Charles E. Dederich
Charles Edwin Dederich, genannt Chuck (*22. März 1913 in Toledo, Ohio; † 28. Februar 1997 in Visalia, Kalifornien) war der Gründer von Synanon, einer Selbsthilfeorganisation für drogenabhängige Menschen.
Leben
Seine Familie war republikanisch, konservativ und römisch katholisch. Sein Vater Edwin Dederich hatte deutsche Vorfahren. Er war Alkoholiker und starb bei einem Verkehrsunfall, als Chuck 4 Jahre alt war. Mit im Auto war eine "fremde Frau". Ein Bruder starb als Chuck 8 Jahre alt war. Chucks Mutter Agnes, geborene Kountz, kam aus gutem Hause. Ihr Vater hatte im Bürgerkrieg ein Bein verloren und war hoch dekoriert worden. Sie hatte Musik studiert und war als klassische Sängerin ausgebildet. Nach dem Tod ihres Mannes war sie auf Unterstützung ihres Bruders angewiesen und darauf, mit Konzerten Geld hinzu zu verdienen. Chuck fühlte sich zunehmend überfordert als Vaterersatz für seinen Bruder und als Gesprächspartner seiner Mutter. Sie pflegte bis spät in der Nacht mit ihm in der Küche zu sitzen, man aß und redete.
Chuck war 12 als seine Mutter wieder heiratete, den wohlhabenden Junggesellen des Ortes. Schon bald rebellierte er gegen den Stiefvater, der ihm seine Mutter weggenommen hatte. Seine Schulleistungen wurden schlecht, er trieb sich mit den falschen Leuten herum, den sozialistischen, progressiven, unreligiösen und begann Alkohol zu trinken. Nach der High School war er 1½ Jahre an der Notre Dame Universität und verließ sie wegen schlechter Leistungen. Später arbeitete er 9 Jahre in der Verwaltung der Gulf Refining Company in Toledo. Sein Alkoholkonsum stieg.
1936 heiratete er eine geschiedene Frau, ein Affront für seine katholische Umgebung. Aus dieser Ehe stammt sein Sohn Dede. Sein Trinken in der Zeit nennt Chuck "gemäßigt". 1942 erkrankte er an Meningitis und geriet in sehr kritischen Zustand. Er war einer der ersten Zivilisten, die mit Penicillin behandelt wurden und vermutete, das habe sein Leben gerettet. Es blieben jedoch ein taubes rechtes Ohr, die Lähmung der rechten Gesichtshälfte, ein Tic und ein halb geschlossenes rechtes Auge. Auch ein Teil seines Gedächtnisses fehlte und Gefühle. Er begann, heftig zu trinken. 1943 verließ er seine Frau und den Sohn und machte sich auf zur Westküste um dort "im Warmen zu sterben". Er lernte in Kalifornien Ruth kennen, sie heirateten 1948 und 2 Jahre danach kam seine Tochter Jady zur Welt. Er arbeitete bei Douglas Aircraft, verlor den Job wegen seines Trinkens. Das kleine Erbe nach dem Tod seiner Mutter hielt nicht lange vor. Sein inzwischen halbwüchsiger Sohn Dede kam zu ihm, sie kamen nicht zurecht und Chuck war erleichtert, als Dede zur Armee eingezogen wurde und dort einen Beruf erlernte. Dann hatte seine zweite Frau endgültig genug von ihrem heftig trinkenden Ehemann mit nur gelegentlicher Arbeit und warf ihn hinaus.
Am 14. Mai 1956 ging Chuck zu den Anonymen Alkoholikern (AA) und hörte mit ihrem Programm auf zu trinken. Er war 43 Jahre alt, ohne Geld und Arbeit. Bei den AA wurde er sehr aktiv, besuchte möglichst viele ihrer meetings und kümmerte sich um andere Alkoholiker. Er lebte von gelegentlichen Jobs und mit Hilfe von Freunden. Bei den AA wurde er ein bekannter und auch gefürchteter Redner. Später sagte er einmal: "Ich sage es mit aller Bescheidenheit, deren ich fähig bin, und die ist nicht sehr groß, aber wenn ich mich hinsetze und zu reden anfange, dann versammeln sich Leute um mich. Es ist unvermeidlich. Egal wo ich das tue, es passiert einfach. Ich kann es nicht aufhalten." Im August 1957 nahm Chuck an einem kontrollierten Experiment mit LSD der Universität von Los Angeles teil und durchlebte heftige Gefühle und viele verschüttete Erinnerungen an seine Kindheit. Danach fühlte er sich viel lebendiger. Mit der Gruppe von AAs um ihn hatte Chuck einen Laden gemietet. Man traf sich dort, hörte Musik und freute sich des Lebens. Am Fenster standen, auch zur Verwirrung der Passanten, die Mottos TLC - für tender loving care - und DVO - für deep vaginal orgasm. Beide und viele andere Themen wurden lebhaft diskutiert. Es gab nur 2 Regeln: -keine Substanzen, die das Bewusstsein verändern und -keine körperliche Gewalt oder Drohung damit.
Hier geschah, was später als "das Wunder am Strand von Santa Monica" bezeichnet werden und Chuck brühmt machen sollte: der erste Drogensüchtige fand sich in diesem Club ein und blieb freiwillig nüchtern. Bis dahin galten Drogensüchtige als hoffnungslos, nicht behandelbar und nur mit Zwang daran zu hindern, Drogen zu nehmen und auch das nur, solange der Zwang anhielt. Chuck erkannte, daß er auf etwas Wichtiges und Neues gestoßen war, auf etwas bis dahin als unmöglich Angesehenes. Er entschied sich dafür, diese Entdeckung mit ganzer Kraft zu verfolgen. Am 18. September 1958 wurde Synanon Incorporated in Santa Monica eingetragen. Von hier an bis zum Ende von Synanon Incorporated in 1991 blieb Chuck eng mit Synanon verbunden. Er blieb ihr Kopf und ihr Ideengeber.
1959 war die schwarze Betty Coleman zu Synanon gekommen. Sie war 1922 geboren und in ihrer wohlhabenden Großfamilie mit Großeltern, Tanten und Onkeln groß geworden. Eigentlich hatte sie Lehrerin werden sollen, zog es aber vor, mit 17 einen reichen homosexuellen Schauspielagenten zu heiraten und in Hollywood ein glamouröses Leben zu führen. 3 Jahre später war sie Witwe. 1947 wurde sie ein zweites mal Witwe. Sie begann Drogen zu nehmen. Als sie 12 Jahre später zu Synanon kam hatte sie eine Karriere mit Heroinsucht, Kriminalität, Gefängnisaufenthalten und Prostitution hinter sich. Chuck und Betty heirateten 1963. Am 19. April 1977 starb Betty in Synanon an Lungenkrebs und ließ den tief erschütterten Chuck zurück. Nachdem er sich etwas von diesem Schlag des Schicksals erholt hatte heiratete Chuck im selben Jahr Ginny, geborene Schorin, eine Lehrerin in Synanon.
1978 bei einem Aufenthalt in Europa begann Chuck, wieder Alkohol zu trinken. Zurück in den USA wurden ihm in depressiven Phasen Psychopharmaka verordnet. Hinzu kamen mehrere Infarkte in den 1980er Jahren. Nachdem Synanon 1991 in Konkurs gegangen war, lebte er mit seiner vierten Frau Ginny und verbliebenen Freunden in Visalia, Kalifornien. Dort starb er 83 Jahre alt am 28. Februar 1997 im Kaweah Delta Hospital.
Quellen
- Daniel Casriel, So fair a House: the story of Synanon, Prentice-Hall Inc. 1963
- David U. Gerstel, Paradise Incorporated: Synanon, Presidio Press, 1982
- Rod Janzen, The Rise and Fall of Synanon, The John Hoplins University Press, 2001
- Nachruf, The New York Times, 4. März 1997
Personendaten | |
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NAME | Dederich, Charles E. |
ALTERNATIVNAMEN | Dederich, Charles Edwin (vollständiger Name); Dederich, Chuck (Spitzname) |
KURZBESCHREIBUNG | Gründer von Synanon, einer Selbsthilfeorganisation für drogenabhängige Menschen |
GEBURTSDATUM | 22. März 1913 |
GEBURTSORT | Toledo, Ohio |
STERBEDATUM | 28. Februar 1997 |
STERBEORT | Visalia, Kalifornien |