Geschichte von Rheinland-Pfalz

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Die Geschichte von Rheinland-Pfalz begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am 30. August 1946, als durch Militärverordnung Nr. 57 der französischen Besatzungsmacht aus der ehemals bayerischen Pfalz, aus den Regierungsbezirken Koblenz und Trier der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, aus den linksrheinischen Teilen der ehemals zum Volksstaat Hessen gehörigen Provinz Rheinhessen, aus Teilen der preußischen Provinz Hessen-Nassau (Montabaur) und aus dem ehemals oldenburgischen Gebiet um Birkenfeld das Land Rheinland-Pfalz gegründet wurde.

Wappen von Rheinland-Pfalz

Germanische und römische Stadtgründungen

Mit Andernach (lat. Antunnacum), Boppard (lat. Baudobriga), Koblenz (lat. Confluentes), Mainz (lat. Mogontiacum), Speyer (lat. Noviomagus Nemetum), Trier (lat. Augusta Treverorum) und Worms (lat. Vangionum) liegen eine Mehrzahl der ältesten Städte Deutschlands in Rheinland-Pfalz, wobei sich, je nach Lesart, Trier und Worms als „älteste Stadt Deutschlands“ bezeichnen dürfen. Auf einen offiziellen Status berufen kann sich indessen nur Worms, das von der Bundesregierung als deutsches Mitglied des 1994 gegründeten Arbeitskreises der ältesten Städte Europas benannt worden ist. Grund hierfür mag sein, dass sich mit dem keltischen Borbetomagus bereits vor römischer Zeit eine stadtähnliche Siedlung auf Wormser Gebiet befunden hat.

Historische Ereignisse im heutigen Rheinland-Pfalz vor 1946

Julius Caesar ließ im Gallischen Krieg 55 v. Chr. zwischen Andernach und Koblenz in nur zehn Tagen eine Rheinbrücke erbauen, um eine Strafexpedition gegen die Germanen auf rechtsrheinischem Gebiet durchführen zu können. Zwei Jahre später wiederholte er diesen Brückenbau bei Urmitz.

 
Gutenberg-Bibel

Vorverhandlungen, die eine Teilung des Fränkischen Reiches zur Folge hatten, wurden 843 in der Basilika St. Kastor in Koblenz geführt. Die Ergebnisse wurden noch im selben Jahr im Vertrag von Verdun besiegelt und führten zur Aufspaltung in ein Westfrankenreich, ein Ostfrankenreich sowie in ein Mittelreich namens Lotharingien. Letzteres wurde 855 in der Teilung von Prüm erneut aufgeteilt.

Nach jahrelangen Verhandlungen mit dem 1119 neu gewählten Papst Kalixt II. kommt es im Wormser Konkordat zu einer Verständigung zwischen Kaiser und Papst und zu einer Beilegung des Investiturstreits.

 
Freiheitsbaum mit Jakobinermütze in der Mosellandschaft an der Grenze zwischen dem Herzogtum Luxemburg und der Französischen Republik mit dem Ort Schengen im Hintergrund; Aquarell über Feder- und Bleistiftzeichnung von J.W. Goethe (1792)
 
Der Zug zum Hambacher Schloss
 
Abzug französischer Truppen aus Mainz 1930
 
Amerikanischer Luftangriff auf Koblenz 1944

Der Mainzer Johannes Gutenberg erfand um 1440 den Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern. Die neue Drucktechnik revolutionierte die Welt, indem sie die rasche Vervielfältigung von Büchern sowie die schnelle Verbreitung von Wissen in allen Bevölkerungsschichten ermöglichte.

Am 17. April 1521 stand Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms. Dabei wurde er vor den versammelten Fürsten und Reichsständen verhört und letztmals zum Widerruf aufgefordert. Nach einem Tag Bedenkzeit und im Wissen, dass dies sein Tod sein konnte, lehnte er mit folgender Begründung ab:[1]

„[Da] … mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“

Die oft zitierte Version Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen ist nicht belegt. Darauf verhängte der Reichstag am 26. Mai 1521 das vom Kaiser gezeichnete Wormser Edikt über ihn.

Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) wurden weite Teile des heutigen Rheinland-Pfalz verwüstet. So gingen viele Städte in Kurtrier, Kurmainz und der Kurpfalz in Flammen auf oder wurden schwer beschädigt. An Rhein und Mosel wurden viele Burgen, beispielsweise 1689 Burg Stolzenfels, völlig zerstört. Anlass war, dass der französische König Ludwig XIV. nach dem Tode Karls II. als Schwager der Erbin Liselotte von der Pfalz die Kurpfalz beanspruchte.

Nach der Französischen Revolution kam es im Ersten Koalitionskrieg zur Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch französische Truppen. Bayern verlor die Kurpfalz und die drei rheinischen Kurfürsten mussten fliehen, Kurköln und Kurtrier wurden schließlich 1803 im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses aufgelöst. Im Schutz der französischen Truppen kam es 1793 in Mainz zur Ausrufung der Mainzer Republik, dem ersten Staatswesen auf deutschem Boden, welches auf bürgerlich-demokratischen Grundsätzen beruhte. Bis zum Sturz Napoléons wurden 1798 bis 1814 auf den Gebieten links des Rheins die Départements Rhin-et-Moselle, Saar und Donnersberg eingerichtet. Danach fielen die Gebiete an Preußen (Rheinprovinz), das Großherzogtum Hessen (Rheinhessen), das Herzogtum Oldenburg (Fürstentum Birkenfeld) und das Königreich Bayern (Pfalz).

Der freiheitliche Geist der französischen Revolution blieb aber in vielen Städten noch sehr lange erhalten. Auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße feierten am 27. Mai 1832 etwa 30.000 freiheitsliebende Bürger aus allen Teilen Deutschlands das „Hambacher Fest“. Inzwischen gilt diese Demonstration als Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Einheit und das Hambacher Schloss als die „Wiege der deutschen Demokratie“. An die Bedeutung dieser Epoche für Deutschland erinnert die Straße der Demokratie.

Nach Schaffung des Deutschen Bundes wurden die Festungen Mainz und Landau zu Bundesfestungen ausgebaut. Im preußischen Koblenz entstand die mächtigste der damals gebauten Befestigungssysteme, die Festung Koblenz. Der verlorene Erste Weltkrieg und der Versailler Vertrag von 1918 bedeuteten das Ende der Festungen im heutigen Rheinland-Pfalz und letztendlich deren Schleifung. Nur wenige Festungsteile blieben vollständig erhalten, so beispielsweise die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, da ihre historische Bedeutung und ihr landschaftsprägender Charakter sie vor einer Entfestigung bewahrte, sowie die Zitadelle Mainz.

Das Rheinland wurde im Zuge der Alliierten Rheinlandbesetzung 1918 bis 1930 von zunächst amerikanischen dann französischen Truppen besetzt und entmilitarisiert. In den wirtschaftlich und politisch katastrophalen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg kam es in verschiedenen Städten zu separatistischer Bewegungen und der Gründung der Rheinischen Republik sowie der Autonomen Pfalz. Beide Bewegungen waren aber nur von kurzer Dauer und spätestens mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach Ende der Inflation verschwunden. Reichspräsident Paul von Hindenburg besuchte im Jahr 1930 nach Abzug der alliierten Truppen anlässlich der Befreiungsfeiern viele Städte im Rheinland und löste eine Welle nationaler Begeisterung aus. Die nationale Befreiungsfeier fand am 22. Juli 1930 in Koblenz statt. Der Tag endete mit einer schrecklichen Brückenkatastrophe und 38 Toten. Nach der Rheinlandbesetzung von 1936 wurden wieder deutsche Truppen im Rheinland stationiert.

Der Nationalsozialismus und der folgende Zweite Weltkrieg veränderte das Leben der Menschen und das Aussehen der Städte einschneidend. Die jüdischen Gemeinschaften wurden fast vollständig ausgelöscht. Die Luftangriffe der Alliierten zerstörten die meisten größeren Städte zu 80 % und mehr, da die Bomberflotten die im Westen des Reiches gelegenen Ziele leicht erreichen konnten. Die amerikanischen Streitkräfte erreichten im März 1945 den Rhein und konnten den Fluss erstmalig über die Brücke von Remagen zwischen Remagen und Erpel überqueren.

Gründung von Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz war nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der französischen Besatzungszone und entstand aus der ehemals bayerischen Pfalz, aus den Regierungsbezirken Koblenz und Trier der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, aus den linksrheinischen Teilen der ehemals zum Volksstaat Hessen gehörigen Provinz Rheinhessen, aus Teilen der preußischen Provinz Hessen-Nassau (Montabaur) und aus dem ehemals oldenburgischen Gebiet um Birkenfeld.

Gründung durch französische Verordnung

Gemäß den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz ging am 15. Juli 1945 die Besatzungshoheit im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz von den Amerikanern auf die Franzosen über. Diese gliederten das Gebiet Anfang Januar 1946 zunächst provisorisch in zwei „Oberpräsidien“, Rheinland-Hessen-Nassau (für die bislang preußischen Regierungsbezirke bzw. Gebiete Koblenz, Trier und Montabaur) und Hessen-Pfalz (für die bisher bayerische Pfalz und das zuvor hessen-darmstädtische Rheinhessen). Zum ersten Oberpräsidenten von Rheinland-Hessen-Nassau wurde der Koblenzer Regierungspräsident Wilhelm Boden ernannt. Am 8. Oktober 1946 wurde dann der Regierungsbezirk Rheinhessen aus Hessen-Pfalz heraus gelöst und Rheinland-Hessen-Nassau angegliedert.

Das Land Rheinland-Pfalz wurde am 30. August 1946 als letztes Land in den ehemaligen westlichen Besatzungszonen durch Verordnung Nr. 57 der französischen Militärregierung unter General Marie-Pierre Kœnig geschaffen, wodurch historisch und wirtschaftlich zusammengehörige Gebiete (Koblenz-Bonn, Rhein-Main) der ehemaligen preußischen Rheinprovinz und anderer Territorien getrennt wurden. Die französische Regierung wollte sich ursprünglich die Möglichkeit offen lassen, nach der Umwandlung des Saarlandes in ein Protektorat noch weitere linksrheinische Gebiete zu annektieren. Als Amerikaner und Briten jedoch mit der Bildung deutscher Länder vorangegangen waren, gerieten die Franzosen zunehmend unter Druck und folgten schließlich mit den Ländern Baden und Rheinland-Pfalz dem Beispiel der übrigen Westalliierten. Eine Anbindung des Saarlandes an Rheinland-Pfalz untersagte die französische Militärregierung jedoch. Mainz wurde in der Verordnung als Hauptstadt bestimmt. Da Mainz zu diesem Zeitpunkt wegen Kriegsschäden und Zerstörungen nicht über ausreichend Verwaltungsgebäude verfügte, wurden der Sitz von Landesregierung und Landtag in Koblenz eingerichtet. Mainz war durch die Luftangriffe der letzten Kriegsmonate zu etwa 80 % zerstört worden. Es war dementsprechend unmöglich, hier sofort die notwendigen Dienstgebäude für Verwaltung, Parlament und Regierung bereitzustellen. Darüber hinaus befanden sich die Verwaltungszentren der bisherigen Nachkriegsorganisation in Neustadt und in Koblenz. In Koblenz standen auch noch zahlreiche Räumlichkeiten der ehemaligen preußischen Verwaltung zur Verfügung, weshalb in Übereinstimmung mit der Besatzungsmacht die Landesregierung ihren Sitz in Koblenz einrichtete.[2] Auch der französische Landeskommissar, General Claude Hettier de Boislambert, richtete seinen Amtssitz in Koblenz ein. Die Versammlungen zur Gründung des neuen Landes wurden daher in Koblenz abgehalten. Am 22. November 1946 fand im Koblenzer Theater die konstituierende Sitzung der Beratenden Landesversammlung statt, in der ein Verfassungsentwurf erarbeitet wurde. Zuvor hatte es kommunale Wahlen gegeben. Wilhelm Boden wurde nach kurzer Amtszeit als Oberregierungspräsident von Rheinland-Hessen-Nassau am 2. Dezember von den französischen Besatzungsbehörden zum provisorischen Ministerpräsidenten des neu gebildeten Landes Rheinland-Pfalz ernannt.

 
Das Peter-Altmeier-Denkmal in Koblenz

Adolf Süsterhenn legte der Beratenden Landesversammlung einen Verfassungsentwurf vor, der nach mehreren Verhandlungen am 25. April 1947 in namentlicher Schlussabstimmung mit der absoluten Mehrheit der CDU und gegen die Stimmen von SPD und KPD verabschiedet wurde. Dazu war es unter anderem deshalb gekommen, weil der Verfassungsentwurf deutlich an Staatstheorien des politischen Katholizismus angelehnt war und unter anderem nach Konfessionen getrennte Schulen vorsah. Am 18. Mai 1947 wurde die Verfassung für Rheinland-Pfalz in einer Volksabstimmung durch 53 Prozent der Wahlberechtigten angenommen. Während der katholische Norden und Westen des neuen Landes die Verfassung mehrheitlich annahm, wurde sie in Rheinhessen und der Pfalz von der Mehrheit abgelehnt. Am gleichen Termin fand auch die erste Wahl zum rheinland-pfälzischen Landtag statt. Die konstituierende Sitzung erfolgte am 4. Juni 1947 im großen Rathaussaal von Koblenz. Wilhelm Boden wurde hier zum ersten Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt. Schon einen Monat später folgte ihm Peter Altmeier in diesem Amt.

Hauptstadtfrage

Alle Verfassungsorgane (Landesregierung, Landtag und Verfassungsgerichtshof) richteten nach Verabschiedung der Verfassung ihren provisorischen Sitz in Koblenz ein, der Stadt, die bis 1945 noch Hauptstadt der preußischen Rheinprovinz war. Die Landesregierung bezog das Oberpräsidium der ehemaligen Rheinprovinz, der Landtag nutzte noch bis August 1948 das Koblenzer Rathaus und richtete sich dann im Görreshaus in der Koblenzer Altstadt ein. Bis Ende 1948 blieb es um die Thematik des Regierungssitzes ruhig[3]. Der Wiederaufbau und die mangelnde Versorgung mit Nahrungsmitteln war die einzige Sorge der Bevölkerung in den Anfangsjahren des neuen Landes. Der Mainzer Oberbürgermeister Emil Kraus war es schließlich, der in einer Rundfunkansprache am 7. Dezember 1948 die Hauptstadtfrage wieder auf die Tagesordnung brachte. Ministerpräsident Peter Altmeier und die französische Militärregierung kamen aber am 13. Dezember 1948 überein, dass man einen Umzug nicht überstürzen wolle.

Die Hauptstadtfrage bedurfte aber nun einer Lösung. Es begann ein Tauziehen zwischen Koblenz und Mainz, die beide ihre Eignung als Landeshauptstadt in der öffentlichen Diskussion hervorhoben, denn für beide Städte stand viel auf dem Spiel. Der Mainzer Oberbürgermeister Emil Kraus verknüpfte mit dem Hauptstadtstatus eine Rückführung der abgetrennten rechtsrheinischen Stadtteile. Auch der fortschreitende Wiederaufbau und die geschichtliche Bedeutung von Mainz unterstrich den Anspruch auf den Hauptstadtstatus. Im Sommer 1949 riss den Mainzern der Geduldsfaden und man sprach vom „Betrug an Mainz“. Der neue Mainzer Oberbürgermeister Franz Stein richtete eine Resolution an Landesregierung und Landtag, in der er auf die gebrachten Opfer verwies und eine Verlegung der Hauptstadt forderte. Die Landesregierung machte für einen Umzug den Wiederaufbau des Kurfürstlichen Schlosses zur Bedingung. Mainz weigerte sich aber das Schloss dem Land zu überlassen, wegen seiner Bedeutung für die Stadt und wegen der zu hohen Wiederaufbaukosten. Man sah in den Forderungen sogar einen Versuch, die Verlegung der Hauptstadt zu verhindern. Die Hauptstadtdiskussion war auch Thema des Mainzer Karnevals von 1950, ein Motivwagen stellte die „Tauen-Ziehen-Straße“ zwischen Mainz und Koblenz dar.

Koblenz maß der Hauptstadtfrage ebenfalls allergrößte Bedeutung zu. Die Luftangriffe auf Koblenz hinterließen wie auch in Mainz große Zerstörungen und eine große wirtschaftliche Not. Man sah im Verlust der Hauptstadtfunktion eine Degradierung zu einer „Stadt zweiten Ranges“. Am Zusammenfluss von Rhein und Mosel konnte man schließlich auf eine lange Tradition als bedeutende Stadt zurück sehen, denn die Kurfürsten von Trier hatten hier ihre Residenz und die Preußen machten Koblenz zur Provinzialhauptstadt ihrer Rheinprovinz. Diese Position wollte man nicht ohne Weiteres aufgeben. Ministerpräsident Peter Altmeier, selbst in Koblenz aufgewachsen, setzte sich von Anfang an für Mainz als Hauptstadt ein, weil er sich im Klaren war, dass der Süden des Landes, vor allem die Pfalz, nur Mainz als Landesmetropole akzeptieren würde. Er war sich aber der prekären Lage von Koblenz bewusst und setzte sich bei den Franzosen für die Stadt ein, in dem er auf die moralische Verpflichtung gegenüber Koblenz hinwies und sich für eine Ansiedlung von Landesbehörden als Entschädigung stark machte.

Für die französische Militärregierung war die Hauptstadtfrage eindeutig. In der Verordnung Nr. 57, mit der man den Befehl zur Gründung des Landes Rheinland-Pfalz gab, war Mainz als Landeshauptstadt festgelegt. Man drängte deswegen auf eine Umsetzung der Verordnung, auch um den Fortbestand des Landes zu sichern. Die Westalliierten waren sich uneinig über die Gliederung des Rheinlandes. Da die Briten nicht bereit waren, 1948 über eine Neugliederung von Nordrhein-Westfalen zu verhandeln, bestanden nun auch die Franzosen auf den Erhalt von Rheinland-Pfalz, auch weil es das einzige Land war, dass vollständig in ihrer Besatzungszone lag. Die Franzosen sahen auch eine Gefahr in den Bestrebungen der Pfalz, sich wieder von dem neuen Land zu lösen und erhofften sich, mit einer Verlegung des Regierungssitzes nach Mainz diese stoppen zu können. Der französische Gouverneur Hettier de Boislambert drängte nun Ministerpräsident Peter Altmeier in einer Besprechung am 5. Juli 1949, endlich einen Termin für den Umzug zu bestimmen, ebenso wie es der Hohe Kommissar André François-Poncet in der Unterredung vom 27. Juli 1949 tat. In einer weiteren Rede verlieh der Hohe Kommissar dem noch Nachdruck, in dem er verlauten ließ: „Durch ihre große Rolle in der Vergangenheit, als Sitz des ersten unter den Kurfürsten, als Wirkungsstätte eines Erzbischofs, am Zusammenflusse des Rheines und des Mains, ist die Stadt Mainz Wegweiser nach Osten wie nach Westen und dadurch geradezu prädestiniert, eine Landeshauptstadt zu werden. Freilich weiß ich, daß dies nicht die Meinung aller Koblenzer ist. Gegen deren Auffassung sprechen aber die Geschichte, die Geographie, die Natur, die Sorge um die Zukunft und vor allem sogar der gesunde Menschenverstand – und das sind Mächte, die sich schließlich durchsetzen!“ Ministerpräsident Peter Altmeier wies immer auf die technischen Schwierigkeiten und den Wohnraummangel hin, der einer Verlegung nach Mainz im Weg stünde. Die französische Militärverwaltung ließ in der Folgezeit bei Gesprächen mit der Landesregierung keinen Zweifel daran, dass eine Entscheidung gegen die von ihnen gewünschte Hauptstadt Mainz weitreichende Folgen haben würde.

Der rheinland-pfälzische Landtag diskutierte erstmals in der Debatte vom 29. November 1949 die Hauptstadtfrage. Der Vorschlag der CDU-Fraktion, in dem die endgültige Entscheidung wegen der noch nicht geklärten technischen Voraussetzungen vorerst noch zurückgestellt werden sollte, fand eine knappe Mehrheit von 48 zu 46 Stimmen. Der Ältestenrat und die Landesregierung wurden aber beauftragt, die Frage der räumlichen Unterbringung in Mainz zu klären. Am 26. Februar 1950 besichtigte Ministerpräsident Peter Altmeier zusammen mit Hanns Haberer und Gouverneur Hettier de Boislambert die für die Landesregierung vorgesehenen Gebäude in Mainz. Die Landesregierung bemängelte aber die für sie vorgesehenen Räumlichkeiten, außerdem war noch der Sitz des Landtages ungeklärt. Die Franzosen hingegen sahen die wohnlichen Voraussetzungen als für geschaffen an. Nach heftiger Kritik der Öffentlichkeit wegen der hohen Ansprüche der Landesregierung, legte diese die Entscheidung über die Verlegung in die Hände des Landtages. Am 2. März 1950 sprach sich der Ältestenrat für die Verlegung der Landeshauptstadt aus. Die französische Militärverwaltung war sich bewusst, dass die Bevölkerung wegen der von Außen diktierten Gründung dem Fortbestand des Landes negativ gegenüber stand und hob daher die Verordnung Nr. 57 auf. Damit wollte man erreichen, wenn die Deutschen die Hauptstadtfrage souverän selbst entscheiden könnten, die Zustimmung zum Land Rheinland-Pfalz auch steigen würde. Nachdem das Kurfürstliche Schloss von Mainz nicht überlassen wurde, sah man nun ein Wiederaufbau des Deutschhauses vor, in dem dann der Landtag seinen Sitz einnehmen sollte.

Eine erneute Debatte des Landtages am 4. April 1950 über die endgültige Entscheidung der Hauptstadtfrage endete mit einem sensationellen Ergebnis, einem Patt von 43 zu 43 Stimmen, was eine Ablehnung der Verlegung nach Mainz bedeutete. Die Franzosen reagierten daraufhin sehr ärgerlich und machen Ministerpräsident Peter Altmeier verantwortlich, in dem sie ihm vorwarfen, sich nicht genügend für eine Verlegung nach Mainz eingesetzt zu haben. Sie erhöhten erneut den Druck auf die Landesregierung und nahmen in Koblenz und Mainz Beschlagnahmen von Wohnungen vor. Die Öffentlichkeit sah nun nach diesem Ergebnis die Entscheidung der Hauptstadtfrage auch als Entscheidung über den Fortbestand des Landes an. Der rheinland-pfälzische Landtag beschloss daher im zweiten Anlauf am 16. Mai 1950 mit einer Mehrheit von 49 zu 32 Stimmen die Verlegung des Landtages und der Landesregierung von Koblenz nach Mainz. Im Herbst/Winter 1950/1951 zogen die Ministerien nach Mainz um, im Mai 1951 folgte der Landtag und hielt seine erste Sitzung am 18. Mai 1951 im wiederaufgebauten Deutschhaus ab.[4][5]

In Koblenz, wo nach dieser Entscheidung blankes Entsetzen herrschte, verblieben aber nach Umzug von Landesregierung und Landtag viele Landesbehörden und Gerichte, so beispielsweise der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, das Oberlandesgericht und das Landeshauptarchiv Koblenz. Als Ausgleich wurde außerdem 1952 das Bundesarchiv und die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz angesiedelt. Das Ende der Hauptstadtfrage war der Anfang der Konsolidierung des Landes und hat sicher langfristig für beide der beteiligten Städte viele Vorteile gebracht. Ein Streit über die Hauptstadtfrage ist bis heute einmalig auf Länderebene. Nur auf Bundesebene kennt man einen Hauptstadtstreit, so 1949 zwischen Bonn und Frankfurt sowie nach der Wiedervereinigung zwischen Bonn und Berlin.[6]

Land aus der Retorte

Ein Gemeinschaftsgefühl entwickelte sich nur sehr zögerlich im „Land aus der Retorte“, das weitgehend ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Zugehörigkeiten der Einwohner entstanden war. Ihm wurden wenige Überlebenschancen eingeräumt, zumal es kaum größere industrielle Zentren gab. Einen gewissen Wirtschaftsaufschwung zog die Ansiedlung zahlreicher Militärstützpunkte, sowohl der Alliierten als auch der Bundeswehr, nach sich. 1956 fanden aufgrund von Artikel 29 GG in den damaligen Regierungsbezirken Koblenz, Trier, Montabaur, Rheinhessen und Pfalz Volksbegehren statt, bei denen es um die Angliederung der betreffenden Regionen an Nordrhein-Westfalen, Hessen bzw. Bayern und Baden-Württemberg ging. Alle Volksbegehren außer denen im Regierungsbezirk Pfalz erhielten die erforderliche Mehrheit; doch bis zur endgültigen Durchführung der dadurch notwendigen Volksentscheide zogen fast 20 Jahre ins Land. Bei der Abstimmung vom 19. Januar 1975 wurde in keiner der betroffenen Regionen eine Mehrheit für eine Umgliederung (und auch nicht das notwendige Quorum von 25 Prozent der Stimmberechtigten) erreicht. Damit wurde der Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Diskussion gezogen. Lediglich der AKK-Konflikt beschäftigt die Politik bis heute.

Historische Ereignisse in Rheinland-Pfalz nach 1946

 
Ministerpräsident Peter Altmeier auf der Rittersturz-Konferenz 1948
 
Die Rheinseilbahn in Koblenz

In den Tagen vom 8. bis 10. Juli 1948 fand im Berghotel am Koblenzer Aussichtspunkt Rittersturz die so genannte Rittersturz-Konferenz mit allen damaligen deutschen Ministerpräsidenten statt. Die dort gefassten „Koblenzer Beschlüsse“ ebneten den Weg zur Bildung der Bundesrepublik Deutschland.

Eine Kesselwagenexplosion in der BASF ereignete sich am 28. Juli 1948 in Ludwigshafen am Rhein. 207 Menschen starben und 3.818 wurden verletzt; 3.122 Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen. Bei der Explosionskatastrophe in Prüm vom 15. Juli 1949 wurde die Stadt schwer zerstört, zwölf Menschen starben, 15 verletzt und 965 obdachlos. Bei der Tanklagerexplosion bei Niederstedem am 23. September 1954 kamen durch die Explosion eines mit Flugzeugtreibstoff gefüllten Großtanks 29 Menschen ums Leben. Mit der Kanalisierung der Mosel in den Jahren 1958 bis 1964 wurde der Fluss zu einer Großschifffahrtsstraße ausgebaut und damit zu einer der meist befahrenen Wasserstraßen in Europa.

Im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses wurden auf der Raketenbasis Pydna im Hunsrück im Jahr 1986 insgesamt 96 abschussbereite Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen stationiert. Der Protest der Bevölkerung gipfelte am 11. Oktober 1986 in einer großen Demonstration, bei der rund 200.000 Menschen angeführt von August Dahl friedlich gegen die Stationierung protestierten. Die zahlreichen Militärstützpunkte zogen auch an anderen Orten des Bundeslands immer wieder Proteste nach sich.

Am 28. August 1988 ereignete sich das Flugtagunglück von Ramstein. Bei dieser Flugzeugkatastrophe starben auf der Ramstein Air Base nach offiziellen Angaben 70 Menschen, weitere 345 wurden schwer verletzt. Nach 1989 bildete der Abzug zahlreicher Garnisonen, insbesondere der US-Truppen wegen der entspannten Sicherheitslage in Europa, ein ernsthaftes wirtschaftliches Problem für Rheinland-Pfalz.

In Koblenz findet 2011 die erste Bundesgartenschau in Rheinland-Pfalz statt. Die Stadt erfuhr dazu Investitionen in die städtebauliche Entwicklung von geschätzt 500 Mio. Euro.[7] So wurde mit der Rheinseilbahn die größte Seilbahn Deutschlands als Attraktion und ökologisch sinnvolle Verkehrsverbindung errichtet.[8]

Literatur

  • Heinz Cüppers (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. ISBN 3-933203-60-0.
  • Michael Kißener: Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. 1945–2005 Wege zur Integration eines „Nachkriegsbundeslandes“. Braun, Karlsruhe 2006; ISBN 3-7650-8345-3.
  • Hans-Jürgen Wünschel (Hrsg.): Rheinland-Pfalz - Beiträge zur Geschichte eines neuen Landes. Knecht-Verlag, Landau 1997, ISBN 3-930927-16-0.
  • Peter Haungs: 40 Jahre Rheinland-Pfalz: Eine politische Landeskunde. Schmidt, Mainz 1986, ISBN 3-87439-126-4.
  • Ulrich Sarcinelli, Jürgen Falter, Gerd Mielke: Politische Kultur in Rheinland-Pfalz. v. Hase und Koehler, Mainz 2000, ISBN 3-7758-1390-X.
  • Archäologie in Rheinland-Pfalz. Philipp von Zabern, Mainz 2002ff, ISSN 1614-4627.
  • Edgar Wagner: "Packt an! Habt Zuversicht!" Über die Entstehung des Landes Rheinland-Pfalz und seinen Beitrag zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Landtag Rheinland-Pfalz, Mainz 2007, ISBN 978-3-9811001-2-9. (Heft 35 der Schriftenreihe des Landtages Rheinland-Pfalz)
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Einzelnachweise

  1. Martin Treu, a. a. O., S. 49 ff.
  2. Der 29. November 1949. Koblenz oder Mainz. Die 72. Sitzung des Landtages von Rheinland-Pfalz. Diskussionen um den Sitz der Landesregierung. in: Landeshauptarchiv Koblenz
  3. Koblenz oder Mainz? – Die Rheinland-Pfälzische Hauptstadtfrage. In: „… dass diese Entscheidung sich auswirken möge zum Wohl von Volk und Land.“ – 60 Jahre Hauptstadtbeschluss des Landtags – Eine Veranstaltung des Landtags Rheinland-Pfalz, der Landesregierung und der Landeshauptstadt Mainz am 17. Mai 2010 im Plenarsaal des Landtags. S. 65 bis 140, abgerufen am 18. April 2011: „Bis Ende 1948 blieb es ruhig um diese Thematik.“
  4. Der 16. Mai 1950. Mainz wird Regierungssitz von Rheinland-Pfalz. in: Landeshauptarchiv Koblenz
  5. Mainz statt Koblenz - 60 Jahre Hauptstadt in: Frankfurter Rundschau, 17. Mai 2010
  6. 60 Jahre Hauptstadtbeschluss des Landtages, Heft 47 der Schriftreihen des Landtages Rheinland-Pfalz, 2010
  7. Kulturpromenade: Die Buga verwandelt Koblenz in: Rhein-Zeitung, 18. März 2011
  8. Daten und Fakten zur BUGA-Seilbahn in: buga2011.de

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