Alice (italienische Sängerin)

italienische Popsängerin
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Alice (* 26. September 1954 in Forlì; eigentlich Carla Bissi) ist eine italienische Popsängerin.

Karriere

Schon als 17-Jährige brachte die dunkeläugige Schöne mit dem markanten Timbre ihre ersten Singles heraus, das war 1971. Doch der Erfolg sollte noch auf sich warten lassen. Noch hatte die Sängerin nicht zu ihrem eigenwilligen Stil gefunden, ein Mix aus Textlyrik, bodenständigem Rock, experimentellem Pop und World Music, der sie später als "Alice" so erfolgreich machen sollte. Und so nahm man nicht einmal in Italien wirklich Notiz von ihren ersten beiden Alben La mia poca grande eta (1975) und Cosa resta un fiore (1978).

Erst als sich der in Italien hochverehrte Poplyriker und Cantautore Franco Battiato künstlerisch ihrer annahm, erwachte auch das breitere Publikumsinteresse an Alice. Unter seinen kreativen Fittichen wurde das Album Capo nord 1980 immerhin zu einem kleinen Achtungserfolg. Die daraus ausgekoppelte Single Il vento caldo dell' estate wurde zum Überraschungshit und läutete mit seiner ungewöhnlichen Struktur, den Synthi-Einsprengseln und Alices kräftiger Stimme die 80er in der italienischen Popmusik ein. Auf diesen Erstlingserfolg konnte nicht geschickter aufgebaut werden, als sich am äußerst beliebten alljährlichen Musikwettbewerb in San Remo zu beteiligen. Per Elisa hieß der ebenso simple wie effektvolle Rock-Pop-Gassenhauer, mit dem Battiato seinen Schützling antreten ließ. Und Alice gewann überlegen! Der Grund, warum gerade dieser Sieg solche Spuren in der italienischen Musikszene hinterließ und noch heute immer wieder in Artikeln über die Sängerin zitiert wird, ist die Sog- und Impulswirkung, die er auf die damals dümpelnde Industrie hatte. Ende der 70er war das umsatzträchtige Discofieber fast erkaltet und noch kein neuer Nachfolge-Trend so richtig etabliert. Die letzte wirklich große Nummer 1 in Italien vor Per Elisa war Diana Ross' Upside down – trotz vieler Wochen an der Spitze nur rund 50.000 mal verkauft. Per Elisa verkaufte sich dagegen 10 mal so viel, nämlich 500.000 Exemplare. Diesen Erfolg und das damit einhergehende neue Selbstbewusstsein hatte die damalige italienische Musik dringend nötig. Per Elisa kam so etwas wie eine Eisbrecherfunktion zu, die Cantautori erlangten im diesem Kielwasser neue Anerkennung, neuen Erfolg.

Mit wenigen Wochen Verzögerung wurde dieser Impuls auch in anderen Ländern Europas spürbar: Deutschland, Schweiz, Österreich, Holland, Belgien, Finnland ... überall kam Per Elisa in die Charts oder erreichte hohe Radio-Rotation. Alice galt bald als Vorreiterin der Italo-Pop-Welle der frühen 80er und als Gegenstück zur populären Gianna Nannini – jene extrovertiert und kernig, die andere geheimnisvoll, introvertiert und grazil. Una notte speciale, die Nachfolge-Single, übertraf in manchen Ländern sogar den Erfolg des San Remo-Gewinners und erreichte in Deutschland Platz 7 der Hitliste. Die Longplayer Per Elisa und Azimut waren geradlinige angerockte Pop-Alben, mit Hingabe interpretiert, aber ohne nennenswerte musikalische Innovation.

Um sich künstlerisch weiter zu entwickeln, "lockerte" Alice bald das kreative Band zu Gottvater Battiato. Nachdem ihr erstes eigenproduziertes Album Falsi Allarmi (1983) weniger erfolgreich war als seine Vorgänger, ging Alice, die stets genügend Instinkt besaß, ihre eigene künstlerische Ambition zu verwirklichen, ohne den Geschmack von Publikum und Plattenfirma zu ignorieren, kurzerhand neuerliche musikalische Allianzen ein: Mit dem deutschen Schmuse-Rocker Stefan Waggershausen, den sie während einer ihrer Tourneen kennengelernt hatte, nahm sie das Duett Zu nah am Feuer in deutsch-italienischem Sprachenmix auf. Sofort gelang damit ein Top-Hit in Mitteleuropa, der die Top 20 in Deutschland erreichte und in Österreich und der Schweiz sogar Platz 1 der Charts einnahm. Und auch mit Battiato kolaborierte sie wieder: Beim Eurovision Song Contest 1984 belegte ihr ebenso eleganter wie inhaltlich nebulöser Song I treni di Tozeur den respektablen fünften Rang und eroberte in den italienischen Charts Platz 3, wurde somit zu Alices größtem Hit in ihrer Heimat nach Per Elisa. Es folgte das Album Gioelli rubati (Gestohlene Juwelen) mit Coverversionen von Battiato-Songs. Kritiker waren über Alices Interpretationen von Battiato-Klassikern geteilter Meinung , doch das Publikum mochte das Album, besonders in Frankreich und Deutschland. Mit dem satt arrangierten Summer on a solitary beach war sogar ein kleiner Sommer-Hit darauf, der in Deutschland unter die Top 70 kam. Prospettiva Nevski, die zweite Single (eine stimmungsvolle Ballade über den Nevski-Prospekt in St. Petersburg), lief in der Schweiz recht gut.

Ab 1986 gestattete sich Alice den Luxus, nur noch ihre eigenen musikalischen Intentionen umzusetzen. Noch introvertierter und persönlicher, aber auch melodiöser, ästhetisch ausgefeilter und ausdrucksstärker wurden ihre Lieder. Mit jedem Album kamen neue musikalische Aspekte hinzu. Einflüsse aus Folk, New Age, Hip Hop, Dance, Electro, Rock ...ihr Spektrum erweiterte sich kontinuierlich, und doch war ihr Sound immer unverkennbar. Erstes Ergebnis dieses "neuen künstlerischen Lebens" war das 86er-Album Park Hotel, ein Meilenstein in Alices Schaffen, voll Anmut und Melancholie. Nomadi hieß der kleine Hit daraus, ein Song über das Ziel, das man ja doch immer erst am Ende der Straße findet. In dieser Zeit der musikalischen Neuorientierung kippte das Erfolgs-Verhältnis: Alice's Popularität in Deutschland übertraf nun fast jene in Italien, wo ihre Anhängerschaft abzunehmen schien. Erreichte ihr 87-er "Greatest Hits"-Album Elisir mit neuen Versionen ihrer bekannten Titel nördlich der Alpen wenigstens noch hintere Chart-Plätze, ging es in den meisten anderen Ländern fast sang- und klanglos unter. Die künstlerische Freiheit bekam ihr dennoch augenscheinlich gut – Alice wurde mit zunehmender Reife immer schöner. Eine Poetin mit dem Aussehen einer Muse.

Die 80er waren vorüber, in den 90ern eroberten Italo-Popper einer anderen, vordergründigeren Richtung wie Eros Ramazzotti, Zucchero, Laura Pausini oder Nek die Publikumsgunst. War die Zeit für Pop-Individualisten endgültig vorbei? Obwohl attestiert werden kann, dass ihre Musik gerade in den 90ern an Vielschichtigkeit immer weiter gewann, nahm Alices kommerzieller Erfolg zunehmend ab. Alben wie Il sole nella pioggia (1989) oder Charade (1995) wurden, obwohl mit deutlichen Einflüssen der jeweils aktuellen Musiktrends versehen und immer noch weltweit veröffentlicht (sogar bis nach Asien), weithin ignoriert. Auch ihre Mitwirkung an dem experimentellen Ambient-Projekt "Devogue" fand kein nennenswertes Echo. Im Jahr 2000 nahm Alice nach 20 Jahren erneut am San-Remo-Festival teil, doch das erhoffte kommerzielle Comeback blieb aus. Ihr Titel Il giornio dell'indipedenza landete unter "ferner liefen". Ihr bislang letztes Album kam 2003 unter dem Namen Viaggio in Italia heraus – eine Art musikalische Reise durch italienische Befindlichkeiten; wiederum ein eigenständiges Werk und doch unverkennbar Alice. Mit Songs wie Auschwitz beweist die Sängerin, dass ernste Themen und harmonische Popklänge würdevoll miteinander zu verbinden sind. Bemerkenswert sind auch ihre immer wieder erfolgenden Ausflüge in anspruchsvolle musikalische Fremd-Gebiete, wenn sie Gastspiele mit Pasolini-Texten gibt oder in Kirchen spirituelle Lieder aus ihrem Album God is my DJ singt. Ihre Bandbreite und Ausdruckskraft legen Vergleiche mit Popkünstlerinnen wie Björk und Kate Bush nahe.

Diskografie

Alben

  • 1975 La mia poca grande età
  • 1978 Cosa resta ... un fiore
  • 1980 Capo nord
  • 1981 Per Elisa (Alice)
  • 1982 Azimut
  • 1983 Falsi Allarmi
  • 1985 Gioielli Rubati
  • 1986 Park Hotel
  • 1987 Elisir (Best of)
  • 1988 Mélodie Passagère
  • 1989 Il sole nella pioggia
  • 1992 Mezzogiorno sulle Alpi
  • 1995 Charade
  • 1995 Viaggiatrice solitaria
  • 1997 Devogue (Gast)
  • 1998 Exit
  • 1999 God is my DJ
  • 2000 Personal juke box (Best of)
  • 2003 Viaggio in Italia
  • 2004 Made in Italy (Best of)

Wichtigste Singles

  • 1972 Il mio cuore se ne va (als Carla Bissi)
  • 1980 Il vento caldo dell'estate
  • 1981 Per Elisa
  • 1981 Una notte speciale
  • 1982 Messaggio
  • 1982 A cosa pensano
  • 1983 Chanson egocentrique (mit Franco Battiato)
  • 1983 Il profumo del silenzio
  • 1983 Carthago
  • 1984 Zu nah am Feuer (mit Stefan Waggershausen)
  • 1984 I treni di Tozeur (mit Franco Battiato)
  • 1985 Summer on a solitary beach
  • 1985 Prospettiva Nevski
  • 1986 Nomadi
  • 1986 Conoscersi
  • 1987 The fool on the hill
  • 1989 Visioni
  • 1992 In viaggio sul tuo viso
  • 1995 Dammi la mano amore
  • 1998 Open your eyes (mit Orcheba)
  • 1998 Non ero mai sola
  • 1998 I am a Taxi
  • 2000 Il giorno dell'indipendenza