagen in Stufen bergab, wobei die einzelnen Redox-Moleküle ein zunehmend niedriges Energieniveau haben. Bei Eukaryoten sind an der Reaktionskette nacheinander die Enzym-Komplexe I bis IV und die Wasserstoff- bzw. Elektronenüberträger Ubichinon (Coenzym Q) und Cytochrom c, die in die innere Mitochondrienmembran eingelagert sind, beteiligt. Die an der Elektronentransportkette beteiligten Proteine (Komplexe I–IV) sowie die Elektronenüberträger Ubichinon und Cytochrom c, bilden ein (komplexes) Redoxsystem.

Während des Elektronentransports auf niedrigere Energieniveaus werden Protonen (H+) aus der Matrix (dem Inneren) der Mitochondrien in den Intermembranraum (zwischen innerer und äußerer Mitochondrienmembran, siehe unten) transportiert. Dabei entsteht ein „elektrochemischer Protonengradient“ (zusammengesetzt aus dem Konzentrationsunterschied der Protonen und dem durch den Austransport der positiv geladenen Protonen erzeugten negativen Membranpotential im Inneren der Mitochondrien). Die Energie dieses „elektrochemischen Protonengradienten“ (proton motive force, „pmf“) wird nach der mittlerweile allgemein akzeptierten chemiosmotischen Theorie von Peter D. Mitchell von einer ATP-Synthase in der inneren Mitochondrienmembran dazu genutzt, ATP aus ADP und anorganischem Phosphat zu synthetisieren. Diese Phosphorylierung wird wegen der Kopplung an die Atmungskette Atmungskettenphosphorylierung oder oxidative Phosphorylierung (Abkürzung: Oxphos) genannt. Für die Gesamtausbeute an ATP spielt der Q-Zyklus eine wichtige Rolle.

Funktionen der Komplexe der Atmungskette

Ein Mitochondrium enthält außer seiner äußeren noch eine innere Membran. Den Raum zwischen diesen beiden Membranen nennt man Intermembranraum (perimitochondrialer Raum).
Vier der fünf Komplexe der Atmungskette durchspannen jeweils die innere Mitochondrienmembran vollständig, Komplex II hingegen endet „blind“. Es wird ein Protonengradient zwischen dem Intermembranraum und dem Inneren (Matrix) des Mitochondriums erzeugt, der dann in Komplex V zur Synthese von ATP genutzt wird.

Komplex I

NADH : Ubichinon–Oxidoreduktase oder NADH-Dehydrogenase. Dieser sehr große Enzymkomplex (940 kDa) reduziert mittels Reduktionsäquivalenten NADH, vor allem aus dem Citratcyclus, Ubichinon (UQ) zum Ubihydrochinon, auch Ubichinol (UQH2) genannt. Im Enzymkomplex werden flavinhaltige Nukleotide (FMN) sowie Eisen-Schwefel-Zentren als prosthetische Gruppen benötigt. Pro oxidiertem NADH+H+ werden netto vier Protonen in den Intermembranraum transportiert.

Komplex II

Succinat : Ubichinon–Oxidoreduktase oder Succinat-Dehydrogenase. Der Komplex II ist das Enzym Succinat-Dehydrogenase aus dem Citratcyclus. Bei der Reaktion im Citratcyclus wird Succinat zu Fumarat oxidiert. FAD liegt als prosthetische Gruppe im Enzym vor. Es überträgt seine Elektronen im Komplex II auf Ubichinon, das zu Ubihydrochinon reduziert wird. Auch Komplex II enthält Eisen-Schwefel-Zentren, wie Komplex I; allerdings werden keine Protonen in den Intermembranraum gepumpt.

Komplex III

Ubihydrochinon (Ubichinol) : Cytochrom c–Oxidoreduktase oder Cytochrom-c-Reduktase. Im Komplex III wird Ubichinol (Coenzym Q) oxidiert. Dabei werden in einem Q-Zyklus pro abgegebenem Elektron (vom Ubichinol) ein Molekül Cytochrom c reduziert und zwei Protonen (vom Ubichinol) in den Intermembranraum abgegeben. Durch den Q-Zyklus wird somit der Elektronentransfer von Ubichinon zu Cytochrom c mit einem transmembranen Protonentransport gekoppelt.

Da ein Ubichinol zwei Elektronen abgeben kann, werden letzten Endes pro Ubichinol- Molekül vier Protonen in den Intermembranraum freigesetzt, zwei Protonen aus der mitochondrialen Matrix (siehe Q-Zyklus) entfernt und zwei Cytochrom c reduziert.

Im Komplex III findet somit eine Umleitung von einem Zwei-Elektronen-Transporter (Ubichinol) auf einen Ein-Elektronen-Transporter (Cytochrom c) statt[1].

Komplex IV

Cytochrom c : O2–Oxidoreduktase oder Cytochrom-c-Oxidase. Im Komplex IV wird Cytochrom c oxidiert und Sauerstoff zu Wasser reduziert. Die dabei freigesetzte Energie wird genutzt um Protonen vom Matrixraum in den Intermembranraum zu pumpen.

Am Komplex IV wird Cytochrom c oxidiert und dabei ein Elektron auf den Komplex übertragen. Nach der sukzessiven Übertragung von vier Elektronen (e) kann ein gebundenes Sauerstoffmolekül zu zwei Wassermolekülen (H2O) reduziert werden. Die dabei benötigten vier Protonen (H+) werden aus der Matrix entzogen. Die bei der Reduktion von Sauerstoff zu Wasser frei werdende Energie wird vom Enzym genutzt um vier Protonen pro Sauerstoffmolekül von der Matrix über die innere Mitochondrienmembran in den Intermembranraum zu pumpen. Die Cytochrom c-Oxidase ist ein Transmembranprotein mit zwei Häm a Molekülen (Häm a und Häm a3) als prosthetische Gruppen und zwei Kupfer-Zentren (CuA und CuB) als Kofaktoren. Das Enzym ist für nahezu sämtlichen Sauerstoffverbrauch aller sauerstoffatmenden Organismen verantwortlich.

Hemmstoffe der Atmungskette

 
Oligomycin A, ein Makrolidantibiotikum, der die ATP-Synthase hemmt.

Es wurden eine Reihe von Hemmstoffen identifiziert, die die Elektronentransportkette an unterschiedlichen Stellen inhibiert:[2]

  • Rotenon und Amobarbital (Amytal) hemmen den Komplex I (NADH Oxidase). Da aber der Elektronentransfer von FADH2 an Komplex II nicht beeinflusst wird, kann die oxydative Phosphorylierung noch stattfinden.
  • Malonat hemmt den Komplex II (Succinat-Dehydrogenase).
  • Das Antibiotikum Antimycin A hemmt den Komplex III (Cytochrom c-Reduktase); es blockiert die Übertragung von Elektronen vom Coenzym Q auf Cytochrom c; die Komponenten der Atmungskette vor dem Wirkungsort von Antimycin A im Komplex III bleiben reduziert, alle dahinter, bleiben oxidiert. Dadurch wird der Verbrauch von Sauerstoff an Komplex IV und die Synthese von ATP im Komplex V gehemmt.
  • Cyanide, Azide und Kohlenmonoxid hemmen den Komplex IV (Cytochrom c-Oxidase); diese Moleküle blockieren die Bindungsstelle für Sauerstoff. Infolgedessen führt dies zu einem Elektronenstau, wodurch die Komponenten der Atmungskette vollständig reduziert vorliegen und die Atmungskette zum Erliegen kommt.
  • das Antibiotikum Oligomycin hemmt die ATP-Synthase durch Binden an deren Steg (Fo-Teil), wodurch der Protonengradient wesentlich langsamer abgebaut wird. Infolgedessen nimmt der Elektronenfluss zum Erhalt dieses Gradienten deutlich ab und der Sauerstoffverbrauch sinkt. Oligomycin dient auch als Entkoppler.

Alle bisher angesprochenen Hemmstoffe der Atmungskette führen zu einem verminderten Sauerstoffverbrauch. Anders verhalten sich Hemmstoffe, die als Entkoppler bezeichnet werden.

Entkoppler der Atmungskette

Entkoppler (Protonophore) bauen das mitochondriale Membranpotential (Protonengradient) ab. Damit unterbrechen sie die Verknüpfung von Oxidation und Phosphorylierung. Dies hat zur Folge, dass der Elektronentransport und die Funktionsweise der Komplexe I bis IV vollständig abläuft, der bei diesem Prozess aufgebaute Protonengradient aber durch den Entkoppler aufgehoben wird. Damit kann keine Synthese von ATP erfolgen. Dadurch, dass Protonen nicht mehr gegen einen elektrochemischen Gradienten transloziert werden müssen, laufen die Oxidationsschritte in den Komplexen I bis IV viel schneller ab. Dies führt gleichzeitig zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch.

 
FCCP, ein künstlicher Entkoppler der Atmungskette
  • natürliche Entkoppler:
  • künstliche Entkoppler:
    • 2,4-Dinitrophenol ist eine schwache Säure. Sie wird über der inneren Mitochondrienmembran aufgrund des reichen Vorkommens von H+-Ionen (niedriger pH) protoniert, kann dann die Membran passieren und wird intramitochondrial (höherer pH) deprotoniert.
    • Carbonylcyanid-m-chlorophenylhydrazon (CCCP)
    • Carbonylcyanid-p-trifluoromethoxyphenylhydrazon (FCCP)

Literatur

  • Saraste, M. (1999). Oxidative phosphorylation at the fin de siecle. In: Science. Bd. 283, Nr. 5407, S. 1488-1493. PMID 10066163
  • Löffler, Petrides: Biochemie des Menschen, 7. Aufl
  • Jassal / reactome: Electron Transport Chain

Einzelnachweise

  1. Berg J.M., Tymoczko J.L., Stryer L.: Biochemie, Spektrum- Verlag, 2007, 6. Auflage
  2. Todd A. Swanson, Sandra I. Kim und Marc J. Glucksman: BRS Biochemistry, Molecular Biology, and Genetics. Lippincott Raven; 5. Auflage 2010; ISBN 978-0781798754; S. 89