Kubismus

Kubismus ist eine Stilrichtung in der Kunstgeschichte. Sie entstand aus einer Bewegung der französischen Avantgarde in der Malerei ab 1907. Ihre Begründer sind Pablo Picasso und Georges Braque. Der Kubismus griff auch auf die Plastik über. Man unterscheidet innerhalb des Kubismus in der Regel vom sogenannten Frühkubismus ausgehend den analytischen, den synthetischen und den orphischen Kubismus.
Der Kubismus löste in Frankreich den Fauvismus ab. Eine eigene Theorie oder ein Manifest besaß der Kubismus wie zuvor der Fauvismus nicht. Der Kubismus wird zur Klassischen Moderne gezählt.
Die Bezeichnung Kubismus etablierte sich 1909, als Louis Vauxcelles bei der Besprechung zweier Bilder Braques den Begriff cubisme prägte.[1][2]
Aus heutiger Sicht stellt der Kubismus die revolutionärste Neuerung in der Kunst des 20. Jahrhunderts dar. Die Bibliographie zum Kubismus ist umfangreicher als zu jeder anderen Stilrichtung in der modernen Kunst. Der Einfluss kubistischer Werke auf die nachfolgenden Stilrichtungen ist beispiellos.[3]
Weitere bedeutende Vertreter des Kubismus sind Juan Gris, für den synthetischen Kubismus, Fernand Léger und Robert Delaunay, auf den der orphische Kubismus zurückgeht, und die Puteaux-Gruppe (siehe im Artikel → Salonkubisten).
Begriff
Das Wort Kubismus, abgeleitet von frz. cube bzw. lat. cubus, zurückgehend auf altgriech. kybos[4] für Würfel (Kubus), als kunstwissenschaftlicher Begriff bildete sich bereits 1909. In einem Artikel von Charles Morice vom 16. April 1909 im Mercure de France tauchte es zum ersten Mal schriftlich bei einer Besprechung der Bilder Braques aus dem Salon des Indépendants auf.[5] Louis Vauxcelles etablierte dann den Begriff cubisme in seinem Bericht über den Salon des Indépendants. Von nun an wurden die jüngsten Gemälde Pablo Picassos und Georges Braques der neu geschaffenen Stilrichtung zugeordnet.[2]
Nach Angaben von Guillaume Apollinaire hingegen hatte zuerst Henri Matisse bei der Betrachtung eines Landschaftsbildes von Braque spöttisch von „petits cubes“ gesprochen, was dieser später allerdings bestritt. Im Oktober 1911 nannte Apollinaire in der Pariser Tageszeitung L'Intransigeant jedoch Picasso als den Urheber des Kubismus: „Das Publikum glaubt im allgemeinen, Kubismus sei die Malerei in Form von Kuben. Das ist er nicht. 1908 sahen wir mehrere Bilder von Picasso […], die der Öffentlichkeit den Eindruck von Kuben vermittelten, und so entstand die Bezeichnung der neuesten Richtung der Malerei.“[2]
Wie Apollinaire hebt auch Kahnweiler in seinem 1920 erschienenen Buch Der Weg zum Kubismus hervor, man solle den Namen nicht als Programm auffassen „und so zu falschen Schlüssen“ gelangen. Der Name ist ein Schimpfwort seiner Gegner, wie es schon der Impressionismus gewesen war.[6] Wie schon bei den zuvor gebildeten Stilrichtungen Fauvismus und Impressionismus verfälschte die Begriffsbildung das Verständnis der neuen Malerei.
Charakterisierung
| Les Demoiselles d’Avignon |
|---|
| Pablo Picasso, 1907 |
| Öl auf Leinwand |
| 245 × 235 cm |
| Museum of Modern Art, New York City |
So unterschiedlich die Darstellungen zum Ursprung des Kubismus überliefert sind, besteht doch Einigkeit darüber, dass Pablo Picasso mit seinem großformatigen Gemälde Les Demoiselles d’Avignon (1906–1907) den Grundstein des kubistischen Denkens legte. Die Demoiselles d’Avignon hatten Natur und Begriff der Malerei selbst verändert. [7] Die Illusion von Räumlichkeit und Plastizität trat hinter die Frage der Darstellung und Aufgliederung von Formen zurück. Der Kubismus war ein Umsturz der Fundamente.
Er kann auf zweierlei Art und Weise gelesen werden:
- als endgültiger Bruch, indem er sich der Darstellung der scheinbaren Welt entzieht. Er gibt in eindeutiger Weise der Gliederung des Werks und dem ihm zugestandenen Raum den Vorrang. Berücksichtigt werden die Werte- und Kräfteverteilungen, die innerhalb des Bildraums in Einklang gebracht werden sollen.
- oder aber er wird als konzeptioneller Bruch mit den seit der Renaissance vorherrschenden Regeln gesehen: Ausschaltung des traditionellen Chiaroscuro, der Perspektive und des geschickten, handwerklichen Pinselstrichs.[8]
Die Entwicklung des Kubismus wird in vielen kunsthistorischen Rezensionen als das größte Abenteuer der Kunst des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Durch die im Kubismus hervortretende dynamische Entwicklung und Verkettung von Einsichten und Entdeckungen schälte sich allmählich eine visuelle Dialektik für die Kunst des 20. Jahrhunderts heraus. Das wichtige Vermächtnis für die nachfolgenden Generationen liegt in der Umsetzung der Definition der Malerei Leonardos als cosa mentale[9] in das 20. Jahrhundert.[10]
Kunsthistorische Betrachtung
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts überdachte man, allen voran Theoretiker wie Gotthold Ephraim Lessing und Denis Diderot, den Sinn und die Aufgaben der Malerei und versuchte diese neu zu bestimmen. Seit der Renaissance war sie inhaltlich-funktional motiviert und diente dazu, im visuellen Medium Mitteilungen vorzutragen. Die Nachahmung der Natur, die Illusion natürlicher Erscheinungen, war die Form, sie verständlich zu machen. Das änderte sich im 18. Jahrhundert entscheidend. Man definierte die Grenze der Malerei neu und nahm ihr die erzählende Funktion. Sie durfte nun nur noch abbilden. Schon sehr bald wurde auch die Abbildungsleistung fragwürdig, da sie auf illusionären, im Grunde rein technischen und unzuverlässigen Mechanismen beruht. Ausgehend von der Philosophie Immanuel Kants, Georg Wilhelm Friedrich Hegels und Arthur Schopenhauers verabsolutierte man die ästhetische Wirkung der Malerei und erkannte die Selbständigkeit ihrer Mittel Zeichnung und Farbe an.[11]
Durch diese grundlegende Umwälzung – so mussten zuvor Inhalt und Form, Botschaft und Aussehen übereinstimmen – verlagerte sich der Maßstab zur Dominanz der Form; Form wurde nun Inhalt. Ausgehend von der philosophischen Überzeugung, dass Anschauung, Begriffe und Erkenntnis zusammengehören, gelangte man zu einer Auffassung vom geistigen Gehalt der Malerei als reiner Anschauungsform. Zwangsläufig musste sie so ihren Nachahmungscharakter verlieren und sich aus der Abhängigkeit von Vorbildern befreien. Sowohl die französische Kunst des 19. Jahrhunderts als auch die damit nicht gleichlaufende nordische Kunst seit der deutschen Romantik drängten zu einer immer größeren Autonomie des Bildes.[11]

Naturwissenschaftliche Untersuchungen des 19. Jahrhunderts zu den Mechanismen der menschlichen Sinnesogane zum einen und den Prinzipien der Wahrnehmung zum anderen ergaben deren physiologische Eigenständigkeit. Experimente der französischen Forscher Joseph Plateau und Eugène Chevreul über das Farbsehen beeinflussten Maler von Eugène Delacroix bis zu Georges Seurat. Großen Eindruck machten ebenfalls die Untersuchungen von Hermann Helmholtz und Wilhelm Wundt über Physiologische Optik und Physiologische Psychologie, die in französischen Ausgaben weitverbreitet waren.[11]
Große Bedeutung in diesem Zusammenhang hat das Werk Paul Cézannes. Der freiere Umgang Cézannes mit dem Naturvorbild, mit Form und Farbperspektive wurde Bezugspunkt des Umbruchs von 1907. Es führt eine direkte Linie von seinen Badenden zu Matisse' Nu Bleu (Blauer Akt) und Derains Baigneuses (Badende) bis schließlich zu Les Demoiselles d'Avignon. So ist es bezeichnend, dass die Neuformulierung der Kunst einem von Grund auf akademischen geprägten Maler wie Picasso gelang.[11]
Picassos Studien ab Winter 1905/1906
Im Herbst 1905 machten die Fauves im Salon d’Automne mit ihrer ersten Gemeinschaftsausstellung auf sich aufmerksam. Picasso lernte 1906 durch Vermittlung von Gertrude Stein die wichtigsten Exponenten dieser Richtung kennen, Henri Matisse und André Derain.[12]
Picassos Arbeiten seit dem Winter 1905/06 sind eine einzige Kette von Formexperimenten.[12] Am Ende dieses Weges steht der Durchbruch zur ersten modernen Kunstsprache, dem Kubismus, die er durch eine überlegte und sehr vielschichtige Auseinandersetzung mit der Tradition einerseits und „primitiven“ Quellen andererseits vorantreibt. So setzte er sich nicht nur mit den Werken Uccellos, Piero della Francescas, El Grecos, Poussins, Ingres’, Cézannes auseinander, sondern auch mit afrikanischen und iberischen Skulpturen.[12][13]
Seine in diesen Jahren betriebenen Vorstöße finden mit dem berühmten Bild Les Demoiselles d’Avignon im Sommer des Jahres 1907 ihren vorläufigen Abschluss. Obwohl die Vorstudien Picassos – es sind nicht weniger als 809! – zu diesem Werk aus dessen Nachlass vorliegen, ist die Reihe der Skizzen und Studien wesensgemäß und chronologisch heterogen. Dies begründet die Schwierigkeit, die Entwicklung und Zusammenhänge im Detail genau zu erfassen.[14][12]
Mit einem Schlag katapultierte sich der junge Spanier neben Matisse und Derain mitten in die Diskussion um die Moderne, hatte er eine Revolution mit unabsehbaren Folgen angezettelt.[15] Picasso entwickelte eine neue Formensprache, die so viel Naturnachahmendes wie nötig enthielt, um verständlich zu sein, und so viel eigenständige bildnerische Mittel wie möglich, ohne vollständig abstrakt zu werden.[12]
Geburt des Kubismus 1907/1908 — Picasso und Braque
„Man hat den Kubismus mathematisch, geometrisch, psychoanalytisch zu erklären versucht. Das ist pure Literatur. Der Kubismus hat plastische Ziele. Wir sehen darin nur ein Mittel, das auszudrücken, was wir mit dem Auge und dem Geist wahrnehmen, unter Ausnützung der ganzen Möglichkeiten, die in den wesenhaften Eigenschaften von Zeichnung und Farbe liegen.“
Guillaume Apollinaire führt die Geburt des Kubismus auf die Begegnung Picassos mit André Derain im Jahre 1906 zurück.[7] Er hebt den Beginn der geistigen Bewegung hervor. Die Geburt ihrer bildnerischen Gestaltwerdung zeigt sich jedoch erst in der Begegnung Picassos und Braques. Der Kubismus entwickelte sich im wesentlichen aus dem sechsjährigen Dialog dieser beiden Künstler und macht ihn zu einem Phänomen, „das in der Geschichte der Kunst […] ohne Beispiel ist.“[10] In seinem grundlegenden Werk Der Weg zum Kubismus aus dem Jahre 1920 betont Daniel-Henry Kahnweiler, dass die Verdienste beider Maler „eng verschlungen“ und „oft kaum zu unterscheiden“ seien.[1]
Ende des Jahres 1907 begleitete Georges Braque, der sich zuvor dem Fauvismus zugewandt hatte, Apollinaire in Picassos Atelier im Bateau-Lavoir: vielleicht Braques erster Besuch; möglicherweise hatten aber schon im Frühjahr 1907 während des Salon des Indépendants gegenseitige Atelierbesuche stattgefunden.[16] Braques Reaktion auf Picassos Bild Les Demoiselles d'Avignon war zuerst ablehnend: „Mit ihren Bildern wollen Sie anscheindend bei uns das Gefühl erwecken, Stricke schlucken und Kerosin trinken zu müssen.“[16][17]
Picassos Atelier bildete nun den Ort, in dem nicht nur über seine Arbeiten, sondern auch über die Braques aus L’Estaque, die im Sommer desselben Jahres entstanden, diskutiert wurde. Bei einigen dieser Treffen war auch Henri Matisse zugegen.[16]
Braque stellte im März 1908 im Salon des Indépendants seine Komposition Frau aus. Gertrude Stein berichtet: „Wir […] sahen […] zwei große Bilder, die sich ziemlich ähnlich sahen. Das eine ist von Braque, das andere von Derain, […] Die Bilder erschienen uns fremdartig, mit seltsam geformten Figuren wie aus Holzblöcken. […] Wir saßen ahnungslos unter jenen Bildern, die zum erstenmal öffentlich dokumentieren, daß Braque und Derain Picasso-Anhänger geworden waren und nicht mehr zu Matisse gehörten.“[16] (siehe hierzu → Fauvismus) Die Sichtweise Gertrude Steins, dass Braque und Derain zu, wie sie es ausdrückte, Picasso-Anhängern wurden, deckt sich mit den Äußerungen Fernande Oliviers: „Als er (Picasso) das erste Mal öffentlich ausstellte, war es gemeinsam mit Braque und Derain, die vollkommen von Picasso beeinflusst waren.“[16]
Matisse äußerte später gegenüber Tériade, dass eine Arbeit Braques, die im Sommer des Jahres 1908 in L'Estaque entstand — Häuser in L’Estaque —, das erste Bild war, das den Kubismus begründete. Es wurde als etwas Neues angesehen und es gab viele Diskussionen darüber.[18] Von Louis Vauxcelles wurde das Bild in einem Artikel im Gil Blas vom 14. November 1908 als erstes mit dem Begriff der „cubes“ in Verbindung gebracht: „Er verachtet Formen, reduziert alles […] auf geometrische Grundformen, auf Kuben.“[18]
Im Winter des Jahres 1908 begannen Picasso und Braque einen regen Dialog zu führen, oft unter der Teilnahme Derains. Von einem Einfluss des einen auf den anderen kann nicht die keine Rede sein, es fand vielmehr eine Interaktion statt. [19] Der gemeinsame Treffpunkt jener Tage war das Restaurant Azon.
Frühkubismus
| Violine und Krug |
|---|
| Georges Braque, 1910 |
| Öl auf Leinwand |
| 117 × 73 cm |
| Kunstmuseum, Basel |
Die ersten Werke Braques liefern ein entscheidendes strukturelles Vorbild für das Scheinrelief des frühen Kubismus. Es fehlt ihnen noch das Gewicht und die Dichte gleichzeitiger Werke Picassos. Erst mit dem maßstabsetzenden Bild Violine und Krug, Anfang 1910 vollendet, entspricht die Qualität des Braqueschen Werks in vollem Maß seiner Erfindungskraft.[10]
Der Kubismus zwang Picasso dazu, seinen größten Begabungen entgegenzuarbeiten: seiner zeichnerischen Virtuosität und dem bildnerischen Erzählen. Die kubistischen Jahre unterscheiden sich darin von allen anderen Phasen des spanischen Künstlers.[10] Den eher bescheidenen zeichnerischen Fähigkeiten Braques kam die kubistische Bildwelt jedoch entgegen. Mit bezwingender Aufrichtigkeit beschrieb er den Kubismus als ein von ihm erschaffenes Hilfsmittel, „das in erster Linie dazu dienen sollte, die Malerei in Reichweite meiner persönlichen Begabungen zu bringen.“[10]
In ihren Arbeiten wird die Farbe als ein Hilfsmittel zur Formgebung und Gestaltung von Hell- und Dunkelwerten eingesetzt. Mit Picassos Worten gesagt: „Kubismus ist nie etwas anderes gewesen als dies: Malen um der Malerei willen, unter Ausschluss aller Begriffe von nicht wesentlicher Wirklichkeit. Die Farbe spielt eine Rolle in dem Sinn, dass sie zur Darstellung der Volumen hilft.“[20]
Zwischen 1908 und 1913 signierten Picasso und Braque ihre Bilder entweder überhaupt nicht oder erst nachträglich auf der Rückseite. Sie waren vom dem Wunsch geleitet, den Charakter des Persönlichen auszuschalten.[7] Picasso äußerte hierzu einige Jahre später: „Die Leute verstanden damals nicht recht, warum wir unsere Bilder sehr oft nicht signierten. […] Das geschah, weil wir die Verlockung einer anonymen Kunst […] spürten. […] Aber der Individualismus war schon zu stark […] Sobald wir sahen, daß das kollektive Abenteuer eine verlorene Sache war, mußte jeder einzelne von uns sein individuelles Abenteuer finden.“[21]
Eine theoretische Herangehensweise an den Kubismus lehnte Picasso ganz und gar ab. Weder Picasso noch Braque hatten die Absicht, eine Schule ins Leben zu rufen.[7] Es ging ihnen um eine Intelligenz, deren Reich weder die Domäne der Wissenschaft noch des Verbalen, sondern allein des Bildnerischen ist.[13]
Analytischer Kubismus 1909–1912
| Der Teich von Horta |
|---|
| Pablo Picasso, 1909 |
| Öl auf Leinwand |
| 60 × 50 cm |
| Privatsammlung, New York |
Picasso und Braque erhoben den Prozess der Bilderfindung und -gestaltung selbst zum Gegenstand ihrer Bilder. Sie entfernten sich so von den Bemühungen anderer Vertreter der Avantgarde.[10] Es ging ihnen um die Formen und deren rhythmisches Zusammenwirken, nicht um die äußeren Assoziationen. Dies hatte eine Sprache zur Folge, die unverständlich für jene war, die den falschen Zugang wählten.[7]
Um Missdeutungen zu vermeiden, hoben beide hervor, dass die Malerei im Sinne Leonardos eine cosa mentale sei.[13] Es gibt zwei Arten die Dinge zu sehen — indem man sie nur anschaue, und indem man sie mit wirklicher Aufmerksamkeit betrachte. Das einfache Anschauen sei nur das natürliche Aufnehmen von Form und Aussehen geschauter Dinge. Die wirklich aufmerksame Betrachtung sei darüber hinaus auch ein intensives Studium der Mittel, sich eine gründliche Kenntnis des Objektes anzueignen. Man solle das bloße Hinsehen als einen physischen Vorgang und das Betrachten als einen geistigen bezeichnen.[13]
Einige Autoren – so etwa Warncke – bezeichnen den gesamten Zeitraum von 1907 bis 1912 als Analytischen Kubismus. Sie unterscheiden innerhalb der Entwicklungsgeschichte nicht namentlich zwischen einem frühen und einem analytischen Kubismus, sondern verweisen auf die inneren Zusammenhänge.[11] Die Bildmotive werden nun jedoch feiner untergliedert bzw. zerlegt. Die Farbgebung dient, wie schon im Frühkubismus, erstrangig der formalen Gestaltung des Bildes, die differenzierenden Hell-Dunkel-Zonen zur Darstellung der Plastizität.
Die kubistische Darstellungsweise ermöglicht es, die Bildgegenstände gleichzeitig (simultan) aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten (polyvalente Perspektive). Der Begriff der Simultaneität ist so in der kunsthistorischen Rezension zu einem Leitwort des Kubismus erwachsen. Oft erscheinen manche Bildteile transparent, wodurch simultan mehrere Ebenen sichtbar sind.
Synthetischer Kubismus 1912–1914

Der synthetische Kubismus, etwa von 1912–1914, baut im Wesentlichen auf die von Pablo Picasso, Georges Braque, später gleichermaßen von Juan Gris, praktizierte Collagetechnik, dem papier collé auf. Zu den papier collés, die als Grundlage aller nachfolgenden Collage-Techniken bis hin zum Ready-made zu sehen ist, wurden Braque und Picasso durch ihre zuvor entstandenen dreidimensionalen Konstruktionen, den Papierplastiken angeregt, die sie aus Papier und Karton, Picasso später aus Blech, fertigten.[10]
Mit Braques Bild Compotier et verre (Obstschale und Glas) entsteht das erste papier collé. Von nun an tauchen Papier, Zeitung, Tapete, imitierte Holzmaserung, Sägespäne, Sand und ähnliche Materialien in den Bildern der Kubisten auf. Die Grenzen zwischen gemaltem und realem Gegenstand bis hin zum Objekt gehen fließend ineinander über. Die in dieser Weise bearbeiteten Bilder bekommen einen dinghaften, materiellen Charakter, der eine neue Realität des Bildes schafft.[22]
Die Maler bemühen sich im synthetischen Kubismus nach der „Zerlegung“ wieder um den „Aufbau“ des Gegenstandes, allerdings unter Wahrung der errungenen Freiheit der Bildgestaltung. Sie bauen hierbei ihre Bilder aus größeren Flächen auf, mit strengen klaren Umrissen und einer intensiveren Farbgebung. Durch Überschneidung der Flächen und durch knappe Schattenangaben deuten sie Körperlichkeit an, ohne jedoch den Eindruck von der Gebundenheit der Gegenstände an die Zweidimensionalität der Fläche zu verwischen.
Apollinaire hält im Januar 1913 anlässlich einer Ausstellung von Robert Delaunay in der Galerie Der Sturm in Berlin einen Vortrag, der später unter dem Titel Die moderne Malerei in der Zeitschrift Der Sturm veröffentlicht wird. Hier findet sich einer der frühesten Hinweise auf das neue Verfahren des papier collé und der Collage, die Braque und Picasso 1912 entwickelt hatten.[3]
Juan Gris
Reaktionen auf die neuen Werke Picassos und Braques blieben nicht aus.
Neben Picasso und Braque gilt Gris als einer der Hauptvertreter des synthetischen Kubismus. Gris fügt die neuen Gestaltungsprinzipien in ein rationales System ein und war Zeit seines Schaffens bemüht, sein künstlerisches Vorgehen auch theoretisch zu vermitteln.[23]
Salonkubisten ab 1910
- siehe hierzu auch → Puteaux-Gruppe
Mit den kubistischen Bildern konfrontiert, fühlten sich einige Künstler ästhetisch berührt. Sie ersannen schon sehr bald Theorien, um zu zeigen, warum sie von den Bildern beeindruckt waren.[7]

Zu ihnen zählen Jacques Villon, Fernand Léger, Robert Delaunay, Francis Picabia, Roger de la Fresnaye, Henri Le Fauconnier, Albert Gleizes, Jean Metzinger, eine Zeitlang Raoul Dufy und Othon Friesz, André Lhote, Moise Kisling, Auguste Herbin, Léopold Survage, Louis Marcoussis, Diego Rivera, Piet Mondrian, Alexander Archipenko, Constantin Brâncuși, Jacques Lipchitz, Raymond Duchamp-Villon und Marcel Duchamp.[7] Mehrere dieser Künstler schlossen sich 1911 mit Apollinaire zur Groupe de Puteaux zusammen, in der sich auch der Amerikaner Walter Pach bewegte. Ihr Treffpunkt bildete das Haus von Jacques Villon in Puteaux. Dort entwickelten sie ihre verschiedenen Ideen, was der Kubismus sei und was er sein solle.[7]
Delaunay war von Anfang an ein unorthodoxer Geist. Er bestand auf der gewichtigen Rolle von Licht und Farbe und entfernte sich vom Kubismus zu einem Stil, den Apollinaire Orphismus taufte (siehe weiter unten → Orphischer Kubismus). Jacques Villon hingegen beschrieb sich selbst als Impressionist-Kubisten.
Ihren öffentlichen Durchbruch als Gruppe erlebten sie im Salon des Indépendants von 1911.[24] Das von Léger ausgestellte Bild Akte im Wald (Nus dans la forêt), veranlasste den Kunstkritiker Louis Vauxcelles dazu, im Zusammenhang mit Légers Kunst nicht mehr von Kubismus, sondern von Tubismus (Röhrenkunst) zu sprechen. Légers Umgang mit der Farbe ist als singulär innerhalb des kubistischen Bildraumes zu bezeichnen. Er nimmt eine gesonderte Stellung ein und erweiterte die einfachen Bildthemen des Kubismus durch eine neue und aktuelle Thematik: die Beziehung zwischen Mensch, Maschine und Technik.[25]
Marcel Duchamp verdankt man die Einführung der Bewegung in das kubistische Bild. Er reichte 1912 sein Bild Nu descendant un escalier no. 2 (Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2) in den Salon des Indépendants ein, wo es von den übrigen Kubisten abgelehnt wurde. In der Kunstgeschichte wird es zu den Schlüsselwerken der Malerei des 20. Jahrhunderts gezählt, da es die neuen Bestrebungen des Futurismus beinhaltet. Im Laufe der Zeit gaben viele Künstler der Puteaux-Gruppe das Objekt und mit ihm jeden Bezug zur Wirklichkeit gänzlich auf. Ihre Bilder wurden völlig abstrakt.[7]

Die Kubisten werden seit dem Salon des Indépendants von 1911 in zwei Gruppen unterteilt: Den sogenannten Salonkubisten standen die Galeriekubisten Braque und Picasso gegenüber. Braque schloss sich der Entscheidung Picassos an, von nun an nicht mehr im Salon auszustellen. Die Arbeiten Picassos und Braques waren nur noch in den Galerieausstellungen bei Kahnweiler und Vollard zu sehen. Der Zutritt zu den Ateliers von Braque und Picasso blieb den Salonkubisten verwehrt.[24]
In der Rezension der Picasso-Ausstellung in der Galerie Vollard vom 20. Dezember 1910 bis Februar 1911 von André Salmon im Paris-Journal ist zu lesen: „Picasso hat keine Anhänger, und wir müssen die Unverfrorenheit derjenigen aushalten, die in Manifesten öffentlich behaupten, seine Anhänger zu sein, und andere leichtfertige Seelen in die Irre führen.“ Für die Schilderung der Ereignisse stellt die von Judith Cousins erarbeitete vergleichende biografische Chronologie zu Picasso und Braque eine unersetzliche Quelle dar. Sie ist in William Rubins Buch anlässlich der Ausstellung „Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus“ im Museum of Modern Art, New York, und im Kunstmuseum Basel (1989/90) erschienen.[3]
Erst 1920, als sich Picasso bereits vom Kubismus abgewandt hatte, revidierte Braque seinen einst mit Picasso gefassten Entschluss und beteiligte sich wieder an den Ausstellungen im Salon.
Von kunsttheoretischer Seite werden die Werke der Spätkubisten mit einer zunehmenden Humanisierung des Kubismus in Verbindung gebracht. In diesem Sinn wird die Farbe und die Lesbarkeit der Gegenstände als menschlicher gelesen als eine bewußt beschränkte Farbpalette und nur auf Form um ihrer selbst willen ausgerichtete Darstellung; somit wäre der Flamboyanstil der Gotik menschlicher als die strenge Romanik.[7]
Orphischer Kubismus 1911
- Hauptartikel: Orphischer Kubismus
Die von Robert Delaunay um 1911 entstandenen Arbeiten führten dazu, dass in einer Reihe von Abhandlungen über den Kubismus der Orphische Kubismus unterschieden wird. Die in diesem Kreis entstandenen Arbeiten bedienen sich in besonderer Weise der Gestaltungsprinzipien Farbe, Licht und Dynamik und wurden von Apollinaire 1912 mit der Namensgebung Orphismus versehen. Delaunay verbreitete seine kubistischen Ideen. Er beteiligte sich 1911 mit drei Gemälden an der ersten Ausstellung des Blauen Reiters in München. 1912 besuchten ihn Paul Klee, Franz Marc, August Macke und Hans Arp im Atelier. Delaunay und Apollinaire trafen wiederum Macke in Bonn. Daneben trugen Ausstellungsbeteiligungen im Ausland zur internationalen Verbreitung kubistischer Ideen bei.[26]
Theoretische Abhandlung Du cubisme 1912
In Zusammenarbeit mit dem als Maler, Illustrator und Kunstschriftsteller tätigen Gleizes verfasste Metzinger 1912 die theoretische Abhandlung Du cubisme (Über den Kubismus), die im Verlag Figuière in Paris erschien. Beide betonen in dieser Schrift den Unterschied zwischen den so genannten Salon- und Galeriekubisten. So werden als Vertreter des Kubismus nur Le Fauconnier, Léger, Delaunay und sie selbst genannt.
Obwohl ihre Bildsprache meist weniger radikal war als die der Galeriekubisten Picasso und Braque, sahen sich Metzinger und Gleizes immer wieder veranlasst, ihre Kunst zu verteidigen. In diesem Zusammenhang hoben sie hervor, dass sie in ihrer Schrift Du cubisme der allgemeinen Meinung nachgaben und Cézanne an den Anfang dieser Art zu malen stellten. So zeigen die Bilder Gleizes deutlich, dass die kubistisch arbeitenden Künstler zu sehr unterschiedlichen Stilmitteln gefunden haben. Ihre theoretischen Aussagen verweisen auf eine analytische Herangehensweise bei der Erstellung eines Bildes, die nicht immer dem Verständnis des Kubismus förderlich war.[27]
Ungeachtet aller Kritik an der Veröffentlichung kam der Publikation auf Grund der wenigen Ausstellungen eine besondere Rolle als gesellschaftlicher Multiplikator zu.[28] Als Apollinaire im März 1913 mit Les peintres cubistes: médiations esthétiques eine Sammlung von Aufsätzen über den Kubismus und die Kubisten veröffentlicht, lässt Picasso seinen Galeristen und Vertrauten Kahnweiler wissen: „Ich habe Apollinaires Buch über den Kubismus gelesen. Ich bin von diesem ganzen Geschwätz wirklich deprimiert.“ Apollinaire erfuhr von der Kritik seiner Schilderungen und schreibt im April 1913 an Kahnweiler einen Brief, in dem er eine Warnung an die Galeriekubisten ausspricht: „Verstehen sie dies als die einfache Warnung eines Dichters, der weiß, was gesagt werden muß, der weiß, wer er ist und was andere in Sachen Kunst sind.“[28]
Section d’Or 1912
- Hauptartikel: Section d’Or
1912 schlossen sich wiederum 31 Künstler unter dem Namen Section d’Or zu einer kubistischen Ausstellungsgemeinschaft zusammen. Dazu zählten beispielsweise Roger de La Fresnaye, Albert Gleizes, Juan Gris, Auguste Herbin, Fernand Léger, André Lhote, Jacques Villon und Jean Metzinger.
Ende des Kubismus nach 1914
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs änderte sich die Situation für die Künstler schlagartig. Viele von ihnen wurden zum Kriegsdienst einberufen. Die Puteaux-Gruppe löste sich nach 1914 auf. Der Informationsaustausch der Künstler kam fast gänzlich zum Erliegen. Der Kubismus als eigenständiger Kunststil ging in den Wirren des Ersten Weltkriegs unter.
Am 2. August 1914 begleitete Picasso Braque und Derain, die ihren Stellungsbefehl erhalten hatten, zum Bahnhof in Avignon. Braque erlitt 1915 eine schwere Kopfverletzung und brauchte nach überstandener Operation länger als ein Jahr, um davon zu genesen. Der Krieg ließ auch die tiefe Freundschaft zwischen Picasso und Braque zerbrechen, dessen Wesensart sich infolge der schweren Kopfverletzungen verändert hatte.
Picasso erinnerte sich an seinen Abschied vom Kubismus: „Aus dem Kubismus hat man eine Art Körperkultur machen wollen. So hat man Schwächlinge gesehen, die mit einem Male wichtig taten. Sie bildeten sich ein, alles auf einen Würfel zurückzuführen hieße, alles zur Wucht und Größe zu erheben. Daraus ist eine verkünstelte Kunst hervorgegangen, ohne echte Beziehung zur logischen Arbeit, die ich zu tun trachte.“[20]
Zeugnisse der Zeitgenossen
Alexander Archipenko resümiert 1922 in einem Artikel in der Internationalen Rundschau der Kunst der Gegenwart: „Man kann sagen, daß der Kubismus eine neue Denkordnung gegenüber dem Bild geschaffen hat. Der Betrachter ergötzt sich nicht länger, der Betrachter ist selbst schöpferisch tätig, sinnt und schafft ein Bild, indem er sich auf die plastischen Merkmale jener Gegenstände stützt, die als Formen skizziert sind.“[29]
Kubistische Plastik
Als nicht ausgebildeter Bildhauer schuf Picasso zwischen den Jahren 1909 und 1930 Skulpturen, die einen großen Einfluss auf die Bildhauerei des 20. Jahrhunderts haben sollten. Dreidimensionale Arbeiten begleiteten sein ganzes Werk und dienten ihm als Experimentierfeld für sein malerisches Schaffen. Seine Innovationen verfolgte er nicht weiter, sie dienten jedoch zeitgenössischen Bildhauern als Anregung wie beispielsweise den Futuristen, den Dadaisten und den Konstruktivisten.[30]
Der französische Bildhauer Henri Laurens begegnete Braque im Jahr 1911 und begann seine Malerei, Collagen und Skulpturen im kubistischen Stil zu schaffen. Ein weiterer bedeutender Vertreter ist Jacques Lipchitz, dessen bildhauerisches Werk vom Kubismus beeinflusst ist.[31]
Die facettierte, vielschichtige Gestaltung inspirierte den italienischen Futuristen Umberto Boccioni, der 1912 die neuen Skulpturen der Kubisten bei Atelierbesuchen in Paris gesehen hatte. Boccioni erweiterte das Gestaltungsprinzip der kubistischen „Vielperspektivik“ um den Faktor der Dynamik.
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Umberto Boccioni: Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum, 1913, Museum of Modern Art, New York
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Raymond Duchamp-Villon: Zwei Ansichten von Le Cheval majeur, Bronze, 1914, Museum of Fine Arts, Houston
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Henri Laurens: Undinerna, 1934, Marabouparken, Sundbyberg, Sweden
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Hans Arp:
Wolkenhirt, 1953, Campus der Universität Caracas -
Henry Moore:
Liegende, 1956, Hansaviertel, Berlin
Der dem Kubismus nahestehende rumänische Bildhauer Constantin Brâncuși reduzierte die Ausgestaltung seiner Skulpturen auf das Äußerste und experimentierte in der Proportionierung mit dem Gleichgewicht, wobei er seinen Objekten einen „metaphorischen Verweis“ verlieh.[32] Hans Arp, am Kubismus und Futurismus orientiert, übertrug dieses Prinzip später auf organische Grundformen. Picasso wandte das Prinzip der Simultaneität, das er in der Malerei in geschachtelten Farbfeldern gefunden hatte, in der facettenhaften Strukturierung seiner Objektkunst an. In der Folgezeit übernahmen beispielsweise Alexander Archipenko, Raymond Duchamp-Villon oder Otto Freundlich eine ähnlich aufgefächerte Oberflächengestaltung.
In späteren Jahren arbeiteten Künstler wie beispielsweise Alberto Giacometti, Willem de Kooning oder Henry Moore mit plastischen Methoden, die sich an den im Kubismus begründeten Gestaltungsprinzipien der Vielperspektivik und Dynamik orientieren.[32]
Auswirkungen des Kubismus
Einfluss auf die europäische und außereuropäische Kunst
Trotz der relativ geringen öffentlichen Akzeptanz der Kubisten war das Interesse vieler Künstler an ihrer Arbeit groß. Ein Zeugnis bilden die vielen Atelierbesuche ausländischer Künstler. So besuchten beispielsweise Umberto Boccioni und Carlo Carrà Picasso in seinem Atelier. Boccioni war nach seinem Zusammentreffen mit Picasso stets daran interessiert, alle Neuigkeiten zu erfahren. Ebenfalls suchte Wladimir Tatlin Picassos Atelier auf und sehr wahrscheinlich auch das Braques. Die Werke der den Kubismus prägenden Künstler – allen voran Picasso und Braque – haben die zeitgenössische Kunst und insbesondere die Malerei zwischen 1907 und 1914 revolutioniert.[29]
Der kubistisch arbeitende Henri Le Fauconnier war zwischen 1909 und 1911 Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München, als diese drei wichtige Ausstellungen in der Münchner Galerie Thannhäuser veranstaltet hatte.
Rückblickend nahm der Kubismus tiefgehend Einfluss auf die späteren künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts, im Einzelnen auf den italienischen Futurismus, den Rayonismus und Suprematismus in Russland, den französischen Orphismus und Purismus, die Section d’Or, den Blauen Reiter in Deutschland, die De-Stijl-Bewegung in den Niederlanden und schließlich den international verbreiteten Dadaismus sowie auf die gesamte konstruktive Kunst, etwa den Kubofuturismus und den Konstruktivismus.[29] In den Vereinigten Staaten erfuhr der Kubismus als Folge der Armory Show eine kurzfristige Nachlese durch regionale Künstler, die im sogenannten Präzisionismus zu einer „kuborealistischen“ Bildsprache fanden. So waren im Grunde alle führenden Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihrer frühen Schaffensphase vom Kubismus beeinflusst und einige wiederum deutlich durch dessen Erfindungen, etwa das papier collé, und Bildformen geprägt[29]
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Kasimir Malewitsch:
Der Holzfäller, 1912/13, Öl auf Leinwand -
Roger de La Fresnaye:
Die Eroberung der Lüfte, 1913, Öl auf Leinwand -
Paul Klee:
Motiv aus Hammamet, 1914, Aquarell -
Umberto Boccioni:
Unter der Pergola in Neapel, 1914, Öl und Collage auf Leinwand -
Theo van Doesburg:
Composition II, 1916, Öl auf Leinwand
Architektur
Im Anschluss an den Kubismus entwickelte sich ab 1917 eine an der Architektur orientierte Stilrichtung, die 1918 mit dem Manifest Après le cubisme (Nach dem Kubismus) von den Künstlern Amédée Ozenfant und Charles-Edouard Jeanneret (Le Corbusier) als Purismus proklamiert wurde. Ozenfant hatte bereits 1915 in der selbstverlegten Zeitschrift L'Elan erste Gedanken zu einer reinen, „puren“ Kunstform dargelegt, die einfach, funktional und ohne dekorative Elemente daherkommen sollte. Damit lieferten die Puristen einen ideologischen Ansatz, der die Entfernung von der Gegenständlichkeit weiterführte und im Suprematismus, Konstruktivismus und im Bauhaus umgesetzt wurde und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Einfluss auf die minimalistische Kunst und Architektur hatte.
Bedeutung hat der Kubismus zudem durch seinen Einfluss auf das Design und die Architektur. Bedeutende „kubistische“ Architektur findet sich vor allem in Prag, hier sind vornehmlich Josef Chochol, Josef Gočár oder Pavel Janák zu nennen.
Musik
Obwohl die Übertragung von Begriffen der Bildenden Kunst auf andere Künste und insbesondere auf die Musik problematisch ist und vielfach kritisiert wird, gelten vor allem zwei zeitgenössische Kompositionen ebenfalls als kubistische Werke: Die beiden Ballette Le sacre du printemps von Igor Strawinsky (1911/13) und Parade von Erik Satie (1917). Letzteres war von Picasso mit Bühnenbildern und Kostümen in kubistischem Stil ausgestattet worden. Abgesehen von der geistigen Nähe der Komponisten zu den Ideen des Kubismus sprechen dafür vor allem das Aufbrechen herkömmlicher Kompositionsmethoden und das Zusammenfügen eines Kunstwerks durch die Aneinanderreihung von sperrigen, weitestgehend unveränderten, nicht selten heterogenen Einzelelementen.
Künstler des Kubismus
Künstler, die dem Kubismus zugeordnet werden oder ihm nahe standen, siehe → Kategorie: Künstler des Kubismus
Literatur
- David Cottington: Kubismus. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2002, ISBN 3-7757-1151-1
- Pierre Daix, Joan Rosselet: Picasso - The Cubist Years 1907-1916, Thames and Hudson Ltd., London 1979, aus dem franz. Le Cubisme de Picasso, Catalogue raisonné de l'œuvre übersetzt von Dorothy S. Blair, ISBN 0-500-09134-X
- Hajo Düchting: Die Kunst und der Kubismus. Belser, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-7630-2477-3
- Josep Palau i Fabre: Picasso - der Kubismus. (Aus dem Katalanischen übersetzt von Wolfgang J. Wegscheider), Könemann Verlagsgesellschaft mbH, Köln 1998, ISBN 3-8290-1450-3
- Anne Ganteführer-Trier, Uta Grosenick (Hrsg.): Kubismus, Benedikt Taschen Verlag GmbH, Taschen 25th anniversary special edition, 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-8228-2955-4
- Albert Gleizes/Jean Metzinger: Du cubisme, on cubism, über den Kubismus. Fischer, Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-89406-728-4
- Daniel-Henry Kahnweiler: Der Weg zum Kubismus, Delphin, München 1920 ((Auszug online))
- William Rubin: Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus. (Originalausgabe: Picasso and Braque, Pioneering Cubism, Museum of Modern Art, New York, 24. September 1989 - 16. Januar 1990, aus dem Englischen übersetzt von Magda Moses und Bram Opstelten), Prestel Verlag München, München 1990, ISBN 3-7913-1046-1
- Carsten-Peter Warncke, Ingo F.Walther (Hrsg.): Pablo Picasso. 2 Bände, Benedikt Taschen Verlag GmbH, Köln 1991, ISBN 3-8228-0425-8
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Daniel-Henry Kahnweiler: Der Weg zum Kubismus. Verlag Gerd Hatje Stuttgart, Erstauflage 1920, S. 25 Referenzfehler: Ungültiges
<ref>-Tag. Der Name „Kahnweiler25“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b c Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007, S. 6-8
- ↑ a b c Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 19-21
- ↑ Kubismus, www.g26.ch, abgerufen am 27. Januar 2011
- ↑ Judith Cousins: Vergleichende biographische Chronologie Picasso und Braque. Aus William Rubin: Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus, 1990, S. 350
- ↑ Daniel-Henry Kahnweiler: Der Weg zum Kubismus. Verlag Gerd Hatje Stuttgart, Erstauflage 1920, S. 20
- ↑ a b c d e f g h i j Patrick O’Brian: Pablo Picasso — Eine Biographie. Ullstein, Frankfurt/M – Berlin – Wien 1982, S. 235-237
- ↑ Josep Palau i Fabre: Picasso - Der Kubismus, 1998, S. 24-26
- ↑ Angelegenheit des Geistes
- ↑ a b c d e f g William Rubin: Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus, 1990, S. 9-11
- ↑ a b c d e Carsten-Peter Warncke: Pablo Picasso, 1991, Bd.1, S. 165-167
- ↑ a b c d e Carsten-Peter Warncke: Pablo Picasso, 1991, Bd.1, S. 143-145
- ↑ a b c d e Patrick O’Brian: Pablo Picasso — Eine Biographie. Ullstein, Frankfurt/M – Berlin – Wien 1982, S. 216-217
- ↑ Les Demoiselles d'Avignon (AK). Musée Picasso, Paris, 2Bde., Paris 1988
- ↑ Siegfried Gohr: Ich suche nicht, ich finde – Pablo Picasso, Leben und Werk, DuMont Verlag, Köln, 2006, S. 19
- ↑ a b c d e Judith Cousins: Vergleichende biographische Chronologie Picasso und Braque. Aus William Rubin: Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus, 1990, S. 340-342
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 11
- ↑ a b Judith Cousins: Vergleichende biographische Chronologie Picasso und Braque. Aus William Rubin: Picasso und Braque. Die Geburt des Kubismus, 1990, S. 346-347
- ↑ Patrick O’Brian: Pablo Picasso — Eine Biographie. Ullstein, Frankfurt/M – Berlin – Wien 1982, S. 201
- ↑ a b Pablo Picasso: Über Kunst, Diogenes Verlag AG Zürich, 1988, S. 69
- ↑ Pablo Picasso: Über Kunst, Diogenes Verlag AG Zürich, 1988, S. 52
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 16-18
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 56
- ↑ a b Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 13
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 46
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 54
- ↑ Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 58, S. 68
- ↑ a b Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 23-24
- ↑ a b c d Anne Ganteführer-Trier: Kubismus, 2007 S. 25
- ↑ Gabriele Kopp-Schmidt: Picasso und die Folgen: der Maler als „Bildhauer“, S. 1 f. Deutscher Verlag für Kunst, Theorie und Praxis, abgerufen am 29. Januar 2010.
- ↑ Kubismus, g26.ch, abgerufen am 23. Februar 2011
- ↑ a b zitiert nach Karin Thomas: Bis Heute – Stilrichtungen der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert. DuMont, Köln 1986, ISBN 3-7701-1939-8, S. 84 -86.