Zum Inhalt springen

Operation Neptune Spear

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Mai 2011 um 22:30 Uhr durch Kopilot (Diskussion | Beiträge) (Reaktionen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Anwesen bin Ladens

Operation Neptune’s Spear (auch bekannt als Operation Neptune Spear, Abbottabad Operation und Operation Geronimo) war ein US-amerikanischer Militäreinsatz in Pakistan am 2. Mai 2011, bei dem Osama bin Laden, der Anführer des Terrornetzwerks al-Qaida, getötet wurde.

Begriff

Dreizack-Abzeichen der SEALs

Die Aktion wird offiziell als Operation Neptune’s Spear (manchmal auch Operation Neptune Spear) bezeichnet und bezieht sich damit auf den Dreizack des Meeresgottes Neptun, der auch im Emblem der United States Naval Special Warfare Command erscheint. In der Presse erschien zunächst als ihr Codename „Geronimo“.[1] Wahrscheinlich war dies jedoch der Codename für Bin Laden selbst, da seine Tötung mit dem Funkruf „Geronimo EKIA!“ (EKIA = Enemy Killed In Action: „Feind im Kampf getötet“) durchgegeben worden sein soll.[2]

Vertreter der indigenen Bevölkerung Nordamerikas kritisierten, dass dieses Codewort den Terroristen Bin Laden mit dem indianischen Stammesführer Geronimo verglich.[3]

Vorbereitung

2006 gaben die US-Behörden auf, Spuren von Zeugenaussagen zu verfolgen, die angeblich Bin Laden oder ihm ähnelnde Personen gesehen hatten, weil dies keine Ergebnisse gebracht hatte. Sie konzentrierten sich stattdessen nun auf Personen, die als Vertraute oder Kuriere Bin Ladens galten oder enttarnt werden konnten.

2007 erfuhren US-Geheimdienstler durch Aussagen von Gefangenen in Guantanamo Bay erstmals den Namen eines möglichen persönlichen Kuriers für Bin Laden: Abu Ahmad al-Kuwaiti. Die danach befragten hochrangigen al-Qaida-Mitglieder Abu Faradsch al-Libi und Khalid Shaikh Mohammed, der als Hauptplaner der Terroranschläge am 11. September 2001 gilt, bestritten jedoch, diesen Namen zu kennen. Dieser Widerspruch verstärkte die Annahme der Verfolger, es könne sich um einen persönlichen Vertrauten Bin Ladens handeln.[4]

Zunächst fanden sie aber seinen Wohnort nicht heraus. Dies gelang ihnen erst im August 2010, indem sie seine Kontaktpersonen überwacht, ein Telefonat mit ihm abgehört hatten und ihm bis Abbottabad etwa 50 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Islamabad zu Bin Ladens Haus gefolgt waren. Dessen Größe und Abschirmung ließ sie vermuten, dass dort jemand von al-Qaidas Führungspersonen wohnen müsse.

Bis Februar 2011 sammelten sie Indizien für die Annahme, Bin Laden halte sich dort auf, und begannen dann, mögliche Aktionspläne auszuarbeiten.

Am 14. und 29. März sowie am 12., 19. und 28. April 2011 traf sich das National Security Council mit US-Präsident Barack Obama, um die Aktionsmöglichkeiten zu beraten. Dabei entschied sich Obama gegen eine Bombardierung des Areals oder einen gemeinsamen polizeilichen Zugriff mit Pakistans Sicherheitskräften auf dessen Bewohner und für einen nur von US-Soldaten durchgeführten heimlichen Bodenangriff zur gezielten Ausschaltung Bin Ladens. Dieser Plan war als am gefährlichsten eingestuft worden.

Am 29. April ordnete Obama die Durchführung dieses Plans am 1. Mai an. Dabei bestand keine Sicherheit, sondern nur eine auf 55% geschätzte Wahrscheinlichkeit, dass sich Bin Laden tatsächlich in dem Haus aufhalten würde.[5]

Verlauf

Das United States Joint Special Operations Command leitete die Operation, die Kräfte des Team Red der United States Naval Special Warfare Development Group (DEVGRU) in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 2011 durchführten. Ihren Lufttransport übernahm das 160th Special Operations Aviation Regiment (Airborne).[6][7][8] Insgesamt waren 79 Soldaten und ein Diensthund beteiligt.[9]

Die Einsatzkräfte wurden mit vier Hubschraubern, zwei MH-47 Chinook und zwei modifizierten MH-60 „Black Hawk“, in das Einsatzgebiet geflogen. Die MH-47 wurden auf Abruf in der Nähe von Bin Ladens Anwesen gelandet, die zwei anderen Hubschrauber flogen das Gebäude an.[10] Ein Black Hawk prallte aufgrund eines technischen Defekts beim Anflug gegen eine Umfassungsmauer und musste notlanden. Er wurde von den Einsatzkräften zurückgelassen und gesprengt.[11] Anhand von Fotografien seines intakten Heckrotors berichteten Experten der Helikopterindustrie, es handele sich um einen unbekannten, nichtöffentlich umgebauten Black Hawk mit Tarnkappentechnik. Damit wird erklärt, dass der Anflug durch Pakistan gelang, ohne dass dessen Luftabwehr ihn bemerkte.[12]

Jeder der beiden Helikopter war mit etwa 24 Mann besetzt. Diese Zugriffsteams[13] wurde mit Hilfe von Fast-Roping aus den Black Hawks abgesetzt, sprengte Breschen in die Mauern und stürmte auf zwei Gebäude im Innenhof zu. Die Soldaten teilten sich in zwei Gruppen auf. Abu Ahmad al-Kuwaiti hielt sich im Erdgeschoss eines Nebengebäudes auf und schoss hinter einer Tür hervor auf die erste Gruppe, als diese in das Gebäude eindrang. Er war, wie sich im Nachhinein herausstellte, der einzige Bewaffnete auf dem Anwesen.[14]

Der zweite Teil der Gruppe stürmte das Hauptgebäude. Im Treppenhaus erschossen die Soldaten den Bruder des getöteten Schützen aus dem Nebengebäude, der die Hand verdächtig hinter dem Rücken hielt, sich aber als unbewaffnet herausstellte.[15] Auch ein Sohn bin Ladens wurde erschossen,[16][17] als er die Treppe hinunter auf die Soldaten zurannte. Auch er soll nicht bewaffnet gewesen sein.[18]

Osama bin Laden befand sich zusammen mit seiner jüngsten Ehefrau und einer Tochter in einem Raum im zweiten Stock. Entgegen ersten Angaben, wonach er sich am Feuergefecht beteiligt und seine Frau als Schutzschild benutzt habe, soll er unbewaffnet gewesen sein. Jedoch hätten sich ein Maschinengewehr und eine Pistole in seiner Nähe befunden und er habe keine Anzeichen von Ergebung gezeigt. Daraufhin sei er durch zwei Schüsse, je einen in Kopf und Brust, getötet worden. Seine Frau soll auf die Soldaten zugerannt und von diesen ins Bein geschossen worden sein. Keiner der beteiligten Soldaten sei verletzt worden. Obama habe im Vorfeld gemahnt, dass ihre Sicherheit Vorrang habe: Sie sollten Bin Laden keine Gelegenheit zu tödlichen Schüssen geben.[19]

Laut CIA-Direktor Leon Panetta waren Bargeld im Wert von 500 Euro sowie zwei Telefonnummern in Bin Ladens Kleidung eingenäht: Dies deute auf seine Fluchtbereitschaft hin.[20]

Insgesamt töteten die US-Soldaten fünf Personen in dem Anwesen. Die übrigen 17 Personen, darunter zwei weitere Witwen, zwei Söhne, eine Tochter und vier Enkelkinder Bin Ladens, ließen sie gefesselt zurück. Diese wurden später von pakistanischen Polizisten verhaftet.[21] Die ganze Operation dauerte rund 40 Minuten.

Der Nationale Sicherheitsrat verfolgt die Operation im Situation Room des Weißen Hauses.

Die Aktion wurde mit Helmkameras der beteiligten Soldaten über Satellit direkt in das Weiße Haus übertragen. Neben Obama beobachteten Vizepräsident Joe Biden, Außenministerin Hillary Clinton, Verteidigungsminister Robert Gates, Admiral Michael G. Mullen, der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff und Brigadegeneral Marshall B. Webb, der stellvertretenden Kommandeur des United States Joint Special Operations Command, den Einsatz. Entgegen ersten Meldungen empfingen sie aber keine Live-Bilder von der Erstürmung des Hauses und Tötung Bin Ladens, hörten aber den Funkruf EKIA.[22]

Alarmierte pakistanische Kampfflugzeuge trafen erst nach dem Abzug der US-Soldaten in Abbottabad ein. Bin Ladens Leiche wurde nach US-Regierungsangaben nach Afghanistan ausgeflogen, wo eine DNA-Analyse und deren Vergleich mit DNA-Material seiner in den USA verstorbenen Schwester seine Identität bestätigt habe.[23] Die Leiche wurde von Bord des Flugzeugträgers USS Carl Vinson aus an unbekannter Stelle im Arabischen Meer bestattet.

Fernsehansprache von US-Präsident Obama zur Tötung Bin Ladens, 1. Mai 2011, ab 23:35 Uhr (Ortszeit)

Reaktionen

Gegen 22:45 verbreiteten US-Medien die durchgesickerte Todesnachricht. Um 23:35 hielt Obama eine angekündigte TV-Rede an die Nation und gab Bin Ladens Tötung bekannt. Diese löste besonders in den USA weithin Jubel, Erleichterung und Lob für Obama,[24] aber auch Warnungen vor Racheakten aus.[25]

Spontane Demonstration am Ground Zero

Das Vorgehen der USA wurde international diskutiert. Vielfach, etwa in den USA, Pakistan und Deutschland, aber auch seitens einiger Angehöriger Bin Ladens, wurde in Frage gestellt, dass der Einsatz mit dem Völkerrecht und Rechtsstaatlichkeit vereinbar sei. Viele Medienkommentare gingen von einer gezielten Tötung aus[26] und kritisierten, dass Bin Laden damit das Recht auf einen Strafprozess genommen wurde.[27] Auch der Umgang mit dem Leichnam fand Kritik.[28]

Darauf reagierte die US-Regierung am 4. Mai mit einer Erklärung:[29]

„Das Team hatte die Autorität, Osama bin Laden zu töten, außer wenn anbot, sich zu ergeben. In diesem Fall war das Team gehalten, diese Aufgabe anzunehmen, falls es dies sicher tun konnte. Die Operation wurde in einer Weise ausgeführt, die ganz mit den Gesetzen des Krieges übereinstimmte. Die Operation war geplant, so dass das Team auf eine Festnahme Bin Ladens vorbereitet und dafür ausgerüstet war.
Ohne Frage war diese Operation legal. Bin Laden war der Führer von Al Qaeda, der Organisation, die die Anschläge des 11. September 2001 ausführte, und Al Qaeda und Bin Laden selbst haben weiterhin Anschläge gegen die Vereinigten Staaten geplant. Wir handelten zur Selbstverteidigung der Nation. Die Operation wurde auf eine Weise durchgeführt, die mögliche zivile Opfer vermindern und gänzlich vermeiden sollte. Und ich darf ergänzen, dies wurde mit großem Risiko für Amerikaner getan.
Zudem wäre Bin Ladens Aufgabe übereinstimmend mit den Kriegsgesetzen akzeptiert worden, wenn dies machbar gewesen wäre.“

Siehe auch

Commons: Tod Osama bin Ladens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Fotogallerie des Guardian.uk, etwa eine Stunde nach dem Einsatz fotografiert

Einzelnachweise

  1. For God and Country Geronimo, Geronimo, Geromimo, Meldung von CBN vom 3. Mai 2011, abgerufen am 5. Mai 2011
  2. Geronimo EKIA: Magic words that Obama was waiting to hear, Indo Asian News Service (IANS) – Yahoo! News vom 3. Mai 2011
  3. Indianer sprechen von Verunglimpfung: Kritik am Codenamen „Geronimo“ für den Tod bin Ladens, RP Online vom 4. Mai 2011
  4. New York Times, 5. Mai 2011: Abu Ahmed al-Kuwaiti
  5. New York Times, 2. Mai 2011: Timeline: The Intelligence Work Behind Bin Laden’s Death
  6. Michael Cass: Obama thanks troops at Fort Campbell. In: Military Times. 6. Mai 2011, abgerufen am 7. Mai 2011 (englisch).
  7. Sean D. Naylor: SEALs in bin Laden raid drawn from Red Squadron. In: Marine Corps Times. 5. Mai 2011, abgerufen am 7. Mai 2011 (englisch).
  8. David Crane: Osama Bin Laden (OBL) Shot DEAD via Double-Tap to the Head in Firefight with U.S. Strike Team (U.S. Navy DEVGRU Spec-Operators) During Direct Action (DA) Mission on „Huge Compound“ Deep inside Pakistan. Confirmed. Defense Review, 1. Mai 2011, abgerufen am 3. Mai 2011.
  9. New York Times, 3. Mai 2011: Obama Calls World ‘Safer’ After Pakistan Raid
  10. Inside the Osama bin Laden Strike: How America Got Its Man, TIME vom 3. Mai 2011.
  11. Detective Work on Courier Led to Breakthrough on Bin Laden www.nytimes.com
  12. Christopher Drew (New York Times, 5. Mai 2011): Attack on Bin Laden Used Stealthy Helicopter That Had Been a Secret
  13. ABC News: Navy SEALs Who Captured, Killed Osama Bin Laden Return to United States, […] When the 24 SEALs arrived by helicopter …, abgerufen am 8. Mai 2011
  14. Mark Landler, Mark Mazetti (New York Times, 4. Mai 2011): Account Tells of One-Sided Battle in Bin Laden Raid
  15. http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/jagd_auf_bin_ladin_1.10505600.html
  16. http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/jagd_auf_bin_ladin_1.10505600.html
  17. http://www.guardian.co.uk/world/2011/may/04/osama-bin-laden-killing-us-story-change
  18. http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=8019902/1iytji9/
  19. Mark Landler, Mark Mazetti (New York Times, 3. Mai 2011): New U.S. Account Says Bin Laden Was Unarmed During Raid
  20. Stern.de, 4. Mai 2011: US-Einsatz gegen bin Laden: Osama war auf Flucht vorbereitet
  21. Hasnain Kazim (Der Spiegel, 7. Mai 2011): Bin Ladens Leben in Pakistan: Was die junge Witwe aussagt
  22. Obama sah Todesschüsse nicht live, Welt Online vom 5. Mai 2011.
  23. Report: DNA At Mass. General Confirms bin Laden’s Death, WCVB Boston, 2. Mai 2011.
  24. Entschlossenes Zugreifen wird Obama hoch angerechnet, NZZ vom 4. Mai 2011, abgerufen am 5. Mai 2011.
  25. Terror: US-Spezialkräfte töten Osama Bin Laden, Spiegel Online vom 2. Mai 2011; Interpol sieht nach Tod Bin Ladens erhöhte Terrorgefahr, stern.de
  26. „War dies ein Tod im Gefecht – oder tatsächlich in jeder Hinsicht eine Exekution?“ laut Time, zitiert nach Frankfurter Rundschau (online)
  27. NZZ (online)
  28. sueddeutsche.de (2. Mai 2011)
  29. Robert Mackey, Elizabeth A. Harris (New York Times, 5. Mai 2011): Updates on the Killing of Bin Laden

Koordinaten: 34° 10′ 9,7″ N, 73° 14′ 33,1″ O