Friedrich Blume (Musikwissenschaftler)
Friedrich Blume (* 5. Januar 1893 in Schlüchtern, Hessen; † 22. November 1975 ebenda) war ein deutscher Musikwissenschaftler.
Leben
Blume, Sohn eines Steuerinspektors, studierte von 1911 bis 1914 an den Universitäten München, Leipzig und Berlin zunächst Medizin, dann Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft setzte er 1919 sein Studium in Leipzig fort und wurde 1921 mit Studien zur Vorgeschichte der Orchester-Suite im 15. und 16. Jh. promoviert. Ab 1921 wirkte Blume als Assistent Hermann Aberts an der Universität in Leipzig, ab 1923 an der Universität in Berlin, wo er sich 1925 mit der Abhandlung Das monodische Prinzip in der protestantischen Kirchenmusik habilitierte. Nach dem Tode Aberts leitete er von 1927 bis 1929 kommissarisch das musikwissenschaftliche Institut.
Blume gehörte dem Kampfbund für deutsche Kultur und später der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde an (der KfdK war 1934 in der NSKG aufgegangen).[1] 1934 wurde er Mitglied des Rotary-Clubs, den das NS-Regime ähnlich argwöhnisch betrachtete wie die Freimaurer-Logen.[2] Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Blume zum nichtbeamteten ao. Professor ernannt und unterrichtete bis 1934 Musikgeschichte an der Kirchenmusikschule Berlin-Spandau.[1] Mit dem Wechsel von Fritz Stein, der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Leitung der Hochschule für Musik in Berlin übertragen bekam, vertrat er zugleich seit dem 1. Mai 1933 dessen Professur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, an die er ein Jahr später endgültig berufen wurde und dort bis zur seiner Emeritierung 1958 wirkte, ab 1939 als Ordinarius. [1] Blume wurde 1935 zum Mitglied des Staatlichen Instituts für deutsche Musikforschung berufen, das ihn 1939 mit der Leitung der Reihe Erbe deutscher Musik und bis 1944 mit der Herausgabe der Zeitschrift Deutsche Musikkultur betraute. 1942 übernahm er den Vorsitz der Neuen Schütz-Gesellschaft.
Blume gehörte nicht der NSDAP an. 1938 hielt er bei einer Musikwissenschaftlichen Tagung in Düsseldorf, die parallel zu den ersten Reichsmusiktagen stattfand, ein Grundsatzreferat über „Musik und Rasse“. Dieser Vortrag erschien zunächst in Die Musik unter dem Titel Musik und Rasse. Grundfragen einer musikalischen Rasseforschung, später als Buch Das Rasseproblem in der Musik. Entwurf zu einer Methodologie musikwissenschaftlicher Rasseforschung. [3] Blumes Auseinandersetzung mit diesem Thema wird in der neueren wissenschaftlichen Literatur allgemein als Versuch gewertet, die Bedeutung einer „musikalischen Rassenlehre“ herunterspielen und die forschende Beschäftigung damit hinauszuzögern. So bezeichnet es Fred K. Prieberg als „Tatsache, dass Blume die NS-Rassenlehre als unwissenschaftlich brandmarkte.“ [4] Ähnliche Einschätzungen veröffentlichten auch Eva Weissweiler[5], Albrecht Dümling[6] und Amaury du Closel.[7]
1942 griff Blume die Anregung von Karl Vötterle, dem Gründer des Bärenreiter-Verlags, zu der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) auf und begann 1943 als deren Herausgeber mit der Vorbereitung. Das Lexikon erschien in 14 Bänden zwischen 1949 und 1968 unter Blumes Leitung (die Supplementbände und einen Registerband gab seine Tochter Ruth Blume 1973-86 heraus). Von 1947 bis 1962 war er zudem als Präsident der Gesellschaft für Musikforschung maßgeblich am Wiederaufbau der deutschen Musikwissenschaft beteiligt. Darüber hinaus trug er entscheidend dazu bei, deren guten Ruf auch international wiederherzustellen. Möglich wurde ihm dies vor allem dadurch, dass er bereits im Jahr 1948 ins Präsidium der neu gegründeten Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft gewählt worden war, und dann umso mehr als Präsident dieser Gesellschaft von 1958 bis 1961. Neben seiner umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit engagierte er sich ferner als Organisator beim Aufbau von AIBM und RISM, als Präsident der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft und als Vorsitzender des Joseph-Haydn-Instituts. Für sein Wirken wurden ihm zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen verliehen.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Studien zur Vorgeschichte der Orchestersuite im 15. und 16. Jahrhundert (Dissertation, Universität Leipzig 1921), Leipzig 1925.
- Die formgeschichtliche Stellung der Klavierkonzerte Mozarts, Mozart-Jahrbuch 1924, S. 81-107.
- Das monodische Prinzip in der protestantischen Kirchenmusik (Habilitationsschrift, Universität Berlin 1925), Leipzig 1925.
- Hermann Abert und die Musikwissenschaft, in: Festschrift für Hermann Abert, hrsg. von Friedrich Blume, Halle 1928, S. 18-30.
- Michael Praetorius Creuzburgensis, Wolfenbüttel/Berlin 1929.
- Josquin des Prés, in: Der Drachentöter. Jahrbuch des Kallmeyer-Verlags, Wolfenbüttel/Berlin 1929, S. 52-69.
- Die evangelische Kirchenmusik, Potsdam 1931; Nachdruck Laaber 1979.
- Bach und Händel, in: Die Musikpflege 5, 1934/35, S. 400-407.
- Heinrich Schütz, in: Die Großen Deutschen, hrsg. von W. Andreas und Wilh. von Scholz, Bd. 1, Berlin 1935, S. 627-643.
- Das Werk des Michael Praetorius, in: Zeitschrift für Musikwissenschaft 17, 1935, S. 482-502.
- Musik und Rasse. Grundfragen einer musikalischen Rassenforschung, in: Die Musik XXX/11, August 1938. S. 736–748.
- Deutsche Musikwissenschaft, in: Deutsche Wissenschaften. Arbeit und Aufgabe. Dem Führer und Reichskanzler zum 50. Geburtstag, hrsg. von Bernhard Rust, Leipzig 1939, S. 16-18.
- Wolfgang Amadeus Mozart. Gedenkrede zu Mozarts 150. Todestag am 5. Dezember 1941, Wolfenbüttel/Berlin 1942; 2. Aufl. Wolfenbüttel 1948.
- Das Rasseproblem in der Musik. Wolfenbüttel: Kallmeyer 1939 und 1944.
- Lasso und Palestrina, in: Deutsche Musikkultur 9, 1944/45, S. 31-45.
- Johann Sebastian Bach im Wandel der Geschichte, Kassel u. a. 1948.
- Goethe und die Musik, Kassel 1948.
- Denkschrift zur Schulmusikerziehung, Bonn 1952.
- Was ist Musik? Ein Vortrag, Kassel 1959.
- Umrisse eines neuen Bach-Bildes, Kassel 1962.
- Renaissance and Baroque Music. A Comprehensive Survey, New York 1967.
- Der junge Bach, Wolfenbüttel 1967.
- Classic and Romantic Music. A Comprehensive Survey, New York 1970.
Editionen
- (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- u. Auslandes. Kassel; Basel; Tours; London: Bärenreiter. Band 1: 1949 bis 1968 (die Redaktion der Supplementbände und des Registerbandes - 1973,1979 und 1986 - hatte Blumes Tochter Ruth Blume) ISBN 3476410226
- (Hrsg.): Gesamtausgabe der Werke von Michael Praetorius (mit Fritz Jöde und Georg Kallmeyer, 1927 bis 1940, Register 1960).
- (Hrsg.): Das Chorwerk (1929–1938; 1956 ff. mit K. Gudewill).
Weitere Veröffentlichungen siehe Weblinks.
Literatur
- Pamela M. Potter: Artikel Friedrich Blume im Musiklexikon The New Grove; Oxford University Press, New York 2001.
- Ludwig Finscher: Artikel Friedrich Blume im Musiklexikon MGG 2, Kassel u. a. 2000.
- Anna Amalie Abert, Wilhelm Pfannkuch (Hrsg.): Festschrift Friedrich Blume zum 70. Geburtstag. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1963 (mit Bibliographie Blumes bis 1963)
- Isolde von Foerster, Christoph Hust, Christoph-Hellmut Mahling (Hrsg.): Musikforschung. Faschismus. Nationalsozialismus. Referate der Tagung Schloss Engers (8. bis 11. März 2000). Mainz: Are Musik Verlag 2001. ISBN 3924522065
Weblinks
- Wikisource: Friedrich Blume – Quellen und Volltexte
- Literatur von und über Friedrich Blume im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literaturliste im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin
Einzelnachweise
- ↑ a b c Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 504–509.
- ↑ Eva Weissweiler: Ausgemerzt - Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen, Dittrich-Verlag, o. O. 1999, S. 26.
- ↑ Das Rasseproblem in der Musik. Entwurf zu einer Methodologie musikwissenschaftlicher Rasseforschung; Wolfenbüttel, Berlin: Kallmeyer, 1939
- ↑ Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945, CD-ROM-Lexikon, Kiel 2004, S. 509.
- ↑ Eva Weissweiler: Ausgemerzt - Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen, Dittrich-Verlag, o. O. 1999. Auf S. 27 macht Weissweiler darauf aufmerksam, „daß Blume sich während der Düsseldorfer Reichsmusiktage von 1938 in seinem Vortrag Musik und Rasse weder euphorisch über das Germanentum noch vernichtend über das Judentum, sondern in vorsichtig abwägenden Worten über die vielfältigen >rassischen< Wurzeln der abendländischen Kunstmusik (unter anderem den synagogalen Gesang) und die Schwierigkeit, ausgerechnet in der Musik >rassische< Determinanten auszumachen, geäußert hatte.“
- ↑ Albrecht Dümling: Das verdächtige Saxophon - „Entartete Musik im NS-Staat“, Berlin 2007, S. 273: „Dass die Zuordnung von Musik und Rassenmerkmalen eine schwierige Aufgabe darstellt, war seriösen Musikwissenschaftlern bewusst. Friedrich Blume, der auf dem musikwissenschaftlichen Kongress 1938 in Düsseldorf das Grundsatzreferat Musik und Rasse hielt, machte auf die vielfältigen, komplizierten Rassenmischungen und die Vieldeutigkeit jeder Musik aufmerksam. Er konnte deshalb auch nicht vorschnell wie Goebbels das Wesen der deutschen Musik im Melodischen oder wie Ziegler im germanischen Dreiklang sehen.“
- ↑ Amaury du Closel: Erstickte Stimmen - „Entartete Musik im Dritten Reich“, Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2010, S. 233 f.: „Der unterschiedliche Ansatz, mit dem Ziegler [der Initiator der Ausstellung „Entartete Musik“] und Blume die Frage nach dem Verhältnis zwischen Rasse und Musik behandeln, ist übrigens bezeichnend für die ideologische Diskrepanz, die die Musikforschung im Dritten Reich auszeichnete. Blume, der das Problem von der methodologischen Seite her anging, äußerte sich extrem behutsam über die Frage, ob ein solcher Zusammenhang überhaupt bestehe [...] insbesondere zu dem [Problem] der Bedeutung fremder Einflüsse auf die deutsche Musik bekannte Blume, mit der Vorsicht, die unter den gegebenen Umständen geboten war, dass der Stand der Wissenschaft es noch nicht erlaube, eine klare Antwort zu liefern - womit er die pseudowissenschaftlichen Urteile Zieglers und seiner Partner unmissverständlich infrage stellte.“
Personendaten | |
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NAME | Blume, Friedrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Musikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 5. Januar 1893 |
GEBURTSORT | Schlüchtern, Hessen |
STERBEDATUM | 22. November 1975 |
STERBEORT | Schlüchtern, Hessen |