Leichensynode

kirchlicher Schauprozess im Jahr 897
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. März 2004 um 14:49 Uhr durch Robert Huber (Diskussion | Beiträge) (Erweiterung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die sogenannte Leichensynode in Rom im Januar 897 war ein Gerichtsprozess, zu dem Papst Stephan VI. die Leiche seines Vorvorgängers Formosus exhumieren und diesen post mortem wegen angeblicher Missbräuche während seiner Amtsführung verurteilen ließ. Das makabere Schauspiel stellt einen der Tiefpunkte in der Geschichte des Papsttums dar.

Hintergrund waren die Machtkämpfe römischer Adelsfamilien, die jeweils einen Angehörigen der eigenen Sippe auf den Papstthron zu heben versuchten. Bei der Ausschaltung von Amtsinhabern der Gegenpartei schreckte man regelmäßig auch vor Mord nicht zurück, so daß die Pontifikate in dieser Zeit meist nur kurz waren und sich ihre Geschichte wie ein Kriminalroman liest.

Formosus war bei seinem Tod um die 80. Er hatte zunächst statt eines Frankenkönigs die Grafen von Spoleto zu Kaisern gekrönt, allerdings wurden diese bald darauf so mächtig, dass Formosus den deutschen König Arnulf von Kärnten zu Hilfe rief. Dieser eroberte Rom und wurde 896 selbst Kaiser. Nachdem Formosus kurz darauf am 4. April starb, wurde Bonifatius VI. für zwei Wochen sein Nachfolger. Als danach der spoletofreundliche Stephan VI. im Januar 897 Papst geworden war, ließ er in einem Schauprozeß die halbverweste Leiche seines Vorvorgängers aus der Gruft holen und mit den päpstlichen Gewändern bekleidet auf den Thron setzen und und wegen Meineid und Ursurpation verurteilen. Außerdem kam es dabei zur Annullierung der Amtshandlungen von Formosus und der von ihm gespendeten Weihen. Dem Leichnam wurden wegen Meineides die Schwurfinger amputiert und er wurde in den Tiber geworfen.

Noch im selben Jahr 897 hob Stephans Nachfolger Theodor II. die Beschlüsse der Leichensynode wieder auf. Später wurde jedoch unter Sergius III. (Papst ab 904), einem Angehörigen der Partei Stephans VI., die Verfolgung der Partei des Formosus erneut betrieben.