Leib-Seele-Problem

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Das Leib-Seele-Problem (auch Körper-Geist-Problem, Dualismus-Debatte u.ä.) ist ein klassisches Problem der abendländischen Philosophie. Im Kern geht es um Fragen, die sich seit der griechischen Antike im Abendland vorherrschenden Auffassung, der Mensch habe einen Körper und eine Seele, ergeben.

Das Leib-Seele-Problem stellt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen körperlichen (Leib, Körper) und geistigen Vorgängen (Geist, Denken, Seele, Bewusstsein).

Die Grundfragen sind dabei folgende:

  • Wie kommt die Welt in unseren Kopf?
  • Wie wird ein Gedanke zur Tat?
  • Existiert unser Geist (oder unsere Seele) auch unabhängig von unserem Gehirn?
  • Gibt es eine eigenständige mentale Substanz = Geist?
  • Ist Geist nur die Information, die in unserem Gehirn aufgenommen,gespeichert, verarbeitet und ausgegeben wird?

Im Laufe der Debatte haben sich drei Grundpositionen herausgebildet:

  • Der Idealismus meint, die physikalische Welt um uns herum sei nur eine geistige Vorstellung und existiere nur in unseren Köpfen.
  • Der Dualismus meint, Geist und Materie seien zwei verschiedene Substanzen, die an bestimmten Stellen miteinander kommunizieren können.
  • Der Materialismus (oder auch Physikalismus, Monismus) meint, es gebe nur Materie und Energie. Geist sei keine eigenständige Substanz, sondern nur eine Eigenschaft von Materie und Energie.

Seit die Biologie, v.a. die Neurobiologie im 20. Jhd. begann, sich mit ähnlichen Fragen zu beschäftigen, gibt es eine lebhafte Debatte zwischen Philosophen und Neurobiologen.

Eine häufig gebrauchte Metapher zur Veranschaulichung des Problems ist die von Software und Hardware im Computer. Allerdings hat diese Methapher ihre Grenzen.

Relevante Wissenschaftsgebiete

Philosophie

Rene Descartes hat das Leib-Seele-Problem in der neuzeitlichen Philosophie aufgeworfen, indem er zwar den dualistischen Standpunkt vertrat, dass es zwei Substanzen gibt - res extensa (Materie) und res cogitans (Bewusstsein) nämlich. Aus empirischen Gründen sah er sich jedoch zur Annahme einer Wechselwirkung zwischen beiden genötigt.

Die gegenseitige Beeinflussung findet seiner Meinung nach nicht direkt statt, sondern durch die Vermittlung eines feinen, stoffartigen Fludiums, der Lebensgeister (spiritus animales) nämlich, die sich in den Nervenbahnen bewegen und die der Seele Stöße erteilen oder von ihr solche empfangen. Eine wichtige Rolle spielt für Descartes in diesem Zusammenhang auch die Zirbeldrüse: Descartes hielt sie für die Schnittstelle zwischen Materie und Geist.

Diese "Brücke", die Descartes vom Leib zur Seele schlug, rief jedoch schon bald Kritiker auf den Plan, die nach alternativen Erklärungen suchten. Die philosophiegeschichtlich ersten waren die Okkasionalisten Arnold Geulincx und Nicholas Malebranche. Sie lehrten, daß Gott bei der Gelegenheit (occasio) menschlicher Empfindung wie menschlicher Handlung die Kluft zwischen Leib und Seele überbrückt. Beide sind dabei von der Unmöglichkeit einer Wechselwirkung zwichen Leib und Seele überzeugt, da Leib und Seele völlig heterogene Substanzen seien. lehren, daß Gott bei der Gelegenheit (occasio) menschlicher Empfindung wie menschlicher Handlung die Kluft zwischen Leib und Seele überbrückt. Malebranche spricht von "assistentia supernaturalis". Beide sind dabei von der Unmöglichkeit einer Wechselwirkung zwichen Leib und Seele überzeugt, da Leib und Seele völlig heterogene Substanzen seien.

Spinoza erarbeitete mit seiner Theorie vom psychophysischen Parallelismus einen weiteren Lösungsansatz zur Lösung der Probleme des cartesianischen Dualismus. Dazu bediente er sich einer vollständig einheitlichen Deduktion nicht nur aller materiellen, sondern auch aller geistigen Erscheinungen. Der Kernbegriff in Spinozas Theorie ist dabei derjenige der Substanz; aus ihr leitet er sein ganzes philosophisches Lehrgebäude ab. Die seelischen und die körperlichen Vorgänge sind dieselben Vorgänge an der Substanz - einerseits unter dem Attribut der Ausdehnung, andererseits unter dem Attribut des Denkens. Für sich betrachtet stellen einerseits seelische, andererseits körperliche Vorgänge nach Spinozas Ansicht in sich geschlossene Reihen dar, die völlig voneinander isoliert parallell laufen.

In Leibniz´ Lehre von der prästabilierten Harmonie ist das individuelle Bewusstsein die fundamentale Element. Leibniz nennt sie Monade (griech. monas). Sie ist stets mit einem Organismus verbunden, dessen Seele sie darstellt.

Ludwig Feuerbach meint, das Leib-Seele-Problem aufheben zu können, indem er herausstellt, dass dieses Problem ja allererst durch eine künstliche Isolierung von Körper und Seele zustande gekommen sei.

Für Friedrich Nietzsche ist der Leib das Primäre: "Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe. Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Herde und ein Hirt. Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du 'Geist' nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen Vernunft. 'Ich' sagst du und bist stolz auf dies Wort. Aber das Größere ist - woran du nicht glauben willst - dein Leib und seine große Vernunft: die sagt nicht Ich, aber tut Ich."

Pierre Teilhard de Chardin meint, dass das Bewusstsein in der Materie angelegt ist und dass es aber erst durch die Evolution der Lebensformen in steigendem Maße zur Entfaltung kommt.

Für Vertreter der analytischen Philosophie sind viele Probleme der klassischen Philosophie, insbesondere der Metaphysik, auf verfehlten Sprachgebrauch zurück zu führen. Das gilt auch für das Leib-Seele-Problem, das nach ihrer Ansicht auf einem Kategorienfehler beruht.

Biologie

Psychologie

Pharmakologie

Viele chemische Stoffe können direkt in die Abläufe unseres Gehirns eingreifen und damit auch unser Denken beeinflussen. Die Forschungen auf diesem Gebiet haben neue Einsichten in das Verhältnis zwischen Körper und Geist gebracht. Auch die Untersuchung von Drogen zeigt die enge Wechselwirkungen von Chemie und Denkinhalten. Stoffe die direkt unser Gehirn beeinflussen können sind zb Coffein, Schokolade, Zucker, Alkohol, Antidepressiva, Schlafmittel, Schmerzmittel, Cannabis, Antipsychotika , Lithium , L-Dopa Testosteron, Thyroxin , Östrogene, Adrenalin

Medizin

  • Eine programmatische Aussage der Neurologie und Psychiatrie des 19.Jahrhunderts war: Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten!
  • Durch die Arbeit der Medizin wurden die Geisteskrankheiten entmystifiziert, systematisch untersuchbar und teilweise auch behandelbar gemacht.
  • Ein herausragender Vertreter der klinischen Neurologie, der sich intensiv mit der Wechselwirkung zwischen Geist und Gehirn befasst hat ist Damasio. Eines seiner Hauptarbeitsgebiete ist die direkte Korrelation von morphologischen Ausfällen im CT und NMR mit den funktionellen Ausfällen bei den betroffenen Patienten.

Literatur

Einführungen in das Problem

  • Putnam, Hilary: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Vorwort und Kapitel 1 "Gehirne im Tank". Wer auch immer meinte, dass Matrix (Film) die Sache erfunden hätte, kann hier mal nachlesen. Putnams Denkexperiment ist inzwischen ein Klassiker in der philosophischen Debatte.

Originaltexte für wissenschaftlich interessierte Anfänger

  • Brentano, Franz: Psychologie vom empirischen Standpunkt (Tipp: 1. Band, 2. Buch, 1. Kapitel, § 5)
  • Descartes, René: Die Prinzipien der Philosophie (Tipp: 1. Teil, §§ 1-11)
  • Descartes, René: Descours de la methode (Tipp: 5. Teil §§9-12)
  • Davidson, Donald: Der Materielle Geist. In: Davidson: Handlung und Erkenntnis
  • Davidson, Donald: Geistige Ereignisse. Aufsatz in Bieri, P.: Analytische Philosophie des Geistes
  • Feyerabend, Paul: Mentale Ereignisse und das Gehirn. Aufsatz in Bieri, P.: Analytische Philosophie des Geistes
  • Nagel, Thomas: Wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Aufsatz in Bieri, P.: Analytische Philosophie des Geistes
  • Rorty, Richard: Leib-Seele-Identität, Privatheit und Kategorie. Aufsatz in Bieri, P.: Analytische Philosophie des Geistes
  • Ryle, Gilbert: Der Begriff des Geistes. (Tipp: Kapitel 1: "Descartes' Mythos" + Kapitel 5: "Dispositionen und Ereignisse")

Sonstige

  • Hastedt Heiner: Das Leib-Seele Problem. Suhrkamp, 1988.
  • Seifert, Josef: Das Leib-Seele Problem in der gegenwärtigen philosophischen Diskussion. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1979.
  • Reinhard Breuer: Das Rätsel von Leib und Seele; über das Verhältnis von Geist u. Körper. Aus der Reihe »Bild der Wissenschaft«.
  • Bartuschat, W. (1992). Spinozas Theorie des Menschen. Hamburg: Felix Meiner Verlag.
  • Damasio, A. (1997). Descartes' Irrtum. München-Leipzig: List Verlag.
  • Deleuze Gilles (1988). Spinoza. Berlin: Merve Verlag.
  • Popper, K. & Eccles, J. (1989). Das Ich und sein Gehirn. Piper Verlag.
  • Ryle, G. (1969). Der Begriff des Geistes. Ditzingen: Reclam.
  • Searle John: Geist, Gehirn und Wissenschaft, Surkamp-Taschenbuch, 1986
  • Edelman, G. & Tononi, G. (2002). Gehirn und Geist; Wie aus Materie Bewusstsein entsteht. München: Verlag C.H. Beck.
  • Metzinger, Th. (Hrsg.)(1996). Bewusstsein. Beiträge aus der Gegenwartsphilosophie (3. Auflage). Paderborn-München-Wien-Zürich: Ferdinand Schöningh Verlag.
  • Schnabel, U. & Senkter, A. (2002). Wie kommt die Welt in den Kopf. Frankfurt: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Siehe auch: