Nancy Cartwright (Philosophin)

US-amerikanische Philosophin
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Nancy Cartwright (* 1943) ist Amerikanerin und eine der bedeutesten Wissenschaftstheoretikerinnen der Gegenwart.

Biographie

Cartwright studiere Mathematik an der Universität Pittsburgh (Abschluss 1966) und promovierte 1971 an der Universität Illinois in Chicago mit der Arbeit "Philosophical Analysis of the Concept of Mixture in Quantum Mechanics".

Cartwright ist Professorin für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der London School of Economics und an der Universität von Californien (San Diego). Sie forscht über Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftstheorie, Wirtschaft und Physik. Ihr spezielles Interesse gilt der Kausalitätstheorie und der Frage nach der Objektivität von Wissenschaften.

Cartwright wird zusammen mit John Dupre, Ian Hacking und Patrick Suppes der Stanford Schule in der Wissenschaftstheorie zugerechtet. Diese eint der kritische Umgang mit dem reduktionistischen Ideal der Einheitswissenschaft.

Werk

In ihrem Hauptwerk mit dem provokativen Titel How the Laws of Physics Lie unterscheidet Cartwright zwischen theoretischen bzw. fundamentalen und phänomenologischen (i.e. empirischen) Gesetzen. Erstere sind explanatorisch, letztere deskriptiv. Cartwright behauptet, dass fundamentale Gesetze nur auf Kosten ihrer empirischen Adäquatheit explanatorisch sind.

Cartwright argumentiert, dass theoretische Gesetze der Physik falsch sind und, dass die wahre Beschreibung irgendeines physikalischen Systems keine verallgemeinerten Gesetze beinhalten wird. Nach ihrer Argumentation sind spezielle und weniger fundamentale Gesetze notwendig, um das Universum vollständig zu beschreiben. Als Beispiel zitiert sie Newton Gravitationsgesetz, welches ein ideales Gesetz ist, um die Anziehungskraft zwischen zwei voneinander getrennten Massen zu beschreiben. Nach Cartwright hat dieses "Gesetz" das Problem, dass dieser ideale Zustand, in dem nur Gravitationskräfte zwischen zwei Massen wirken, nie erfüllt ist. Daher kann das Gesetz nur unter besonderen - und nicht vorhandenen - Bedingungen wahr sein.

Cartwright ist, ebenso wie Ian Hacking, Entitätsrealist. Obwohl sie den Glauben an die Wahrheit theoretischer Gesetze kritisiert, unterhält sie einen Glauben an die Wahrheit solcher Entitäten, die durch eine kausal plausible Erklärung von phänomenologischen Gesetzen angenommen werden können. Cartwright ist kein Empirist, da sie bloss assoziative Verknüpfungen von Wahrnehmungseindrücken für Erklärungen unzureichend hält. Carwright verteidigt also Kausalität, aber nur im Fall von phänomenologischen Gesetze.

Cartwright verwirft das klassische deduktiv-nomologische Erklärungsmodell und ersetzt es durch ihr sog. Simulacrum-Erklärungsmodell. Dieses besagt, dass Phänomene erklärt werden, indem ein Modell für sie konstruiert wird, welches die Phänomene der Theorie "anpassen".

To explain a phenomenon is to find a model that fits it into the basic framework of the theory and that thus allows us to derive analogues for the messy and complicated phenomenological laws which are true of it. (Cartwright 1983, 152)

Ein "Simulacrum" steht für etwas, das die gleiche Form oder Erscheinung besitzt, wie ein bestimmtes Ding, aber nicht dieselbe Substanz, oder die korrekten Eigenschaften. Die der Theorie "angepassten" Phänomene sind also nicht die wahren, sondern verfälschte Phänomene.

This is just what I have been urging that models in physics are like. Is a helium-neon laser really a van der Pol oscillator? Well, it is really a mix of helium and neon atoms, in about the ratio nine to one, enclosed in a cavity with smooth walls and relfecting mirros at both ends, and hooked up to a device to pump the neon atoms into their excited state. It is not literally a triode oscillator in a D.C. circuit. (ibid., 153)

Die "Substanz" des untersuchten physikalischen Systems (Helium-Neon Laser als "Mix" von Helium und Neon Atomen ...) bleibt also bei der modelltheoretischen Betrachtung aussen vor. Gewissermassen die "Form" des physikalischen Systems kann als ein Oszillator behandelt werden.


Publikationen

  • How the laws of physics lie, 1983
  • Nature's capacities and their measurement, 1989
  • (mit Jordi Cat, Lola Fleck, Thomas Uebel): Otto Neurath, philosophy between science and politics, 1996
  • The dappled world, 1999