Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland

soziale Bewegung gegen die zivile Nutzung der Kernenergie
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Die Anti-Atomkraft-Bewegung (auch Anti-AKW-Bewegung) ist eine internationale Bewegung, die sich gegen die zivile Nutzung der Kernenergie zur Energieerzeugung in Kernkraftwerken wendet, da nach ihrer Ansicht die damit verbundenen Risiken und Probleme zu gravierend sind. Die in den 1970er Jahren entstandene Anti-Atomkraft-Bewegung gehört zu den neuen sozialen Bewegungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

Die Lachende Sonne – Logo der Anti-Atomkraft-Bewegung

Ziele

 
Anti-AKW-Demonstration auf dem Bonner Hofgarten am 14. Oktober 1979
 
Demonstration in den USA am 4. September 1979
 
Gerangel zwischen Polizei und Demonstranten in Gorleben 1996
 
Blockade in Gorleben 1996

Ein Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung fordert die sofortige und bedingungslose Stilllegung aller Kernenergieanlagen. Schon 1973 verlangte der WWF ein Moratorium für AKW-Projekte. Die „Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst“ verlangte einen Baustopp des AKW Kaiseraugst bis zum Vorliegen einer Volksabstimmung. In der Schweiz wurde eine grundsätzliche Volksentscheidung über Atomkraftwerke gefordert. „Für den Ausstieg aus der Atomenergie“ und „Stopp dem Atomkraftwerkbau (Moratorium)“ sind Ziele aus den 1980er-Jahren.[1]

Inzwischen ist die direkte Umsetzung durch den hohen Anteil an Atomstrom schwierig. Entsprechend spricht man von Atomausstieg, der durch Energiesparmaßnahmen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ohne Stromausfälle zu bewerkstelligen ist. Für einzelne Staaten ergeben sich durch den unterschiedlich hohen Anteil von Atomstrom verschiedene Ausstiegsszenarien.

Kritik an der Kernenergie

Viele Atomkraftgegner sind der Auffassung, dass der Betrieb von Kernkraftwerken sowie deren Ver- und Entsorgung mit Kernbrennstoff u. a. folgende Sicherheitsrisiken bergen:

Zahlreiche Kritiker schätzen auch die im Normalbetrieb von Kernkraftwerken freigesetzte Radioaktivität als Gefahr ein. Zudem wird der Uranabbau, welcher das zur Herstellung von Brennstäben nötige Uran liefert, als Umweltproblem kritisiert. Das Risiko der Entwicklung und Verbreitung von Atomwaffen im Schatten ziviler Nuklearprogramme (Proliferation) wird oft benannt, im Zusammenhang mit Staaten wie dem Iran und Nordkorea zum Teil auch von Kernenergiebefürwortern.

Viele Atomkraftgegner verurteilen die wirtschaftliche Unterstützung der Energiekonzerne zu Lasten der Steuerzahler, beispielsweise die staatlichen Subventionen der Atomenergie[2] oder die Beteiligung der Konzerne an der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE).[3]

Organisationsform

In der Anti-Atomkraft-Bewegung organisieren sich in der Regel unabhängige Gruppen, die sich gegen Atomprogramme einsetzten. Diese Gruppen sind häufig basisdemokratisch organisiert. Die Bewegung hat keinen organisatorischen Überbau. Grundsatzentscheidungen und gemeinsame Aktionen wie Castorblockaden werden beispielsweise auf den regelmäßigen bundesweiten Anti-Atom-Konferenzen diskutiert und beschlossen. Außerdem gibt es regionale Delegiertentreffen, zu denen die Basisgruppen Vertreter schicken. Entscheidungen werden in der Regel im Konsens getroffen. Anti-Atomkraft-Gruppen sind oftmals auch anderweitig politisch organisiert. Teilweise überschneidet sich die ökologische Diskussion mit einer grundsätzlichen linken, basisdemokratischen oder anarchistischen Haltung. Dadurch gelingt es der Bewegung nicht immer, ihre ökologischen Ideen einer eher konservativ eingestellten politischen Klientel näherzubringen.

Ein radikalerer Teil der Atomkraftgegner duldet auch strafbare Sachbeschädigungen (z. B. an Bahnanlagen oder an Straßen, auf denen Transportbehälter transportiert werden), solange dadurch keine Menschen gefährdet werden. Innerhalb der Bewegung gibt es verschiedene Sichtweisen auf den Gewaltbegriff: Manche sehen in reinen Sachbeschädigungen keine Gewalt; manche bezeichnen den Betrieb der Atomanlagen mitsamt ihren Risiken oder auch den Aufmarsch Tausender Polizisten bei Atomtransporten als Gewalt bzw. setzen diese in Relation zueinander. Es herrscht ein breiter Konsens in der Bewegung, dass Gewalt gegen Menschen ausgeschlossen ist.

Protestformen

Die Protestformen der Anti-Atomkraft-Bewegung sind sehr unterschiedlich. Innerhalb der Bewegung gibt es einen von weiten Teilen getragenen Konsens, der besagt, dass Aktionen keine Menschen gefährden und keine unverhältnismäßigen Umweltschäden anrichten dürfen.

1977 wurde die Intitiative Stromgeldboykott (StroBo) gestartet, eine Protestaktion an der sich 1981 rund 5.000 Haushalte beteiligten. Die Teilnehmer des Stromgeldboykotts behielten aus Protest gegen die Nutzung der Kernenergie bei der Zahlung ihrer Stromrechnungen den 10 prozentigen Anteil ein, der von den Elektrizitätswerken anteilsmäßig zum Ausbau der Kernenergie verwandt wurde. Damit sollte eine Veränderung der Energiepolitik herbeigeführt werden. Die einbehaltenden Beträge wurden auf ein Treuhandkonto gezahlt und sollten zur Finanzierung alternativer Energieprojekte benutzt werden. Die Elektrizitätswerke reagierten zunächst nicht auf diese Aktion, sind dann aber übergegangen den Strom abzustellen und die Fehlbeträge einzuklagen.[4]

Angemeldete Demonstrationen werden von der Presse und Öffentlichkeit oft nur noch beachtet, wenn sie mehrere tausend Teilnehmer zusammenbringen, oder durch Auseinandersetzungen mit Verletzten oder sonstige besondere Ereignisse Aufmerksamkeit erregen. Eine besondere Form von Demonstrationen sind Menschenketten, beispielsweise die „KETTENreAKTION“ im April 2010 mit über 100.000 Teilnehmern.

Viele Atomkraftgegner betreuen Infotische. Diese werden jedoch von der Presse und Öffentlichkeit kaum mehr beachtet.

Besetzungen spielten sehr lange eine große Bedeutung und führten in der Folge zu massiven Auseinandersetzungen, in deren Verlauf (Brokdorf, Grohnde, Kalkar) zahlreiche Atomkraftgegner kriminalisiert wurden.

In Deutschland kann seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 jeder Kunde seinen Stromanbieter selbst auswählen. Durch Wechsel zu einem Anbieter, der seinen Strom nicht aus Atomkraftwerken bezieht, kann ohne großen Aufwand gegen diese Energieform protestiert werden. Alle großen Umweltverbände in Deutschland unterstützen dies im Rahmen der Kampagne „Atomausstieg selber machen“.[5]

Häufig werden Atomtransporte oder Atomanlagen blockiert. Dabei kommt es zu großen Sitzblockaden mit mehreren tausend Personen, die sich auf das Prinzip der Gewaltlosigkeit berufen und auch das Anketten des eigenen Körpers einschließen können (zum Beispiel von Robin Wood). Diese Form des Protestes wird von den Aktivisten als „ziviler Ungehorsam“ bezeichnet. In Deutschland hat das Mutlangenurteil hier hohe Bedeutung, welches bei einer Sitzblockade feststellte, dass sie keine Nötigung (und damit keine Straftat) war, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt. In Österreich gab es etwa wegen des Kernkraftwerks Temelín Grenzblockaden gegenüber Tschechien. Kritiker aus der Bewegung sehen solche Maßnahmen als nationalistisch an. Positionen, die Blockaden gegenüber einem „autonomen“ Staat als nicht gerechtfertigt ansehen, werden in der Anti-Atomkraft-Bewegung nicht geteilt. In Frankreich kam es im November 2004 bei einer Blockadeaktion zu einem tödlichen Unfall. Einem Aktivisten wurde von dem durchfahrenden Transportzug ein Bein abgetrennt. Der 21-Jährige Sébastien Briat erlag wenig später seinen Verletzungen.

Vereinzelt kommt es auch zu Sabotage, beispielsweise von Gleis- oder Signalanlagen der Bahn. Auch die Beschädigung von Oberleitungen durch Hakenkrallen zählte zu dieser Art des Protestes. Nachdem dabei ein Lokführer leicht verletzt wurde, hat diese strafrechtlich als „schwerer Eingriff in den Schienenverkehr“ verfolgbare Aktionsform allerdings an Bedeutung verloren. Für die CASTOR-Transporte 2010 rufen einige Gruppen aus dem Spektrum der Anti-Atom-Bewegung dazu auf, aus den Gleisanlagen massenhaft den Schotter zu entfernen, also die Gleise zu unterhöhlen und sie damit unbefahrbar zu machen. Vereinzelt kommt es im Rahmen der Proteste auch zu Gewalttaten gegenüber der Polizei.

Mit spontanen Aktionen (Flashmob, Straßentheater, Aktionskunst, Happening, etc.) werden in Fussgängerzonen und auf anderen belebten Plätzen oder auf Grossveranstaltungen Bürger mit der Problematik atomarer Strahlung konfrontiert. Manchmal werden Fernsehveranstaltungen gestürmt, um in einer laufenden Übertragung eine große Öffentlichkeit zu erreichen.

Symbole und Slogans

 
Gelbes „X“ als Symbol des Widerstandes

Das Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung ist eine lachende, traditionell rote Sonne, meist auf gelbem Grund. Es gibt verschiedene Variationen, beispielsweise mit kämpferisch erhobener Faust oder vermummtem Gesicht. Häufig ist die Sonne mit dem Slogan „Atomkraft? Nein Danke!“ in verschiedenen Sprachen verbunden. Dieses Symbol hat seine Wurzeln in der dänischen Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre[6] und hat sich weltweit durchgesetzt.

Auch die gelben Regenmäntel (Friesennerz) waren als praktische Bekleidung für Demonstrationen ein Symbol der Anti-AKW-Bewegung.[7]

Das Symbol des Widerstands gegen Castor-Transporte ist ein (meist gelbes) X. Dieses Symbol ist jünger. Es hat seinen Ursprung in der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung.

Das Wappen der sogenannten Republik Freies Wendland, einem Hüttendorf in der Nähe von Gorleben, zeigte eine achtstrahlige orange Sonne auf dunkelgrünem Grund.

Während der Castor-Transporte nach Gorleben sendet zeitweise der Hörfunksender Radio Freies Wendland im Nordosten Niedersachsens sowie als Internetradio.

Geschichte

Die Anti-Atomkraft-Bewegung wurde in den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre zur stärksten Bürgerrechtsbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht zuletzt ihr Einsatz führte schließlich zu Gesetzen über einen allmählichen Ausstieg aus der Atomenergie. Gründung und Wahlerfolge der Partei Die Grünen gehen europaweit, insbesondere aber in Deutschland, auch auf die Verwurzelung ihrer Mitglieder und Wähler in der Anti-Atomkraft-Bewegung zurück.

In den 1960er Jahren war die Forschung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie gesellschaftlich weitgehend akzeptiert; Kernkraftwerke wurden in Deutschland wie weltweit als sichere, wirtschaftliche und umweltfreundliche Möglichkeiten zur Bewältigung des Energieproblems propagiert. Die schon damals vorhandenen kritischen Stimmen wurden in der Öffentlichkeit weit weniger wahrgenommen als in den folgenden Jahrzehnten.

Bundesrepublik Deutschland

 
AKW-Gegner bei einer Demonstration 1980 in Saarbrücken

Im Anschluss an die Ölkrise 1973 plante die deutsche Bundesregierung einen schnellen Ausbau der Atomenergie, um den erwarteten Energiebedarf zu sichern.

Zu ersten großen Protestaktionen in Deutschland kam es ab 1975 auf dem Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks in der badischen Gemeinde Wyhl. Der Bauplatz wurde am 18. Februar 1975, dem Tag nach Beginn der Bauarbeiten, von Atomkraftgegnern besetzt, aber wenige Tage später von der Polizei zunächst wieder geräumt. Nach einer Kundgebung am 23. Februar kam es zu einer zweiten Besetzung des Bauplatzes, die über acht Monate andauern sollte. Der Bau des Kernkraftwerks Wyhl wurde durch die Aktionen und die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen schließlich verhindert. Die Aktion wurde zum Vorbild für Proteste gegen weitere Atomanlagen; prominenteste Beispiele sind der Widerstand gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf ab 1976, den „Schnellen Brüter“ in Kalkar 1977, den Bau des Kernkraftwerks Grohnde und gegen die Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf ab 1985. Während in Brokdorf nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mehreren tausend Demonstranten und der Polizei das Atomkraftwerk schließlich gebaut wurde (Netzbetrieb ab 1986), war der Bau der Wiederaufbereitungsanlage nach Großdemonstrationen mit mehr als 100.000 Teilnehmern politisch nicht mehr durchzusetzen.

Nach dem Wahlerfolg der rot-grünen Koalition auf Bundesebene in Deutschland 1998 verhandelte die Regierung mit den Energieversorgungsunternehmen mit dem Ziel, den allmählichen Ausstieg aus der Kernkraftnutzung politisch herbei zu führen (Atomkonsens). Für die Anti-Atomkraft-Bewegung bedeutete dies zunächst, dass sie als Bürgerbewegung an Kraft verlor. Eine Renaissance erlebt die Bewegung seit Mitte der 1990er Jahre im Widerstand gegen die Rückführung von Brennelementen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben, den Atommülltransporten mit den Castor-Transportbehältern.

Zur Akzeptanz der Bewegung trugen öffentlich diskutierte Störfälle in kerntechnischen Anlagen (vgl. dazu die Liste der Unfälle in kerntechnischen Anlagen), insbesondere die schweren Unfälle in Atomkraftwerken in den USA 1979 (im Kernkraftwerk Three Mile Island) und in der damaligen Sowjetunion 1986 („Katastrophe von Tschernobyl“ im Kernkraftwerk Tschernobyl) maßgeblich bei.

Am 5. September 2009 fand in Berlin mit 50.000 Teilnehmern die größte Anti-Atomkraft-Demonstration seit Jahren statt. Die Demonstration stand unter dem Motto „Mal richtig abschalten - Atomkraft? Nein danke!“ und sollte im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 für den geplanten Atomausstieg werben.[8] Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP nach der Bundestagswahl 2009 wurden von Protesten der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung begleitet. Der Auftakt dazu stand unter dem Motto „Warmlaufen für den Widerstand“ und richteten sich gegen die mögliche Abkehr einer neuen Regierung vom Ausstieg aus der Kernenergie.[9] Es folgte eine von der Organisation .ausgestrahlt organisierte „Belagerung“ der Koalitionsverhandlungen.[10]

 
Auftakt der Demonstration in Berlin am 18. September 2010

Am 24. April 2010 bildeten etwa 120.000 Menschen eine Kette zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel. Zeitgleich fand am Atomkraftwerk Biblis eine weitere Demonstration mit 20.000 Teilnehmern statt, bei der eine symbolische Umzingelung des Kraftwerks durchgeführt wurde. Die Teilnehmer demonstrierten auf diese Weise gegen die Pläne der Bundesregierung, den Ausstieg aus der Atomenergie auf unbestimmte Zeit zu verlängern.[11][12]

Die Anti-Atomkraft-Kundgebung in Berlin vom 18. September 2010 übertraf mit bis zu 100.000 Teilnehmern die Berliner Demonstration vom Vorjahr deutlich. Die Veranstaltung richtete sich insbesondere gegen die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke.[13]

Am 28. Oktober 2010 beschloss der Bundestag über eine weitere Laufzeitverlängerung beziehungsweise über die Rücknahme der bereits vereinbarten terminierten Abschaltung der Atomkraftwerke. Dagegen läuft eine Petition im Bundestag[14] und eine Unterschriftensammlung.[15]

 
Atomkraftgegner im Wendland am 6. November 2010

Zwischen dem 4. und 9. November 2010 fand ein weiterer Castor-Transport von Le Hague nach Gorleben statt. Dagegen richteten sich Aktionen unter dem Motto Castor schottern, bei denen in einer Aktion zivilen Ungehorsams illegal Steine aus dem Gleisbett der Strecke im Wendland entfernt werden sollten, um die Bahnstrecke für den Transport unbrauchbar zu machen).[16] Auch fand am 6. November in Dannenberg die Grossdemonstration X-tausendmal quer statt, an der 20.000 bis 50.000 Menschen teilnahmen. Eine weitere größere Aktion war eine Sitzblockade am 7. November in Gorleben. Außerdem waren für die Demonstrationsteilnehmer Camps ab dem 4. November eingerichtet.[17]

Am 12. März 2011 bildeten 60.000 Atomkraftgegner eine 45 Kilometer lange Menschenkette von der Villa Reitzenstein, dem Amtssitz des Staatsministeriums Baden-Württemberg bis zum Kernkraftwerk Neckarwestheim, um gegen die Energiepolitik der Bundesregierung zu protestieren.[18] Auch wenn diese Menschenkette schon länger geplant war, erlangte sie einen Tag nach dem Tōhoku-Erdbeben und den darauffolgenden schweren Nuklearunfällen von Fukushima-Daiichi besondere Bedeutung.

Deutsche Demokratische Republik

 
Demonstration gegen das Kernkraftwerk Greifswald in der DDR, 1990

Initiativen gab es gegen das Kernkraftwerk Rheinsberg und den Bau des Kernkraftwerks Stendal.

Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen erwirkten eine Beendigung des Probebetriebs von Block 5 im Kernkraftwerk Greifswald im November 1989.

Österreich

In Österreich kulminierte 1978 der Widerstand der Anti-Atomkraft-Bewegung gegen kerntechnische Anlagen in einem knapp erfolgreichen Volksentscheid gegen die Inbetriebnahme des bereits fertig gestellten Kernkraftwerks Zwentendorf. Der Volksentscheid führte vorerst 1978 zum einfachen Atomsperrgesetz und über verschiedene gesetzgeberische Initiativen schließlich 1999 zur Verabschiedung des Bundesverfassungsgesetzes für ein atomfreies Österreich, demnach die Nutzung der Atomkraft zur Energiegewinnung in Österreich untersagt ist. Auch danach gab es immer wieder Proteste gegen Atomkraftwerke in grenznahen Gebieten der Nachbarländer, wie etwa das AKW Temelín in Tschechien oder Mochovce in der Slowakei.

Schweiz

In der Schweiz entstanden um 1970 die ersten Anti-AKW-Bewegungen. Sie besetzten 1975 das Gelände des geplanten AKW Kaiseraugst AG.

Am Pfingstmontag 2010 demonstrierten 4.500 Menschen gegen den Bau neuer Atomkraftwerke.[19]

Japan

In Japan kämpft die Anti-Atomkraft-Bewegung gegen die Errichtung eines Atommeilers in Maki und gewann 1996 eine Volksbefragung.[20][21]

Bekannte Atomkraftgegner

Personen

  • Robert Jungk, Autor und Träger des Alternativen Nobelpreises, prägte den Begriff Atomstaat.
  • David McTaggart, Greenpeace-Aktivist, leitete die ersten Proteste gegen französische Atombombentests im Süd-Pazifik.
  • Walther Soyka, als Anti-Atom-Pionier bekannt, gilt als Vater der Volksabstimmung gegen das geplante österreichische Atomkraftwerk Zwentendorf (ab 1969). Ab Nov. 1972 Lehrbeauftragter an der Uni Bremen, führte er rund dreitausend Prozesse (Sammelklagen) gegen die bundesdeutsche Atomindustrie: Bauverzögerungen, Bauverhinderungen und für die Atomlobby ein finanzieller Schaden in Milliardenhöhe sind – neben der Verhinderung des AKW Zwentendorf – Soykas große Erfolge.
  • Walter Mossmann war ab 1974 in der Bewegung gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl aktiv und wurde nicht nur mit seinen von der Bewegung aufgegriffenen Liedern zu einem wichtigen Multiplikator.
  • Hartmut Gründler erzwang 1975 in Wyhl durch einen seiner Hungerstreiks den Bürgerdialog Kernenergie, nutzte eine besondere Technik vernetzter Kommunikation und starb 1977 durch Selbstverbrennung aus Protest gegen die „unredliche“ Atomenergiepolitik der Regierung Schmidt/Genscher.
  • Berthold Budell, ehemaliger saarländischer Umweltminister (CDU) gründete nach der Atomreaktorkatastrophe in Tschernobyl zusammen mit dem Fernsehjournalisten Franz Alt den „Bundesverband christliche Demokraten gegen Atomkraft (CDAK), CDU/CSU - Mitglieder für die Überwindung der Kernenergie“ mit Sitz im Mainz.
  • Klaus Traube war Atomkraftmanager und wurde später Gegner der zivilen Atomenergienutzung.
  • Wolf Maahn, Musiker, der zusammen mit anderen Künstlern mit dem von vielen Radiosendern boykottiertem Lied Tschernobyl (Das letzte Signal) Stellung gegen Atomkraft bezog
  • Hans-Josef Fell, Grünen-Politiker, erhielt 2001 den Nuclear-Free-Future-Award u. a. für seinen Einsatz für Erneuerbare Energien
  • Josef Maas führte den Widerstand gegen den Schnellen Brüter in Kalkar an. Bekannt als „Bauer Maas“, wurde er Ende der 1970er Jahre zu einer Symbolfigur der jungen ökologischen Bewegung in Deutschland.
  • Peter Weish war maßgeblich am Zustandekommen der Volksabstimmung in Österreich gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf beteiligt.
  • Freda Meissner-Blau war ebenso daran beteiligt und wurde anschließend die erste Vorsitzende der Grünen in Österreich.
  • Thomas Wüppesahl, Bundestagsabgeordneter und Mitbegründer der Anti-Atomkraft-Bewegung in Geesthacht-Krümmel.

Organisationen

Da die Anti-Atomkraft-Bewegung in erster Linie aus einer Vielzahl kleinerer Organisationen besteht[22], ist die folgende Übersicht unvollständig und benennt nur einige der bekannten Nichtregierungsorganisationen.

  • Die Organisation .ausgestrahlt startete im Herbst 2008, um unorganisierten Atomkraftgegnern eine Plattform zu schaffen und örtliche Gruppen zu vernetzen. Mit einem gedruckten Rundbrief und als Mitveranstalter der bundesweiten Demonstration am 5. September 2009 erlangte sie große Bekanntheit.
  • Der BBU (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V.) umfasste Mitte der 1970er Jahre, nach dem gewaltlosen Kampf um das AKW Wyhl, bis zu 600 westdeutsche Bürgerinitiativen (einschließlich der Badisch-Elsässischen), von denen ein Großteil sich vorrangig im Kampf gegen die Nutzung der Atomenergie engagierte.
  • Der BUND tritt ebenfalls im Anti-Atom-Bereich als NGO häufig auf.
  • Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ist eine der Konstanten im Widerstand gegen Atomenergie. Obwohl sie nicht bundesweit organisiert ist, wurde sie durch die Aktionen um das geplante Endlager Gorleben bundesweit bekannt.
  • Global 2000 aus Österreich kämpft seit über 20 Jahren gegen Atomenergie. Im Gedenkjahr 20 Jahre Tschernobyl 2006 startet GLOBAL 2000 mit über 150 Organisationen Petition 1 Million Europäer gegen Atomkraft.
  • Greenpeace hat sich 1971 gegründet, um gegen Atombombentests zu protestieren.
  • Bundesverband Christliche Demokraten gegen Atomkraft (CDAK), organisierte Atomkraftgegner in der Union, die darauf spezialisiert sind, volkswirtschaftlich gegen die Atomenergie zu argumentieren.
  • IPPNW; Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, haben 1985 für ihr Engagement den Friedensnobelpreis erhalten.
  • Der NABU als größter deutscher Natur- und Umweltschutzverband sowie seine Jugendorganisation NAJU setzen sich vor allem politisch für ein Ende der Atomkraft ein.
  • Robin Wood: Vier Aktivisten von Robin Wood hatten sich 2003 ins Gleisbett betoniert; der Atommüll-Transportzug nach Gorleben musste erstmals zurückfahren.
  • X-tausendmal quer ist maßgeblich an den Protesten gegen die Castortransporte nach Gorleben beteiligt
  • Franz Moll-Stiftung für die kommenden Generationen hat sich zum Ziel gesetzt, das Ende des Atomzeitalters herbeizuführen. Verleiht den Nuclear-Free Future Award - laut taz „der wichtigste Anti-Atompreis der Welt“.
  • Teilweise bestehen personelle und inhaltliche Überschneidungen mit der Autonomen Szene.

Literatur

  • Greg Barton & Jennifer Smith: Anti-Nuclear Movement (American Social Movements). Greenhaven Press, 2002. ISBN 9780737711516.
  • Jane I. Dawson: Eco-Nationalism: Anti-Nuclear Activism and National Identity in Russia, Lithuania, and Ukraine. Duke University Press, 1996. ISBN 0822318318.
  • Michael D. Mehta: Risky Business: Nuclear Power and Public Protest in Canada, Lanham: Lexington Books 2005, ISBN 978-0739109106.
  • Jochen Roose: Der endlose Streit um die Atomenergie. Konflikt­soziologische Untersuchung einer dauerhaften Auseinandersetzung. In: Peter Henning Feindt/Thomas Saretzki (Hg.): Umwelt- und Technikkonflikte. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010. S. 79-103.
Commons: Anti-Atomkraft-Bewegung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ziele und Geschichte der Anti-AKW-Bewegung der Schweiz
  2. http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/44889.php
  3. Sendung Panorama vom 22. Juli 2010
  4. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14317466.html
  5. Atomausstieg selber machen
  6. http://www.smilingsun.org/
  7. Die Tageszeitung, 28. Oktober 2006: Das Symbol Brokdorf. Abgerufen am 6. November 2010.
  8. „Es geht wieder los“, Artikel aus der taz vom 7. September 2009
  9. Wir-Klimaretter.de: „Laufen gegen Atomkraft“ Artikel vom 5. Oktober 2009
  10. Die Zeit: „Krawall war gestern“ Artikel vom 24. Oktober 2009
  11. Atomkraftgegner bilden 120 Kilometer lange Menschenkette. In: Reuters. 25. April 2010, abgerufen am 25. April 2010.
  12. Wiesbadener Kurier: „20.000 Teilnehmer bei der Demo gegen Atomkraft in Biblis“ Artikel vom 25. April 2010
  13. tagesschau.de: Zehntausende umzingeln das Regierungsviertel, Meldung vom 18. September 2010
  14. Petition an den Bundestag „gegen eine Laufzeitverlängerung in Deutschland“ 11.2010
  15. Unterschriftensammlung für „Atomausstieg jetzt“
  16. www.Castor-schottern.org - eine Aktion zivilen Ungehorsams 11.2010
  17. Camp, Grossdemo, Sitzblockade: 4.-7. November 2010 www.X-tausendmalquer.de
  18. Zahl der Teilnehmer übertrifft alle Erwartungen Frankfurter Rundschau, 12. März 2011
  19. Von Aarau nach Olten gegen den Atomstrom. (online)
  20. Greenpeace-Magazin (online)
  21. Berliner Zeitung (online)
  22. Anti-Atom-Community Übersichtskarte