Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen

Prinzip, nach dem Staat und Religionsgemeinschaften kraft staatlicher Gesetze organisatorisch getrennt sind
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Die Trennung von Kirche und Staat bezeichnet die Trennung staatlicher und kirchlicher Organisationen per Gesetz. Sie ist eine der grundlegenden staatskirchenrechtlichen Ordnungsmodelle.

Weltkarte des Laizismus
Datei:Weltkarte des Laizismus.png
Farbschlüssel
  • Grün: Laizismus
  • Orange: Kein Laizismus
  • Rot: Gottesstaat (Die Staatsreligion ist das Gesetz)
  • Grau: Keine Angaben

Verfassungsrechtliche Lage in Deutschland

Die Trennung von Kirche und Staat wurde in Deutschland nach Ende des Ersten Weltkrieges 1919 eingeführt. Juristen sehen hier eine hinkende Trennung oder auch eine harmonische Trennung. Rechtliche Grundlage ist Artikel 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit den Artikeln 136 bis 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV).

In Deutschland ist das Verhältnis von Kirche und Staat partnerschaftlich. Es gibt Konkordate und Staatskirchenverträge. Der Staat zieht die Kirchensteuern als Mitgliedsbeiträge im Auftrag der Kirchen gegen Kostenersatz ein, in manchen Gerichtssälen hängen Kreuze, christliche Feiertage sind auf Grund der Verfassung geschützt, christliche Kindergärten und Schulen (etwa 10 % sind in kirchlicher Trägerschaft) werden vom Staat im Rahmen der Grundversorgung gefördert, es gibt Religionsunterricht nicht nur an Privatschulen, sondern auch an staatlichen Schulen, und so weiter. Gottesdienste an staatlichen Feiertagen wie dem Tag der deutschen Einheit sind denkbar, Staatsakte an religiösen Feiertagen dagegen nicht üblich.

Ein wichtiger Rechtsgrundsatz in Deutschland ist jedoch, dass der Staat die Religionen organisatorisch einbinden, ihnen aber nicht ihre Inhalte vorschreiben kann. Daher kommt es zu kontroversen Debatten, wenn einige dieses Prinzip verletzt sehen, etwa im brandenburgischen Lebenskunde-Ethik-Religion-Unterricht oder im Falle eines evtl. einzuführenden islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen.

Religiöse Symbole im öffentlichen Raum sind zulässig; im staatlichen Raum werden sie mit der Verbreitung außerchristlicher Bekenntnisse zunehmend kritisch beurteilt, wie einerseits der Kruzifixstreit, andererseits der so genannte Kopftuchstreit belegt.

In Deutschland ist die positive und negative Religionsfreiheit grundgesetzlich geschützt.

siehe auch: Reichskonkordat; Reichsdeputationshauptschluss; Kulturkampf; Schächturteil

Lage in anderen Ländern

In den USA ist einerseits die strikte Trennung von Staat und Kirche im ersten Verfassungszusatz (First Amendment) festgeschrieben, es gibt weder Religionsunterricht in staatlichen Schulen noch staatliche finanzielle Unterstützung noch Steuereinzug für Kirchen oder religiöse Privatschulen. Weihnachten ist dort der einzige staatliche Feiertag mit christlichem Ursprung. Andererseits geben sich die Politiker dort viel eher als in Europa betont religiös und selbst auf den Geldscheinen steht zu lesen "In God We Trust". Heftige, stark politisierte Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten über die Grenzen der Trennung sind in der amerikanischen Öffentlichkeit häufig.

In Europa sind Frankreich und die Türkei die beiden Staaten, in der die Trennung von Kirche und Staat am weitesten geht – beide lassen sich als laizistische Staaten beschreiben, in denen religiöse Symbole im öffentlichen Raum nicht zulässig sind. In der Türkei sollte man jedoch eher von einer "Unterordnung der Religion unter den Staat" als von einer Trennung sprechen, da die Imame vom Staat ausgebildet werden und dieser durch das "Ministerium für Religiöse Angelegenheiten" auch enge inhaltliche Vorgaben für deren Arbeit macht.

In Frankreich kam es, nachdem es bereits seit der französischen Revolution einen Prozess in diese Richtung gegeben hatte, im Jahr 1905 – nicht zuletzt infolge der Dreyfus-Affäre – zur völligen rechtlichen Trennung von Kirche und Staat. Nachdem nach jeweils langen und hitzigen Debatten sowohl die französische Nationalversammlung (am 3. Juli) als auch der Senat (am 6. Dezember) dem Gesetzesvorhaben zugestimmt hatten, erlangte es als Gesetz vom 9. Dezember 1905 die Trennung der Kirche und des Staates betreffend Gesetzeskraft. Ausgenommen hiervon sind die Departements Moselle, Bas-Rhin und Haut-Rhin, die von 1871 bis 1918 zum Deutschen Reich gehörten; ihnen wurde in staatskirchenrechtlicher Hinsicht im Repatriierungsgesetz der Status vor 1871 gewährt. In der Folge sind römisch-katholische, evangelisch-lutherische und evangelisch-reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer Staatsbeamte. - In der Folge ergab sich eine einseitige Unterordnung der Kirchen unter den Staat. Freiheiten für religiöse Organisationen, die sich einige Christen wie auch andere Religionsgemeinschaften teilweise von der Trennung erhofften, ergaben sich. Zunächst wurden die Kirchen durch das Gesetz all ihrer Kirchen enteignet (Kathedralen fielen an den Staat, Pfarrkirchen und Kapellen an die Kommunen). Die Kirchen sind auf den kultischen Bereich beschränkt. Sozialcaritative Aufgaben sind nicht erlaubt und müssen in unabhängige Organisationen ausgegliedert werden; Beispiel: CIMADE, Flüchtlingshilfswerk der Église Reformé.

siehe auch: Laizität; Code civil; Séparation des Églises et de l'État en 1905 (französischsprachige Wikipedia); 1905 France law on secularity (englischsprachige Wikipedia)

Siehe auch