Willem Sassen

niederländischer Nationalsozialist und SS-Mann, Interviewer von Adolf Eichmann
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Willem Sassen (* 16. April 1918 in Geertruidenberg; † 2001 in Chile) war ein niederländischer Nationalsozialist und SS-Mann. Er wurde in den späten 1950er Jahren bekannt als Interviewer von Adolf Eichmann, einem der Hauptverantwortlichen für den als Holocaust bezeichneten Völkermord an etwa sechs Millionen europäischen Juden.

Leben

Willem Sassen meldete sich zur faschistischen „Niederländischen Legion“, deren Männer unter dem Befehl niederländischer Offiziere in der Waffen-SS in eigenen Einheiten aufgestellt waren. Er wurde SS-Kriegsberichter in einer Panzertruppe; nach einer Verwundung wurde er Mitarbeiter des Senders „Stimme der SS“ in Belgien und den Niederlanden. Im Oktober 1944 wurde Sassen Chefredakteur der Zeitung De Telegraaf (De Courant Nieuws van de Dag). Er stieg zum SS-Untersturmführer auf.

Nach Kriegsende wurde er interniert, konnte fliehen, begab sich nach Antwerpen und erlangte die Papiere eines Albert Desmedt aus einer der Vernichtung zum Opfer gefallenen Familie. Als seine Tarnung als „überlebender Jude“ auffiel, wurde er in die Niederlande abgeschoben, konnte jedoch erneut fliehen. Ein alter Freund, Anthony Mertens (Redakteur des Wochenblattes De Linie), verschaffte ihm Kontakt zur „Katholiken-Runde“ fanatischer klerikaler Nationalsozialisten. Aus diesem Kreis erhielt er neue falsche Papiere, mit denen er sich im September 1948 über Dublin nach Argentinien über die so genannte Rattenlinie einschiffen konnte.

Willem Sassen heiratete 1940 Paula Fisette, wurde geschieden und heiratete danach Miep van der Voort, mit der er zwei Kinder hatte. Die Tochter Saskia Sassen (* 1949 in Den Haag) ist eine bekannte amerikanische Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin. In den 1970er Jahren heiratete Sassen zum dritten Mal, und zwar Els Delbaere; er arbeitete u. a. als PR-Berater für den chilenischen Diktator Pinochet und den Diktator Paraguays Alfredo Stroessner.

Eichmann-Interviews

In Argentinien – Fluchtpunkt vieler ehemaliger Nationalsozialisten – fand er schnell Anschluss und traf Adolf Eichmann, mit dem er ein Buchprojekt über dessen Tätigkeit im RSHA besprach. In diesem Zusammenhang kam es über vier Jahre hinweg (1956-1960) zu regelmäßigen Treffen der beiden, meist zweimal im Monat, also zu ca. 40 bis 50 Gesprächen. Sassen bewahrte sowohl Tonbänder dieser Gespräche als auch Abschriften als von Eichmann korrigierte Transkripte auf. Nach der Entführung Eichmanns nach Israel gelang es Sassen durch Teil-Abdrucke in den Zeitschriften Time/Life (USA) und Stern (BRD) das Material zu Geld zu machen. 1980 übergab Sassen die Bänder und Abschriften Eichmanns Witwe Vera.

Ein Teil von Sassens Interviews mit Eichmann wird im deutschen Spielfilm Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod, einem Dokudrama von Raymond Ley aus dem Jahr 2010 - unter Übernahme von Originaltexten der ausgewählten Interviews - nachgestellt. Willem Sassen wird in diesem Film von Ulrich Tukur dargestellt.

Literatur

  • Irmtrud Wojak Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay. (Zuerst 2001.) Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2004, ISBN 3-5961-5726-9
  • Gerard Groeneveld: Kriegsberichter. Nederlandse SS-oorlogsverslaggevers 1941–1945. Nijmegen, Vantilt (in niederländischer Sprache), S. 356–368, ISBN 90-77503-09-9