Saysches Theorem
Das saysche Theorem (auch saysches Gesetz) wurde 1803 von Jean Baptiste Say aufgestellt. Es zählt zu den neoklassischen Theoremen der Volkswirtschaftslehre und ist ein entscheidender Baustein zum Verständnis der klassischen, neoklassischen aber auch der modernen angebotspolitischen Wirtschaftstheorie. Die Frage nach seiner Gültigkeit stellt einen der bedeutendsten Kernpunkt in der Frage dar, ob sich die Wirtschaftspolitik einer Volkswirtschaft nach angebots- oder nachfrageorientierten Grundsätzen richten sollte. Die Gültigkeit des Theorems unterstellt, dass es kein allgemeines Überangebot und somit auch keine anhaltende Arbeitslosigkeit geben kann.
Das saysche Theorem ist eine der grundlegenden Erkenntnisse der klassischen und neoklassischen Theorie. Da nach dem sayschen Theorem immer Markträumung erfolgt, wird eine nachfrageorientierte Politik durch den Staat oder die Notenbank abgelehnt (vgl. Monetarismus).
Kerngedanke
Die Grundaussage des sayschen Theorems lautet:
- Die Summe aus geplantem Angebot und geplanter Nachfrage muss in einer geschlossenen Volkswirtschaft übereinstimmen. Wer am Markt ein Gut (etwa auch die eigene Arbeitskraft, genau genommen die eigene Freizeit) anbietet, tut dies, um Einkommen zu erzielen, damit er selbst Güter kaufen kann. Er schafft durch sein Angebot von Gütern eine Nachfrage nach Gütern.
Manchmal wird das saysche Theorem auch vereinfacht folgendermaßen formuliert:
- Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst.
Ein erhöhtes geplantes Güterangebot generiert daher automatisch eine entsprechend höhere geplante Nachfrage. Es kann daher von kurzfristigen Schwankungen abgesehen ein unzureichendes Nachfrageniveau gesamtwirtschaftlich gar nicht geben. Demnach gibt es auch keine Arbeitslosigkeit (→ Vollbeschäftigung), solange der Staat nicht mit Interventionen, z. B. mit Mindestlohn oder Steuereingriffen, in das Marktgeschehen eingreift und dadurch die Nachfrage einschränkt.
Es muss somit nur möglichst viel produziert werden. Dann öffnen sich die Absatzwege selbständig.
Spezialfälle
Sparen
In einer reinen Tauschwirtschaft ist das saysche Theorem eine tautologisch erfüllte Identitätsgleichung. In einer Geldwirtschaft kann das Theorem aber keine tautologische Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen, weil die Menschen dann auch die Möglichkeit haben, Geld zu sparen, ohne das Ziel zu haben selbst damit Güter zu kaufen.
Nur wenn es einen Mechanismus gibt, der dafür sorgt, dass sich die Ersparnisse mit den Investitionen decken, ist das saysche Theorem in einer modernen Geldwirtschaft gültig. Als diesen Mechanismus sehen die Anhänger meist den Zinssatz. Der Gütermarkt wird in einer Geldwirtschaft nach dem sayschen Theorem deshalb nicht über den Preis geräumt, sondern über den Marktzins. Teilgütermärkte (z. B. der Getreidemarkt) werden über den Preis geräumt.
Nach dieser klassischen Auffassung hat das saysche Theorem somit selbst dann Gültigkeit, wenn gespart werden kann. Denn die Bank wird das gesparte Geld verleihen, wodurch es letztlich doch nachfragewirksam wird, da Unternehmen damit Investitionsgüter nachfragen. Der Marktzins regelt das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage.
John Maynard Keynes bestritt in seiner nachfrageorientierten keynesianischen Theorie diese Gültigkeit. Er ging davon aus, dass auch niedrige Zinsen die Unternehmen nicht mehr zum Investieren bewegen würden, wenn die Gewinnerwartungen nur hinreichend gering wären. Dieser Fall wird Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung genannt. Die Ersparnisse würden sich nicht zwingend mit den Investitionen ausgleichen (→ Liquiditäts- und Investitionsfalle). Hätte Keynes Recht, so entstünde Überproduktion. Nach keynesianischer Auffassung gilt das saysche Theorem somit nicht. Im Neukeynesianismus wird das saysche Theorem zwar langfristig akzeptiert, aber kurzfrisitg aufgrund von Rigiditäten abgestritten.
Horten
Anders als beim Sparen bringen die Marktteilnehmer beim Horten ihr Geld nicht zu einer Bank. Stattdessen bewahren sie es zuhause beispielsweise im Sparschwein auf. Es sammeln sich liquide Geldbestände an, die nicht nachfragewirksam werden.
Bereits die klassischen Ökonomen argumentierten hier mit der Quantitätstheorie des Geldes: Selbst wenn durch Hortung dem Kreislauf Geld entzogen würde, so hat das saysche Theorem seine Gültigkeit, wenn man unterstellt, dass die verringerte Geldmenge dafür sorgt, dass der Durchschnittspreis aller Güter sinkt. Dadurch würde der Wert des weiterhin im Umlauf befindlichen Geldes aufgewertet und der Gesamtwert bliebe erhalten.
Schlussbemerkungen
Das saysche Theorem, so wie es im vorliegenden Artikel formuliert ist, wurde seit der „keynesianischen Revolution“ (1936) immer wieder diskutiert. Seine Gültigkeit würde dem Keynesianismus grundlegend widersprechen und die Position der Neoklassik stärken. Die herrschende Lehre der Ökonomie bestreitet die Gültigkeit des sayschen Theorems inzwischen kaum mehr. Auch aus diesem Grund dominiert heute eine angebotsorientierte statt einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik (wie Keynes sie forderte) die öffentlichen Diskussionen in Deutschland. Andere Länder handeln heute hingegen wieder nach Keynes, etwa die USA nach dem Zusammenbruch der New Economy Blase 2000/2001, als fiskalisch als auch monetär erfolgreich in die Wirtschaft eingegriffen wurde.
Literatur
- Jean-Baptiste Say: Traité d'Économie Politique. 2 Bände. 1803.
- Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand. S. 96–98. Berlin u. a. 2000 ISBN 3-540-41003-1