Weltwirtschaftskrise






Der verlorene 1. Weltkrieg mit dem Ende der Monarchie hatte massive wirtschaftliche Auswirkungen. Eine Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise in Österreich war der Pleite der größten Bank, der Creditanstalt im Sommer 1931. Im Herbst gab es einen Versuch der christlichsozialen bzw. nationalen Heimwehr, die Macht in Österreich durch einen Putsch zu übernehmen. Vor dem Hintergrund dieser labilen Situation fanden am 24. April 1932 in einigen Bundesländern Landtags- bzw. Gemeindewahlen statt, wobei die NSDAP auf Kosten von Großdeutscher Volkspartei und Landbund massiv gewann. Dabei konnte die NSDAP im österreichweiten Vergleich in Kärnten nicht nur in den Städten, sondern auch in den Landgemeinden die größten Erfolge erzielen. 1930 lag die NSDAP österreichweit erst bei 3 %. In Obermillstatt erzielte sie 15,7 %, das waren 3 von 16 Mandaten.[1]
Die braune Propaganda war stark und wurde von vielen geglaubt. Man hoffte auf Arbeitsplätze. Als Folge der Wirtschaftskrise gab es aus dem benachbartem Fremdenverkehrsort Millstatt immer weniger Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten zur Versorgung der Sommerfrischler. Auch Hauspersonal wurde kaum mehr gebraucht. Die mit dem Tourismus verbundenen Nebengewerbe wie der Baubereich konnten wegen mangelnder Aufträge keine Arbeitskräfte aufnehmen. Das Auspendeln in andere Orte, wie in die rund 12 Kilometer entfernte Bezirkshauptstadt Spittal an der Drau war mit stundenlangen Fußmärschen verbunden, die nur wenige auf sich nahmen. Die tägliche Heimkehr war für viele wichtig, da Handwerker zum Überleben zumindest eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft brauchten. Auch im Radentheiner Magnesitwerk bzw. im "Bruch", dem Magnesitbergbau auf der Millstätter Alpe, wurden Arbeitsplätze reduziert. Obwohl die Arbeit dort schwer war und die Männer sogar im Winter mit Schneeschuhen zu Fuß über die Millstätter Hütte zum Abbaugebiet gingen und erst nach einer Woche wieder füre zwei Tage heimkamen, galt eine Beschäftigung dort als sehr gut. Unter dem Eindruck der Arbeitslosigkeit sahen besonders die jungen Männer im Nationalsozialismus die Rettung. Es wird von Langzeitarbeitslosten berichtet, sich über Jahre ohne Entlohnung nur für die Verpflegung bei Bauern verdingten und sich entsprechend ausgebeutet fühlten. Aber auch den Bauern ging es wirtschaftlich nicht besonders gut und die Nationalsozialisten lockten mit Versprechungen wie einer vollkommenen Entschuldung, Subventionen (Heimatschilling), Ankauf überschüssigen Viehes und sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen eines gemeinsamen Großdeutschen Reiches.[2] Die protestantische Religion sollte der katholischen als Staatsreligion gleichgestellt werden. Ehemalige reichsdeutsche Soldaten wurden ermutigt, in Österreich Höfe zu kaufen, die als erste nationalsozialistische Zellen zur Verbreitung von Propagandamaterial dienten. Nach dem Aufbau der bis 1933 legalen Parteistrukturen kam es zu Wirtschaftsboykotten. Nazis waren angehalten, vaterländisch eingestellte Geschäftsleute oder Bauern zu meiden und sie möglichst zu schädigen. Um die Anhänger entsprechend aufzuhetzen, gab es geheime nächtliche Zusammentreffen, von denen auch in der Obermillstätter Gegend berichtet wird. Da die NSDAP bei der Auswahl des Personals auf keine geeignete Personalressourcen zugreifen konnte und war man nicht wählerisch. Kriminelle konnten leicht Karriere machen. Der SA-Sturmführer von Millstatt hatte fünf Vorstrafen, sein Stellvertreter drei Verurteilungen wegen schweren Betrugs.
"Brauner Terror" und Juliputsch
Anfang 1933 kam Adolf Hitler in Deutschland an die Macht, was die österreichischen Nationalsozialisten in ihrem Eifer massiv bestärkte. Im März 1933 verhinderte der christlichsoziale Kanzler Engelbert Dollfuß das Wiederzusammentreten des Parlaments und nutzte dies für einen Staatsstreich zur Etablierung eines Ständestaats. Die Nazi-Terroraktionen nahmen massiv zu, was im Juni 1933 zu einem Verbot der NSDAP durch das Dollfuß-Regime führte. Bis 1938 starben österreichweit ca. 800 Menschen am Terror der illegalen NSDAP, wobei 164 während des Juliputsches ums Leben kamen und 636 zum Teil schwer verletzt oder materiell erheblich geschädigt wurden.[3] Spätestens ab der Tausend-Mark-Sperre die Nazideutschland 1933 zur Schädigiung des österreichischen Tourismus verhängte, waren die wirtschaftlichen Schwierigkeit auch bei den Obermillstättern stark spürbar.[4] Nur mehr ganz wenige Deutsche waren bereit, diese Einreisegebühr, in heutigem Geldwert etwa 3.900.- Euro, auf sich zu nehmen.
Im Gebiet um den Millstätter See gab es ab Mai 1934 laufend Kämpfe zwischen den Formationen der Parteien und Festnahmen von Anhängern der NSdAP.[5] Laut Zeitzeugen waren die politischen Aktionen der Nazis in der Gemeinde Obermillstatt Anfang der 1930er Jahre noch relativ harmlos. Es gab Hakenkreuzschmierereien, Hakenkreuzbeflaggung an markanten Stellen im Wald z.B. am Sauterbichl bei Sappl oder auf Bergen abgebrannte Feuer in Hakenkreuzform auf Mirnock, Goldeck oder Gmeineck. Auch hob man einmal einen Leiterwagen eines katholischen Bauern in Görtschach auf dessen Holzhüttendach, sodass dieser am nächsten Tag größte Mühe hatte, den Wagen wieder herunter zu bekommen.
In der Nacht zum 29. Juni 1934 gab es erstmals schwere Sachbeschädigungen mit gestohlenem Sprengstoff aus dem Magnesitwerk Radenthein.[6] Zwecks Einschüchterung politischer Gegner sprengten Anhänger der nun verboten NSDAP das neuerbaute Wohnhaus des ständestaatlich eingestellten Fabriksarbeiters Stefan Steurer in Dellach, das damals zur Gemeinde Obermillstatt gehörte. In derselben Nacht erfolge der bis dato größte Anschlag in Kärnten, die Sprengung der großen, eisernen Lieserbrücke bei Seebach, wodurch das Millstätter See Gebiet vorübergehend vom Anschluss zur Eisenbahn abgeschnitten waren. Am Wörthersee scheiterte ein Anschlag auf den Wiener D-Zug. Beide Aktionen waren dezidiert darauf ausgerichtet, auch noch den Inlands Fremdenverkehr zu schaden.
Einen knappen Monat später, zwischen 25. und 30. Juli 1934, gab es einen groß angelegten nationalsozialistischen Umsturzversuch. Man geht davon aus, das Hitler persönlich der Initiator war. In Wien überfielen als Soldaten des Bundesheeres sowie als Polizisten verkleidete SS-Männern das Bundeskanzleramt sowie die RAVAG und erzwangen eine Falschmeldung im Radio, die das vereinbarte Signal war, auf das hin Nationalsozialisten in ganz Österreich mit einer „Erhebung“ beginnen sollten. Besonders in der Steiermark und Kärnten kam es in den folgenden Tagen zu teils heftigen Gefechten zwischen den Nationalsozialisten und den Streitkräften der Bundesregierung, Bundesheer, Polizei, Gendarmerie, Freiwillige Schutzkorps und selbstständig operierende Einheiten „regierungstreuer“ Wehrverbände, der Heimwehr.
Wie in ganz Kärnten gab es auch in Millstatt Kämpfe. Am 27. Juli um vier Uhr morgens kamen ca. fünfzig schwer bewaffnete Nazi-Putschisten auf der Straße aus Radenthein, eröffneten das Feuer und nahmen die zwei Millstätter Gendarmen und fünf Schutzkorps-Leuten, die sich ihnen entgegen stellten, gefangen.[7] Sie betätigten die Sirene, um andere auf den Putsch wartenden Nazis zu informieren und befreiten die Millstätter und Obermillstätter, die seit den Sprengstoffanschlägen im Gemeindekotter einsaßen. Um fünf Uhr dreißig kamen die ersten 20 Alpenjäger des Bundesheers aus Spittal, befreiten Gendarmen und Schuko-Leute und vertrieben die Putschisten, in die Wälder östlich des Ortes. Sie wagten jedoch keinen Angriff mehr, obwohl sie einstweilen auf ca. 300 Personen aus dem Umland sowie dem Kirchheimer- und Gegendtal angewachsen waren und flüchteten durch die Wälder. Insgesamt starben ein Alpenjäger und zwei Heimwehrmänner. In ganz Österreich wurde der Putsch bis zum 30. Juli niedergeschlagen. Rund 4000 Nationalsozialisten wurden von Militärgerichten abgeurteilt, 13 hingerichtet, viele in Anhaltelager eingewiesen. Aus der Gemeinde Obermillstatt waren sechs Personen (u.a. ein Bauer, ein Hilfsarbeiter, zwei Landarbeiter) ins Anhaltelager Wöllersdorf in Niederösterreich deportiert und waren dort ca. ein halbes Jahr in Gefangenschaft.[8] und andere flohen ins Deutsche Reich
Wer angezeigt wurde, musste ins „Altreich“ nach Deutschland fliehen oder wurde ins Anhaltelager Wöllersdorf in Niederösterreich deportiert.
Das Erliegen des Fremdenverkehrs durch die politischen Kämpfe der Jahre 1933 und 1934 hatten zur Folge, dass die Gemeinde Millstatt mit allen Betrieben in Konkurs ging, unter Zwangsverwaltung der Hypothekenanstalt Klagenfurt, deren örtlicher Vollstrecker Josef Pleikner war.[9]
Der "Anschluß" und Krieg
Mit dem Anschluss Österreichs 1938 wurde es möglich sich offen zum Nationalsozialismus zu bekennen. Da und dort wurden Hakenkreuze weithin sichtbar auf die Häuser gemalt. Die Beteiligung der Dorfbewohner an den entsprechenden Vorfeldorganisationen wie Hitler-Jugend, Sturmabteilung (SA), Bund Deutscher Mädel (BDM) oder der Ortsbauernschaft wurde verpflichtend. Auch in Obermillstatt wird von den üblichen NS-Verboten berichtet, wie das Abhören ausländischer Radiosender wie der BBC oder der Besuch des Religionsunterrichts. Während die einen endlich Arbeit erhofften, sahen einige auch die Chance, durch Abschiebung der Nichtsytemkonformen in die Ukraine, ihren Grundbesitz zu vergrößern. Besondere Nazi-Karrieren aus der Gemeinde sind nicht bekannt. Es gab millitante HJ-Führer aber auch freiwillige SS-Mitglieder. Für alle kam bald die Ernüchterung. Im Zweiten Weltkrieg verlor die Gemeinde 68 Männer. Kaum eine Familie hatte keine Opfer zu beklagen. Die meisten Männer der Umgebung wurden auf den Balkan eingezogen. Der Ort selbst wurde durch kriegerische Ereignisse nicht in Mitleidenschaft gezogen. Zeitzeugen berichten nur von überfliegenden britischen oder amerikanischen Bomberverbänden, die die Eisenbahn im Drautal und die Städte Villach und Klagenfurt bombardierten. In klaren Bombennächten war in der Ferne das Abwerfen der „Christbäume“ - Leuchtbomben zur Zielmarkierung - zu sehen. Auf das verdunkelte Obermillstatt fiel nur einmal ein leerer Benzintank herunter.
Während des Krieges gab es neben dem sehr schwachen Fremdenverkehr amtlich angeordnete Einquartierungen. In Millstatt und Umgebung wurden mehrere Lager der Kinderlandverschickung mit ca. 500 Kinder von ausgebombten Familien aus Berlin eingerichtet. In Obermillstatt wurde ein Reichsarbeitsdienstlager (RAD Lager 4/224) erbaut. Dort befanden sich durchschnittlich 40 bis 50 Frauen, die bei den Bauern der Umgebung landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichteten hatten. An der Stelle des ehemaligen Lagers wurde 1977 die neue Volksschule errichtet. Obermillstatt fiel in der Besatzungszeit unter britische Verwaltung. Zur Versorgung der Truppen hatte die einheimische Bevölkerung Lebensmittel abzuliefern. Zeitzeugen zeichnen ein insgesamt positives Bild von den Engländern, die immer wieder Lebensmittel wie getrocknete Früchte, Mandarinen, Feigen oder Zuckerln verteilten. Auf der Suche nach versteckten oder durchziehenden Nationalsozialisten auf der Flucht durchkämmten die Briten immer wieder Obermillstatt und fuhren gelegentlich mit ihren Jeeps auf die Millstätter Alpe. Im Pfarrhof Obermillstatt waren einige Zeit Flüchtlinge einquartiert.
Quellen
- ↑ Ulfried Burz: Vom Kampf für das Deutschtum zum Kampf für den Führer. Die nationalsozialistische Bewegung in Kärnten 1918-1933. Diss., Univ. Klagenfurt, 1995, S. 151, unter [1] aufgerufen am 22.03.2011
- ↑ Postenkommandant Rev.-Insp. Forstnig: Bericht des Gendarmariepostenkommandos Millstatt über die „Okkupationspolitik der Nazis in Österreich“, Millstatt 1946. DÖW, Akt Nr. 8351. In: Kurt Bauer: Illegaler Nationalsozialismus in Kärnten. Auszüge aus unveröffentlichten Manuskripten für das Rot-Weiß-Rot-Buch. Unter www.kurt-bauer-geschichte.at, aufgerufen am 23.03.2011
- ↑ Norbert Regitnig-Tillian: Die Wurzeln des Hitler-Kults in Österreich: Waren Österreicher die radikaleren Nazis? In: Profil, 9.5.2009, unter [2] aufgerufen am 22.03.2011.
- ↑ Vgl. Aus dem politischen Geschehen der Jahre 1930-1950. In: Maierbrugger, Die Geschichte von Millstatt, 1964, S. 395-405.
- ↑ Koller, Vom ersten Gast zum Massentourismus
- ↑ Kurt Bauer, Illegaler Nationalsozialismus in Kärnten.
- ↑ Detailangaben bei Friedrich Koller, Vom ersten Gast zum Massentourismus.
- ↑ Kurt Bauer: Forschungsprojekt Die österreichischen Anhaltelager 1933-1938 Unter: [3], aufgerufen am 07.04.2011.
- ↑ Matthias Maierbrugger, Geschichte von Millstatt, S. 377