Gartengestaltung ist eine wichtige Komponente der traditionellen chinesischen Kunst und läßt sich bis 3000 v. Chr. zurückverfolgen. Anders als die Gartenanlagen, die im Alten Ägypten und im Vorderen Orient entstanden, stand hier nicht die Pflanze im Vordergrund. Chinesische Gärten sind vielmehr als Abbild eines idealen Universums konzipiert, deren wesentliche Bestandteile künstlich angelegte Seen und Hügel, ungewöhnlich geformte Vegetation und Steine waren.
Merkmale des chinesischen Gartens
Zielsetzung
Die traditionelle sinnbildliche chinesische Landschaftsmalerei und die Kunst der Gartengestaltung stehen in äußerst enger Beziehung zueinander. Im Unterschied zum europäischen Garten, der erst im 18. Jahrhundert mit der Malerei in Verbindung trat, haben sich in China Malerei und Gartenkunst parallel entwickelt. Auch die Gedankenwelt der Dichtung sowie die Entwicklung der Architektur, Dramatik, Kalligraphie und Bildhauerei hat den chinesischen Garten beeinflußt.
Ziel der chinesischen Gartengestaltung ist es, Harmonie von Erde, Himmel, Steine, Wasser, Gebäude, Wege und Pflanzen (den sogenannten sieben Dingen) zu erreichen. Der Mensch, als Achter, konnte dann mit ihnen und in ihnen zur vollkommenen Harmonie finden. Wesentliches Gestaltungselement sind im chinesischen Garten Steine und Wasser, wobei das Wasser häufig von entweder flach auf dem Wasser aufliegenden zickzackförmigen oder sich über dem Wasser halbkreisförmig erhebenden Brücken überquert wird. Die volkstümliche Erklärung für die ungewöhnliche Bauform der zickzackförmigen, geländerlosen Brücken ist, daß so "die bösen Geister nicht herüberkommen können", da diese sich nur geradeaus fortbewegen können. Marianne Beuchert weist jedoch auch daraufhin, daß diese Brücken gemäß taostischer Philosophie auch die Mahnung enthalten, den Weg des Lebens, der niemals gerade aus führe, achtsam zu gehen. Die halbkreisförmigen Brücken dagegen spiegeln sich im Waser zum vollen Kreis, dem chinesischen Himmelssymbol.
Feng Shui im chinesischen Garten
Feng Shui ist chinesische Geomantik, also die komplexe Kunst, eine Landschaft zu lesen und die Umgebung und Gebäude so auszurichten, daß der Fluß positiver Energie, dem sogenannten "Chi" maximiert wird und Glück bringt. Der ideale Garten hat nach diesem Konzept im Norden hohe, schützende Berge, im Osten sanfte Hügel, die nach Süden weiter abfallen und im Westen verläuft ein schützender Fluß. Da Chi gerne in sanften Kurven fließt, haben Teiche und Wege keine geraden Linien. Um gutes Feng Shui zu schaffen, mußte im Garten Yin und Yang ausgewogen verkörpert sein. Dies wurde erreicht durch die Kontraste von kurzen und weiten Blicken, von Rauhem und Weichen, von Berg und Ebene, Vertikalem und Horizontalen oder einfacher und kunstvoller Verzierung der Bauwerke. So kann beispielsweise eine einfache Veranda mit klaren, geraden Linien komplexes Schnitzwerk an den tragenden Balken unter dem Dach aufweisen oder eine weiß gekalte Wand von einem Baum dunkel beschattet sein.
Bedeutung und Symbolik der Pflanzen
Pflanzen haben im chinesischen Garten eine eher nachrangige Bedeutung. Etwa zur Zeit der Song-Dynastie (960-1279) hatte man entschieden, welche Pflanzen einen Garten zieren durften. Alles, was nicht zu diesem Zeitpunkt nicht zu den Gartenpflanzen zählte, galt bis ins 19. Jahrhundert als "Wilde Blume" oder "Unkraut." Zu den im alten chinesischen Garten geschätzten Pflanzen gehören:
- Trauerweide, die den Frühlingsbegin anzeigt und außerdem ein sexuelles Symbol waren
- Winterkirsche, (Prunus mume), die man für ihren Mut bewundert, schon an den frostfreien Tagen im Januar ihre Blüte zu öffnen
- Päonie (Gattung)n, die sowohl ein in der Liebe erfülltes Frauenleben als auch Reichtum symbolisierten
- Chrysantheme, die wegen ihres Blühen im unwirtlichen Herbst Zähigkeit und Tapferkeit symbolisierte und damit zu der Gruppe der "Pflanzen des Langen Lebens" zählte.
- Bambus, dessen knotenartige Teile der geraden Stengel die Stufen auf dem Weg zur Erleuchtung symbolisierten
Gebäude, Tore, Brücken, Schrifttafeln
Im Vergleich zu ausländischen Gärten kommt in China den Bauwerken ein viel größeres Gewicht und ein äußerst wichtiger Platz zu. Sie sind in den Gärten sowohl ein Schmuck der Szenarie als auch ein Ort des Genießens der Szenerie, des Ausruhens und des Vergnügens. Dies spiegelt sich beispielsweise auch in den sehr malerischen Namen, die diese Bauwerke tragen. Sie heißen beispielsweise:
- Halle, wo man den Pirolen lauscht (Sommerpalast, Peking)
- Pavillon zum Lauschen des Wasserfalls (Kaiserliche Sommerresidenz, Chengde)
- Turm der Freudigen Wolken (Nordmeer-Park, Peking)
In einem Garten von kleiner oder mittlerer Größe nehmen die Gebäude oft ein Drittel der Fläche ein. Die Funktionen der Bauten verbinden sich dabei mit den Besonderheiten der Landschaftsform - sie bilden mit dem Garten ein organisches Ganzes. Traditionellerweise sind die Bauwerke aus dunklem Holz, Holzgittern und Bambus, mit weiß gekalten Wänden und mit Tonziegel-bedeckte Dächer. Die weißen Wände dienten als Hintergrund für Bäume und Pflanzen und reflektierten darüberhinaus das Licht. Bevorzugte Gebäudetypen waren:
- Veranda: Nach vorne geöffnet, oft seitlich an ein Haus angebaut
- Trockenboote: Nach vorne geöffnete, oft Veranda-ähnliche Gebäude, die über eine Wasserfläche gebaut sind, so daß man hinunter ins Wasser schauen und über die Spiegelung meditieren kann
- Wandelgänge. Berühmte Wandelgänge sind beispielsweise:
- Der Gang der Sickernden Quelle (Qinquanlang) im Nordmeer-Park, Peking
- Der lange Gang (Changlang) im Sommerpalast, Peking. Dieser Gang ist mit 728 Metern der längsten überdachte Weg in den alten chinesischen Gärten.
- Pavillons, wie etwa der Bronzepavillon im Sommerpalast, Peking
- Aussichtshäuschen, die häufig achteckig angelegt sind
- Brücken, wie beispielsweise die Brücke des Föhrenwindes in der Kaiserliche Sommerresidenz in Chengde.
Eine weitere Besonderheit des chinesischen Gartens sind die paarigen senkrechten Schrittafeln und die waagerechten Namensschilder. Sie sind von den Gartenbauten fast nicht zu trennen und bilden wichtige Schmuckelemente. Der Inhalt der Tafeln und Schilder ist im allgemeinen auf die Umgebung der Gebäude bezogen. Häufig handelt es sich um Zeilen aus berühmten Gedichten, in denen Besonderheiten der Szenerie angedeutet sind.
Geschichte der chinesischen Gartenkunst
Anfänge
Ähnlich wie für die Entwicklung der Gartenkunst in Ägypten und im Vorderen Orient stehen Jagdparks zu Beginn der chinesischen Gartenkunst. Sie wurden bereits zu Zeiten der Zhou-Dynastie (11. Jh. - 256 v. Chr.) angelegt. In der Zeit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) wurden in diesen Parks Paläste, Terassen und [[Pavillon]s gebaut. Im Shanglin-Park des Han-Kaisers Wudi (140-87 v. Chr.) gab es Gärten, Paläste und Pavillons, die alle jeweils eigenen Zwecken dienten: dem Musizieren, dem Singen, dem Betrachten seltener Vögel und merkwürdiger Fische, dem Vergnügen an Hunden, Pferden, Elefanten und Hirschen sowie der Aufzucht ungewöhnlicher Blumen und Gehölze. Der Shanglin-Park bildete damit einen ganzen Komplex, der die verschiedenartigsten Lebensinhalte umfaßte, wobei jedoch den Bauten besondere Bedeutung zukam. Man spricht deshalb für die Zeit der Han- und Qin-Dynastie auch vom "Architektur-Palast-Park". Parallel dazu enstanden die ersten Gärten, in denen stark gestaltend in die Landschaft eingegriffen wurden.
Die Entwicklung des "Natürlichen Landschaftsgartens"
Zur Zeit der Dynastien Wei (220-265 n. Chr) und Jin (265 - 420 n. Chr.) sowie der Nord- und Süd-Dynastien (420-589 n. Chr.) übten die Naturverehrung die die Verherrlichung des ländlichen Lebens in Literatur und Kunst sowie die Entwicklung der Theorie und Darstellungstechnik der Landschaftsmalerei auf die Anlage und die Methode der Gartenschöpfungen einen bestimmenden Einfluß aus. Man grub Kanäle und leitete Waser herbei, hob Teiche aus, häufte Berge auf mit übereinandergetürmten Felsen und vielfachen Graten, mit tiefen Bächen, Höhlen und Schluchten und trieb die kunstvolle Landschaftsgestaltung bis zum Äußersten. Aus den Parks ragten entweder vereinzelt Häuser und Hallen auf oder man setzte Gruppen von Gebäuden an den Fuß von Hügeln. Diese Entwicklung des sogenannten "Natürlichen Landschaftsgartens" bewirkte wiederum Veränderungen in der Form der Kaiserpaläste mit ihren Parks. Der Sui-Kaiser Yangdi ließ beispielsweise in Luoyang den Westpark mit einem See als "Meer"-Nachbildung von ca. 5 km Umfang anlegen, aus dem sich Inseln erhoben. Auf diesen Inselbergen standen Terassen, Aussichtspavillons, Hallen und ähnliche Gebäude. Ein Kanal zogen in starken Windungen durch das angrenzende Gelände, den sogenannten "16 Höfen" und mündeten in dem künstlich geschaffenen "Meer". Jeder dieser "Höfe" entsprach innerhalb dieses Parks einer gesonderten parkartigen Anlage. Diese Form der Gartengestaltung wird auch als "Landschaftsarchitekturpark der Sui-Zeit" bezeichnet.
Die Gärten der Tang- und Song-Dynastien
Unter den Dynastien der Tang und Song erlebten die chinesische Kunst und Kultur eine einmalige Blüte. Die Entwicklung der Landschaftsmalerei in dieser Zeit beeinflußte auch die Gartengestaltung. Die idealtypische Lndschaft der Malerei wurde als "Szenerie mit Sinngehalt" (yijing)in den Gartenanlagen nachgebaut (sog. Landschaftsgarten der freien Malweise der Tang- und Song-Zeit). Unter den Dynastien der Ming und Quing wurde die Gartenkunst auf dieser Basis weiterentwickelt und ihre Technik vervollkommnet.
Rückwirkung auf die europäische und japanische Gartenkunst
Rückwirkung auf die japanische Gartenkunst
Die chinesische Gartenkunst wurde im 6. Jahrhundert n. Chr. in Japan eingeführt und ist eine der Quellen der japanischen Kunst der Gartengestaltung
Rückwirkung auf die europäische Gartenkunst
Zwar hatte schon Marco Polo die chinesischen Gärten beschrieben, die so gänzlich von den europäischen abwichen, aber seine Beschreibungen waren zu vage, als daß sie großen Rückflüß auf die Gartengestaltung in Europa haben konnten. Dies änderte sich, als der Franziskaner Matteo Ripa von seiner Reise in China zahlreiche Kupferstiche mit brachte, die ein Bild von der chinesischen Gartengestaltung vermitteln konnten. Bei seinem Besuch in England traf er mit zahlreichen Vertretern des englischen Hochadels zusammen, die in der Gestaltung ihrer Landschaftsgärten diese Ideen bereitwillig aufgriffen. Dies führte zum sogenannten "Jardin chinois-anglais", einer Mischform geometrischer und landschaftlicher Gartengestaltung.
Berühmte chinesische Gartenanlagen
- Nordmeer-Park, Peking
- Sommerpalast, Peking
- Kaiserliche Sommerresidenz in Chengde
Literatur
- Garten, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 6, S. 917 (Stand Juni 2003: noch nicht bearbeitet)
- Marianne Beuchert; Die Gärten Chinas, in Hans Sarkowicz (Hsg.), Die Geschichte der Gärten und Parks, Frankfurt am Main, 2001
- Roni Jay; Heilige Gärten - Oasen zum Nachdenken und Meditieren, Neuhausen am Rheinfall, 1999
- Michaela Kalusok; Schnellkurs Gartenkunst, Köln 2003
- Qiao Yun (Hg.); Alte chinesische Gartenkunst, Leipzig 1986