Der Gotthard-Basistunnel (GBT) in der Schweiz ist ein in Bau befindlicher Eisenbahntunnel. Nach seiner Fertigstellung wird er mit 57 km (Weströhre: 56 978 m, Oströhre: 57 091 m) der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Mit allen Quer- und Verbindungsstollen werden insgesamt 153,5 km Tunnelstrecke angelegt, davon in jeder der beiden Röhren je ein durchgängiges Gleis.
Gotthard-Basistunnel (im Bau) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckenlänge: | 2 × 57 (151,8 inkl. Stollen) km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckengeschwindigkeit: | 250 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Züge/Tag: | 200–250 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Transportleistung (Güterzüge): | 40 Mio. Tonnen/Jahr | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Reisegeschwindigkeit im Regelfall: | 180–225 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Reisegeschwindigkeit maximal: | 200–250 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Baudaten | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Baubeginn: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sondiersystem Piora: | 1993 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sprengvortrieb Zugangsstollen und Montagekavernen für TBM: |
1996 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vortrieb TBM: | Nov. 2002 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stand April 2011: | 151,84 km (100 %) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Einbau Bahntechnik (geplant): | Mai 2010[1] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Durchschlag: | Oströhre: 15. Okt. 2010[2] Weströhre: 23. März 2011 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Fertigstellung (geplant): | Ende 2017[3] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
bewegte Gesteinsmasse: | 24 Mio. Tonnen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Baukosten (Stand Juni 2008): | 11,83[4] Milliarden CHF | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
geplanter Streckenverlauf | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels ist für Dezember 2017 vorgesehen. Wie die NEAT-Aufsichtsdelegation des Schweizer Parlaments Ende April 2009 berichtete, könnte sich der Termin bestenfalls auf Mitte 2016, im ungünstigen Fall auf Mitte 2020 verschieben.[5] Der Durchschlag in der Oströhre des Tunnels erfolgte am 15. Oktober 2010, [6] der in der Weströhre am 23. März 2011.
Zweck
Im Personenverkehr soll der Gotthard-Basistunnel in Verbindung mit dem Ceneri-Basistunnel die Fahrzeit Zürich–Mailand mit Neigezug (Höchstgeschwindigkeit 200–250 km/h) um ca. eine Stunde verkürzen (von 3 h 40 min auf ca. 2 h 40 min). Die Bahn würde damit nicht nur zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz zum Auto, sondern auch zum Flugzeug.
Im Güterverkehr sollen mehr und (eventuell) schwerere Züge schneller die Alpen durchqueren können und dadurch nicht nur den zeitweilig überlasteten Gotthard-Strassentunnel, sondern die gesamte Nord-Süd-Achse vom stark wachsenden Schwerverkehr entlasten – ein wichtiger Schritt in der durch die Verfassung vorgeschriebene Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene.
Durch den Gotthard-Basistunnel soll die Transportleistung auf der Schweizer Nord-Süd-Achse mit 40 Mio. Tonnen Güter nahezu verdoppelt werden. Dies wird durch die Umgestaltung zur Flachbahn begünstigt. Auf der bestehenden Strecke müssen zwei Lokomotiven an der Zugspitze eingesetzt werden, um die maximal 1400 Tonnen[7] (1700 Tonnen mit zusätzlicher Schublok; mehr wäre mit Zwischenlok möglich, was allerdings nicht mehr praktiziert wird)[8] schweren Züge das Urner Reusstal bzw. die Leventina hoch zu befördern. Die neue Alpenquerung wird einen Scheitelpunkt von nur noch 550 m ü. M. haben, bei der jetzigen Strecke liegt dieser Punkt 600 Meter höher. Das bedeutet, dass die Alpen fast eben durchfahren werden können, was das Beistellen von Schiebe- und Zwischenloks erübrigt und (unter Umständen) Güterzüge mit bis 4000 Tonnen Gesamtgewicht ermöglicht. Zudem wird die Route, u. a. durch den Wegfall der Kehrtunnel und zahlreicher weiterer Kurven, um 30 km kürzer.
Lage und Geologie
Der Gotthard-Basistunnel verbindet Erstfeld im Urner Talboden mit Bodio bei Biasca im Kanton Tessin.
Mit zahlreichen Probebohrungen sowie Temperaturmessungen und seismischen Untersuchungen wurden die geologischen Verhältnisse vor Baubeginn geklärt: Es fanden sich unterschiedliche Gesteinsarten, vom harten Granit bis zu nachgiebigen Phylliten und Schiefern der Urseren-Garvera-Zone und des Tavetscher Zwischenmassivs. Ausserhalb dieser Problemzonen herrschen verschiedene Arten von Gneis vor, etwa Erstfelder Gneis oder der Streifen-Gneis des Gotthardmassivs, im Süden in der penninischen Gneiszone vorwiegend Leventina- und Lucomagno-Gneise. Durch die Probebohrungen konnte nachgewiesen werden, dass eine gefürchtete geologische Schlüsselstelle, die mit zuckerkörnigem Dolomit gefüllte Piora-Mulde, auf Tunnelniveau aus Dolomitmarmor ohne Wasserdruck und -fluss besteht. (Zuckerkörniger Dolomit wird unter Wassereinfluss und unter Druck vollkommen kohäsionslos, also gewissermassen flüssig.) Mit der Durchbohrung der Zone im Herbst 2008 wurden die Besorgnisse endgültig hinfällig.[9] Stattdessen ist man inzwischen an anderen Stellen auf Kakirit gestossen, ein weiches, nachfliessendes Gesteinsmehl, was umfangreiche Massnahmen zur Sicherung und Verfestigung nach sich zog.
Geschichte
Hintergrund
Erste Überlegungen zu einem Basistunnel gehen bis in die 1950er-Jahre zurück. 1947 präsentierte Eduard Gruner eine Projektidee mit unterirdischem Bahnhof in der Surselva. Ab 1961 prüfte die «Kommission Eisenbahntunnel durch die Alpen» (KEA) die Varianten Lötschberg, Gotthard West (Luzern/Interlaken–Locarno), Tödi–Greina, Splügen sowie Gotthard und empfahl letztere zur umgehenden Realisierung. Hintergrund war das kräftige Verkehrswachstum der Hochkonjunktur. Infolge politischer Auseinandersetzungen und einer wirtschaftlichen Rezession wurde der Plan zunächst nicht umgesetzt. Ab 1986 folgten neue Variantenstudien.
Ende der 1980er Jahre war das Projekt eines von fünf diskutierten Eisenbahntunnelprojekten im Bereich der Schweizer Alpen. Es wurde, neben dem Lötschberg-Basistunnel, Ende der 1980er Jahre in modifizierter Form zur politischen Entscheidung vorgelegt. Die Projekte des Y-Ast-Basistunnels, des Splüngen-Basistunnels und des Simplon-Basistunnels wurden dagegen zurückgestellt.[10]
Im Dezember 1988 sprachen sich die SBB für den Gotthardbasistunnel aus.[11] Nach eingehenden Beratungen beschloss die Schweizer Regierung Mitte Mai 1989 den Verlauf der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT).[12] Neben der erwarteten Entscheidung für den Gotthardtbasistunnel wurde dabei auch die Realisierung des Lötschbergbasistunnels beschlossen.[12] Neben einem 49 km langen Tunnel zwischen Amsteg und Bodio sollte im weiteren Verlauf insbesondere eine Variante Gotthardt Ost geprüft werden, die eine Anbindung der Ostschweiz (über Ziegelbrücke–Linthal und Chur–Thun) vorsah.[12] Die geschätzten Gesamtkosten wurden mit drei Milliarden Schweizer Franken beziffert. Weitere 2,4 Milliarden Franken waren für den Ausbau der Zufahrtsstrecken zum Gotthardttunnel vorgesehen.[12] Für eine spätere Realisierung der Ostvariante, deren Mehrkosten auf 0,5 bis 1,0 Milliarden Franken geschätzt wurden, sollten im Umfang von rund 50 Millionen Franken bauliche Vorleistungen (Y-Verzweigung) vorgesehen werden.[12]
1989/1991/1992 wurde der Beschluss für die NEAT verabschiedet. Nach einer nachträglichen Planungsänderung erfolgte der Anstich des Gotthard-Basistunnels am 4. November 1999. (Mehr zu den politischen Hintergründen im Artikel „NEAT“)
Nach der ersten Sprengung im Hauptschacht am 4. Februar 1999 wurde mit der Fertigstellung des Tunnels zwischen 2010 und 2012 gerechnet. Bis dahin waren für Planung und Bau rund 700 Millionen Franken aufgewendet worden.[13]
Projektierungs- und Vorbereitungsphase
Man entschied sich für zwei einspurige Tunnelröhren, die rund 40 Meter auseinanderliegen und alle 312,5 m durch Querstollen verbunden sind. An zwei von aussen zugänglichen und klimatisierten Multifunktionsstellen (Sedrun und Faido) sind Spurwechsel sowie Nothalte auf separaten Gleisabschnitten möglich; auch technische Räume für den Bahnbetrieb und die Lüftung sind angegliedert. Das Ausbruchsmaterial von einem Volumen von mehr als 10 Mio. m³ wird zu einem Fünftel als Betonzusatzstoff wiederverwertet, der Rest in natürlichen Senken und alten Steinbrüchen deponiert, als Schotter verkauft und zu einem kleinen Teil zur Renaturierung eines Flussdeltas in den Vierwaldstättersee geschüttet.
Der Vortrieb wird sowohl mit Tunnelbohrmaschinen (TBM) als auch mit Sprengstoffen erzielt. Ein mindestens 30 cm dickes Tunnelgewölbe aus Ortbeton sichert die Tragfähigkeit. Anfallendes Tunnelwasser wird durch einen Kanal (Ø 60 cm) unterhalb des Tunnels abgeführt. Die erwartete Temperatur von 50 Grad Celsius erfordert einen permanenten Luftaustausch. Die durchfahrenden Züge sollen durch den Kolbeneffekt die Luft herauspressen. Sollte dies nicht ausreichen, werden mechanische Lüftungen nachgerüstet.
Gesamtverantwortlich für das Projekt ist die AlpTransit Gotthard AG, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Zu Beginn der Bauarbeiten wurden von vier verschiedenen Stellen Zugangsstollen gegraben. Die Multifunktionsstelle (MFS) Faido ist durch einen 2,7 km langen Querstollen mit einem Gefälle von 13 % mit der Aussenwelt verbunden. Für die MFS Sedrun war ein höherer Aufwand nötig: zuerst wurden ein knapp einen Kilometer langer Zugangsstollen und ein 450 m langer Entlüftungsstollen waagrecht in den Berg getrieben. Von dieser Stelle führen zwei Schächte 800 m tief auf das Niveau des Eisenbahntunnels, die von der südafrikanischen Spezialfirma Shaft Sinkers[14] gebohrt wurden. Erst von dort unten begannen die eigentlichen Bauarbeiten am Basistunnel. Durch diese Aufteilung soll eine Reduzierung der Bauzeit um die Hälfte ermöglicht werden.
Am 15. Oktober 2010 wurde die Oströhre durchgebrochen, 27 km vom Nordportal entfernt und rund 2500 Meter unter dem Gipfel des 2983 m hohen Piz Vatgira[15]. Am 23.03.2011 erfolgte schließlich auch der letzte Durchbruch in der Weströhre. Insgesamt wurden 44 % der Tunnelröhren mit TBM und 56 % im Sprengvortrieb ausgebrochen. Dabei fielen über 28 Mio. Tonnen Gestein an.[16]
Bislang kamen acht Arbeiter bei den Tunnelbauarbeiten ums Leben (Stand: Oktober 2010).[17][18]
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In der östlichen Tunnelröhre bei Amsteg
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Oströhre in Faido mit TBM
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Verzweigung in der MFS Faido
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Die 1. TBM von Bodio brach am 6. September 2006 in die MFS Faido durch
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AlpTransit-Baustelle beim Südportal nahe Bodio
Baulose
Abschnitt Erstfeld
Im Bereich des Nordportals bei Erstfeld im Kanton Uri hat sich der Beginn des maschinellen Vortriebs verzögert. Infolge der wiederholten Einsprache seitens eines im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerbers konnte der Bauauftrag für diesen Abschnitt erst im Februar 2007 vergeben werden. Nach dem Ausbruch der Startröhren und dem Aufbau der Tunnelbohrmaschine (TBM) Gabi I (S-229) wurde am 4. Dezember 2007 mit den Bohrarbeiten in der Oströhre begonnen, Gabi II (S-230) folgte ab Mitte 2008 in der Weströhre.
Der Gesamtzeitplan, der 2002 noch von einer Inbetriebnahme in den Jahren 2013/14 ausging, wurde durch diese Verzögerung und technische Schwierigkeiten in anderen Abschnitten verändert. Inzwischen wird Ende 2017 als Inbetriebnahmetermin angegeben.[19]
Trotz dieser Verzögerungen konnten die Bohrmaschinen den 7,6 Kilometer langen Abschnitt in weniger als zwei Jahren ausbrechen. Der Durchschlag erfolgte am 16. Juni 2009 um 11.58 Uhr und somit sechs Monate früher als geplant. Die horizontale und vertikale Abweichung betrug weniger als 1 Zentimeter.[20]
Abschnitt Amsteg
Vom Zwischenangriff Amsteg her bohrten die beiden Tunnelbohrmaschinen Gabi I + II (S-421 + S-422) in südlicher Richtung zur Multifunktionsstelle Sedrun. Dabei mussten immer wieder Störzonen mit lockerem Gestein durchfahren werden, was den Vortrieb teilweise massiv behinderte. Die beiden TBM haben die 11,35 km bis zum Durchbruch ins Baulos Sedrun neun Monate früher als geplant zurückgelegt und wurden rückwärts hinaustransportiert, um in Erstfeld nochmals zum Einsatz zu kommen.
Abschnitt Sedrun
Im Abschnitt Sedrun mussten in nördlicher Richtung bis zum Sommer 2007 noch einige hundert Meter im Sprengvortrieb in sehr anspruchsvollem Gestein ausgebrochen werden, bis der Durchbruch am 17. Oktober 2007[21] in die von den beiden TBM gebohrten Röhren möglich war.
In Richtung Süden erfolgte der Durchschlag zwischen den Multifunktionsstellen Sedrun und Faido am 15. Oktober 2010 um 14:17 Uhr.
Abschnitt Faido
Im Abschnitt Faido, wo es infolge des enormen Bergdrucks immer wieder zu kleineren Einstürzen kommt, liegt man seit Jahren im Zeitplan zurück. Deshalb hat die Bauherrin, die AlpTransit Gotthard AG, im Frühjahr 2006 beschlossen, eine Option in den Verträgen mit den Baukonsortien einzulösen und die Losgrenze für das Baulos Sedrun um einen Kilometer nach Süden zu verschieben, um den Rückstand in Faido zu kompensieren.
Im Abschnitt zwischen Bodio und Faido erfolgte der Durchbruch aufgrund von geologischen Problemen 17 Monate später als geplant.[22]
Abschnitt Bodio
Die auf der Tessiner Seite eingesetzten Tunnelbohrmaschinen (TBM) haben einen Bohrkopf mit einem Durchmesser von 8890 mm, der mit 58 Rollenmeisseln versehen ist und von zehn Motoren mit jeweils 350 kW angetrieben wird. Die von der Firma Herrenknecht im badischen Schwanau stammenden Geräte tragen den Namen Heidi (S-211) und Sissi (S-210) und sind inklusive Nachläufer rund 400 m lang. Sie bohrten vom Südportal bei Bodio her nördlich in Richtung Faido und haben je über 13 km zurückgelegt. Der Durchbruch in die rund 2 km lange Multifunktionsstelle Faido erfolgte in der Oströhre am 6. September 2006, jener in der Weströhre am 26. Oktober 2006. Danach wurden die beiden TBM zunächst generalrevidiert und die Bohrköpfe von 8,89 m auf 9,43 m erweitert, bevor sie im Sommer 2007 für den übrigen Teil des Bauloses Faido in Richtung Sedrun angedreht wurden.[23]
Vorarbeiten für zusätzliche Optionen
Verlängerung im Norden
Im Inneren des Berges bei Erstfeld wird für weitere 100 Mio. CHF das Verzweigungsbauwerk «Uri Süd» gebaut. Damit wird eine mögliche spätere Weiterführung des Tunnels in Richtung Norden und damit die Umfahrung von Altdorf in der sogenannten Urner Bergvariante («Berg lang geschlossen») vorbereitet. Diese von der Urner Bevölkerung und Regierung geforderte Lösung zum Schutz der Reussebene vor weiteren Emissionen (Lärm, Erschütterung) wurde vom Bundesrat im Juni 2002 zur Planung beauftragt.
Das neue Tunnelteilstück würde im Raum Flüelen mit dem ebenfalls noch zu bauenden Axentunnel verbunden werden, was den Gotthard-Basistunnel faktisch auf rund 75 Kilometer verlängern würde. Finanzierung und der Zeitrahmen für diese weiteren NEAT-Abschnitte bleiben offen.
2007 wurden im Kanton Uri Stimmen laut, die statt der Urner Bergvariante nun doch eine Talvariante bevorzugen, um die Möglichkeiten für eine Anbindung des Kantons an den Hochgeschwindigkeitsverkehr nicht zu verbauen, wie dies mit einer Tunnelumfahrung der Fall wäre.
Porta Alpina
Rund 800 m unter dem Graubündner Dorf Sedrun liegt eine der beiden Multifunktionsstellen, die während des Betriebs u. a. als Nothaltestelle dienen werden. Seit dem Jahr 2000 wurde unter dem Namen Porta Alpina die Idee lanciert, die Multifunktionsstelle Sedrun zu einem unterirdischen Bahnhof auszubauen. Damit könnte die Region Surselva eine schnelle Verbindung zu den grossen Zentren Basel, Zürich und Mailand erhalten, wodurch sie wirtschaftlich sehr gestärkt würde. Geplant wurde eine Erweiterung beider Tunnelröhren durch den Ausbruch von vier grossen Warteräumen (zwei pro Richtung, für je 240 Personen) und ein Umbau der für den Bau errichteten Liftanlage für den Transport von jeweils 80 Passagieren.
Falls die Realisierung während des Tunnelbaus erfolgen könnte, wurden Kosten von rund 50 Millionen Franken veranschlagt, um deren Aufteilung zwischen Bund, Kanton Graubünden, der Region Surselva und der Standortgemeinde Tujetsch gerungen wurde. Da die Tunnelbohrausrüstung 2006 abgebaut werden sollte, wurden zunächst 15 Mio. Franken an Ausgaben für den Rohbau der Wartehallen bewilligt, der zügig erfolgte und im März 2007 abgeschlossen war. Doch der Projektfortgang wurde im Mai 2007 gestoppt, als vom Bundesrat der Entscheid für die Hauptinvestition der Porta Alpina auf 2012 verschoben wurde. Dadurch wurde eine Fertigstellung zusammen mit dem Basistunnel im Jahr 2016 unmöglich. Umstritten war zu diesem Zeitpunkt, ob ein Zwischenhalt an der Porta Alpina den Güter- und Personenverkehr beeinträchtigen würde.[24]
Eine spätere Fertigstellung ist mit höheren Kosten verbunden, was im September 2007 dazu führte, dass Kanton, Region und Gemeinde mit dem Hinweis auf das Kostenrisiko und das mangelnde Interesse der SBB die Weiterführung des Projekts ablehnten. Durch den fertiggestellten Ausbruch der Wartehallen könnten möglicherweise spätere Generationen das Projekt verwirklichen, erklärte der Bündner Regierungsrat Stefan Engler.[25]
Gripper-Tunnelbohrmaschinen (TBM)
- Daten und Fakten
- Anzahl: 4 (2 × 2)
- Länge: 440 m (inkl. Nachläufer)
- Gewicht: 2'700 t (nur TBM)
- Durchmesser: 9,58 m
- Anz. Motoren: 10
- Anz. Rollenmeissel: 62
- Gesamtleistung: 3'500 kW
- Energieeinsatz: max. 63 MWh elektrischer Strom im Wert von CHF 10'000 (6'300 Euro) täglich je TBM, entspricht dem täglichen Verbrauch von 4200 Einfamilienhäusern
- Vortriebsleistung: max. 35–40 m/Tag (abhängig von Gesteinsart und -beschaffenheit, wird kaum je erreicht)
- Hersteller: Herrenknecht AG, D-Schwanau (TBM), Rowa Tunneling Logistics AG, Wangen SZ (Nachläufer)
- Namen der Maschinen: Vom Norden her kommen Gabi I (Weströhre (S-229)) und Gabi II (Oströhre (S-230)). Vom Süden kommen Heidi (Oströhre (S-211)) und Sissi (Weströhre (S-210), Durchstich am 15. Oktober 2010).
Baustellentourismus
Im Bereich der Baustellen Amsteg, Sedrun, Faido und Bodio hat sich ein Baustellentourismus entwickelt. Anfangs wurden nur Führungen – bis tief in den Berg hinein – angeboten, später aufgrund des grossen Informationsbedürfnisses Infozentren eingerichtet und in Pollegio bei Bodio sowie in Erstfeld Besucherzentren gebaut. Der jährlich stattfindende Tag der offenen Tür auf den einzelnen Grossbaustellen zieht jeweils mehrere tausend Besucher an. Die Gesamtzahl aller Besucher beläuft sich mittlerweile auf mehrere 100'000, und die Führungen sind jeweils lange im Voraus ausgebucht. Für die Standortgemeinden stellt dieser Tourismus mittlerweile einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, der neben den auswärtigen Montageleuten und Firmenvertretern weitere Menschen in diese Randregionen bringt und für zusätzliche Übernachtungen und Restaurantumsätze sorgt. Die Gemeinden profitieren indirekt von den Umsätzen der Besucher und der Bergleute und direkt von den Quellensteuern und weiteren Abgaben der Bergleute.
Bahntechnik
Über 228 km Schienen und 190'000 Betonschwellen für den schotterlosen Oberbau werden im Gotthard-Basistunnel verbaut.
Weiterhin sollen 2800 km Kabel für Stromversorgung und Datenübertragung verlegt werden. Es werden keine optischen Signale installiert. Für die Zugsicherung soll das standardisierte European Rail Traffic Management System (ERTMS)/European Train Control System (ETCS) mit dem Zugfunksystem GSM-R zum Einsatz kommen. Dabei werden die Informationen und Fahranweisungen drahtlos in den Führerstand geleitet.
Umfang und Anforderungen der Bahntechnikleistungen wurden 2005 bekannt gemacht. Die Auftragsvergabe mit einem Umfang von 1,69 Milliarden Franken erfolgte am 4. Mai 2007 an die Arbeitsgemeinschaft Transtec Gotthard. Sie setzt sich aus vier gleichbeteiligten Partnern zusammen
- Atel Installationstechnik AG, Zürich
- Alcatel-Lucent Schweiz AG und Thales Rail Signaling Solutions AG, Zürich (als Einfache Gesellschaft)
- Alpine Bau GmbH, Hergiswil (CH)
- Balfour Beatty Rail GmbH, München
Der Auftrag umfasst die Ausrüstung der beiden einspurigen Tunnelröhren von je 57 km Länge sowie die anschliessenden offenen Strecken Nord und Süd von total rund 11 km Länge bis zur Anbindung an das bestehende Eisenbahnnetz. Die Auftragnehmer teilen sich die Lose Erstellung der Fahrbahn, die Stromversorgung mit 50 Hz, die Kabelanlagen, die Fahrstromversorgung mit 16,7 Hz, die Telekommunikation (Festnetz und Funk) sowie die Sicherungsanlagen.
Wie beim Abschnitt Erstfeld erhob die unterlegene Bietergemeinschaft Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses entschied im November 2007 gegen eine aufschiebende Wirkung des Einspruchs, worauf sich die Bauherrin mit dem Anbieter (Schweizerische Bahntechnik Konsortium) auf einen Klageverzicht gegen Entschädigungszahlung einigte.[26] Nachdem die Kosten der Verzögerung auf 10 Millionen Franken pro Monat beziffert worden waren, wurde politisch diskutiert, die aufschiebende Wirkung eines Einspruchs gegen Vergabeentscheidungen per Gesetz auszuschliessen.
Nach der Vertragsunterzeichnung im April 2008 erstellt der Auftragnehmer Transtec das Ausführungsprojekt.[27] Für den Einbau der Bahntechnik wurde im Mai 2009 südlich von Biasca mit der Erstellung eines 6 ha grossen Installationsplatzes mit 230 Unterkünften begonnen. Der Einbau der Bahntechnik über das Südportal in Biasca soll im Mai 2010 beginnen.[3]
Betriebskonzept
Gelb: Vollknoten (00'/30')
Orange: Vollknoten (15',45')
Vorgesehen ist ein Mischbetrieb mit Reisezügen (200–250 km/h) und schweren Güterzügen (bis 2000 oder eventuell 4000 Tonnen). Rund 300 Züge sollen pro Tag zwischen Zürich oder Basel und Chiasso–Mailand oder Luino–Busto Arsizio/Novara verkehren. Die Hochgeschwindigkeitszüge brauchen für die Strecke Zürich–Mailand eine Reisezeit von 2:40 Stunden. Da die Fahrzeit zwischen Zürich und Lugano nach der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels nur noch 82 Minuten dauern wird, ist es möglich, Lugano zum Vollknoten zu entwickeln.
Zukünftig sollen 40 Millionen Tonnen Güter pro Jahr durch den Tunnel rollen, etwa doppelt so viel wie auf der heutigen Gotthard-Achse.[28]
Die tagsüber geplante Mischnutzung des Tunnels durch schnellen, relativ pünktlichen Personen- und langsameren, weniger pünktlichen Güterverkehr ist allerdings mit erheblichen gegenseitigen Behinderungen verbunden. Dies kann zu Kapazitätsverlusten führen, Effizienz und Qualität des Betriebs beeinträchtigen und damit letztlich das Erreichen des Ziels, die Bahn im Gütertransitverkehr gegenüber der Strasse konkurrenzfähig zu machen, in Frage stellen.
Kosten
Die geschätzten Endkosten betragen (Stand: 2010) 12 Milliarden Franken.[22]
Die Schweizer Regierung rechnet sodann nach Inbetriebnahme bis ins Jahr 2070 mit einem betriebswirtschaftlichen Verlust zwischen (umgerechnet) 10 und 24 Milliarden Euro (Stand: Oktober 2010).[28]
Siehe auch
- Gotthardbahn
- Brennerbasistunnel (österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt)
- Mont-Cenis-Basistunnel
- Schweizer Eisenbahnprojekte: NEAT
Literatur
- Rolf E. Jeker: Gotthard-Basistunnel. Der längste Tunnel der Welt. Werd-Verlag, Zürich 2002, ISBN 3-85932-420-9.
Weblinks
- Beteiligte Unternehmen
- Offizielle Website der Bauherrin AlpTransit Gotthard AG
- Bauabschnitt Amsteg Konsortium Murer-Strabag
- Bauabschnitt Sedrun Konsortium Transco
- Bauabschnitte Bodio und Faido Konsortium TAT-TI
- Daten der Tunnelbohrmaschine(n) Herrenknecht AG
- Portrait Bahntechnikarbeitsgemeinschaft Transtec Gotthard
- Bilder – Reportagen – Chronik
- Tunneltrade – Tunnelbau 57 Kilometer durch den Fels Text von Philipp Mausshardt (Reportage in der Zeitschrift GEO, Stand 2006)
- Fotoreportage über den Tunnelbau von Mark-Steffen Göwecke
- Alpentunnel.de Bilder und Video der MFS Faido
- Alle Entscheidungen seit 1981 ständige Aktualisierung der politischen und der Umweltdiskussion
- Podcast interviews mit dem Bauleiter, dem Produktionsleiter, einem Geologe und einem Logistiker von der Baustelle Faido
Einzelnachweise
- ↑ Baubeginn der Bahntechnik am Gotthard-Basistunnel. AlpTransit Gotthard AG, 15. Mai 2009, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Gotthard-Basistunnel: Weltrekord am 15. Oktober 2010 geplant. AlpTransit Gotthard AG, 9. April 2010, abgerufen am 17. Oktober 2010 (Pressemitteilung).
- ↑ a b Gotthard: Beginn des Einbaus der Bahntechnik. Zisch, 15. Mai 2009, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Additional Investments for the AlpTransit Gotthard Project. 10. Juni 2008, archiviert vom am 16. Juni 2008; abgerufen am 17. Oktober 2010 (englisch, Gemäss Alptransit, Schätzung Sommer 2007 com 27. Februar 2008).
- ↑ Tätigkeitsbericht der NEAT-Aufsichtsdelegation für das Jahr 2008. Die Bundesversammlung - Das Schweizer Parlament, 29. April 2009, abgerufen am 17. Oktober 2010 (Medienmitteilung NAD).
- ↑ Gotthard-Basistunnel: „Sissi“ sorgt für den Durchbruch. In: Focus Online. 15. Oktober 2010, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Re 620 und Zughakenlasten am Gotthard. In: Bahnforum Schweiz. , abgerufen am 17. Oktober 2010 (Registrierung erforderlich zum lesen der Seite).
- ↑ Klaus-J. Vetter, Die Eisenbahn in der Schweiz, Die Traktionskonzepte am Gotthard, Seite 43
- ↑ Erfreuliche Fortschritte beim Bau der NEAT auf der Gotthard-Achse – NAD drängt auf raschen Projektabschluss der Lötschberg-Basislinie. Die Bundesversammlung - Das Schweizer Parlament, 26. November 2008, abgerufen am 17. Oktober 2010 (Medienmitteilung NAD).
- ↑ Zwei neue Eisenbahntunnels durch die Alpen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Mai 1989, S. 11.
- ↑ Jahresrückblick 1988 der anderen Eisenbahnen. In: Die Bundesbahn. Jg. 65, Nr. 2, 1989, ISSN 0007-5876, S. 160.
- ↑ a b c d e Meldung Entscheidung für Gotthard- und Lötschberg-Basistunnel. In: Die Bundesbahn, Jahrgang 65 (1969), Heft 7, ISSN 0007-5876, S. 590.
- ↑ Baubeginn am Gotthard-Basistunnel. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 4, 1999, ISSN 1421-2811, S. 144–147
- ↑ Gotthard - Bassistunnel Sedrun Shaft (Switzerland). Shaft Sinkers International, abgerufen am 17. Oktober 2010 (englisch).
- ↑ Der Herr der Röhren. In: Handelsblatt. Nr. 200, 15./16. Oktober 2010, S. 62.
- ↑ http://www.alptransit.ch/de/news/article/2011/03/23/gotthard-basistunnel-der-vortrieb-ist-beendet/ .Gotthard-Basistunnel: Der Vortrieb ist beendet, 23.03.2011, abgerufen am 01.04.2011.
- ↑ Arbeitsunfall: Ceneri-Tunnel fordert erstes Opfer. 20 Minuten, 22. September 2010, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Matthias Chapman: Die Toten vom Gotthard. Tagesanzeiger, 12. Oktober 2010, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Die neue Gotthardbahn. AlpTransit Gotthard AG, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Durchschlag live im Schweizer Fernsehen. AlpTransit Gotthard AG, ehemals im ; abgerufen am 17. Oktober 2010. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Gotthard-Basistunnel: Durchschlag der Weströhre zwischen Sedrun und Amsteg. AlpTransit Gotthard AG, 17. Oktober 2007, abgerufen am 17. Oktober 2010 (Pressemitteilung).
- ↑ a b 350 Millionen Mehrkosten am Neat-Südportal. In: Tagesanzeiger, 29. September 2010.
- ↑ Consorzio TAT: Ein durchschlagender Erfolg am Gotthard-Basistunnel. (PDF) AlpTransit Gotthard AG, 6. September 2006, archiviert vom am 7. Juni 2008; abgerufen am 17. Oktober 2010 (Pressemitteilung).
- ↑ Weitere Abklärungen für die Porta Alpina. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, 16. Mai 2007, abgerufen am 17. Oktober 2010 (Medienmitteilung der Bundesverwaltung).
- ↑ Porta Alpina entschlummert in den Dornröschenschlaf. In: NZZ Online. 13. September 2007, abgerufen am 17. Oktober 2010.
- ↑ Pressemitteilung der AlpTransit Gotthard AG vom 7. Dezember 2007
- ↑ Letztes grosses Baulos am Gotthard vergeben NZZ Online, 29. April 2008
- ↑ a b Schweizer feiern teures Prestigeprojekt. In: Handelsblatt. Nr. 200, 15./16. Oktober 2010, S. 18 f.