Silvana Koch-Mehrin

deutsche Politikerin (FDP), MdEP
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Esther Silvana Koch-Mehrin[1] (* 17. November 1970 in Wuppertal) ist eine deutsche Politikerin der FDP.

Silvana Koch-Mehrin in Rostock (2009)

Leben

Koch-Mehrin wuchs zunächst in Marokko und dem Sudan auf[2] und verbrachte ihre Schulzeit dann in Köln. 1990 legte sie dort ihr Abitur am Rodenkirchener Gymnasium ab. Sie studierte Volkswirtschaftslehre und Geschichte in Hamburg, Straßburg und Heidelberg. 1998 promovierte sie in Heidelberg bei Volker Sellin über das Thema „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865 – 1927 “.[3][4][5] Am 11. April 2011 tauchten Zweifel an der Eigenständigkeit der Promotionsleistung auf.[6]

Direkt nach ihrer Promotion gründete Koch-Mehrin Conseillé+Partners sprl, eine Unternehmensberatung für Strategieplanung und Europaberatung. Anfang 2003 wurde sie mit ihrem Unternehmen Partnerin bei der Unternehmensberatung Policy Action Ltd., die nach Angaben auf der Unternehmens-Website unter anderem Urheberrechtsinteressen in Brüssel vertritt. Nach ihrer Wahl ins Europaparlament hat sie nach eigenen Angaben ihre Anteile an der Firma verkauft.[7] Ab 2004 widmete sie sich in einer Kolumne der Zeitschrift Praline jede Woche einer Leserfrage zur EU.

Seit 1997 in Brüssel wohnhaft, lebt Koch-Mehrin dort mit dem irischen Rechtsanwalt James Candon zusammen und hat drei Töchter. Sie unterhält ein Abgeordnetenbüro in Karlsruhe, in dessen FDP-Kreisverband sie auch Mitglied ist.

Politik

Koch-Mehrin war stellvertretende Vorsitzende der Jungen Liberalen. Seit 1999 gehört sie dem Bundesvorstand der FDP an.

Mit Koch-Mehrin als Spitzenkandidatin kehrte die FDP bei der Europawahl 2004 nach zehnjähriger Abwesenheit in das Europäische Parlament zurück. Im Wahlkampf hatte sie sich für ein Referendum über die EU-Verfassung, die Einhaltung des Euro-Stabilitätspaktes und den Abbau von Bürokratie eingesetzt. Nach dem Einzug in das Europaparlament wurde Koch-Mehrin zur Vorsitzenden der FDP-Gruppe innerhalb der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa-Fraktion (ALDE) und zur ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Sie war unter anderem Mitglied im Haushaltsausschuss des Parlaments.

Bei der nächsten Europawahl 2009 war Koch-Mehrin erneut Spitzenkandidatin der FDP, die mit 11 % der Stimmen ihr bestes Ergebnis bei einer Europawahl erzielte.

Das Parlament wählte Koch-Mehrin zu einer der 14 Vizepräsidenten des Europäischen Parlamentes.[8] Ihre Wahl erfolgte mit 186 von 644 gültigen Stimmen im dritten Wahlgang durch den Stimmenvorsprung von 12 Stimmen gegenüber dem rechtslastigen polnischen Kandidaten Michał Kamiński mit 174 Stimmen. Mit 148 Stimmen im ersten und 141 Stimmen im zweiten Wahlgang hatte Koch-Mehrin noch jeweils die wenigsten Stimmen aller 15 Kandidatinnen und Kandidaten erhalten.[9][10]

Im Präsidium ist Koch-Mehrin zuständig für die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten, sie ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gender Equality & Diversity des Präsidiums, Mitglied der Arbeitsgruppe Informations- und Kommunikationspolitik des Präsidiums und Verantwortliche des Präsidiums für das Organ des Europäischen Parlaments zur Bewertung Wissenschaftlicher und Technologischer Optionen (STOA – Science Technology Options Assessment)[11].

Vom Parlament wurde Koch-Mehrin außerdem zum Mitglied des Petitionsausschusses gewählt[12] und von ihrer Fraktion zur Stellvertreterin im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie benannt.

Ihre Beanstandung der Vergabe von EU-Geldern an Gewerkschaften und NGOs, wie etwa WEED oder Attac, stieß auf heftige Kritik seitens der Betroffenen, die darin ein „vordemokratisches und antiliberales Verständnis über die Verwendung öffentlicher Gelder“ sahen.[13]

Mitgliedschaften

Koch-Mehrin ist Mitglied der Europa-Union Parlamentariergruppe Europäisches Parlament. Weiterhin ist sie Mitglied im Förderverein der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Politische Positionen

Burkaverbot

Im Jahr 2010 erklärte Koch-Mehrin, nach dem in Belgien umgesetzten Verschleierungsverbot der Burka,[14] sie begrüße diesen Beschluss ganz ausdrücklich und wünsche sich, dass auch in Deutschland – und in ganz Europa – das Tragen aller Formen der Burka verboten wird.[15] Die Burka sei ein massiver Angriff auf die Rechte der Frau, ein mobiles Gefängnis. „Die vollständige Verhüllung von Frauen ist ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die wir in Europa nicht teilen.“[16] In ihrem Schreiben führte sie weiterhin aus, dass niemand in seiner persönlichen Freiheit und in seiner Religionsausübung eingeschränkt werden solle.[17] Koch-Mehrin schilderte weiterhin, dass verschleierte Frauen auf der Straße bei ihr Befremdung auslösen: „Ich gebe offen zu: Wenn mir auf der Straße vollverschleierte Menschen begegnen, bin ich irritiert. Ich kann nicht einschätzen, wer da mit welcher Absicht auf mich zukommt. Ich habe keine Angst, aber ich bin verunsichert.“[18]
Als Reaktion auf die Äusführungen Koch Mehrins erklärte Amnesty International, die Gesetzesinitiative tue genau das, was sie eigentlich verhindern wolle: diskriminieren. David Nichols, von AI-Brüssel stellte hierzu fest: „Sie beschränkt ernstlich die Meinungs- und die Religionsfreiheit“[19] Die Londoner Niederlassung der Menschenrechtsorganisation teilte mit, der belgische Vorstoß sei ein „gefährlicher Präzedenzfall“.[20]

Abschaffung des Familienministeriums

In einem Interview mit der Bild forderte Koch-Mehrin 2007 die Abschaffung des Familienministeriums.[21] Sie erklärte, als Familienministerin würde sie es abschaffen. Der Bereich Familie, Jugend, Senioren gehöre ins Sozialministerium.[22] Sie begründete es wie folgt: „Außerdem: Ein Finanzminister kann mehr für Familien tun. […] Er kann dafür sorgen, dass Eltern Betreuung und Ausbildung von Kindern komplett von der Steuer absetzen können, und die Kinderfreibeträge massiv erhöhen.“[23] Nach der Bundestagswahl 2009 wurde Koch-Mehrin in den Medien als mögliche Familienministerin im nächsten Bundeskabinett gehandelt.[24][25][26]

Debatte um Anwesenheitsquote

Im Vorfeld der Europawahl 2009 wurde Koch-Mehrin aufgrund ihrer mutmaßlich niedrigen Anwesenheitsquote im Europaparlament und bei Ausschusssitzungen durch verschiedene Medien kritisiert.[27] Im Zuge dieser Kritik erwirkte Koch-Mehrin mit Hilfe einer eidesstattlichen Erklärung über ihre Anwesenheitsquote eine einstweilige Verfügung gegen die FAZ.[28] Diese wurde allerdings zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgehoben, was Fragen über die Richtigkeit ihrer eidesstattlichen Erklärung aufwarf.[28][29][30]

Äußerungen zu Parlamentariern und Prostituierten

Im November 2008 erklärte Koch-Mehrin in einem Interview gegenüber der Bunten, „Wer im Parlament etwa Zwangsprostitution verurteilt, muss sich vor dem Ausgang auch entsprechend verhalten, sonst leidet die Glaubwürdigkeit und die Würde des ganzen Hauses.“[31] Die Aussagen wurden vielfach so verstanden, dass Koch-Mehrin den männlichen Abgeordneten pauschal vorwerfe, sie seien Kunden von Prostituierten, die zur Prostitution gezwungen würden. Damit trugen die Aussagen erheblich dazu bei, das Verhältnis Koch-Mehrins zu anderen Parlamentariern zu belasten und gelten, neben der Diskussion um ihre Anwesenheitszeiten, mit als Ursache für die knappe Wahl zur Vizepräsidentin im Juli 2009, erst durch das zweitschlechteste Ergebnis im dritten und letzten Wahlgang.[32][33][34]

Mediale Auftritte

Am 5. Mai 2010 nahm Koch-Mehrin an der politischen Talkshow Hart aber fair teil. Thema der Debatte waren die Verschuldung Griechenlands und die Hilfsmaßnahmen der EU.[35] Auf die Frage, wieso sie trotz der deutschen Staatsverschuldung die Steuern senken wolle, antwortete sie, dass Steuersenkung für Wirtschaftswachstum sorge, wodurch neue Arbeitsplätze entstünden und so die Sozialausgaben sinken könnten.[36] Als am Ende der Sendung Koch-Mehrin, wie die übrigen Studiogäste, gebeten wurde zu schätzen, um wie viel die bundesdeutsche Staatsverschuldung während der 75-minütigen Sendung gestiegen sei, antwortete sie mit „6000 Euro“, während der richtige Wert bei etwa 20 Millionen Euro lag. In einigen Zeitungen wurde dies als Ausdruck finanzpolitischer Inkompetenz Koch-Mehrins kommentiert.[37]

Plagiatsaffäre

Nachdem Karl-Theodor zu Guttenberg im Januar 2011 wegen den Plagiatsvorwürfen gegen seine Doktorarbeit zurücktreten musste, laufen seit April 2011 ebenfalls Untersuchungen gegen Koch-Mehrin. Dazu wurde ein VroniPlag Wiki eröffnet[38], bei dem bereits etwa neun Prozent aller Seiten als mögliche Plagiate bezeichnet wurden.

Veröffentlichungen

  • Silvana Koch-Mehrin: Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik. Die Lateinische Münzunion 1865 – 1927. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2001, ISBN 3-7890-7631-7 (Überarbeitete Fassung ihrer Dissertation, Heidelberg 2000).
  • Silvana Koch-Mehrin: Schwestern. Streitschrift für einen neuen Feminismus. Econ-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-430-30028-5.
Commons: Silvana Koch-Mehrin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.europarl.europa.eu/ep-dif/28241_10-01-2011.PDF
  2. Vita von Silvana Koch-Mehrin auf ihrer Homepage
  3. Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865 – 1927 im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  4. Rezension z.B. unter: Sascha Rolf Lüder (2003), in Europarecht Bd. 38, Heft 2, S. 356-358.
  5. http://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-koch-mehrin-unter-plagiatsverdacht-hat-silvana-koch-mehrin-abgeschrieben-1.1083866
  6. Süddeutsche Zeitung, 11. April 2011: http://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-koch-mehrin-unter-plagiatsverdacht-hat-silvana-koch-mehrin-abgeschrieben-1.1083866
  7. http://www.fdp-bw.de/personen/pernum.php3?num=109
  8. Europäisches Parlament: Koch-Mehrin entgeht nur knapp einer Blamage, faz.net
  9. Koch-Mehrin schrammt an Schlappe vorbei, sueddeutsche.de
  10. Knapp ins EU-Parlamentspräsidium gewählt – Denkzettel für Koch-Mehrin, online unter taz.de
  11. http://www.koch-mehrin.de/2009/09/01/koch-mehrins-arbeitsbereiche-im-prasidium-des-europaischen-parlaments/
  12. http://www.europarl.de/view/de/Aktuell/pr-2009/Aktuell-2009-Juli/Aktuell-2009-Juli-10.html
  13. Kein Geld mehr für kritische NGOs?, TELEPOLIS, 9. Dezember 2005.
  14. vgl. Ein Verbot eint Belgien-Flamen und Wallonen begrüßen den Burka-Bann, faz.net, 2. Mai 2010
  15. vgl. z.B. Warum ein Burkaverbot in Deutschland falsch wäre, zeitonline, 2. Mai 2010
  16. FDP will Burka-Verbot in ganz Europa, faz.net, 2. Mai 2010
  17. „Mobiles Gefängnis“ Koch-Mehrin will europaweites Burka-Verbot, Welt Online, 1. Mai 2010
  18. Silvana Koch-Mehrin-FDP-Politikerin verlangt Burka-Bann für Europa, Spiegel Online, 1. Mai 2010
  19. FDP: Koch-Mehrin fordert Burka-Verbot für ganz Europa, Focus, 1. Mai 2010
  20. Burka-Diskussion in Deutschland - Koch-Mehrin fordert Verbot, 1. Mai 2010, tageszeitung
  21. vgl. Koch-Mehrin: Politik ist kinderfeindlich, fdp-bundespartei.de
  22. „Politik ist kinderfeindlich“, bild.de
  23. vgl. Die Selbstabschaffung der Silvana Koch-Mehrin, 12. September 2007, stern.de
  24. Kabinettskandidaten - Diese Politiker sind für Merkels Team im Gespräch, 29. September 2009, Welt Online
  25. Kabinettsprognose-Merkels Mannschaft der begrenzten Möglichkeiten,15. August 2009, Spiegel Online
  26. Wer hat Chancen auf ein Ministeramt im schwarz-gelben Kabinett?, 29. September 2009, Welt Online
  27. Europaparlament: Wie fleißig ist Silvana Koch-Mehrin?, FAZ.NET
  28. a b Abgeordneten-Präsenz: Spitzenkandidatin im Zwielicht, Zeit Online
  29. Die Schöne und das Biest von der ARD, Süddeutsche Zeitung
  30. vgl. Kampf um Wähler – FDP-Spitzenkandidatin wehrt sich gegen Journalisten, Zapp, 3. Juni 2009, online unter ndr.de.
  31. N.N.: „Silvana Koch-Mehrin: „Wie Ausflüge ins Landschulheim““ Bunte 46/2008, 4. November 2008.
    Bunte: Die Neulinge erkunden das Parlament, online unter Bunte.de.
  32. vgl. EU parliament elects vice-presidents after marathon vote, online unter theparliament.com
  33. vgl. Heide Oestreich: Koch-Mehrins EU-Wahlschlappe – Zu faul, zu blond, zu Frau,15. Juli 2009, online unter taz.de
  34. S. Bolzen und C. B. Schiltz: Europaparlament – Warum Silvana Koch-Mehrin so unbeliebt ist, 15. Juli 2009, online unter welt.de
  35. vgl. z.B. „Bei Plasbergs TV-Talk mehr Für als Wider zur Griechen-Hilfe“, Der Westen, 6. Mai 2010
  36. „Mit Solidaritäts-Ouzo gegen die griechische Krise“, welt.de, 6. Mai 2010
  37. vgl. „Mit Solidaritäts-Ouzo gegen die griechische Krise“, welt.de, 6. Mai 2010, Silvanas Torten - Quatsch mit Sahne, sueddeutsche.de, 6. Mai 2010, TV-Kritik „Hart aber fair“ - Keine Ahnung von der Schuldenuhr, Frankfurter Rundschau, 6. Mai 2010, „Hart aber fair“: Peter Zwegat, übernehmen Sie!, Focus, 6. Mai 2010
  38. http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/SKM