Gilbert Ryle (*19. August 1900 in Brighton - † 6. Oktober 1976 in Oxford) war einer der einflussreichsten britischen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Ryle gilt zusammen mit John Langshaw Austin als Hauptvertreter der Ordinary Language Philosophy oder Philosophie der normalen Sprache, die einen Hauptzweig der Analytischen Philosophie darstellt. In der Tradition von G.E. Moore und Ludwig Wittgenstein wird hier versucht, unter Rückgang auf den alltäglichen oder normalen Sprachgebrauch philosophische Probleme durch Sprach- bzw. Begriffsanalyse zu klären.
The Concept of Mind
Ryles Hauptwerk The Concept of Mind (übersetzt als „Der Begriff des Geistes“), wurde 1949 veröffentlicht. In ihm wird die These entwickelt, dass die Philosophie seit René Descartes von dem Mythos eines „Gespenst in der Maschine“ gefangen sei. Damit meinte Ryle die Vorstellung von einem Geist (oder einer Seele), nach der Geist (wie die Seele) als vom physischen Körper verschieden gedacht wird. Die von Ryle pointiert so formulierte Annahme eines Gespensts in der Maschine ist der Kern der philosophischen Position, die von ihm als „offizielle Lehre“ bezeichnet wird.
Diese offizielle Lehre führt laut Ryle zu unüberwindlichen Schwierigkeiten: Wäre sie wahr, so könnte niemand wissen, ob in einem anderen auch ein Geist vorhanden ist. Es wäre auch nicht verständlich, wie ein immaterieller Geist mit einer materiellen Umwelt interagieren sollte. Schließlich ist nicht klar, wie ein nicht-räumlicher Geist sich in einem körperlichen (also räumlichen) Objekt befinden könnte.
Im Gegensatz zur offiziellen Lehre schlug Ryle vor, mentale Zustände konzeptuell als Verhaltensdispositionen aufzufassen. Er vertrat damit einen philosophischen Behaviorismus. Dieser unterschied sich jedoch von dem einiger Vertreter des Positivismus wie Rudolf Carnap oder Carl Gustav Hempel, die davon ausgingen, dass Sätze über mentale Zustände durch Sätze über Verhalten ersetzt werden können.
Kategorienfehler
In The Concept of Mind findet sich auch die klassische Formulierung der Idee des Kategorienfehlers. Ein solcher liegt nach Ryle dann vor, wenn man in Aussagen Begriffe unterschiedlicher Kategorien gleich auffasst, also ihre Unterschiedlichkeit nicht beachtet.
Ryles bekanntestes Beispiel für einen Kategorienfehler lautet wie folgt: Zu sagen, dass eine Mannschaft in ein Stadion einläuft, bedeutet, dass die einzelnen Spieler dieser Mannschaft ins Stadion einlaufen. Es wäre unsinnig anzunehmen, dass zusätzlich zu den Spielern auch noch eine "Mannschaft" auf das Spielfeld kommt. Dies anzunehmen würde voraussetzen, den Begriff "Mannschaft" genauso aufzufassen und damit in dieselbe Kategorie einzuordnen wie den Begriff "Spieler".
Laut Ryle begeht auch die offizielle Lehre einen Kategorienfehler. Sie nimmt an, dass die Begriffe Geist und Körper derselben Kategorie angehören. Dabei stünden die beiden Begriffe in demselben Verhältnis zueinander wie die Begriffe Spieler und Mannschaft. Aufgrund dieses Kategorienfehlers versuchen wir gewöhnlich auch Geist und Körper gleich zu verstehen, was zu der Konsequenz verleitet, nach einem Geist zu suchen: das wäre so wie neben den Spielern auch noch nach ihrer Mannschaft Ausschau zu halten.
Wirkung
Das Werk Ryles dominierte die Philosophie des Geistes in den fünfziger Jahren. Mit dem Niedergang des psychologischen Behaviorismus und der beginnenden kognitiven Revolution in den Lebenswissenschaften wurde jedoch auch der philosophische Behaviorismus Ryles zunehmend unpopulär. Seine Thesen wurden zunächst durch die Identitätstheorie und später durch den Funktionalismus verdrängt. Allerdings gibt es auch heute noch Philosophen, die der Meinung sind, dass die Identifiaktion von mentalen Zuständen mit neuronalen oder funktionalen Zuständen ein Kategoriemfehler sei. Für diese Annahme spricht, dass auch die heute populäre Identitätstheorie (Geist gleich Gehirnprozesse) das Leib-Seele-Problem nicht gelöst hat und nicht schlüssig erklären kann, wieso "geistige" Begriffe wie "sich erinnern" sich offensichtlich nicht auf Gehirnprozesse, sondern auf "geistiges Erleben" beziehen und nicht auf eine physikalische (körperliche) Ebene reduziert werden können.
Literatur
Primär
- The Concept of Mind, Chicago, 1949 (dt. Der Begriff des Geistes )
- Dilemmas , Cambridge, 1954
- Plato's Progess, Cambridge, 1966
- Collected Papers , Hutchinson, 1971
Sekundär
- William Lyons, Gilbert Ryle: An Introduction to His Philosophy, Humanities Press, 1980.
- Eike von Savigny: Die Philosophie der normalen Sprache , Suhrkamp, Ffm. 1993
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Ryle, Gilbert |
GEBURTSDATUM | 1900 |
STERBEDATUM | 1976 |